Idiopathische thrombozytopenische Purpura

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die idiopathische thrombozytopenische Purpura ist ein autoimmunologisch bedingter Mangel an Blutplättchen. Die Patienten leiden an Spontanblutungen. Behandelt wird die Erscheinung medikamentös, was in 70 Prozent aller Fälle zu einer Heilung führt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist idiopathische thrombozytopenische Purpura?

Die idiopathische thrombozytopenische Purpura wird mittels Labordiagnostik vor dem Hintergrund der Anamnese bestimmt. In der Anamnese können zurückgelegene Infektionen einen entscheidenden Hinweis liefern.
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Bei einer Thrombozytopenie liegt ein Mangel an Blutplättchen vor. Rund 150 000 bis 450 000 Blutplättchen befinden sich normalerweise in einem Zentiliter Blut. Eine Unterschreitung dieser Richtwerte ist eine Thrombozytopenie. Die Mangelerscheinungen werden entweder durch verminderte Bildung, gestörte Blutplättchen-Verteilung oder unnatürlich hohen Thrombozyten-Abbau verursacht.

Bei Thrombozytopenien unter 80.000 pro Zentiliter ist Blutungsneigung zu erwarten. Werte unter 50.000 pro Zentiliter verursachen spontanes Nasenbluten und Hämatomen, Hirnblutungen sowie Magen-Darm-Blutungen. Die idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP) wird auch als Immunthrombozytopenie, Purpura haemorrhagica, Autoimmunthrombozytopenie, thrombozytopenische Purpura oder immunthrombozytopenische Purpura bezeichnet.

Hierbei handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, die die Blutplättchen angreift. Als Unterformen gelten die akute Immunthrombozytopenie bei Kindern und die chronische Immunthrombozytopenie bei Erwachsenen. Letztere Form wurde erstmals von Werlhof und Wichmann beschrieben und ist besser als Morbus Werlhof, Werlhof-Wichmann-Syndrom oder Werlhof-Krankheit bekannt.

Diese Variante betrifft bevorzugt Frauen und tritt unter einer Million Einwohnern im Jahr an etwa 100 Menschen neu auf. Erkrankung wird vor dem Hintergrund einer autoimmunhämolytischen Anämie auch Evans-Syndrom genannt.

Ursachen

Die idiopathische thrombozytopenische Purpura ergibt sich aus einem fehlgeleiteten Immunprozesses. Die Ursache für den Thrombozytenmangel ist demnach eine Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem der Patienten bildet freie und Thrombozyten-gebundene Antikörper gegen Adhäsionsmoleküle wie Gp IIb/IIIa und verkürzt damit die Lebensdauer der Blutplättchen.

Wie für alle anderen Autoimmunerkrankungen ist die primäre Ursache für die idiopathische thrombozytopenische Purpura bislang nicht abschließend geklärt. Unterschiedliche Spekulationen stehen als Erklärungsansätze zur Verfügung. Mittlerweile wurde beobachtet, dass der Erkrankung häufig Infektionen der Atemwege oder solche des Magen-Darm-Traktes vorausgehen. Oft liegen in der Vergangenheit auch Infektionen mit HIV oder EBV vor.

Daher liegt mittlerweile die Vermutung nahe, dass kreuzreaktive Antigene der viralen Krankheitserreger im Rahmen von molekularem Mimikry die Antikörperbildung hervorrufen, so vor allem die Bildung von Immunglobulin G. Nichtsdestotrotz lassen sich nicht alle dokumentierten Fälle mit Infektionen erklären.

Lange war überhaupt nicht klar, dass es sich bei dem Phänomen überhaupt um eine Autoimmunerkrankung handelt. Obwohl die genaue Pathogenese und Ursache der Erkrankung bis heute nicht vollständig geklärt ist, ist sich die Wissenschaft mittlerweile zumindest über die autoimmunologische Basis einig.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Beschwerden von Patienten mit idiopathischer thrombozytopenischer Purpura unterscheiden sich von Fall zu Fall. Die Erkrankung ist so mit einem äußerst variablen klinischen Bild assoziiert und kann im Einzelfall etliche Symptome hervorrufen. Immer liegt der Krankheit ein erhöhter Abbau von Blutplättchen zugrunde. Auf dieser Basis vermindern sich die Thrombozyten.

