Zellweger-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Zellweger-Syndrom bezeichnet die Medizin eine genetisch bedingte und tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit. Diese zeigt sich durch das Fehlen von Peroxisomen und lässt sich durch diese charakterisieren. Das Syndrom wird durch eine Genmutation angeboren und kann familiär vererbt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Zellweger-Syndrom?

Die Genstörungen oder das Fehlen der Peroxisomen geht beim Zellweger-Syndrom oft mit dem Verlust von bestimmten Leber-, Nieren- und anderen Organfunktionen einher.
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Beim Zellweger-Syndrom handelt es sich um eine relativ seltene Erbkrankheit. Sie zeigt sich durch das Fehlen von Peroxisomen (Organellen in eukaryotischen Zellen, sie werden oft auch Microbodies genannt) und wird durchschnittlich etwa bei einem von 100.000 Babys diagnostiziert.

Seit dem Jahr 1964 wurden über 100 Fälle dokumentiert, die unter anderem auch Geschwister betrafen. 1964 wurde die Krankheit durch den amerikanischen Arzt Hans Ulrich Zellweger beschrieben, nach dem das Syndrom folglich benannt wurde. Er hatte den Gendefekt bei Zwillingen diagnostiziert.

Ursachen

Das Syndrom zeichnet sich in erster Linie durch nicht vorhandene Peroxisomen oder durch eine gestörte peroxisomale Genstruktur (Biogenese genannt) aus. Dies beruht auf angeborenen und oft vererbten Genmutationen. Betroffen sind in der Regel die Gene, die maßgeblich für die Entstehung von Peroxisomen verantwortlich sind.

In den Peroxisomen laufen verschiedene biochemische Reaktionen ab, die direkt oder indirekt mit dem Abbau und der Entstehung von verschiedenen körpereigenen Stoffen – etwa Fett- und Gallensäuren - in Verbindung stehen. Allerdings ist bis heute ungeklärt, welche Rolle die Peroxisomen im Körper als essentieller Stoff spielen und was genau deren Ausfall oder Störung beim Zellweger-Syndrom hervorruft.

Die Genstörungen oder das Fehlen der Peroxisomen geht beim Zellweger-Syndrom oft mit dem Verlust von bestimmten Leber-, Nieren- und anderen Organfunktionen einher. Zudem können auch inaktive peroxisomale Enzyme auftreten, was sich je nach Schwere auf verschiedene Arten auf unterschiedliche Stoffwechselfunktionen des Körpers auswirken kann. Demnach kann sich die vorliegende „Ursache“ unter Umständen durch verschiedene Symptome zeigen, die wiederum andere Beschwerden verursachen. Darüber hinaus ist das Zellweger-Syndrom heute in zwei Arten erforscht, dem tatsächlichen Zellweger-Syndrom und dem sogenannten Pseudo-Zellweger-Syndrom. Von Letzterem spricht man, wenn die peroxisomalen Enzyme inaktiv sind.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Zellweger-Syndrom zeigt sich durch eine Vielzahl an Besonderheiten am gesamten Körper des Neugeborenen. Oft tritt beispielsweise eine senkrechte Fehl- oder Überentwicklung des Kopfes (Langschädel genannt), eine wenig ausgeprägte Nasenwurzel, ein flach und rechteckig wirkendes Gesicht, ein relativ großer Abstand der Augen (Hypertelorismus genannt), eine Trübung der Hornhaut und Linse.

Desweiteren sind Zysten im Gehirn, eine Unterentwicklung der Lunge sowie schwere kognitive Behinderungen, starke psychomotorische Entwicklungsverzögerungen und eine fehlerhafte Entwicklung der äußeren Geschlechtsorgane bei Mädchen.

Darüber hinaus zeigt sich das Zellweger-Syndrom nicht selten durch recht schrill klingendes Weinen, durch fehlende Reflexe, durch eine Epilepsie, durch eine erschwerte Atmung und durch einen Minderwuchs. Außerdem kommen betroffene Kinder meistens als Frühgeburt und demnach weit vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt.

