Dysgrammatismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Liegt ein Dysgrammatismus vor, ist das Erwerben des grammatikalischen Regelsystems verzögert oder behindert. Dies bedeutet, dass der korrekte Satzbau gestört sein kann. Die Folge ist, dass Satzteile umgestellt und ausgelassen werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Dysgrammatismus?

Grammatik umfasst grundsätzlich zwei unterschiedliche Bereiche: Syntax und Morphologie. Während die Syntax die Struktur des Satzes bezeichnet, das heißt, die Wortfolge, beschreibt die Morphologie, wie sich die Wörter verändern, abhängig davon, welche Funktionen sie im Satz haben.
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Der Dysgrammatismus gehört zu den Sprachentwicklungsstörungen. Dies macht sich beim Betroffenen dadurch bemerkbar, dass grammatische Regeln bei der Satz-Bildung sowie der Beugung der Wörter fehlerhaft angewendet werden. Sätze werden unvollständig gebildet beziehungsweise Satzteile werden verdreht.

Besonders auffällig ist hierbei, dass das Verb im Satz falsch gestellt wird, beispielsweise: „Das Kind Milch trinken“. Es werden zudem falsche Artikel, Fälle und Pluralformen verwendet. Die Grammatik kann demzufolge nicht normgerecht angewendet werden.

Ursachen

Für einen Dysgrammatismus gibt es verschiedene Ursachen, beispielsweise ein fehlerhafter sprachlicher Input. Diesen benötigt jedoch ein Kind, um eine richtige Grammatik zu erlernen. In diesem Fall ist der Lernprozess erschwert. Eine weitere Möglichkeit für die Sprachentwicklungsstörung ist eine zu geringe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses.

In diesem Fall ist es nicht in der Lage, das Gehörte zu kodieren und mit den schon vorhandenen Informationen zu vergleichen, sodass Informationen verloren gehen und im entsprechenden Moment nicht abgerufen werden können, da sie im Langzeitgedächtnis nicht abgespeichert wurden. Des Weiteren kann die Sprachstörung durch einen frühkindlichen Hirnschaden wie einen Unfall, durch eine geistige Störung in der Entwicklung bedingt sein.

Sie kann ebenso gut von einem Hörschaden, einet Konzentrationsschwäche, psychische Erkrankungen, Kontaktstörungen oder eine mangelnde Sprachförderung ausgelöst werden. Oftmals spielen bei einem Dysgrammatismus auch mehrere Faktoren zusammen, die zur Sprachentwicklungsstörung führen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Kind ist bei einem vorliegenden Dysgrammatismus nicht in der Lage, die Fehler selbständig zu überwinden. Grammatik umfasst grundsätzlich zwei unterschiedliche Bereiche: Syntax und Morphologie. Während die Syntax die Struktur des Satzes bezeichnet, das heißt, die Wortfolge, beschreibt die Morphologie, wie sich die Wörter verändern, abhängig davon, welche Funktionen sie im Satz haben.

Bei einem Dysgrammatismus unterscheiden sich Syntax und Morphologie sehr deutlich erkennbar von der entsprechenden Grammatik gleichaltriger Kinder. Wird ein Dysgrammatismus diagnostiziert, verordnet der Arzt eine Sprachtherapie. Die Eltern wählen anschließend selber einen Sprachtherapeuten aus. Die Sprachtherapien wird von einem Logopäden und Sprachtherapeuten durchgeführt, doch auch Atem-, Stimm- und Sprechlehrer oder Sprachheilpädagogen stehen zur Verfügung.

Mit Bildergeschichten und -büchern wird das Kind zum Erzählen angeregt, um anhand des Ausmaßes der grammatikalischen Auffälligkeiten zu überprüfen, ob eine behandlungsbedürftige Sprachstörung vorliegt. Ist dem so, müssen die grammatischen Morpheme erlernt werden, was diesen Kindern sehr schwer fällt. Sie benötigen sehr lange, bis sie diese Regeln verstehen und verinnerlichen.