Da die Blutplättchen eine wichtige Rolle bei der Gerinnungskaskade spielen, ergibt sich aus der verminderten Thrombozytenanzahl eine mehr oder weniger starke Blutungsneigung. Viele Patienten erleiden spontan punktförmige Blutungen der Haut, die auch als Petechien bezeichnet werden. Eine äußere Ursache für die Spontanblutungen kann nicht festgestellt werden.

Neben den Beinen sind vor allem die Schleimhäute im Rachenbereich betroffen, was der Erkrankung den Namen gegeben hat. Im Einzelfall kann außerdem spontanes Nasenbluten auftreten. Erkrankte Frauen leiden außerdem oft an einer verlängerten Regelblutung. Da die Krankheit auch Gehirnblutungen oder Blutungsprozesse im Magen-Darm-Trakt hervorrufen kann, ergeben sich im Extremfall lebensbedrohliche Zustände.

Bei Gehirnblutungen steigt zum Beispiel der Hirndruck an. Das Gehirn wird im Schädel komprimiert und kann bleibende Schädigungen davontragen. Im Normalfall kommt es erst bei Thrombozyten-Werten von weniger als 30.000 Stück pro Zentiliter zu klinisch manifesten Symptomen. Werte von weniger als 10.000 Blutplättchen pro Zentiliter rufen lebensbedrohliche Zustände hervor. Trotzdem treten lebensbedrohliche Situationen bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura nur selten ein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die idiopathische thrombozytopenische Purpura wird mittels Labordiagnostik vor dem Hintergrund der Anamnese bestimmt. In der Anamnese können zurückgelegene Infektionen einen entscheidenden Hinweis liefern. Die Blutuntersuchung belegt einen Mangel an Thrombozyten. Ähnliche Symptome wie die Erkrankung rufen auch die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, das hämolytisch-urämische Syndrom und die Heparin-induzierte Thrombozytopenie hervor.

In der Differentialdiagnostik müssen diese Erkrankungen ausgeschlossen werden. Idealerweise stößt der Arzt im Rahmen der Diagnostik auf die vermutlich primäre Infektionsursache. Die Prognose ist bei Heilungsraten von rund 70 Prozent relativ gut. Allerdings sterben rund vier Prozent an Gehirnblutungen.

Komplikationen

In vielen Fällen wird diese Erkrankung erst spät diagnostiziert, da es zu keinen einheitlichen oder charakteristischen Symptomen und Beschwerden kommt. Die Behandlung kann aus diesem Grund leider nicht frühzeitig erfolgen, was die Aussichten auf eine vollständige Heilung einschränkt. In der Regel kommt es allerdings zum Abbau von Blutplättchen.

Durch diesen Abbau treten bei den Betroffenen verstärkt Blutungen auf, die an unterschiedlichen Regionen des Körpers auftreten können. In den meisten Fällen treten die Blutungen direkt an der Haut auf und es kommt zu Spontanblutungen, die nicht mit einer Verletzung verbunden sind. Weiterhin leiden die Patienten an einem häufigen Nasenbluten. Im schlimmsten Falle kann es zu Blutungen im Gehirn oder im Magen kommen, welche unbehandelt zum Tode führen können.

Durch die Blutung im Gehirn steigt der Gehirndruck an und es kommt zu starken Kopfschmerzen und gegebenenfalls zu Lähmungen. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Hilfe von Medikamenten und führt oft zu einem positiven Krankheitsverlauf. Allerdings kann nicht vorausgesagt werden, ob ein bestimmtes Medikament bei einem Patienten zur Heilung führt oder ob ein anderes ebenso eingenommen werden muss. Unbehandelt kommt es zu einer Verringerung der Lebenserwartung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kommt es wiederholt ohne einen ersichtlichen Grund zu Blutungen, wird ein Arzt benötigt. Bei plötzlichem Blut im Stuhl oder im Urin, das über mehrere Tage oder sporadisch auftritt, besteht Grund zur Besorgnis. Ein Arztbesuch ist zur Abklärung der Ursache notwendig. Häufiges unerwartetes Nasen- oder Zahnfleischbluten sind Hinweise auf Unstimmigkeiten, denen nachgegangen werden sollte. Blutungen der Haut, Veränderungen des Hautbildes und spontan einsetzende Blutungen am Körper sind Warnhinweise, die untersucht werden müssen. Können die Blutungen nur schwer gestoppt werden, sollte ein Arzt von den Beobachtungen unterrichtet werden.

