Bernard-Soulier-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Bernard-Soulier-Syndrom, auch als Hämorrhagische Thrombozytendystrophie oder BSS bekannt, ist eine äußerst seltene Blutungskrankheit. BSS wird autosomal-rezessiv vererbt. Das Syndrom selbst wird zu den sogenannten Thrombozytopathien gerechnet. Bislang wurden gerade einmal einhundert Fälle dokumentiert; der Krankheitsverlauf ist jedoch positiv.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Bernard-Soulier-Syndrom?

In den meisten Fällen kann das Bernard-Soulier-Syndrom relativ gut behandelt werden, sodass es beim Patienten zu keinen weiteren Komplikationen kommt.
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Das Bernard-Soulier-Syndrom - abgekürzt auch BSS genannt - ist eine autosomal-rezessiv vererbbare Blutungskrankheit, welche eine hereditäre Thrombozytophatie darstellt. BSS wird auch gerne als Riesen-Plättchen-Syndrom bezeichnet; Personen, die von BSS betroffen sind, leiden nicht nur an Blutungen, sondern auch an äußerst stark vergrößerten Thrombozyten.

Der Name - Bernard-Soulier-Syndrom - stammt von zwei französischen Hämatologen. Jean-Pierre Soulier und Jean-Bernard haben das Syndrom entdeckt und bereits 1948 erste Aufzeichnungen verfasst, die mitunter die Symptome des Bernard-Soulier-Syndroms beschreiben. Davon ist vor allem die Rede der riesigen Blutplättchen und den lang anhaltenden Blutungen.

Ursachen

Das BSS ist eine Form der Thrombozyten-Dystrophie. Mit welchem Alter die ersten Symptome auftreten, ist nicht bekannt. Es gibt immer wieder unterschiedliche Angaben; des Weiteren sind derart wenige Menschen von dem Bernard-Soulier-Syndrom betroffen, dass es rund einhundert Fälle gibt, welche auch tatsächlich dokumentiert wurden. Die Ursache des Bernard-Soulier-Syndroms liegt in einer Thrombozyten-Adhäsion-Störung.

Dabei handelt es sich um einen vererbbaren Defekt eines sogenannten Membran-Rezeptors, welcher in weiterer Folge das Syndrom auslöst. Aus diesem Grund sprechen Mediziner von einer Punktmutation, die auch als Nonsense-Mutation bezeichnet werden kann. Die Mutation liegt auf dem Glykoprotein-Ib beziehungsweise der Codierung GPIb. Jedoch verursachen die Störungen der Thrombozyten-Funktionalität die Blutungen. Dabei kommt es zu einer Störung beziehungsweise Verhinderung der Verklumpung der Blutplättchen.

Jene Vorgehensweise entsteht auf Grund der Tatsache, dass die notwendigen Rezeptoren eine fehlende Blutgerinnung haben. Es gibt jedoch 30 bekannte oder unterschiedliche Mutationen der sogenannten Glykoproteine, die in weiterer Folge das Bernard-Soulier-Syndrom auslösen. Jedoch haben alle Formen die Tatsache gemeinsam, dass eine Dysfunktion der Blutplättchen gegeben ist.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Klassische Symptome sind etwa hämorrhagische Diathese sowie auch die Neigung zu Blutergüssen. Bei der hämorrhagischen Diathese bezeichnet der Mediziner eine äußerst starke Blutungsneigung. Dabei können Blutungen derart stark und lange auftreten, ohne, dass es einen bestimmten Grund gibt. Aus diesem Grund konzentriert sich auch die Behandlung dahingehend, dass schon im Vorfeld auf etwaige Blutverluste (etwa bei Operationen) reagiert wird.

In weiterer Folge bilden sich natürlich relativ schnell Hämatome. Weitere Symptome und Merkmale, die für das Bernard-Soulier-Syndrom charakteristisch sind: Nasenbluten, Purpura, Magen-Darm-Blutungen sowie auch Spontanblutungen (vorwiegend an den Schleimhäuten) und deutlich verlängerte Menstruationsblutungen bei Frauen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Mediziner stellt die Diagnose Bernard-Soulier-Syndrom im Rahmen der Anamnese, den Blutwerten aus dem Labor sowie einem Sichtbefund. Für den Arzt sind etwa von Bedeutung, wie häufig sich Hämatome bilden beziehungsweise wie oft der Betroffene grundlos blutet und wie lange die Dauer der Blutung erfolgt. Für das Labor wird ein Blutausstrich vom Betroffenen entnommen.