Diagnose

Der Kinderarzt untersucht spätestens bei der U9 beim Kind, ob eine altersgemäße Sprachentwicklung vorliegt. Doch meist bemerken die Eltern oder Erzieher schon früher, dass ein Kind im Vergleich zu den gleichaltrigen Kindern mehr Schwierigkeiten hat, Wörter korrekt anzuordnen und Sätze richtig zu bilden. In diesem Fall sollten sich Eltern sofort an den Kinderarzt wenden.

Zur Diagnostik gehören Testverfahren, um die Wortschatzentwicklung und die grammatische Regelbildung zu überprüfen. Dies verfolgt das Ziel, die Spontansprache zu analysieren. Bei kleinen Kindern wird diese gern während einer Beobachtung beim Spielen protokolliert. Im Schulalter wird in der Regel neben dem Sprechen auch die schriftliche Formulierungsfähigkeit ermittelt.

Wird der Dysgrammatismus nicht rechtzeitig oder unzureichend behandelt, wirkt sich die Sprachentwicklungsstörung selbst im Schulalter noch aus. Daher ist bei einem Verdacht der Gang zum Arzt sehr wichtig. Durch eine frühzeitige logopädische Therapie können bei einem Kind meist innerhalb eines kurzen Zeitraums sprachliche Defizite aufgeholt oder sogar gänzlich behoben werden.

Bleibt die logopädische Behandlung jedoch aus, können sich fehlerhafte Sprachmuster verfestigen, sodass sie auch noch in der Schule oder bis in das Jugend- oder Erwachsenenalter hineinwirken können.

Komplikationen

Dysgrammatismus beschreibt das Problem von Menschen, keine grammatikalisch korrekten Sätze produzieren zu können. Es werden grammatikalisch falsche Formen verwendet, Sätze und Satzstrukturen sind mitunter unvollständig, der Zusammenhang und Redefluss geht verloren. Deshalb sollte bei einem Verdacht auf Dysgrammatismus ein Facharzt aufgesucht werden, sofern sich die Probleme nicht in der Schule klären lassen.

Dysgrammatismus ist klar von Agrammatismus abzugrenzen. Agrammatismus ist ein Phänomen, dass bei Zuwanderern vorkommt, die der heimischen Sprache nicht mächtig sind und diese nur zu einem gewissen Punkt erlernen können. Es kommt zu Überlagerungen mit der Muttersprache. Dies bedarf keiner ärztlichen Behandlung und kann durch einen effektiven Deutschunterricht verbessert werden.

Dysgrammatismus hingegen kommt vornehmlich bei Einheimischen vor, die aufgrund von Entwicklungsdefiziten oder Hirnerkrankungen und –verletzungen der Grammatik nicht vollständig mächtig werden oder diese zum Teil wieder verlernen. Anders als beim Agrammatismus sollte deshalb beim Dysgrammatismus ärztlicher Rat gesucht werden, um die Sprachstörung in den Griff zu bekommen, sei es durch logopädisches Training, durch gezielte Sprachschulung durch Fachleute wie klinische Linguisten oder durch NLP-Techniken.

Unterbleibt eine Sprachtherapie, verfestigt sich der Dysgrammatismus, was zu sozialer und beruflicher Stigmatisierung führen kann. Betroffene leiden unter mangelndem Selbstwertgefühl und Minderwertigkeitskomplexen. Lehrer, Ärzte und Familienangehörige sowie das soziale Umfeld sollten erste Hinweise ernst nehmen und sprachtherapeutische Gegenmaßnahmen einleiten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei erkennbaren Problemen, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden, sollte mit dem Kind zum Arzt gegangen werden. Der Mediziner kann feststellen, ob tatsächlich ein Dysgrammatismus vorliegt und die Eltern oder Erziehungsberechtigten anschließend an die passende Fachklinik verweisen. Da eine Behandlung erfolgversprechender ist, je früher sie erfolgt, sollte bei ersten Anzeichen eines Problems mit dem Kinderarzt gesprochen werden.

