Nierenagenesie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Nierenagenesie ist die fehlende Embryoanalentwicklung von einer oder beiden Nierenanlagen. Unilaterale Nierenagenesien sind meist symptomlos und beeinträchtigen das Leben nicht, wohingegen bilaterale Formen meist letal verlaufen. Bei bilateralen Agenesien ist die Nierentransplantation die einzig wirksame Therapie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Nierenagenesie?

Die Diagnose einer Nierenagenesie erfolgt in der Regel pränatal anhand der Sonographie. Wenn die unilaterale Fehlentwicklung erst postnatal festgestellt wird, handelt es sich meist um einen sonographischen Zufallsbefund, da die Patienten asymptomatisch sind.
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Bei der Embryogenese entwickeln sich an einem gesunden Embryo stückweise die Nieren. Diese Entwicklung erfolgt auf Basis des intermediären Mesoderms und beinhaltet die getrennte Anlage der Vornieren, Urnieren und Nachnieren. Die einzelnen Entwicklungsschritte sind hochkomplex. In der Frühembryonalentwicklung werden nacheinander drei Nieren angelegt. Die zuletzt ausgebildete übernimmt die Nierenfunktion, während sich die beiden anderen Anlagen wieder zurückbilden oder in den Urogenitaltrakt eingearbeitet werden.

Die Entwicklung zieht sich vom 22. Schwangerschaftstag aus etwa bis zur fünften Schwangerschaftswoche. Wenn während der fetalen Nierenentwicklung ein Fehler auftritt, kann das eine Nierenagenesie verursachen. Bei einer solchen Nierenagenesie bleibt die Entwicklung von einer oder sogar beiden Nieren aus. Wenn nur eine Niere betroffen ist, spricht der Mediziner von einer unilateralen Nierenagenesie. Sind beide Nieren betroffen, liegt eine bilaterale Nierenagenesie vor. Zuweilen ist dann auch von einer Anephrie die Rede, die in der Regel letal ist.

Ursachen

Die Ursachen einer Nierenagenesie liegen in der Embryogenese. Die Nierenanlagen werden bis zur fünften Schwangerschaftswoche entweder nur fehlerhaft oder überhaupt nicht ausdifferenziert. Die Nierenagenesie wurde bislang bei etwa einem aus 800 bis 1100 Lebendgeborenen festgestellt. Jungen waren häufiger betroffen als Mädchen. Eine familiäre Häufung konnte nicht festgestellt werden. Vermutlich stehen also keine genetischen Dispositionen mit dem Phänomen in Zusammenhang.

Damit lässt sich die Nierenagenesie wahrscheinlich nicht weitervererben. Statt auf genetische Ursachen geht die fehlende Ausbildung einer oder beider Nieren auf eine Fehlentwicklung des primitiven Harnleiters zurück. Auch das metanephrogene Blastem der Betroffenen ist von einer Fehlentwicklung betroffen, die mit der Agenesie in ebenso ursächlichem Zusammenhang steht. Wodurch die Fehlentwicklungen des Harnleiters und des Blastems im Einzelnen ausgelöst werden, ist nicht abschließend geklärt. Über spontane Genmutationen durch Umweltgifte wird momentan spekuliert.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das unilaterale Fehlen der Nieren wird noch bei der Nierenentwicklung in der Regel durch die vergrößerte Anlage der zweiten Niere kompensiert. Klinisch müssen sich bei einseitig fehlenden Nierenanlagen also keinerlei Symptome zeigen, solange die zweite Niere voll funktionsfähig ist. Begleitende Fehlbildungen der harnableitenden Organe kommen vor, so sowohl solche der Blase, als auch der Ureter.

Unter Umständen können auch rezidivierende Harnwegsinfektionen auftreten, mit denen die Fehlbildungen in ursächlichem Zusammenhang stehen. Auch die bilaterale Nierenagenesie geht in der Regel mit weiteren Fehlbildungen einher. Weil die Missbildungen bei dieser Form der Agenesie zum Beispiel oft multiplen Missbildungen der Lunge entsprechen und ohne Nieren die Abfallstoffe auf lange Sicht auch mithilfe der Dialyse nicht aus dem Blut abtransportiert werden können, ist die bilaterale Agenesie der Nieren in aller Regel nicht mit dem Leben vereinbar. Neben einem Mangel an Vitaminen und Erythropoetinen liegen Vergiftungserscheinungen vor.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose einer Nierenagenesie erfolgt in der Regel pränatal anhand der Sonographie. Wenn die unilaterale Fehlentwicklung erst postnatal festgestellt wird, handelt es sich meist um einen sonographischen Zufallsbefund, da die Patienten asymptomatisch sind. Über Untersuchungen des Urins und des Serums lässt sich die Nierenfunktion prüfen.

Sowohl die Bestimmung des Kreatinin- und Harnstoff-, als auch die Ermittlung des Elektrolytspiegels ist dazu erforderlich. Für den Elektrolytspiegel spielen in erster Linie Kalium, Natrium und Chlor eine Rolle. Unilaterale Nierenagenesien verlaufen in aller Regel symptomlos und beinträchtigen den Betroffenen kaum. Bilaterale Formen der Nierenagenesie werden mit einer letalen Prognose in Verbindung gesetzt.