Dabei achtet der Mediziner vorwiegend, dass er sich auf die Makrothrombozytose konzentriert. Das sind jene Riesen-Thrombozyten, die mitunter eine Gewissheit mit sich bringen, dass der Betroffene tatsächlich an dem Bernard-Soulier-Syndrom leidet. Experten kontrollieren, im Rahmen des großen Blutbilds, auch die Anzahl der Blutplättchen. Betroffene weisen hier eine deutliche verminderte Anzahl auf. Personen, die vom Bernard-Soulier-Syndrom betroffen sind, haben weniger als 30.000 Thrombozyten (gemessen pro Mikroliter); der Normalwert befindet sich zwischen 150.000 und 400.000 Blutplättchen.

Die Größe der Thrombozyten liegt zwischen vier und 10 Mikrometer; normale beziehungsweise gesunde Blutplättchen weisen jedoch gerade einmal eine Größe von ein bis höchstens vier Mikrometer auf. Des Weiteren stellt der Betroffene auch fest, dass sich die Dauer der Blutungen immer wieder verdoppelt. Ein weiterer Grund, dass der Mediziner sicher sein kann, dass es sich um das Bernard-Soulier-Syndrom handelt.

Mittels Gerinnungsdiagnostik holt sich der behandelnde Arzt die Bestätigung seiner Verdachtsdiagnose. Betrachtet man jedoch alle Krankheitsfälle und deren Krankheitsverläufe, kann man davon ausgehen, dass die Prognose günstig ist.

Komplikationen

In den meisten Fällen kann das Bernard-Soulier-Syndrom relativ gut behandelt werden, sodass es beim Patienten zu keinen weiteren Komplikationen kommt. Beim Patienten treten dabei verstärkt Blutungen auf, welche in vielen Fällen schwierig zu stoppen sind. Aus diesem Grund muss bei Unfällen oder operativen Eingriffen immer darauf geachtet werden, das Bernard-Soulier-Syndrom zu berücksichtigen und die Blutung gegebenenfalls zu stoppen.

Häufig kommt es auch unerwartet zum Nasenbluten oder zu Blutungen im Magen-Darm Bereich. Auch Frauen leiden durch das Bernard-Soulier-Syndrom an einer langen und stärkeren Regelblutung. Der Patient wird durch die starken Blutungen in seinem Alltag eingeschränkt. In der Regel kommt es zu keinen besonderen Komplikationen, wenn die Blutungen richtig behandelt und rechtzeitig gestoppt werden.

Eine ursächliche Behandlung ist beim Bernard-Soulier-Syndrom nicht möglich, da das Syndrom noch weitgehend unerforscht ist. Sollte es zu einem starken Blutverlust kommen, so muss dieser ausgeglichen werden. Die Blutungen können auch mit Hilfe von Medikamenten eingeschränkt werden.

Durch das Bernard-Soulier-Syndrom wird die Lebenserwartung des Patienten in der Regel nicht verringert. Allerdings müssen Ärzte informiert werden, wenn das Bernard-Soulier-Syndrom vorliegt, da sonst bei operativen Eingriffen starke und unerwartete Blutungen auftreten können.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Bernard-Soulier-Syndrom muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. So können Beschwerden und weitere Komplikationen deutlich verringert werden, wodurch sich auch die Lebenserwartung des Betroffenen deutlich erhöht. In der Regel muss beim Bernard-Soulier-Syndrom dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn der Betroffene eine erhöhte Blutungsneigung feststellt. Dabei können die Blutungen auch spontan auftreten. Auch kleine Verletzungen oder Schnitte führen zu starken Blutungen, die nicht mehr ohne Weiteres gestoppt werden können.

