Höhenretinopathie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Höhenretinopathie ist eine Blutung der Netzhaut und entspricht einer Reaktion auf den sinkenden Sauerstoffpartialdruck der Atemluft hin. Die Erkrankung gilt als Bergsteigererkrankung und kann das Anzeichen der Höhenkrankheit sein. Zur Therapie ist ein sofortiger Abstieg auf niedrigere Höhen erforderlich.
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Was ist eine Höhenretinopathie?
Eine Retinopathie ist eine Netzhauterkrankung, die mit Gefäßveränderungen der Retina einhergeht und dauerhafte Netzhautschädigungen sowie Gesichtsfeldeinschränkungen zur Folge haben kann. Die Ursachen für eine Retinopathie können von Schwellungen bis hin zu Diabetes verschiedene sein. Die sogenannte Höhenretinopathie ist eine Unterform aus der Krankheitsgruppe der Retinopathien, die mit natürlichen Veränderungen der Atemluft in großen Höhen in ursächlichem Zusammenhang steht.
Erstmals beschrieben wurde diese Form der Retinopathie im Jahre 1969. Als Erstbeschreiber gelten Singh und Kollegen. Seit den ersten Berichten wurden zahlreiche Fälle der Höhenretinopathie dokumentiert, die vor allem Bergsteiger und andere Alpinsportler betrafen. Das Vorliegen einer ausgeprägten Retinopathie kann das Symptom der Höhenkrankheit sein, die ein lebensbedrohliches Hirnödem zur Folge haben kann.
Ursachen
Ab Höhen von 5000 Metern über dem Meeresspiegel sind Höhenretinopathien verbreitete Erscheinungen. Ab 7000 Metern betreffen sie annähernd jeden. Das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Da die Blutungen meist vor allem in den Bereichen des peripheren Gesichtsfelds eintreten, nehmen die Bergsteiger sie subjektiv oft nicht wahr.
Nichtsdestotrotz kann eine Höhenretinopathie mit Gefäßveränderungen im Gehirn korrelieren und damit das Anzeichen einer Höhenkrankheit sein. Die Zusammenhänge zwischen den Lungen- sowie Hirnödemen der Höhenkrankheit und starken Höhenretinopathien gilt bislang allerdings nicht als abschließend gesichert.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei Patienten der Höhenretinopathie zeigen sich Veränderungen der Netzhaut. Diese Veränderungen manifestieren sich in Form von Einblutungen, die häufig ausschließlich im peripheren Gesichtsfeld liegen. Sobald die Blutungen im zentralen Gesichtsfeld liegen, nimmt der Patient die Veränderungen subjektiv als Sehschwäche wahr. Die Gefäßveränderungen können von Ödemen im Bereich der Papille oder des Sehnervs begleitet werden.
Vor allem bei einer Beteiligung des Sehnervs nimmt die Sehschwäche zu, da die visuellen Informationen nicht mehr ungestört ins Gehirn übertreten können. Wenn der Makulabereich an der Höhenretinopathie beteiligt ist, bemerken die Patienten die Veränderungen unmittelbar und mit starker Intensität. Ein Visusabfall auf annähernd Null ist ein denkbares Symptom dieser Erscheinung.
Falls die Retinopathie im Rahmen einer Höhenkrankheit vorliegt, ist sie von Veränderungen der zerebralen Gefäße begleitet und kann mit starken Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel, Appetitverlust, Atemnot und Tinnitus oder allgemeiner Schwäche vergesellschaftet sein. Als Anzeichen der Höhenkrankheit kann die Höhenretinopathie im Verlauf ein Hirn- oder Lungenödem entstehen lassen, das unbehandelt tödlich sein kann.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Verdachtsdiagnose einer Höhenretinopathie wird unmittelbar nach dem Auftreten meist nicht vom Arzt, sondern von Begleitern des Betroffenen gestellt. Maßgeblich dafür sind sichtbare Veränderungen der Netzhaut, die der Patient als visusvermindernd schildert. Erst nach dem Abstieg wird das Vorliegen der Retinopathie von Ärzten oder Notärzten bestätigt.
