Hyperpolarisation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Hyperpolarisation ist ein biologischer Prozess, bei dem die Membranspannung ansteigt und den Ruhewert übersteigt. Dieser Mechanismus ist wichtig für die Funktion von Muskel-, Nerven- sowie Sinneszellen im menschlichen Körper. Durch ihn können Aktionen wie Muskelbewegungen oder das Sehen ermöglicht und vom Körper kontrolliert werden.
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Was ist die Hyperpolarisation?
Zellen im menschlichen Körper sind von einer Membran umschlossen. Sie wird auch als Plasmamembran bezeichnet und besteht aus einer Lipiddoppelschicht. Sie trennt den intrazellulären Bereich, das Cytoplasma, von dem umgebenden Bereich ab.
Die Membranspannung von Zellen des menschlichen Körpers wie Muskel-, Nerven-, oder Sinneszellen im Auge, besitzen im Ruhezustand ein Ruhepotential. Diese Membranspannung kommt dadurch zustande, dass im Inneren der Zelle eine negative Ladung herrscht und im extrazellulären Bereich, d.h. außerhalb der Zellen, eine positive Ladung vorliegt.
Der Wert für das Ruhepotential ist unterschiedlich je nach Zelltyp. Wird dieses Ruhepotential der Membranspannung überschritten, so kommt es zur Hyperpolarisation der Membran. Dadurch wird Membranspannung negativer als während des Ruhepotentials, d.h. die Ladung im Zellinneren wird noch negativer.
Dies erfolgt in der Regel nach dem Öffnen oder auch Schließen von Ionenkanälen in der Membran. Bei diesen Ionenkanälen handelt es sich um Kalium-, Calcium-, Chlorid- , und Natriumkanälen, die spannungsabhängig fungieren.
Die Hyperpolarisation erfolgt aufgrund von spannungsabhängigen Kaliumkanälen, die nach Überschreiten des Ruhepotentials eine gewisse Zeit benötigen, um sich zu schließen. Sie transportieren die positiv geladenen Kalium-Ionen in den extrazellulären Bereich. Dadurch kommt es kurzzeitig zu einer negativeren Ladung im Inneren der Zelle, der Hyperpolarisation.
Funktion & Aufgabe
Dieser Prozess dient der Weiterleitung von Signalen. Nervenzellen bilden Aktionspotentiale im Bereich des Axonshügels, nachdem sie ein Signal erhalten haben. Dieses wird dann in Form der Aktionspotentiale entlang des Axons weitergeleitet.
Die Synapsen der Nervenzellen übermitteln dann das Signal an die nächste Nervenzelle in Form von Neurotransmittern. Diese können dabei aktivierend wirken oder auch eine inhibierende Wirkung besitzen. Der Prozess ist wesentlich bei der Weiterleitung von Signalen beispielsweise im Gehirn.
Auch das Sehen erfolgt auf eine ähnliche Weise. Zellen im Auge, die sogenannten Stäbchen und Zapfen, erhalten das Signal durch den äußeren Licht-Reiz. Dadurch kommt es zur Bildung des Aktionspotentials und es folgt eine Weiterleitung des Reizes bis zum Gehirn. Interessanterweise erfolgt hierbei die Reizentwicklung nicht wie bei anderen Nervenzellen durch eine Depolarisation.
Nervenzellen besitzen in ihrer Ruhelage ein Membranpotential von -65mV, Sehzellen dagegen besitzen ein Membranpotential von -40mV bei einem Ruhepotential. Sie besitzen damit bereits im Ruhezustand ein positiveres Membranpotential als Nervenzellen. Bei Sehzellen erfolgt die Entwicklung des Reizes durch eine Hyperpolarisation. Dadurch entlassen die Sehzellen weniger Neurotransmitter und die nachgeschalteten Nervenzellen können die Intensität des Lichtsignals anhand der Reduzierung der Neurotransmitter feststellen. Dieses Signal wird dann im Gehirn verarbeitet und ausgewertet.
Die Hyperpolarisation löst im Fall des Sehens oder bei bestimmten Neurone ein inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP) aus. Bei Neuronen handelt es sich dagegen häufig um aktivierende postsynaptische Potentiale (APSP).
Eine weitere wichtige Funktion der Hyperpolarisation ist, dass sie verhindert, dass die Zelle zu schnell erneut ein Aktionspotential aufgrund anderer Signale auslöst. Sie hemmt also zeitweise die Reizbildung in der Nervenzelle.
Krankheiten & Beschwerden
In Studien mit Mäusen wurde gezeigt, dass der Verlust von HCN-1 einen Defekt motorischer Bewegungen erzeugt. Das nicht Vorhandensein von HCN-2 führt zu neuronalen und kardialen Schädigungen und der Verlust von HCN-4 führt zum Tod der Tiere. Es wird spekuliert, dass diese Kanäle im Menschen mit Epilepsie in Verbindung gebracht werden können.
Zudem sind Mutationen in der HCN-4 Form bekannt, die beim Menschen zur kardialen Arrhythmie führen. Dies bedeutet, dass bestimmte Mutationen des HCN-4 Kanals zu einer Störung des Herzrhythmus führen können. Daher sind die HCN-Kanäle auch Ziel medizinischer Therapien bei Herzrhythmusstörungen, aber auch bei neurologischen Defekten, bei denen die Hyperpolarisation der Neuronen zu lange anhält.
Patienten mit Herzrhythmusstörungen, die auf eine Fehlfunktion des HCN-4 Kanals zurückzuführen sind, werden mit spezifischen Inhibitoren behandelt. Allerdings muss erwähnt werden, dass sich die meisten Therapien bezüglich der HCN-Kanäle noch im Versuchsstadium befinden und daher noch nicht für den Menschen zugänglich sind.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013