Immungenetik

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Immungenetik befasst sich mit der genetischen Basis der Immunantwort. In ihrem Rahmen werden Krankheiten untersucht, die sowohl das Immunsystem betreffen als auch genetisch prädisponiert sind. Grundlage immungenetischer Untersuchungen sind Genanalysen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Immungenetik?

Bei der Immungenetik handelt sich um eine Unterdisziplin der Genetik. Sie leitet sich aus der Verschmelzung der medizinischen Bereiche Genetik und Immunologie ab.

Bei der Immungenetik handelt sich um eine Unterdisziplin der Genetik. Sie leitet sich aus der Verschmelzung der medizinischen Bereiche Genetik und Immunologie ab. Die Genetik untersucht die Vererbung von Merkmalen einer Generation auf die Nächste durch die Weitergabe des auf den Genen gespeicherten genetischen Codes.

Die Immunologie wiederum ist die Lehre von den biochemischen Grundlagen der körperlichen Abwehr von Krankheitserregern, Giften und entarteten körpereigenen Zellen. Unter dem Begriff Immungenetik werden alle Prozesse behandelt, die sowohl genetische Grundlagen besitzen als auch das Immunsystem betreffen. In den letzten Jahren haben sich die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Immungenetik verstärkt. Besonderes Interesse erfahren die Fragestellungen nach dem Verlauf von Erkrankungen auf der Grundlage von genetischen Dispositionen und der Möglichkeit ihrer Beeinflussung mit bestimmten Wirkstoffen (Gentherapie).

Behandlungen & Therapien

Die Immungenetik untersucht genetisch ausgelöste immunologische Prozesse. Hauptsächlich geht es um die Feststellung und Behandlung von Erkrankungen, die auf immungenetischen Prozessen basieren. Dabei kommt es auch zu Überschneidungen mit den Fachbereichen Genetik und Immunologie.

Besonderes Augenmerk wird auf autoimmunologische Prozesse gelegt. Hierbei handelt es sich um Autoimmunerkrankungen, wobei sich das Immunsystem gegen körpereigenes Gewebe wendet. Die Prozesse, welche zur Entstehung dieser Erkrankungen führen, sind noch nicht ganz verstanden. Bekannt ist jedoch, dass eine genetische Disposition für Autoimmunerkrankungen vorliegen muss. Bei einer normalen immunologischen Reaktion werden eindringende Krankheitserreger oder Fremdsubstanzen von körpereigenen Immunzellen (T-Lymphozyten und B-Lymphozyten) abgewehrt. Dabei werden diese als fremd erkannt. Bei einer Autoimmunerkrankung greifen hauptsächlich T-Lymphozyten körpereigene Zellen an und zerstören sie. Vermutungen gehen davon aus, dass die Antigene auf der Oberfläche der Zelle zum Teil ähnliche genetische Eigenschaften besitzen wie bestimmte Krankheitserreger.

Das Immunsystem sollte jedoch eine gewisse Toleranz aufweisen, um den vermeintlich fremden genetischen Code zu akzeptieren. Ist das nicht der Fall, kommt es zu einer Autoimmunerkrankung. Zu den Autoimmunerkrankungen zählen unter anderem Diabetes mellitus vom Typ I, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, rheumatische Arthritis, Morbus Basedow und viele mehr. Jedes Organ kann betroffen sein. Bis heute stehen noch keine Therapien zur Verfügung, die eine Autoimmunstörung ursächlich heilen können. Bisher werden symptomatische Behandlungen durchgeführt, die das Immunsystem dämpfen. Im Rahmen der Immungenetik werden jedoch Methoden gesucht, die Autoimmunerkrankungen vollständig bekämpfen können. Vieles deutet darauf hin, dass künftig Gentherapien zur Heilung dieser Krankheiten beitragen.