In den meisten Fällen wird die Diagnose durch augenärztliche Untersuchungen abgesichert und leitet schließlich in eine Untersuchung auf die Höhenkrankheit über. Die Prognose hängt für Patienten mit einer Höhenretinopathie maßgeblich davon ab, ob die Erscheinung das Anzeichen einer Höhenerkrankung ist. Höhenerkrankungen haben eine weitaus ungünstigere Prognose als isolierte Retinopathien. Auch der Zeitpunkt der Diagnose wirkt sich auf die Prognose aus.
Komplikationen
Diese können auch zu Schleiersehen oder zu Doppelbildern führen und verschlechtern weiterhin auch den Allgemeinzustand des Betroffenen. Nicht selten kommt es weiterhin zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Durch den sinkenden Blutdruck kann auch Schwindel auftreten, aus welchem sich im schlimmsten Falle ein Bewusstseinsverlust ausbilden kann. Dabei kann sich der Betroffene bei einem Sturz verletzen. In einigen Fällen kommt es auch zu einer Atemnot und damit zu Panikattacken oder Schweißausbrüchen.
Im Allgemeinen sinkt die Belastbarkeit des Patienten. Die Behandlung der Höhenretinopathie erfolgt durch einen Abstieg auf eine niedrigere Höhe. Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf. In akuten Fällen können auch Medikamente eingesetzt werden. Weiterhin muss sich der Patient ausruhen und schonen. Ob ein weiterer Aufstieg möglich ist, kann im Allgemeinen nicht vorausgesagt werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Veränderungen der Netzhaut bemerkt werden, sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Die Höhenretinopathie bedarf einer raschen Abklärung und Behandlung, denn wenn die Erkrankung weiter voranschreitet, können sich ernste Komplikationen einstellen. Darum sollte bereits bei ersten Auffälligkeiten ein Arzt aufgesucht werden. Personen, die plötzlich eine Verminderung der Sehkraft wahrnehmen, sollten den Augenarzt hinzuziehen. Ein Arztbesuch ist spätestens dann angezeigt, wenn Begleitsymptome wie Kopfschmerzen, Atemnot und Übelkeit und Erbrechen auftreten. Auch ein allgemeines Schwächegefühl bedarf einer medizinischen Abklärung.
Falls die Retinopathie im Zusammenhang mit einer Höhenkrankheit auftritt, muss umgehend ein Krankenhaus aufgesucht werden. Unbehandelt kann die Erkrankung lebensbedrohliche Hirn- oder Lungenödeme hervorrufen. Äußerlich ist die Höhenretinopathie vor allem an den sichtbaren Einblutungen in die Netzhaut zu erkennen. Das Auge kann zudem geschwollen sein oder tränen. Personen, die sich auf einer Höhe von über 5000 Metern über dem Meeresspiegel befinden, sind besonders anfällig für die Entstehung einer Höhenretinopathie. Bergsteiger, Wanderer und Co. sollten mit erwähnten Warnzeichen umgehend den Abstieg vornehmen und einen Arzt aufsuchen.
Behandlung & Therapie
Die ersten Schritte zur Behandlung einer Höhenretinopathie nimmt der Patient selbst vor. Ein weiterer Aufstieg in noch größere Höhen ist absolut kontraindiziert. Der Betroffene sollte so schnell wie möglich den Abstieg anstreben. Falls er dazu nicht in der Lage ist, weil er zusätzlich an den Symptomen einer Höhenkrankheit leidet, ist die Kontaktaufnahme mit der Bergwacht oder der Abwärtstransport des Patienten durch seine Begleiter angezeigt.
Bei leichten bis mäßigen Symptomen einer Höhenkrankheit gilt die Empfehlung, mindestens einen Tag zu pausieren. Kopfschmerzen können mit einem nicht-steroidalen Antiphlogistikum wie Ibuprofen behandelt werden. Gegen die Übelkeit kann Antiemetikum gegeben werden. Azetazolamid hilft bei der Akklimatisation. Diese Maßnahmen sind vor allem zu dem Zweck gedacht, den Patienten zu stabilisieren und ihm den Abstieg zu ermöglichen.
