Lujan-Fryns-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Lujan-Fryns-Syndrom (LFS) handelt es sich um eine X-chromosomal vererbte Krankheit, die zu einer Intelligenzminderung bei gleichzeitigem marfanoidem Wuchs führt. Bisher gilt die Krankheit als nicht heilbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Lujan-Fryns-Syndrom?

Betroffen sind vom Lujan-Fryns-Syndrom vor allem Männer, was wahrscheinlich genetische Ursache hat. Genaue Zahlen zur Prävalenz sind jedoch nicht bekannt.
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Eine andere Bezeichnung für das Lujan-Fryns-Syndrom ist: X-chromosomale geistige Retardierung mit Lujan-Syndrom bei gleichzeitigem marfanoidem Habitus. Es wurde erstmals 1984 von dem amerikanischen Kinderarzt J. Enrique Lujan bei vier männlichen Patienten beobachtet. 1987 beschrieb der Humangenetiker Jean-Pierre Frans zwei Fälle mit gleicher Symptomatik. Nach diesen Wissenschaftlern wurde die sehr seltene Erkrankung benannt.

Das Lujan-Fryns-Syndrom verursacht leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung bei gleichzeitigem marfanoiden Wuchs, Gesichts-Dysmorphien und Verhaltensauffälligkeiten. Es kann außerdem zu Missbildungen kommen, die Herz und Gehirn beeinträchtigen. Nach dem Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 ist das Lujan-Fryns-Syndrom als eine leichte Intelligenzminderung bei deutlicher Verhaltensstörung klassifiziert, Beobachtung ist angeraten.

Ursachen

Verantwortlich für das Lujan-Fryns-Syndrom sind Mutationen im MED12-Gen. MED12 ist eine Untereinheit eines Multiproteinkomplexes, der die Transkription reguliert, ein Mediator. Die untersuchten Fälle wiesen eine Punktmutation, genauer eine Substitution auf. Das ist der Fall, wenn eine Base der DNA gegen eine andere ausgetauscht wird. Die Kategorie der beim Lujan-Fryns-Syndrom vorliegenden Substitution ist eine Missense-Mutation vom Typus p.N1007S.

Das bedeutet, dass die Aminosäure Asparagin, die sich normalerweise an Position 1007 entlang der MED12 Sequenz befinden sollte, fälschlicherweise durch Serin ersetzt wurde. Die Mutation sorgt für falschen Ausdruck des Proteins, das kodiert wird, was zur Störung führt. Lokalisieren lässt sich das betroffene Gen auf dem X-Chromosom, sein Genlocus ist 13.1. Die genaue Ätiologie ist jedoch noch unklar.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Typische Symptome sind eine leichte bis mittelschwere Intelligenzminderung, aber auch einzelne Fälle schwerer geistiger Behinderung sind bekannt. Neben der geistigen Beschränkung bei marfanoidem Habitus weisen die vom Lujan-Fryns-Syndrom betroffenen Menschen meist eine krankheitstypische Gesichts-Physiognomie auf. Unter marfanoidem Habitus versteht man eine Gruppe physischer Eigenschaften, die für das Marfan-Syndrom typisch sind.

Dazu gehören eine hohe Stirn, ein langes Gesicht mit schmalen Zügen, sowie eine große Nase mit hochliegender Nasenwurzel häufig Hypoplasie des Oberkiefers, ein kurzes, tiefes Philtrum sowie ein hoher Gaumen. Typisch sind außerdem lange überstreckbare Gliedmaßen, Finger und Zehen. Die große Zehe ist verhältnismäßig kurz, die zweite Zehe zu lang.

Eine häufig mit dem Syndrom einhergehende Gehirnanomalität ist die Agenesie, also die fehlende Anlage und Entwicklung, des corpus callosum, auch Hirnbalken genannt. Dieses aus rund 250 Millionen Nervenfasern bestehende Gewebe verbindet die beiden Hirnhemisphären. Zu den häufigsten Auffälligkeiten im Verhalten erkrankter Personen zählt eine Störung ähnlich der bei Personen aus dem Autismus-Spektrum.