Dennoch sind die Listen der Symptome, Beschwerden und Anzeichen, die mit einem Zellweger-Syndrom einhergehen, damit noch lange nicht abgeschlossen. Denn die Symptome, Anzeichen und Besonderheiten können in verschiedensten Ausprägungen und Kombinationen auftreten. Aus diesem Grund wird das Syndrom auch heute noch nicht immer sofort korrekt diagnostiziert.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Zellweger-Syndrom wird bei den meisten Babys durch die deutlich sichtbaren Anzeichen im Gesicht oder durch Zysten im Gehirn diagnostiziert. Eine Diagnose des Syndroms kann aber auch durch den Nachweis von Veränderungen der körpereigenen Fettsäuren erfolgen. In einer Kultur der Fibroblasten und Hepatozyten kann zudem das Fehlen von Peroxisomen ermittelt und somit auch nachgewiesen werden.

Abschließend sollte die Diagnose aber aufgrund ihrer zahlreichen Symptome, Anzeichen und Beschwerden, die häufig in sehr verschiedenen Kombinationen miteinander auftreten, durch eine Identifikation der genetischen Mutation abgesichert werden.

Das Syndrom lässt sich nicht immer direkt diagnostizieren und kann durch seine Vielzahl an verschiedenen Symptomen, Anzeichen und Beschwerden schnell mit anderen Erbkrankheiten, Erkrankungen und Genmutationen verwechselt werden. Deshalb ist es auch heute noch möglich, dass das Syndrom gar nicht oder erst später als solches erkannt wird.

Hinzu kommt, dass die Krankheit je nach vorliegender Ausprägung des Syndroms stets anders verläuft. Hier kommt es vor allem darauf an, welche Körperteile, Organe und Körperfunktionen wie stark betroffen sind. Noch heute gelten Kinder, die unter dem Syndrom leiden, aber nicht als überlebensfähig und sterben in den ersten Monaten nach ihrer Geburt.

Komplikationen

Das Zellweger-Syndrom ist eine schwerwiegende Erkrankung, die in ihrem Verlauf unterschiedliche Komplikationen hervorrufen kann. Charakteristische Störungen wie die Trübung der Hornhaut und Linse haben Sehstörungen zur Folge und können in den späteren Stadien zu einer teilweisen oder vollständigen Erblindung führen. Eine unterentwickelte Lunge ist mit einer verringerten Leistungsfähigkeit verbunden.

Zudem kann es zu Atembeschwerden und einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns kommen. Die typischen kognitiven Behinderungen und psychomotorischen Entwicklungsverzögerungen haben oft auch seelische Auswirkungen. Betroffen sind hiervon nicht nur die Erkrankten, sondern auch deren Angehörige, die meist sehr unter dem Stress und dem schlechten Allgemeinzustand des Betroffenen leiden. Weitere Komplikationen, die auftreten können, sind Epilepsie und neurologische Störungen, beides mit der Gefahr von Unfällen verbunden.

Das Zellweger-Syndrom nimmt fast immer einen tödlichen Verlauf, da bis heute keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten existieren. Zwar können die einzelnen Symptome und Beschwerden behandelt werden, dies ist aber ebenfalls mit Risiken verbunden. Da es sich bei den Betroffenen fast immer um Säuglinge und Kleinkinder handelt, können bereits marginale Fehler bei operativen Eingriffen oder einer Medikation schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da die Erkrankung erblich bedingt ist, sollte bei einem familiären Auftreten der Störung bereits vor der Planung von Nachwuchs der Kontakt zu einem Arzt hergestellt werden. Wenngleich das Syndrom sehr selten vorkommt, kann es an Nachkommen vererbt werden. Ist innerhalb der Familie bereits eine Diagnosestellung erfolgt, sollt frühzeitig ein Arzt konsultiert werden.

Verfügen Eltern über kein Wissen einer genetischen Disposition innerhalb der Familie, zeigen sich häufig bereits unmittelbar nach der Geburt optische Auffälligkeiten des Kindes. Zudem ist oftmals eine Frühgeburt zu verzeichnen. Im Normalfall wird die Geburt von einem Geburtshelferteam oder einem Arzt begleitet. Diese übernehmen in einem routinierten Vorgang die ersten Untersuchungen des Säuglings. Die optischen Auffälligkeiten im Bereich des Gesichtes werden daher unmittelbar nach der Niederkunft von ihnen bemerkt. Weitere Untersuchungen werden eingeleitet, damit eine Klärung der Ursache erzielt wird.