Bei schweren Symptomen sollte der Abstieg sofort erfolgen. Wenn möglich wird den Patienten Sauerstoff und Dexamethason gegeben, um der Entwicklung eines Hirnödems vorzubeugen. Egal ob die Höhenretinopathie das Anzeichen einer Höhenkrankheit war oder nicht, sollte sich der Patient unten angekommen von einem Arzt untersuchen lassen. Im Normalfall bildet sich eine isolierte Retinopathie zurück, sobald der Betroffene die ursächliche Höhe verlassen hat.
Vorbeugung
Der Höhenretinopathie lässt sich unter Umständen durch dieselben Prophylaxen vorbeugen wie der Höhenkrankheit. Ein langsamer Aufstieg ist anzustreben. Der Körper passt sich in wenigen Tagen nur in gewissem Ausmaß an die Höhenveränderungen an. Diese Anpassung entspricht der Produktion roter Blutkörperchen und gilt als Akklimatisation.
Bei Bergtouren über 4500 Meter sollte der Bergsteiger vorab mindestens eine Woche auf Höhen von 2000 Metern zubringen und Tagestouren in höhere Gebiete unternehmen. Beim Aufstieg kann eine Pause alle 500 Höhenmeter einer Höhenkrankheit vorbeugen.
Nachsorge
Die Nachsorge der Höhenretinopathie bezieht sich vorrangig auf Vorsichtsmaßnahmen. Um sich vor den Beschwerden bei größeren Höhenunterschieden zu schützen, können die Betroffenen ein Höhenmessgerät mitnehmen und ihre bewusste Selbstbeobachtung schulen. So lassen sich Probleme mit der Netzhaut rechtzeitig erkennen.
Bergsteiger, die unter dieser Erkrankung leiden, wissen meistens schon aus Erfahrung, ab welcher Höhenlage es für sie schwierig wird. Dann ist eine Rückkehr zur vorigen Position beziehungsweise Höhe ratsam, sodass die Symptome nachlassen. Schnelle Höhenunterschiede oder kurzfristige Bergtouren sind nicht zu empfehlen. Besser sind eine intensive Vorbereitung und ein allmähliches Ansteigen, damit sich der Körper an die aktuelle Höhe gewöhnt.
Wenn die Beschwerden häufiger auftreten, sollten die Betroffenen einen Arzt aufsuchen. Das erste Anzeichen ist die Einschränkung der Sehkraft, anschließend können weitere Probleme wie Kopfschmerzen und Schwindelgefühle auftreten. Wenn die Begleiter alle nötigen Informationen zu der Höhenkrankheit haben, ist es jedoch trotzdem möglich, an Bergtouren teilzunehmen; vorausgesetzt, die Betroffenen lassen sich genügend Zeit.
Im Anschluss an die Symptome und den Abstieg sollten sich die Patienten erst einmal ausruhen. Dadurch sinkt das Risiko eines Bewusstseinsverlusts, der zu Unfällen und Verletzungen führen kann. In einer solchen Erholungspause verschwindet auch das Panikgefühl.
Das können Sie selbst tun
Betroffene können aufgrund vorhandener Erfahrungen häufig einschätzen, in welchen Höhenlagen ihre gesundheitlichen Probleme auftreten. Diesen sollte sich nur langsam und mit mehreren Pausen genähert werden. Bei den ersten Anzeichen der Höhenretinopathie ist es ratsam, die vorhandene Position zu verändern und eine Rückkehr zu einem niedriger gelegenen Ort anzutreten.
Nehmen die Symptome zu, ist ein Arztbesuch notwendig, um keine weiteren Risiken einzugehen. Plötzliche Höhenunterschiede sind zu vermeiden. Eine kurzfristig angesetzte Bergwanderung sollte grundsätzlich unterlassen werden. Findet eine gute Vorbereitung und Planung für einen Aufstieg statt, können viele Betroffene trotz der Erkrankung auch Orte in höheren Lagen aufsuchen. Dafür sollten mehrere Tage oder Wochen Zeit eingeplant werden, damit sich der Organismus langsam an die vorhandene Höhe gewöhnen kann. In dieser Zeit ist eine schrittweise Änderung der Höhenlage möglich und für den Körper verträglich. Zur Vermeidung von gesundheitlichen Gefahren ist die Planung im Vorfeld mit einem Arzt durchzusprechen. Begleitpersonen sind über die Erkrankung zu informieren und während der Höhenänderung ist eine gute Selbstreflektion notwendig.
Quellen
- Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014