Weitere psychische Störungen, die in Zusammenhang mit dem Lujan-Fryns-Syndrom auftreten können, sind psychotisches Verhalten, Schizophrenie, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen, oppositionelles Trotzverhalten, Zwangsstörungen, niedrige Frustrationstoleranz, mangelnde Impulskontrolle, Lernbehinderung, Defizite im Kurzzeitgedächtnis und Appetitlosigkeit bis hin zu Unterernährung. In einzelnen Fällen tritt das Lujan-Fryns-Syndrom aber auch ohne mentale Beeinträchtigungen auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Betroffen sind vom Lujan-Fryns-Syndrom vor allem Männer, was wahrscheinlich genetische Ursache hat. Genaue Zahlen zur Prävalenz sind jedoch nicht bekannt. Bis 2007 war nur eine klinische Diagnose des Syndroms möglich, seitdem das entsprechende Gen identifiziert ist, kann die Diagnose durch DNA-Analyse erfolgen. Bei einer Diagnose anhand der Symptome werden neben physischen Befunden auch die psychopathologischen Verhaltensmuster der Patienten herangezogen.

Von anderen Formen X-chromosomal indizierter geistiger Behinderung unterscheidet sich das Lujan-Fryns-Syndrom durch den begleitenden marfanoiden Habitus. Den marfanoiden Habitus kann man jedoch häufig erst während der Pubertät erkennen, da die physischen Strukturen der Patienten davor noch nicht entsprechend ausgebildet sind. Für die DNA-Diagnose wird das Blut des Patienten sowie das weiterer Familienmitglieder untersucht. Mithilfe der Sequenzierung wird das Exon 22 des MED12-Gens einschließlich der Intron/Exon-Spleißstellen sowie der flankierenden intronischen Bereiche analysiert.

In der Differentialdiagnose gibt es eine weitere Erkrankung, die einige Gemeinsamkeiten mit dem Lujan-Fryns-Syndrom aufweist und ebenfalls auf eine Mutation des MED12-Gens zurückzuführen ist, das Opitz-Kaveggia Syndrom. Durch DNA-Analyse lässt sich feststellen, dass es sich um eine Missende-Mutation p.R961W handelt.

Komplikationen

In erster Linie führt das Lujan-Fryns-Syndrom zu einer starken Verringerung der Intelligenz des Patienten. Dadurch sind die Betroffenen nicht selten ihr gesamtes Leben lang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können ihren Alltag nicht alleine meistern. Aus diesem Grund sind auch die Angehörigen und die Eltern der Kinder vom Lujan-Fryns-Syndrom stark betroffen und leiden nicht selten an psychischen Einschränkungen oder an Depressionen.

Die Betroffenen sind dabei hyperaktiv und nicht selten schizophren. Es kommt zu Zwangsstörungen oder zu einem trotzigen Verhalten, welches sich sehr negativ auf das soziale Umfeld auswirken kann. Vor allem im jungen Alter kann das Lujan-Fryns-Syndrom zu Mobbing oder zu Hänseleien beim Patienten führen. Weiterhin kann das Syndrom auch zu einer Unterernährung oder zu Appetitlosigkeit führen und damit die Lebensqualität deutlich einschränken.

Auch verschiedene Lernbehinderungen können dabei auftreten. In einigen Fällen kommt es bei diesem Syndrom zu Herzbeschwerden oder zu epileptischen Anfällen. Die Behandlung wird daher nur symptomatisch durchgeführt und zielt auf die Reduktion der Beschwerden ab. Eine vollständige Heilung ist allerdings nicht möglich, sodass die Patienten in der Regel dauerhaft auf eine Pflege angewiesen sind. Die Lebenserwartung der Betroffenen wird durch das Syndrom allerdings nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigen Kinder und Heranwachsende innerhalb ihres Entwicklungsprozesses im unmittelbaren Vergleich zu Gleichaltrigen deutliche Verzögerungen, sind die Beobachtungen einem Arzt vorzustellen. Kommt es zu einer Lernschwäche, Gedächtnisstörungen, Unterbrechungen der Merkfähigkeit oder wird eine geistige Abnormität wahrgenommen, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Optische Auffälligkeiten im Gesicht des Kindes sind ein weiteres Anzeichen einer vorhandenen Unregelmäßigkeit. Eine besonders hohe Stirn, ein langes schmales Gesicht oder eine veränderte Nasenform sind von einem Arzt abklären zu lassen.