Komplikationen

Eine unilaterale Nierenagenesie verursacht, wie bereits erwähnt, in der Regel keine Beschwerden, weil eine Niere die Aufgaben beider Nieren übernimmt. Das Risiko von Komplikationen ist jedoch erhöht, wenn es zu Erkrankungen der ableitenden Harnwege kommt. Fehlen beide Nieren, ist ein Überleben überhaupt nicht möglich. Oftmals wird das Fehlen einer Niere von den Betroffenen gar nicht bemerkt.

Allerdings wird bei weiblichen Patienten in 75 bis 90 Prozent der Fälle eine Missbildung der Genitale beobachtet. Wenn aufgrund eines Zufallsbefunds eine unilaterale Nierenagenesie festgestellt wurde, ist dennoch eine ständige ärztliche Kontrolle notwendig, um Komplikationen bereits im Vorweg auszuschließen. Bedrohlich sind immer die Erkrankungen, die einen Verlust der Nierenfunktion hervorrufen könnten.

Oft führt das zur Dialysepflicht des Patienten bis zum totalen Nierenversagen, welches dann nur mit Hilfe einer Nierentransplantation behandelt werden kann. Deshalb besteht für einen Patienten mit unilateraler Nierenagenesie die Notwendigkeit der Selbstbeobachtung auf entsprechende Symptome und von Maßnahmen zur Vorbeugung vor Erkrankungen der ableitenden Harnwege.

Dazu sind entsprechende Hygienemaßnahmen wie Wasserlassen nach dem Koitus oder bei Frauen das Abwischen von Harnröhrenausgang in Richtung After erforderlich. Wenn sich Anzeichen eines Harnweginfekts zeigen, ist eine sofortige Blut- und Urinuntersuchung erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein unklarer fieberhafter Infekt vorliegt. Ein Infekt der ableitenden Harnwege muss sofort mit Antibiotika behandelt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eltern, bei deren Kind eine Nierenagenesie festgestellt wurde, müssen enge Rücksprache mit dem Arzt halten. Das Fehlen einer oder beider Nieren ist ein schwerwiegendes Leiden, welches im Rahmen einer Organtransplantation behandelt werden muss. Dementsprechend können die betroffenen Kinder das Krankenhaus nach der Geburt nicht verlassen, sondern müssen engmaschig überwacht und versorgt werden. Nach einem Eingriff sollte das Kind sorgfältig beobachtet werden. Anzeichen dafür, dass der Körper die Spenderniere abstößt, sind sofort dem behandelnden Arzt mitzuteilen.

Das Kind muss umgehend in eine Klinik gebracht werden, damit weitere Untersuchungen und gegebenenfalls eine erneute Operation eingeleitet werden können. Bei der unilateralen Nierenagenesie sollte ein Arzt konsultiert werden, wenn das Kind Anzeichen von starkem Unwohlsein zeigt. Bei Entzündungen der Harnwege sowie Abdominalverletzungen ist eine sofortige Abklärung durch einen Facharzt erforderlich, da das Risiko einer entzündlichen Nierenschädigung besteht. Neben dem Allgemeinarzt werden beide Formen der Nierenagenesie von einem Internisten behandelt. Begleitend dazu sollten Eltern und Kind therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen.

Behandlung & Therapie

Eine komplette Anephrie kann nur durch eine Organtransplantation behoben werden. Unilaterale Nierenagenesien müssen in aller Regel nicht behandelt werden, da die vergrößerte, zweite Niere die Funktion der fehlenden Niere zufriedenstellend ersetzt. Eine Komplikation stellen begleitende Erkrankungen dar, die die Funktion der verbliebenen Niere beeinträchtigen. Funktionale Nierenerkrankungen machen Patienten mit einer unilateralen Nierenagenesie zum Beispiel zwingend dialysepflichtig und verlaufen für die Betroffenen schneller lebensbedrohlich, als für Menschen ohne fehlende Niere.

Aus diesem Grund müssen sämtliche Erkrankungen der Harnwege, sowie Abdominalverletzungen mit Vorsicht und Umsicht beobachtet werden, um funktionale Nierenerkrankungen zu verhindern. Die Betroffenen einer unilateralen Nierenagenesie werden daher vom Arzt zu einer aufmerksamen Selbstbeobachtung aufgefordert, falls sie zum Beispiel an Entzündungen der ableitenden Harnwege erkranken, da solche Entzündungen in eine entzündliche Nierenschädigung münden können.

Hygienemaßnahmen zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten sind entscheidende Vorbeugemaßnahmen, durch die der Patient seine verbliebene Niere schützen kann. Sobald sich erste Anzeichen auf einen Harnwegsinfekt oder einen anderen Infekt unklaren Ursprungs einstellen, müssen Patienten der Nierenagenesie diese Krankheitserscheinungen sofort über Blutanalysen und Urinproben vom Arzt abklären lassen, bevor ihre unilaterale Niere Schaden nehmen kann. Gegen entzündliche Erkrankungen der Harnwege muss so schnell wie möglich eine antibiotische Therapie stattfinden.