Eltern, die feststellen, dass ihr Kind ungewöhnliche Sätze bildet oder ganze Worte auslässt, sollten dies rasch abklären lassen. Dysgrammatismus tritt besonders häufig im Zusammenhang mit einer mangelnden Sprachförderung, Kontaktstörungen oder Konzentrationsschwäche. Kinder, die beispielsweise aus einer Problemfamilie übernommen oder aus dem Ausland adoptiert wurden, müssen deshalb frühestmöglich sprachtherapeutisch gefördert werden.

Sollte der Sprachstörung eine psychische Erkrankung oder ein frühkindlicher Hirnschaden zugrunde liegen, muss dies ebenfalls zügig abgeklärt werden. Zumeist können die Probleme durch eine umfassende Betreuung und regelmäßiges Training zumindest stark reduziert werden. Geeignete Ansprechpartner sind neben dem Kinderarzt auch klinische Linguisten oder Fachkliniken, in denen logopädisches Training angeboten wird.

Behandlung & Therapie

Der Dysgrammatismus kann zum Beispiel mit rythmisch-musikalischen Übungen behandelt werden, um das Sprachgefühl und die Sprachrythmik des Kindes zu verbessern. Ein Bestandteil der Therapie ist außerdem der Ausbau der grammatikalischen Fähigkeiten, beispielsweise durch Sprachspiele, denn dies trägt zur Motivation beim Kind bei.

Darüber hinaus soll durch die Behandlung des Dysgrammatismus die Wahrnehmungsfähigkeit auf der taktilen, akustischen und visuellen Ebene gefördert werden. Ein weiterer logopädischer Ansatz ist das Modeling. Hier geht es darum, das semantische Ausdrucksvermögen zu erweitern. Ein Kind, das von seinen sprachlichen Defiziten weiß, entwickelt häufig generell eine Scheu vor einer Kommunikation.

Oftmals tragen bereits die zahlreichen Gespräche zur Verbesserung bei. Damit kann im Rahmen der Therapie zudem das Selbstwertgefühl des Kindes gestärkt werden. Mit einem gesteigerten Selbstbewusstsein wird die grammatikalische Kompetenz und somit der Dysgrammatismus meist automatisch verbessert.

Aussicht & Prognose

In den meisten Fällen kommt es beim Dysgrammatismus nicht zu einer Selbstheilung, sodass die Krankheit immer von einem Arzt behandelt werden muss. Falls die Erkrankung nicht behandelt wird, kann sie zu schwerwiegenden Komplikationen im Erwachsenenalter und auch bei der kindlichen Entwicklung führen, sodass diese erheblich eingeschränkt wird. Die Patienten können dabei keinen gewöhnlichen Satzbau fertigen und leiden daher an Beschwerden beim Sprechen und bei der Kommunikation. Die Entwicklung wird verzögert, wobei es durch die Sprachbeschwerden auch zu Mobbing oder zu Hänseleien im jungen Alter kommen kann.

Die Behandlung des Dysgrammatismus richtet sich immer nach der genauen Ausprägung der Beschwerden und zielt auf eine Linderung und auf eine Sprachtherapie ab. Dadurch können die meisten Beschwerden gelindert werden, sodass der Betroffene auch an einer ungestörten Entwicklung teilnehmen kann. Ebenfalls werden dadurch auch die psychischen Beschwerden gelöst und das Selbstbewusstsein des Betroffenen verstärkt.

Der genaue Ausgang der Behandlung kann dabei nicht vorhergesagt werden, allerdings steigen die Chancen einer vollständigen Heilung, falls diese schon frühzeitig beginnt. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch den Dysgrammatismus nicht verringert.


Vorbeugung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um einen Dysgrammatismus bei einem Kind vorzubeugen, beispielsweise indem die Kommunikation mit dem Kind nicht vernachlässigt wird. Zudem sollte auf eine altersgerechte Entwicklung des Kindes geachtet werden, um eventuell vorhandene Störungen in der Sprachentwicklung frühzeitig zu beheben und einen Dysgrammatismus zu vermeiden.