Tritt in seltenen Fällen keine Diagnosestellung im Säuglingsalter auf, sollten Eltern einen Arzt konsultieren, sobald ihr Nachwuchs Verzögerungen der Entwicklung zeigt. Bei Krampfanfällen, Verhaltensstörungen des Kindes oder optischen Auffälligkeiten im Wachstumsprozess ist ein Arztbesuch notwendig. Eine Trübung der Hornhaut, Störungen der Atemtätigkeit sowie Besonderheiten der Gedächtnisleistung sind weitere Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Medizinische Untersuchungen sind notwendig, damit frühzeitig die ersten Behandlungsschritte eingeleitet werden können.

Behandlung & Therapie

Trotz modernster Forschungen ist eine Heilung des Syndroms bis heute nicht möglich, da keine Behandlungs- und Therapiewege vorliegen. Es lassen sich nur bestimmte Beschwerden und Symptome behandeln, sodass diese eventuell gemindert werden können. Auch dies ist aber nicht übergreifend der Fall. Kinder mit dem Zellweger-Syndrom gelten als nicht langfristig lebensfähig, da das Syndrom nach aktuellen Erkenntnissen immer letal (tödlich) verläuft. Alle bisher bekannten Kinder starben innerhalb der ersten Lebensmonate.


Vorbeugung

Da es sich beim Zellweger-Syndrom um eine angeborene, genetische Mutation handelt, lässt sich diesem nicht vorbeugen. Allerdings lassen sich heute bestimmte Symptome und Anzeichen unter Umstände durch verschiedene Untersuchungsverfahren bereits im Mutterleib diagnostizieren. Dies ist zum Beispiel oft gerade dann sinnvoll oder der Fall, wenn ein betroffenes Paar bereits ein Säugling mit der Genstörung zur Welt gebracht hat. Jedoch lassen sich auch heute noch nicht alle Kombinationen der Genstörung vorab fehlerfrei diagnostizieren.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen beim Zellweger-Syndrom in den meisten Fällen nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Daher sollte der Betroffene bei dieser Erkrankung schon frühzeitig einen Arzt aufsuchen und eine Behandlung einleiten lassen, damit es nicht zu weiteren Beschwerden oder Komplikationen kommt. Eine frühe Diagnose wirkt sich in der Regel sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.

Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese in den meisten Fällen nicht geheilt werden. Daher ist bei einem Kinderwunsch des Betroffenen in erster Linie eine genetische Untersuchung ratsam, um die Möglichkeit eines erneuten Auftretens des Zellweger-Syndroms bei den Nachfahren festzustellen.

Weiterhin ist in vielen Fällen die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie sehr wichtig. Dadurch kann auch die Entstehung von Depressionen und anderen psychischen Verstimmungen verhindert werden. Häufig sind die Eltern auf eine psychologische Behandlung angewiesen, da die Kinder in der Regel schnell versterben. Der Kontakt zu anderen Betroffenen des Zellweger-Syndroms kann sehr sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommt.

Das können Sie selbst tun

Das Zellweger-Syndrom verläuft in der Regel tödlich für das erkrankte Kind. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht in einem offenen Umgang mit der Erkrankung.

Es gilt, die verfügbare Zeit mit dem Kind zu nutzen. Meist ist es den nahen Angehörigen möglich, die Zeit nach der Geburt im Krankenhaus zu verbringen. Spezielle Mutter-Kind-Zimmer werden in den meisten Fachkliniken zur Verfügung gestellt und sind für die Eltern eine gute Möglichkeit, Zeit mit dem erkrankten Kind zu verbringen. Die Eltern sollten sich frühzeitig um eine Traumatherapie bemühen oder in Rücksprache mit dem Arzt eine Selbsthilfegruppe aufsuchen.

Daneben gilt es, die Vorbereitungen für den Tod des Kindes zu treffen und beispielsweise eine Taufe oder die Bestattung zu organisieren. Hierbei hilft der zuständige Arzt.

Das Zellweger-Syndrom ist ein extrem seltenes Leiden, weshalb die Aufarbeitung der Erkrankung meist nur in Internetforen oder einigen wenigen Selbsthilfegruppen möglich ist. Die Angehörigen sollten sich zudem Fachlektüre ansehen und ein Fachzentrum für Stoffwechselstörungen besuchen. Gespräche mit Fachärzten helfen dabei, das seltene Syndrom zu verstehen und dadurch die Erkrankung des Kindes zu verarbeiten.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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