In akuten Notfällen muss ein Notarzt gerufen oder ein Krankenhaus aufgesucht werden. Allerdings muss auch vor einem operativen Eingriff der Arzt über das Bernard-Soulier-Syndrom aufgeklärt werden, damit diese Blutungen direkt vermieden werden. Ebenso weisen häufiges Nasenbluten oder Spontanblutungen bei Frauen auf das Bernard-Soulier-Syndrom hin, sodass eine Untersuchung beim Arzt erfolgen sollte.

Die Diagnose des Bernard-Soulier-Syndroms kann durch einen Allgemeinarzt gestellt werden. Dabei kann das Syndrom durch einen Bluttest identifiziert werden. Die Behandlung selbst erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Bei operativen Eingriffen sollten die Ärzte vorgewarnt werden, um Komplikationen zu vermeiden.

Behandlung & Therapie

Im Normalfall streben Ärzte eine symptomatische Therapie an. Das bedeutet, dass die Mediziner nicht die Ursache, sondern vorwiegend nur die Symptome behandeln können. In bestimmten Fällen werden Mediziner auch mittels Thrombozyten-Konzentraten direkt in den Organismus des Patienten eingreifen. Jedoch treten diese akuten Fälle und Eingriffe nur dann auf, wenn bereits große Blutverluste möglich sind beziehungsweise bevorstehen.

So etwa vor operativen Eingriffen. Hier werden dem Patienten sogenannte Thrombozyten-Transfusionen verabreicht. Ansonsten versuchen Mediziner dahingehend die Therapie so zu gestalten, dass vorwiegend der Organismus verschont bleibt. Mitunter greifen die Mediziner aber auch dann mittels speziellen Medikamenten ein, auch wenn es sich um eine intraoperative Maßnahme handelt.

Eine weitere Behandlung kann mitunter intrapartal oder präpartal erfolgen. Das bedeutet, dass schon vor der Geburt Therapien vorgenommen werden. Mitunter kommt es jedoch immer wieder vor, dass es auch hier längere sowie stärkere Blutungen gibt. Vor allem sind Menstruationsblutungen (Regelblutung) sowie auch Verletzungen klassische Beispiele, warum Betroffene länger und starker bluten.

Aussicht & Prognose

Die Heilungsaussicht des Bernard-Soulier-Syndroms ist nicht gegeben. Die Erkrankung basiert auf einem Gendefekt, der mit den vorhandenen medizinischen und therapeutischen Möglichkeiten nicht reparabel ist. Zudem sind ein Eingriff und Veränderungen der menschlichen Genetik aus rechtlichen Gründen nicht gestattet. Daher gilt die Erkrankung bislang als nicht heilbar.

In einer ärztlichen Versorgung konzentrieren sich die Mediziner auf die Linderung der Symptomatik. Die gelingt bei den meisten Patienten sehr gut. Die Thrombozytenkonzentration im Blut wird in regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gemessen. Ist sie zu gering, erfolgt über eine Bluttransfusion eine Erhöhung der Thrombozyten.

Dieser Vorgang ist routiniert und innerhalb einer Behandlung abgeschlossen. Da diese Methode jedoch nicht nachhaltig ist, kommt es zu regelmäßigen Transfusionen. Ohne die Inanspruchnahme der Transfusionen besteht das Risiko, dass der Patient starke Blutungen erleidet, die nicht gestoppt werden können. In schweren Fällen droht ein starker Blutverlust, der ohne eine medizinische Versorgung einen tödlichen Verlauf haben kann.

Vorsorglich sollten Menschen mit dem Bernard-Soulier-Syndrom vor operativen Eingriffen mit ausreichenden Bluttransfusionen ausgestattet werden. Verlieren sie innerhalb einer Operation zu viel Blut, weil die Blutungen sich nicht stoppen lassen, haben sie ein erhöhtes Risiko für Komplikationen. Insgesamt können Erkrankte bei einer Vermeidung von riskanten Situationen mit der Erkrankungen eine gute Lebensqualität erreichen.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung gibt es nicht. Da das Bernard-Soulier-Syndrom vererbbar ist, können dahingehend keine Maßnahmen gesetzt werden, dass das Bernard-Soulier-Syndrom verhindert werden kann. Bislang wurden jedoch erst rund 100 Fälle dokumentiert; die Wahrscheinlichkeit am Bernard-Soulier-Syndrom zu erkranken, ist daher äußerst gering beziehungsweise sehr unwahrscheinlich.