Treten Gehirnblutungen auf, kann sich ein lebensbedrohlicher Zustand entwickeln. Daher ist ein Arztbesuch notwendig, sobald es zu Schwindel, Gangunsicherheiten, Schlafstörungen oder einem allgemeinen Unwohlsein kommt. Setzen Bewusstseinsstörungen ein, ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen. Bei einem Ausfall des Bewusstseins muss ein Notarzt gerufen werden, da ein akuter Zustand eingetreten ist, der ein sofortiges Handeln erforderlich macht. Bis zu dessen Eintreffen sind Erste Hilfe Maßnahmen zu leisten. Frauen sollten sich untersuchen lassen, wenn sie unter starken und zugleich verlängerten Regelblutungen leiden. Hält die Monatsblutung länger als 7 Tage an, gilt dies als ungewöhnlich und kann ein Signal für Störungen im Organismus sein. Bei Herzrasen, Veränderungen des Blutdrucks oder Unregelmäßigkeiten des Herz-Rhythmus muss ein Arzt aufgesucht werden.

Behandlung & Therapie

In einigen Fällen der ITP ist keine Therapie erforderlich, weil es zu einer Spontanheilung kommt. Tritt keine Spontanheilung ein, werden Glucocorticoide gegeben. Zusätzlich erfolgt oft eine Immunglobulintherapie oder eine intravenöse Gabe des Anti-D-Immunglobulins. Bei schweren Blutungskomplikationen wird eine Splenektomie durchgeführt, da die immunologische Fehlfunktion meist in der Milz zu erwarten ist.

Darüber hinaus können bei Blutungskomplikationen Transfusion von Thrombozyten-Fremdkonzentraten erfolgen. Dieses Vorgehen führt in manchen Fällen allerdings zu einer Verschlechterung der Lage. Zytostatika unterdrücken autoantikörperproduzierende Zellen. Alternativ dazu können monoklonale Antikörper in Kombination mit Immunglobulinen verabreicht werden. Außerdem wird die Gabe von einem nicht-strukturanalogem Thrombopoietinpräparat seit der jüngsten Vergangenheit angewandt.

Jeder Patient spricht auf ein anderes Medikament besser an. Diese Unterschiede müssen Beachtung finden, indem regelmäßige Kontrollen erfolgen. Der Behandlungsplan wird in der Therapie einer ITP meist mehrmals umgestellt, bevor sich ausschlaggebende Erfolge zeigen. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass die 70 Prozent geheilten Patienten ausschließlich durch Selbstheilung von der Thrombozytonpenie geheilt wurden. Tatsächlich fällt es vor dem Hintergrund der Selbstheilung schwer, die einzelnen Medikamente auf ihre tatsächliche Wirksamkeit einzuschätzen.


Aussicht & Prognose

Die idiopathische thrombozytopenische Purpura - heute eher unter dem Begriff Immunthrombozytopenie (ITP) geführt - hat beim Erwachsenen meist eine gute Prognose. Voraussetzung für die Heilung ist allerdings, dass ein optimaler Therapieverlauf erreicht werden kann. Außerdem darf es nicht zu Hirnblutungen kommen. Bei Erwachsenen ist die idiopathische thrombozytopenische Purpura zu 70 bis 80 Prozent heilbar. Fakt ist aber auch, dass die Aussichten schlechter sind, wenn Rezidive auftreten.

Bei Kindern verläuft die idiopathische thrombozytopenische Purpura etwas anders. Bei jüngeren Kindern tritt die idiopathische thrombozytopenische Purpura eher als akute Erkrankung auf. Häufig tritt die Immunthrombozytopenie nach einem Infekt auf. Die chronische Form der idiopathische thrombozytopenische Purpura ist bei kleinen Kindern und Jugendlichen eher selten anzutreffen. Daher verläuft die Erkrankung anders. Die Prognose ist insgesamt besser als bei den Erwachsenen. Sofern nur milde Blutungen auftreten, kann auf eine therapeutische Intervention verzichtet werden. Bei Kindern sind sogar Spontanheilungen möglich. Eine gewisse Zahl an Kindern und Jugendlichen stirbt infolge von intrazerebralen Blutungen.

