Asexualität

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Asexuelle Menschen empfinden zu anderen Menschen entweder nur eine geringe oder überhaupt keine sexuelle Anziehung. Die Asexualität ist nicht behandlungsbedürftig, solange daraus kein Leidensdruck erwächst.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Asexualität?

Die Asexualität ist definiert als bestimmte sexuelle Orientierung, also analog zu Heterosexualität oder Homosexualität. Asexualität ist also nicht gleichbedeutend damit, dass ein Mann oder eine Frau keine Sexualität hat, sondern es handelt sich per Definition um eine bestimmte Form der sexuellen Orientierung zu keinem der Geschlechter.

Asexuelle Menschen verfügen demnach sehr wohl über eine eigene Geschlechtsidentität, sie fühlen sich aber nicht zu ihrem eigenen oder zu dem anderen Geschlecht sexuell hingezogen. In der internationalen Klassifikation der Krankheiten und Leiden, ICD 10, wird der Verlust oder der Mangel an sexuellem Interesse als Krankheitsbild bzw. als psychische Störung beschrieben.

Auch die verminderte Libido, also die reduzierte sexuelle Appetenz wird darunter definiert als unwillentliche Abnahme oder unwillentlichem Mangel nach sexuellen Verlangen oder nach sexuellen Fantasien. Allerdings wird der Krankheitsbegriff nach ICD 10 ausdrücklich mit einem Leidensdruck verknüpft. Ein Kriterium für die klinische Diagnose wäre somit ein ausgeprägtes, deutliches Leiden.

Doch genau dies ist bei den weitaus meisten asexuellen Personen nicht der Fall. Asexuelle leiden also nicht unter der nicht vorhandenen Sexbeziehung, sondern allenfalls darunter, sich von ihren Mitmenschen nicht ernst genommen oder verstanden zu fühlen. Ein besonderes Kennzeichen der nicht behandlungsbedürftigen Asexualität ist also kein direktes Leiden.

Funktion & Aufgabe

Der Begriff der Asexualität wurde bereits im Jahre 1886 von dem Psychiater Krafft-Ebing geprägt, der dieses Phänomen in seinem Werk Psychopathia Sexualis benannt hatte. Die darin beschriebenen sexuellen Auffälligkeiten waren für die damalige Sexualforschung bereits wegweisend.

Asexualität gibt es bereits, solange es Menschen gibt, allerdings erfährt diese spezielle sexuelle Orientierung heutzutage wieder eine neue Relevanz. Betroffene empfinden durch die stetige Präsenz des Themas Sexualität in allen Medien oftmals einen gewissen Druck, sexuell sein zu müssen, obwohl sie gerade dies ihrer Natur nach nicht oder nur eingeschränkt sind. Der Sexualforscher Alfred Kinsey konnte im Rahmen einer groß angelegten Studie im Jahre 1948 herausarbeiten, dass es neben hetero- und homosexuellem Begehren auch asexuelle Individuen gibt, die sich weder von Frauen noch Männern sexuell angezogen fühlen.

Auch die Ärztin Myra Johnson veröffentlichte bereits im Jahre 1977 einen ähnlichen wissenschaftlichen Artikel, der Asexualität nicht als Störung, sondern als bestimmte Form der sexuellen Orientierung beschreibt. Rein physisch gesehen sind auch asexuelle Personen zu sexuellen Handlungen durchaus fähig, aber sie haben kein Verlangen danach. Aus Befragungen von Asexuellen ist bekannt, dass manche auch masturbieren, typischerweise aber auch dann keine sexuellen Fantasien zu anderen Personen entwickeln.

Es kann auch nicht pauschal gesagt werden, dass Asexuelle niemals Sex haben. Sollte der Partner nicht auch asexuell veranlagt sein, so gehen manche Asexuelle durchaus Kompromisse ein, um den geliebten Partner nicht zu verlieren. Außerdem können Personen, die sich selbst grundsätzlich asexuell bezeichnen, Sex aus reiner Neugier betreiben oder es bereitet ihnen ein gewisses Vergnügen, ihrem Gegenüber Befriedigung und Lust zu verschaffen, ohne dass sie selbst dabei sexuell irgendeine Empfindung verspüren würden.


Krankheiten & Beschwerden

In direktem Zusammenhang mit der Asexualität eines Menschen stehen stets die Bereiche Beziehungen, Erregung und Anziehung. Asexuelle haben ganz unterschiedliche Beziehungswünsche und auch Beziehungsvorstellungen. Während manche lieber für sich bleiben, haben andere Asexuelle romantische Beziehungen. Übereinstimmend ist aber, ganz unabhängig vom Beziehungsmodell, die Aussage Asexueller, dass für sie keinerlei Beziehung zwischen Sexualität und Liebe besteht.

Erregung ist für die meisten asexuellen Menschen ein Prozess, der als ziemlich gewöhnlich empfunden wird und nicht mit der Suche nach einem Sexpartner in Zusammenhang steht. Wenn kein als gesellschaftlich oder familiär empfundener Druck von außen entsteht, empfindet die übergroße Mehrheit asexueller Personen kein medizinisches oder gar psychologisches Problem. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass eine ärztliche Behandlung wegen einer selbst empfundenen Asexualität nicht gesucht wird. Was die Anziehung betrifft, so können sich durchaus auch Asexuelle stark zu anderen Personen hingezogen fühlen.

Dieses Verlangen soll jedoch nicht auf einer sexuellen Ebene ausgedrückt werden, sondern in Form einer engen romantischen Beziehung, in welcher Sexualität nicht im Vordergrund steht. Asexuelle Personen können andere Menschen als sehr ästhetisch anziehend und attraktiv empfinden. Es besteht für sie dabei allerdings kein großer Unterschied zur Betrachtung anderer schöner Dinge, wie etwa einem Bild oder einer Blume.

Bei heterosexuellen oder homosexuellen Personen schließt die Anziehung den sexuellen Aspekt, also das sexuelle Verlangen mit ein. Asexuelle beschreiben hingegen ihr Hingezogen-sein zu anderen Personen in anderen Arten von Intimität, die fast oder ganz ohne sexuelles Verlangen definiert sind.

Darüber hinaus ist, sowie Untersuchungen zeigen, Asexualität während eines Menschenlebens nicht unbedingt statisch. Es können sich also sexuelle und asexuelle Phasen abwechseln. Eine nicht- sexuelle Intimität kann von den Betroffenen auf vielfältige Art und Weise ausgelebt werden. So kann tiefe Intimität in ehrlichen, nahen Gesprächen genauso entstehen, wie über gemeinsame Aktivitäten und Erfahrungen oder über physische Nähe ohne praktizierte Sexualität.

In diesem Sinne ist Asexualität dann mit Krankheiten oder Beschwerden verbunden, wenn etwa gesellschaftlicher Druck von Außen auf die Einzelnen einwirkt oder aber ein Leiden durch die nicht empfundene Lust entsteht. Eventuell ist dann jedoch eher von einer sexuellen Unlust die Rede, als einer generellen Asexualität.

Quellen

  • Briken, P., Berner, M. (Hrsg.): Praxisbuch Sexuelle Störungen. Thieme, Stuttgart 2013
  • Vetter, B.: Sexualität: Störungen, Abweichungen, Transsexualität. Schattauer, Stuttgart 2007
  • Zimbardo, P. & Gerrig, R.: Psychologie. Pearson Verlag, Hallbergmoos 2008

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