Mikrosakkaden
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Mikrosakkaden
Die Mikrosakkaden sind minimale Bewegungen der Augen, die für die visuelle Wahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen. Ohne eine Mikrosakkade pro Sekunde erreicht das Gehirn keine visuelle Wahrnehmung, da erst Mikrosakkaden für eine Verschiebung des Lichts auf der Netzhaut sorgen. Diese Verschiebung ist für die Rezeptoren der Netzhaut wichtig, um visuelle Informationen ans Gehirn weiterzugeben.
Inhaltsverzeichnis |
Was sind Mikrosakkaden?
Es gibt verschiedene Arten der Augenbewegung. Eine davon ist die Fixation, die einer Ruhestellung des Auges auf einem bestimmten Fixierpunkt entspricht. Sogar wenn sich das Auge in scheinbarer unbewegter Fixation befindet, finden jedoch in jeder Sekunde dennoch Mikrobewegungen statt. Solche Mikrobewegungen heißen Mikrosakkaden.
Pro Sekunde nimmt das Auge zwischen einer und drei Mikrosakkaden vor. Bei diesen ruckartigen Blitzbewegungen mit Amplituden zwischen drei und 50 Winkelminuten wird das einfallende Licht auf der Netzhaut verschoben. Erst durch diese Mikrosakkaden sind visuelle Wahrnehmungen letztlich möglich. Die Rezeptoren auf der Netzhaut der Augen reagieren vorwiegend auf Veränderungen des Lichts. Die Verschiebung des Lichts von einem rezeptiven Netzhautbereich in den nächsten lässt so die Rezeptoren reagieren und ermöglicht letztlich das Sehen.
Der Begriff der 'Lokaladaption' bezeichnet ein visuelles Phänomen, das den Menschen fixe Reize im Sichtbild zwar wahrnehmen lässt, diese jedoch nicht als fixiert empfindet. Dieser Effekt tritt unter bestimmten Umgebungsbedingungen ein. Dass der Mensch durch die Lokaladaption der Augen im Alltag keine visuellen Wahrnehmungsprobleme hat, hängt wiederum mit den Mikrosakkaden zusammen.
Funktion & Aufgabe
Jede Mikrosakkade richtet die Blicklinien neu auf den fixierten Punkt aus. Die Augen weichen physiologischerweise permanent durch Driftbewegungen von fixierten Punkten ab, um das Phänomen der Lokaladaption zu vermeiden. Die Mikrosakkaden sind damit einer der wesentlichsten Bestandteile der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit. Sie sorgen dafür, dass das Auge auch gleichbleibend visuelle Reize aus der Umgebung permanent an das Gehirn weitervermittelt und im Rahmen der Lokaladaption nicht aus der Wahrnehmung ausfiltert.
Die Lokaladaption ist deshalb notwendig, weil der Mensch ohne sie permanent die feinen Äderchen seines eigenen Auges über den Reizen aus der Umgebung wahrnehmen würde. Der Mensch zählt zu den augengesteuerten Lebewesen, die sich in ihrer Umwelt vorwiegend mittels visueller Wahrnehmung zurechtfinden. Dass sie das können, ist mitunter Phänomenen wie der Lokaladaption und den Mikrosakkaden zu verdanken.
Typischerweise finden Mikrosakkaden ein- bis dreimal in jeder Sekunde statt. Die jeweilige Rate ist personenabhängig und hängt außerdem mit Einflussfaktoren wie der Müdigkeit zusammen.
Die Wissenschaft geht mittlerweile davon aus, dass zur Generierung der Mikrosakkaden ähnlich neuronale Prozesse eine Rolle spielen, wie bei der Generierung von Sakkaden. Den Bewegungen scheinen gemeinsame Neuronalstrukturen zugrunde zu liegen. Die Driftbewegungen des Auges von einem Fixationspunkt sind genauso automatisch und unwillkürlich, wie die korrigierenden Mikrosakkaden, die das Auge wieder auf den Fixationspunkt ausrichten. Diese Prozesse werden selten bewusst wahrgenommen und finden in Zeitspannen unter einer Sekunde statt.
Krankheiten & Beschwerden
Wenn die Augenmuskeln gelähmt sind, können mitunter keine Mikrosakkaden mehr stattfinden. Das kann fatale Folgen auf die visuelle Wahrnehmung haben. Da die Rezeptoren auf der Retina (Netzhaut) fast ausschließlich auf sich ändernde Lichtverhältnisse reagieren, sorgen Mikrosakkaden für eine Verschiebung des Lichts auf der Netzhaut. Wenn keine Mikrosakkaden mehr stattfinden können, erreichen bei fixierter Kopfstellung lediglich gleichbleibende Lichtreize die Augen. Dieses Phänomen geht mit einem absoluten Verlust der gesamten Sehkraft einher. Hierbei ist auch von einem Sehverlust durch Rezeptorermüdung die Rede. Auf diese Weise würde ein Patient mit gelähmten Augenmuskeln vorübergehend erblinden, würde sein Kopf von außen fixiert werden. Eine Kopfbewegung kann die Lichtreize auf der Netzhaut auf ähnliche Weise verschieben wie die Mikrosakkaden. Sobald der Patient den Kopf also wieder bewegen kann, wird er, trotz Augenmuskellähmungen, durchaus wieder etwas sehen.
Ein Arzt kann über die Fixation des Kopfes die Lähmung von Augenmuskeln nachvollziehen, da durch die Lähmung verhinderte Mikrosakkaden in dieser Position zur vorübergehenden Erblindung führen würden. Das ständig auf die Netzhaut fallende Licht wird ohne Mikrosakkaden nicht auf verschiedene Rezeptoren verschoben, was vor allem Auswirkungen auf das periphere Sehen im Augenwinkel besitzt. Die rezeptiven Netzhautfelder sind an den Retinazellen in der Peripherie zu groß, als dass im Rahmen von anderweitigen Mikrobewegungen eine Reizveränderung der einfallenden Lichtreize möglich wäre.
Im zentralen Blickfeld kann die Verschiebung der Lichtreize unter Umständen durch andere Mikrobewegungen stattfinden, da zentrale Zellen der Retina von kleinerer Größe sind, als periphere Netzhautzellen. Das macht die rezeptiven Felder im Zentrum kleiner, sodass leichter Verschiebungen der Lichtreize möglich sind.
Quellen
- Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
- Dahlmann, C., Patzelt, J.: Basics Augenheilkunde. Urban & Fischer, München 2014
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014