Können die Finger oder Zehen problemlos überstreckt werden, ist das ungewöhnlich. Obgleich keine Schmerzen auftreten, weisen die Bewegungsmöglichkeiten auf eine Erkrankung hin, die ärztlich untersucht werden muss. Störungen der Aufmerksamkeit, Zwangshandlungen, eine Verminderung des Sprachvermögens oder Verhaltensauffälligkeiten sind von einem Arzt untersuchen zu lassen. Zeigt der Betroffene ein aggressives Auftreten, hat er eine geringe Frustrationsgrenze oder können Impulshandlungen nicht kontrolliert werden, ist ein Arztbesuch notwendig.

Wird das Verhalten von Menschen aus dem sozialen Umfeld als ab der Norm eingeschätzt, sollte die Beurteilung eines Arztes eingeholt werden. Der Betroffene benötigt häufig medizinische Hilfe, damit keine selbstzerstörerischen Handlungen vorgenommen werden. Eine Abnahme des Körpergewichts, Appetitlosigkeit oder eine veränderte Körperhaltung sollten mit einem Arzt besprochen werden. Hyperaktivität, ein psychopathisches Verhalten oder Halluzinationen sind schnellstmöglich von einem Arzt untersuchen zu lassen.

Behandlung & Therapie

Auf Grund der genetischen Ursprünge des Syndroms gibt es bisher keine spezifische Ursachenbehandlung für am Lujan-Fryns-Syndrom erkrankte Patienten. Die Erkrankung gilt als unheilbar. Dennoch gibt es Korrekturverfahren, präventive Interventionen und diverse Therapien für den Umgang mit den kraniofazialen, orthopädischen und psychiatrischen Problemen der Patienten.

Unregelmäßigkeiten mit dem Herzen sowie eventuelle Epilepsie sollte man regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls medikamentös behandeln lassen. Orthopädische Fehlstellungen lassen sich teilweise mit Physiotherapie verbessern. Eine psychologische Betreuung erkrankter Personen ist ebenfalls sinnvoll.

Dabei liegen die Schwerpunkte der Behandlung auf der Förderung der geistigen Entwicklung einerseits und der Früherkennung eventuell auftretender Psychosen und Schizophrenie andererseits. Impulskontrolle, das Vermeiden von Wutausbrüchen und sozial inkompatiblem Verhalten kann mit sonderpädagogischer und psychologischer Betreuung erlernt werden. Die Erkrankung wird dominant über das X-Chromosom vererbt. Das bedeutet, dass bereits ein durch einen betroffenen Elternteil vererbtes defektes Gen ausreicht, die Krankheit weiterzugeben.


Aussicht & Prognose

Das Lujan-Fryns-Syndrom hat eine ungünstige Prognose. Die Ursache des Syndroms basiert auf einem genetischen Defekt. Da die menschliche Genetik aufgrund der derzeitigen rechtlichen Situation nicht verändert werden darf, gibt es keine Möglichkeit, um die Ursache der Beschwerden zu beheben. Mediziner und Wissenschaftler konzentrieren sich daher auf die Entwicklung und Anwendung von Therapien für eine symptomatische Behandlung.

Die Erkrankung ist mit einer starken geistigen Behinderung verbunden. Aus diesem Grund können die Betroffenen ihr gesamtes Leben nicht ohne eine Hilfe anderer Menschen bewältigen. Ihnen ist es nicht möglich, eine selbstständige Lebensführung zu leisten. Sie sind vollständig auf die Unterstützung auf Pflegepersonal oder die Unterstützung der Angehörigen angewiesen.