Aussicht & Prognose

Die Prognose der Nierenagenesie richtet sich nach dem Ausmaß der individuell auftretenden Beschwerden. Entscheidend für den weiteren Verlauf ist die Klärung, ob einer oder beide Nieren von den gesundheitlichen Störungen beeinflusst sind. Bei einer Vielzahl der Betroffenen findet eine Diagnosestellung bereits im Mutterleib statt. Ärzte können daher rechtzeitig und umfassend auf mögliche Beschwerden reagieren, da sie auf gesundheitliche Unregelmäßigkeiten vorbereitet sind.

Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf sind beide Nieren des Patienten betroffen. Es besteht in diesen Fällen die Notwendigkeit einer Nierentransplantation. Die Verpflanzung eines Spenderorgans ist mit zahlreichen Komplikationen und Nebenwirkungen verbunden. Eine lebenslange medizinische Versorgung findet statt, damit bei Beschwerden unverzüglich Einfluss genommen werden kann.

Bei einigen Patienten bleibt die Erkrankung über eine lange Zeit unentdeckt. Die vorhandenen Beschwerden sind bei ihnen gering oder der Betroffene erlebt eine Beschwerdefreiheit. Dieses häufig der Fall, wenn die Nierenagenesie nur eine Niere betrifft. Die gesunde Niere übernimmt in diesem Fall die Aufgaben für beide Organe, sodass häufig im Alltag keinerlei Beeinträchtigungen bemerkt werden.

Grundsätzlich ist bei Menschen mit der Erkrankung das Infektionsrisiko erhöht. Treten Komplikationen oder weitere Erkrankungen auf, besteht das Risiko eines Organausfalls. Sobald die Funktionsfähigkeit der Niere eingeschränkt ist, entwickelt sich ein lebensbedrohlicher Zustand.

Vorbeugung

Die Ursachen für Nierenagenesien sind bislang unbekannt. Daher lässt sich dieser Fehlentwicklung der Nieren nur schwer vorbeugen. Da mittlerweile genetische Mutationen aufgrund von Umweltgiften mit der Missbildung assoziiert werden, kann die Vermeidung von Giftkontakten unter Umständen eine Vorbeugemaßnahme sein. Umweltgifte lassen sich während einer Schwangerschaft andererseits unter keinen Umständen vollständig meiden.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei einer Nierenagenesie in den meisten Fällen nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen oder Möglichkeiten einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Betroffene sollte daher schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen der Erkrankung einen Arzt kontaktieren, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Eine Selbstheilung der Nierenagenesie kann dabei nicht eintreten.

Diese Krankheit muss nicht immer behandelt werden, wobei trotzdem regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig sind. Dabei sollten vor allem die Nieren und die Harnwege durch einen Arzt regelmäßig kontrolliert werden. Ebenso sollten regelmäßige Blutanalysen durchgeführt werden.

In einigen Fällen kann es durch die Nierenagenesie zu Infektionen oder zu Entzündungen an den Harnwegen oder an den Nieren kommen, sodass dabei die Behandlung mit Hilfe von Antibiotika notwendig ist. Betroffene sollten dabei immer die richtige Dosierung und auch die regelmäßige Einnahme beachten, wobei auf Alkohol während der Kur verzichtet werden sollte.

Im Allgemeinen kann sich bei dieser Krankheit eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung auswirken. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung der Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Die einseitige Nierenaganesie bedarf keiner Behandlung. Das Kind kann problemlos mit einer Niere aufwachsen, ohne dass Komplikationen zu erwarten sind. Dennoch sollten die Eltern auf ungewöhnliche Symptome achten und diese gegebenenfalls dem Arzt mitteilen.

Sollte es dennoch einmal zu Symptomen kommen, die auf eine Störung der Nierentätigkeit hindeuten, muss der ärztliche Notdienst kontaktiert werden. Bei einer beidseitigen Nierenaganesie ist das Kind ohne Dialyse nicht lebensfähig. Die wichtigste Selbsthilfemaßnahme besteht darin, die Ängste, die mit einem solch schweren Leiden verbunden sind, aufzuarbeiten. Nach einer Nierentransplantation muss das Kind unter ständiger Beobachtung stehen, damit bei Komplikationen umgehend der Notarzt gerufen werden kann. Die Eltern können zudem eine ambulante Pflege organisieren, die sie bei der Pflege des Kindes unterstützt.

Begleitend zur symptomatischen Behandlung sollten die Eltern ein Fachzentrum für innere Erkrankungen aufsuchen und dort mehr über die Nierenaganesie erfahren. Generell hilft Wissen über die Erkrankung im Ernstfall, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Mit dem Heranwachsen muss das Kind über sein Leiden aufgeklärt werden. Die Eltern können diese Aufgabe selbst übernehmen und das Kind gemeinsam mit dem zuständigen Nephrologen oder Hausarzt über die Krankheit informieren.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Keller, C.K., Geberth, S.K.: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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