Nachsorge

Das erbliche Bernard-Soulier-Syndrom (BSS) ist durch eine Thrombozyten-Funktionsstörung gekennzeichnet. Diese ist dauerhaft behandlungspflichtig, da es leicht zu Blutungen kommen kann. Bei Erkrankungen wie der Hämorrhagischen Thrombozyten-Dystrophie liegen Gerinnungsstörungen vor.

Diese können sich durch häufige Blutergüsse oder eine Blutungsneigung auch aus nichtigen Anlässen zeigen. Akutbehandlung und Nachsorge gehen wegen der Art der Erkrankung meist in einander über. Dank der erblichen Komponente des Bernard-Soulier-Syndroms kann eine Heilung von den Symptomen nicht erfolgen.

Die Nachsorge ist deshalb so wichtig, weil der Patient Fehler vermeiden muss, die die Blutungsneigung erhöhen. Er darf zum Beispiel keine Acetylsalicylsäure-Präparate und Schmerzmittel einnehmen. Außerdem sollte er Lebensmittel wie Knoblauch meiden. Diese verdünnen das Blut und können die Blutungsneigung erhöhen. Die Nachsorge nach der Diagnose sollte daher auch ernährungsmedizinische Beratungen umfassen.

Die Blutungsgefahr bei einer Diagnose des Bernard-Soulier-Syndroms erhöht sich, wenn stumpfe Gewalt oder unfallbedingte Traumata auf den Körper einwirken. Im schlimmsten Fall kann es nach solchen Einwirkungen zu massiven Blutverlusten und einem nachfolgenden hypovolämischen Schock kommen. Die Betroffenen müssen daher sicherstellen, dass die Notärzte sofort vom Vorliegen des Bernard-Soulier-Syndroms informiert werden.

Im Vergleich mit anderen Bluterkrankungen ähnlicher Art besteht für Menschen mit dem Bernard-Soulier-Syndrom aber keine unmittelbare Lebensgefahr. Bei schweren Blutungen nach einem Unfall können Thrombozyten-Präparate verabreicht werden.

Das können Sie selbst tun

Da das Bernard-Soulier-Syndrom nachweislich auf einem Gendefekt beruht, ist eine Heilungsaussicht nicht gegeben. Dennoch gelingt es Betroffenen, die ärztlich betreut werden, eine gute Lebensqualität und eine normale Lebenserwartung zu erreichen.

Wichtig ist, bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen die Konzentration der Thrombozyten im Blut messen zu lassen. Falls diese zu gering ist, wird sie mit Hilfe von Bluttransfusionen erhöht. Vor anstehenden Operationen oder vor der Entbindung sollten sich die Patienten ebenfalls mit Transfusionen versorgen lassen, um Komplikationen zu vermeiden.

Im Alltag ist es wichtig, auf riskante Situationen zu verzichten. Von Extremsportarten wird dringend abgeraten, da diese ein hohes Verletzungsrisiko bedeuten. Aber auch Mannschafts- und Kontaktsportarten bergen immer das Risiko von kleineren und größeren Verletzungen, die bei den Betroffenen schnell zu übermäßigen Blutungen führen können.

Für Frauen, die durch die Erkrankung unter einer verstärkten Menstruationsblutung leiden, bietet der Markt ausreichend starke und sichere Hygiene-Produkte in unterschiedlichen Stärken.

Regelmäßige ärztliche und labortechnische Untersuchungen sind vor allem anderen jedoch der Schlüssel zu einem weniger belastenden Umgang mit dem Bernard-Soulier-Syndrom im täglichen Leben. Patienten, die therapeutisch gut versorgt werden, können ihren Alltag aber mit diesen Einschränkungen und Verhaltensregeln normal bestreiten.

Quellen

  • Grüne, S., Schölmerich, J.: Anamnese, Untersuchung, Diagnose. Springer, Heidelberg 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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