Die Sterblichkeitsrate bei der Idiopathischen thrombozytopenischen Purpura liegt bei insgesamt 4 Prozent der Betroffenen. Die Prognose ist schlecht, wenn es im Krankheitsverlauf zu Hirnblutungen kommt. Bei Rezidiven wird die ITP durch eine Milzentfernung manchmal gebessert. Es können aber auch nach der Operation Rezidive auftreten.

Vorbeugung

Die Idiopathische thrombozytopenische Purpura ist offenbar eine Spätfolge von Infektionen. Damit ließe sich dem Phänomen durch allgemeine Infektionsprophylaxen zumindest in Maßen vorbeugen.

Nachsorge

Die Nachsorge der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura richtet sich nach dem Alter der Patienten und nach dem individuellen Verlauf. Wenn es sich um eine Spätfolge nach einer Infektion handelt, können die Betroffenen vorbeugende Maßnahmen treffen, um das Risiko eines Rezidives zu verringern. Bei gleicher Therapie können die Patienten jedoch unterschiedlich auf die Medikamente reagieren, was sich auf den Heilungsprozess auswirkt.

Aus diesem Grund sollten die Betroffenen im engen Kontakt mit ihrem Arzt stehen und bei der Auswahl der Medikamente mithelfen. Für den Genesungsprozess spielen auch die Selbstheilungskräfte des Körpers eine entscheidende Rolle. Diese benötigen medizinische Unterstützung. Deshalb ist es wichtig, dass die Patienten frühzeitig einen Arzttermin wahrnehmen, wenn es zu Auffälligkeiten kommt.

Während des Aufenthalts im Krankenhaus und auch in der anschließenden Phase sollten sich die Patienten selbst beobachten und den medizinischen Anordnungen folgen. Ergänzend können sie ihre Lebensweise anpassen, um ihre Gesundheit zu stabilisieren. Durch eine nährstoffreiche Ernährung und ausreichend Aktivitäten stärken sie ihre Fitness.

Bei der Selbstverantwortung der Patienten ist auch die rechtzeitige Feststellung von möglichen Komplikationen ein wichtiges Thema. So lassen sich plötzliche Blutungen schon zu einem frühen Zeitpunkt feststellen. In einem solchen Verdachtsfall ist ein Arzt zu informieren oder der Notarzt muss kommen.

Das können Sie selbst tun

Bei der Behandlung der Idiopathischen thrombozytopenischen Purpura besteht die Problematik, dass die gleichen Medikamente bei verschiedenen Patienten unterschiedliche Wirksamkeiten hinsichtlich der Heilung der Krankheit besitzen. Daher ist von den Patienten ein hohes Maß an Mitarbeit gefragt, wenn es um die Auswahl wirksamer Arzneimittel geht. Außerdem spielen Selbstheilungsprozesse bei der Erkrankung eine große Rolle.

Wichtig für die Heilungschancen ist zunächst, dass die Patienten so rasch wie nur möglich einen Arzt aufsuchen. Jedoch bemerken viele Betroffene die Erkrankung verhältnismäßig spät. Zur medizinischen Behandlung gehören oftmals auch Krankenhausaufenthalte. Dabei befolgen die Patienten die Anordnungen der Pflegehelfer sowie der Ärzte.

Sinnvoll ist es, wenn die betroffenen Patienten die medikamentöse Therapie mit einem gesunden Lebensstil unterstützen, den sie selbst zu verantworten haben. Außerdem achten die Betroffenen stets auf potentielle Komplikationen und beobachten ihr Körpergefühl aufmerksam. Denn in manchen Fällen kommt es durch die Idiopathische thrombozytopenische Purpura zu Blutungen im Bereich des Magens oder des Gehirns. Von beiden Komplikationen geht eine Gefahr für das Leben der Personen aus. Daher ist auch in derartigen Verdachtsfällen umgehend ein Arzt aufzusuchen oder ein Notarzt zu rufen.

Quellen

  • Burkhardt, D.: Gesund leben. Laborwerte deuten. Müller Verlag, Köln 2005
  • Deschka, M.: Laborwerte A-Z. Kohlhammer, Stuttgart 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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