Eine Überforderung des Kindes kann ebenso zu dieser Störung führen und sollte daher unbedingt vermieden werden. Zudem sollte auf genügend Schlaf geachtet werden, denn die Konzentration spielt eine besonders wichtige Rolle für einen korrekten Satzbau. Bei einem Kind, das regelmäßig unausgeschlafen ist, besteht ein höheres Risiko, einen Dysgrammatismus zu entwickeln.

Nachsorge

Die klassische Behandlung bei Dysgrammatismus umfasst eine logopädische Maßnahme. Oftmals liegt eine umfassende Sprachentwicklungsverzögerung vor, deren auffallender Teil ein Dysgrammatismus ist. Manche Kliniken haben sich auf die Behandlung und Nachsorge solcher Sprachstörungen spezialisiert.

Ein besonderes Problem bei der Behandlung solcher Störungen stellen Frühgeborene dar. Je früher die betroffenen Kinder wegen ihrer Grammatikerwerbsstörungen behandelt werden, desto empfänglicher sind sie für die Therapie.

Da meistens auch andere Sprachentwicklungsstörungen vorliegen, ist eine Nachsorge sinnvoll. Wegen der anderen Kinder, die auf solche Störungen oft negativ reagieren, ist gegebenenfalls eine psychotherapeutische Betreuung sinnvoll. Zuständig ist ansonsten die Logopädie.

Werden die vorliegenden Defizite auf der Ebene der Syntax-Morphologie nicht frühzeitig behandelt, wird es für die Kinder schwer, mit anderen mitzuhalten. Da die Störungen aber meistens früh auffallen, sind die Chancen für eine Behandlung sowie für die Nachsorge gut.

Satzbaustörungen beziehungsweise Dysgrammatismus gehören zu klassischen Behandlungsfeldern der Logopädie. Die Nachsorgephase kann im Einzelfall sehr lange dauern. Dies ist besonders dann der Fall, wenn weitere Sprachentwicklungsstörungen oder eine Lernstörung vorliegen. Gegebenenfalls kann dem Kind geholfen werden, indem es in einer speziellen Schule eingeschult wird. Dort können betroffene Kinder intensiver betreut werden.

Das können Sie selbst tun

Grundsätzlich gilt, dass je früher die Störung behandelt wird, desto besser können die fehlenden Fertigkeiten in der Satzbildung aufgefangen werden. Da noch keine neurologische Ursache der Störung gefunden werden konnte, ist eine Behandlung mittels Medikamente nicht indiziert.

Die Entwicklungsverzögerung in der Satzbildung wird stattdessen über Therapien ausgeglichen, bei denen über eine wohlwollende und vertrauensfördernde Grundatmosphäre des Therapeuten eine konstruktive Beziehung zum Kind aufgebaut werden sollte. Die Therapie wird in der Regel von einem Logopäden betreut, kann aber auch mit Hilfe von Atem-, Stimm- und Sprachlehrern sowie Sprachheilpädagogen organisiert werden.

Dabei werden dem Kind z. B. interessante Bildergeschichten gezeigt, die es zum aktiven Nachsprechen animieren sollte. Auch die Musik als Stimulus hat sich in der Betreuung von dysgrammatischen Kindern als hilfreich erwiesen, da während der Musik gezielt eine Melodie erzeugt wird, in der es dem Kind Freude macht, seine eigene "Sprachmelodie" zu entwickeln.

Wichtig ist in der Therapie, dass alle Maßnahmen das Kind zum aktiven Sprechen und zu einer besseren Satzbildung zu bewegen, spielerisch geschehen und dem Kind Freude machen. Denn nur so lernt das Kind, dessen grammatikalische Schwächen mit einer generellen Unlust, sich der Sprache zu bedienen, korrespondieren, Freude an der Sprache und damit an der sozialen Kommunikation zu entwickeln. Bei starkem sozialen Rückzug kann auch der Einsatz von Kinderpsychologen hilfreich sein, weil hier das Problem von grundlegender Natur ist.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Netter, F.H. et. al.: NETTERs Allgemeinmedizin. Thieme, Stuttgart 2006

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