Die Erkrankung stellt eine besondere Herausforderung bei der Bewältigung der Beschwerden dar. Das Risiko für eine zusätzliche psychische Erkrankung ist daher insbesondere bei den Angehörigen des Patienten erhöht. In einer medizinischen Versorgung soll die Störung der Herztätigkeit minimiert werden. Eine lebenslange medikamentöse Behandlung muss eingeleitet werden, damit Risiken und Komplikationen vermieden werden.

Zur Verbesserung der Lebensqualität werden sonderpädagogische und psychologische Therapien angewendet. Frühforderungsprogramme unterstützen ebenfalls den Krankheitsverlauf und zeigen verbesserte kognitive Leistungen. Dennoch bleibt die Erkrankung unheilbar. Ebenfalls wird der Zustand einer selbstständigen Lebensgestaltung trotz aller Bemühungen nicht erreicht.

Vorbeugung

Da es sich bei dem Lujan-Fryns-Syndrom um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, gibt es für den einzelnen Betroffenen keine Möglichkeit sich vor Erkrankung zu schützen. Da aus dem selben Grund keine Ansteckungsgefahr für die Umwelt besteht, ist keinerlei Prophylaxe notwendig.

Nachsorge

Bei einer geistigen Behinderung können Fürsorge und Nachsorge viel bewirken. Die Nachsorgemaßnahmen können sowohl psychosoziale und physiotherapeutische Maßnahmen umfassen. Je nachdem in welchem Alter sich der geistig behinderte Mensch befindet, kann mit Sprach- und Sprechförderung oder der Förderung motorischer Fähigkeiten eine umfassendere Teilnahme am Leben anderer gewonnen werden.

Außerdem können bei genetischen Ursachen auch körperliche Einschränkungen wie Minderwuchs oder Klumpfüße gegeben sein. Auch diese verlangen eine medizinische oder orthopädische Nachbehandlung und Überwachung. Zur Nachsorge gehören bei geistig behinderten Menschen umfassende Maßnahmen, die je nach Familiensituation und Behinderungsgrad ausfallen.

Geistig behinderte Menschen können in einer speziellen Arbeitsstätte einen förderlichen Alltag verleben. Sie brauchen Angebote zum betreuten Wohnen. Angesichts der heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, können viele Menschen mit einer geistigen Behinderung ohne große Probleme ein eigenständiges Leben führen.

Das können Sie selbst tun

Dem Betroffenen stehen beim Lujan-Fryns-Syndrom keine besonderen Möglichkeiten der Selbsthilfe zur Verfügung. In der Regel können die Symptome dieses Syndroms nicht direkt behandelt werden, sodass es nicht zu einer Heilung kommen kann.

Lediglich eine gewisse Minderung der Beschwerden durch eine intensive Pflege und Therapie kann dabei eintreten. Die verringerte Intelligenz kann dabei durch verschiedene Übungen therapiert werden. Hierbei sind vor allem die Eltern und die Angehörigen des Patienten gefragt, da diese den Betroffenen unterstützen und fördern müssen. Damit können weitere Komplikationen im Erwachsenenalter vermieden werden. Auch das Auftreten psychischer Erkrankungen sollte dabei schon früh diagnostiziert werden, um psychische Störungen zu vermeiden. Vor allem Wutausbrüche oder Psychosen müssen dabei beachtet werden. Hierbei wirken sich auch Gespräche mit den eigenen Freunden und mit der Familie positiv auf die Erkrankung aus.

Die Beschwerden am Herzen können nur durch chirurgische Eingriffe gelindert werden, wobei regelmäßige Untersuchungen sehr ratsam sind. Häufig kann sich auch der Kontakt zu anderen betroffenen Personen und deren Eltern als sehr nützlich erweisen, da es dabei zu einem Informationsaustausch kommen kann, welcher den Alltag erleichtern kann.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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