Lokalisation

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Lokalisation wird in der Akustik das Erkennen der Richtung, aus der ein Schall im dreidimensionalen Raum kommt, und das Erkennen der Entfernung der Schallquelle verstanden. Die Lokalisation basiert auf dem Richtungshören mit beiden Ohren (binaural) und auf dem Entfernungshören, das auch durch Hören mit einem Ohr (monaural) möglich ist. Lokalisation ist ein passiver Vorgang, bei dem ausschließlich der empfangene Schall durch die Ohren lokalisiert wird, ohne Beteiligung anderer Sinnesorgane.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Lokalisation?

Lokalisation ist ein passiver Vorgang, bei dem ausschließlich der empfangene Schall durch die Ohren lokalisiert wird, ohne Beteiligung anderer Sinnesorgane.

In der Medizin wird der Begriff Lokalisation von mehreren Fachgebieten mit unterschiedlichem Begriffsinhalt genutzt. Beispielsweise wird der Begriff in der Neurologie für die Zuordnung motorischer und psychischer Funktionen zu bestimmten Hirnarealen verwendet.

Meist wird unter Lokalisation die Fähigkeit zum Richtungs- und Entfernungshören ohne Beteiligung weiterer Sinne verstanden. Das Erkennen, aus welcher Richtung im dreidimensionalen Raum der Schall kommt, setzt in der Regel beidseitiges (binaurales) Hören voraus, weil unter anderem die geringfügigen Laufzeitunterschiede des Schalls zwischen beiden Ohren vom Gehirn für die Richtungserkennung genutzt werden. Auch die Form der Ohrmuscheln spielt dabei eine Rolle.

Entfernungshören funktioniert prinzipiell auch mit nur einem Ohr (monaural), da Entfernungshören nur indirekt erfolgen kann. Das Gehirn wertet bestimmte Qualitäten des Schalls wie Lautstärke, Frequenzspektrum und Schallreflexionen aus, vergleicht sie mit Erfahrungswerten und „schätzt“ daraus die Entfernung der Schallquelle ab.

Ein direktes Entfernungshören ist nicht möglich, da dies nur in Kombination mit dem Richtungshören möglich wäre und bei weiter entfernt liegenden Schallquellen einen deutlich größeren Abstand zwischen linkem und rechtem Ohr erfordern würde. Der unbewusst erfolgende Vergleich der Parameter des empfangenen Schalls mit Erfahrungswerten spielt beim Entfernungshören einer Schallquelle die größte Rolle.

Funktion & Aufgabe

Die Lokalisation einer Schallquelle nur durch den Höreindruck, ohne Beteiligung anderer Sinne wie das Sehen, hat für den Menschen eine hohe Bedeutung. Das Lokalisationsvermögen dient dazu, Schallquellen nach der Einstufung in gefährlich oder nicht gefährlich zu lokalisieren, um aus der Einstufung und aus der Lokalisation eine Handlungsentscheidung abzuleiten.

Das Besondere ist, dass die Lokalisation auch bei eingeschränkter Sicht oder bei völligem Ausfall des Sehens möglich ist. Beispielsweise bietet die Lokalisation und die zusätzliche Abschätzung der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs über die auditive Wahrnehmung eine Entscheidungshilfe zur gefahrlosen Überquerung einer verkehrsreichen Straße – auch bei stark eingeschränkter Sicht.

Darüber hinaus gestattet die Lokalisation einer Schallquelle in einigen Fällen auch eine navigatorische Groborientierung. In einem Waldgebiet ohne Weitsicht und ohne sonstige Orientierungsmöglichkeiten kann die Lokalisation einer Schallquelle, besonders die Bestimmung der Richtung, aus der der Schall kommt, eine Orientierungsmöglichkeit bieten.

Für das Richtungshören ist in der Regel beidseitiges (binaurales) Hören notwendig. Bei seitlich liegenden Schallquellen kann das Gehirn aus den nur wenige Millisekunden betragenden Laufzeitunterschieden zwischen linkem und rechtem Ohr und aus den Pegeldifferenzen, die sich aus Abschattungseffekten des Kopfes ergeben, die Lage der Schallquelle „berechnen“.

Falls Schallquellen zentral vor oder hinter dem Körper oder oben lokalisiert werden müssen, liefert das binaurale Hören aus physikalischen Gründen keine eindeutigen Ergebnisse. Hier spielt das äußere Ohr mit der speziellen Form der Ohrmuscheln und des Gehörgangs eine besondere Rolle.

Resonanzen, Schallreflexionen und geringfügige Frequenzverzerrungen an den Ohrmuscheln kann das Gehirn so auswerten, dass die Lokalisation der Schallquelle beispielsweise von vorne oder hinten möglich ist. Eine einfache Verifizierung ist möglich, indem man den Kopf so dreht, dass die Schallquelle sich seitlich befindet, da dann die Lokalisation die höchste Genauigkeit erreicht.


Krankheiten & Beschwerden

Uneingeschränktes Richtungs- und Entfernungshören bilden die Voraussetzungen dafür, eine Schallquelle eindeutig lokalisieren zu können. Das bedeutet, dass Einschränkungen des Lokalisationsvermögens in der Regel mit Hörminderungen auf einem oder beiden Ohren verbunden sind.

Falls eine einseitige Hörstörung vorliegt, ist das Richtungshören besonders stark beeinträchtigt. Allerdings ist erstaunlich, dass auch bei einem einseitigen Totalausfall des Hörvermögens das Richtungshören nicht vollkommen verloren geht, da über die Effekte der Ohrmuschel der Ausfall des Hörvermögens auf einem Ohr zu einem geringen Umfang kompensiert werden kann.

Bei einer zentralen Hörstörung, von der beide Ohren gleichermaßen betroffen sind, kann es sich um eine Schallleitungs- oder Schallempfindungsschwerhörigkeit handeln. Letztere schließt auch eine Schwerhörigkeit ein, bei der die Probleme entweder in der Umsetzung der physikalischen Schallschwingungen in Nervenimpulse in der Hörschnecke (Cochlea) liegen oder aber Einschränkungen bei der neuronalen Weiterleitung und/oder der Verarbeitung der Signale in den Hörzentren im ZNS bestehen.

Das bedeutet, dass auch das Lokalisationsvermögen beeinträchtigt wird, da nicht genügend oder fehlerhaft prozessierte auditive Signale in den Hörzentren ankommen oder die ankommenden Signale nicht korrekt weiterverarbeitet werden können.

Das eingeschränkte Vermögen kann vorübergehend oder dauerhaft sein. Beispielsweise bewirken neurotoxische Gifte ein vorübergehend eingeschränktes Lokalisationsvermögen. Das schließt auch exzessiven Alkoholkonsum oder anderweitigen Drogenkonsum ein.

Richtungshören setzt ein besonders sensibles Hörvermögen voraus, so dass sich jede zentrale Hörstörung unmittelbar auf das Richtungshören und damit auf das Lokalisationsvermögen auswirkt.

Auch Tinnitus und andere zentrale Hörstörungen wirken sich mindernd auf das Richtungshören aus. Häufig wird eine beginnende Hörminderung erst aufgrund einer symptomatischen Funktionsstörung beim Richtungshören erkannt.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

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