Im Rahmen der Immungenetik werden selbstverständlich auch Krankheiten untersucht, die auf einer genetisch bedingten Immunschwäche beruhen. Angeborene Immundefekte sind jedoch selten. Meist können hier heute nur symptomatische Behandlungen durchgeführt werden. Dabei werden regelmäßig Antikörperzubereitungen aus Fremdblut appliziert. Die einzige Möglichkeit für eine vollständige Heilung besteht derzeit in einer Stammzelltransplantation, wobei ein neues Abwehrsystem übertragen wird. Innerhalb der Immungenetik finden auch Forschungen zu Gentherapien statt, die solch schwerwiegende Erkrankungen heilen sollen.

Des Weiteren spielt die Immungenetik auch bei Organtransplantationen eine Rolle. Mittels genetischer Untersuchungen müssen hier geeignete Spender gefunden werden. Bestimmte genetische Merkmale von Empfänger und Spender müssen ähnlich sein. Ansonsten würde das Immunsystem des Empfängers das neu implantierte Organ sofort abstoßen. Zur Immungenetik zählt im weitesten Sinne jedoch auch die Untersuchung von Bakterien bezüglich der Ausbildung von Resistenzen gegen Antibiotika. Gleichzeitig wird auch die ständige genetische Veränderung von Bakterienstämmen und Viren untersucht, um möglichst frühzeitig Impfstoffe entwickeln zu können.


Diagnose & Untersuchungsmethoden

Für die Diagnostik im Rahmen der Immungenetik stehen immunologische Labormethoden zur Verfügung. Diese Labormethoden werden einerseits zum Erkennen von Erkrankungen und andererseits zu Forschungszwecken durchgeführt. Dabei werden Antigene und Antikörper durch sogenannte Immunassays analysiert. Immunassays stellen Verfahren dar, die dem quantitativen und qualitativen Nachweis bestimmter Strukturen in Flüssigkeiten zur Spezifizierung von Antigenen und Antikörpern dienen.

Durch sie werden sowohl Krankheitserreger als auch körpereigene Proteine festgestellt. Bei Autoimmunerkrankungen, aber auch bei Infektionen und Allergien sind durch Immunassays Nachweise von spezifischen Antikörpern möglich. Mithilfe dieser Verfahren wird durch die molekulargenetische Charakterisierung bestimmter Histokompatibilitätsmarker die größtmögliche Übereinstimmung von Empfänger und Spender bei Organtransplantationen sichergestellt. Unter dem Namen Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) ist eine Gruppe menschlicher Gene gemeint, die für das Funktionieren des Immunsystems essenziell sind. Eine andere Bezeichnung dieses Komplexes ist das humane Leukozytenantigen-System (HLA-System).

Die HLA-Merkmale unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Sie können zwischen Empfänger und Spender stark differieren. Durch den Labortest zur Bestimmung der HLA-Merkmale müssen nun die geeigneten Spender bei einer Organtransplantation gesucht werden. Gleichzeitig führen viele Labors auch HLA-Tests zur Untersuchung von Autoimmunerkrankungen wie Morbus Bechterew, rheumatoide Arthritis, Zöliakie oder andere Erkrankungen durch. Auch für Blutspender werden entsprechende Tests durchgeführt. Zur Bestimmung der HLA-Merkmale werden entweder Tupferabstriche von der Wangenschleimhaut oder Gewebeproben genommen.

Des Weiteren können noch andere Untersuchungen wie die KIR-Diagnostik, die Bestimmung von Interleukin-Polymorphismen oder die Mutationssuche durchgeführt werden. Bei der KIR-Diagnostik werden beispielsweise KIR-Gene untersucht, die auf Killerzellen exprimiert sind und bestimmte HLA-Moleküle binden. Es gibt Hinweise darauf, dass bei Blutstammzelltransplantationen auch die KIR-Gene eine wichtige Rolle spielen. Viele Forschungsergebnisse in der Immungenetik zeigen das Potenzial dieses Fachgebietes hinsichtlich künftiger Heilungschancen bisher unheilbarer Erkrankungen.

Quellen

  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011
  • Suttorp, N., et al.: Infektionskrankheiten. Thieme, Stuttgart 2004

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