Mikrotie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei einer Mikrotie handelt es sich um eine Fehlbildung der Ohrmuschel, die angeboren ist. Dabei wird das äußere Ohr nicht vollständig gebildet. Mitunter ist der Gehörgang nur sehr klein oder fehlt vollständig. Eine Rekonstruktion des Ohres und eine Operation zur Verbesserung der Hörfähigkeit sind mögliche Behandlungsformen.
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Was ist eine Mikrotie?
Die Fehlbildung des äußeren Ohrs ist angeboren. Durch die unvollständige Entwicklung des Ohrs kann es zu kleineren Fehlbildungen kommen oder der Gehörgang ganz fehlen. Abgeleitet wird der Begriff Mikrotie durch die Übersetzung „kleines Ohr“. Eine Knorpelplatte trennt das Außenohr vollständig vom Innenohr ab, was in weiterer Folge eine deutliche Einschränkung des Hörvermögens zur Folge hat.
Die Mikrotie kann entweder nur an einer Seite des Kopfes auftreten oder auch an beiden Seiten. In vielen Fällen tritt gleichzeitig mit einer Mikrotie eine Unterentwicklung des Unterkiefers auf. die Mikrotie zählt zu den größten Ausprägungen angeborener Ohrdefekte. Bei der Mikrotie wird nach vier Stufen eingeteilt:
- Grad 1 beschreibt eine minimale Fehlbildung, bei der der größte Teil des Ohrs eine normale Anatomie aufweist.
- Grad 2 weist eine optisch normale Ohrmuschelbildung auf, besonders im unteren Teil. Der Gehörgang kann jedoch anders, kleiner oder völlig geschlossen sein.
- Bei Grad 3 hat das Ohr eine der Erdnuss ähnlichen Form und verfügt über keinen Gehörgang.
- Bei Grad 4 fehlen das äußere Ohr sowie der Gehörgang vollständig.
Ursachen
Mögliche Ursachen einer Mikrotie dürften in Zusammenhang mit dem Genuss von Kaffee, Alkohol oder Drogenmissbrauch während einer Schwangerschaft liegen – insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft. Auch Medikamente könnten für diese Fehlbildung mögliche Auslöser darstellen. Die Häufigkeit des Auftretens einer Mikrotie findet sich unter bestimmten Völkern wie Asiaten oder Bewohnern aus den Anden häufiger. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit einer Mikrotie geboren wird liegt bei 1 zu 6000 beziehungsweise 12.000 Geburten.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Mikrotie findet sich bei zehn Prozent der Betroffenen auf beiden Seiten, die sogenannten bilaterale Mikrotie. Die Häufigkeit dieser angeborenen Anomalie findet sich meistens öfter auf der rechten Kopfseite und bildet sich meistens nur auf einer Seite. Beschwerden sind vor allem der Hörverlust, da ein normaler Gehörgang sowie Trommelfell und Gehörknöchelchen fehlen. Betroffene mit einer Mikrotie hören zwar noch ein paar Töne, das jedoch nicht über den Gehörgang. Bei der Mikrotie fehlt die Ohrmuschel, mitunter ist ein Ohrläppchen mit einem Rest der Ohrmuschel vorhanden.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Zur Abklärung bei einer familär häufiger auftretenden Mikrotie sollte die Humangenetik konsultiert werden. Auch eine frühzeitige Abklärung durch Fachärzte wie HNO-Ärzte, Kinderärzte sowie Phoniater und Pädaudiologen ist empfohlen. Mögliche negative Einflüsse während der Frühschwangerschaft sollten abgeklärt werden.
Ab dem 10. Lebensjahr kann eine Computertomographie genaueren Aufschluss über die Mittelohrstrukturen liefern. Bereits im frühkindlichen Alter ist eine Diagnose der Fehlbildung empfohlen. Geeignete Methoden zur Abklärung sind dabei regelmäßige Hörtests und eine Computertomographie, um Mittelohrdefekte zu erkennen.
Komplikationen
Die Betroffenen können dabei nur noch bestimmte Töne hören und leiden an deutlichen Einschränkungen in ihrem Alltag. Bei Kindern kann die Mikrotie auch zu Störungen der Entwicklung führen, sodass diese verlangsamt ist und es daher zu Folgeschäden im Erwachsenenalter kommt. In einigen Fällen kann die Mikrotie auch zu Gleichgewichtsstörungen führen.
Die Beschwerden der Krankheit können mit Hilfe von Implantaten und Hörgeräten relativ gut eingeschränkt und gelöst werden. Dabei kommt es nicht zu besonderen Komplikationen oder Beschwerden. Allerdings müssen die Eltern das Selbstwertgefühl ihrer Kinder stärken, damit es nicht zu Minderwertigkeitskomplexen kommt. Durch einen operativen Eingriff können die Hörbeschwerden noch weiter reduziert werden. Auch hierbei kommt es nicht zu besonderen Komplikationen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine schwerwiegende Mikrotie wird in der Regel direkt nach der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten des Säuglings festgestellt. Grundsätzlich ist diese Fehlbildung des Ohres nicht gefährlich, sofern sie nicht Teil eines Syndroms ist. Dies ist mehrheitlich nicht der Fall. Dennoch wäre es ratsam, den Kinderarzt oder einen Facharzt aufzusuchen. Je nach Schweregrad und Ausformung der Mikrotie kann diese das Hörvermögen des Kindes deutlich einschränken. Unbehandelt können daraus sprachliche Defizite und Folgeschäden im Erwachsenenalter resultieren. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, so früh wie möglich einen Hörtest beim HNO-Arzt durchführen zu lassen. Ein Arzt sollte unbedingt aufgesucht werden, wenn zusätzlich noch Gleichgewichtsstörungen bestehen.
Eine operative Korrektur der Mikrotie sowie das Einsetzen eines Knochenleitungshörgeräts können frühestens ab dem vierten oder fünften Lebensjahr erfolgen, da diese Eingriffe eine bestimmte körperliche Reife erfordern. Sofern nur eine leichte Form der Mikrotie vorliegt und das Kind dadurch nicht eingeschränkt wird, muss jedoch keine ärztliche Behandlung erfolgen. In einigen Fällen können die Betroffenen aufgrund der Mikrotie vor allem in der Kindheit und Jugend psychische Beschwerden wie Minderwertigkeitskomplexe oder Depressionen entwickeln. Hierbei empfiehlt es sich, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Behandlung & Therapie
Durch die mit der Mikrotie verbundene Einschränkung des Hörvermögens ist die Behandlung durch Pädaudiologen und HNO-Ärzte hilfreich. Der bestehende Hörverlust muss kontinuierlich abgeklärt und entsprechend behandelt werden. Mit einer sogenannten Otoplastik kann die fehlende Ohrmuschel aus dem körpereigenen Gewebe nachgebildet werden. Das normal hörende Ohr benötigt ebenfalls eine konsequente Kontrolle. Sollte ein Schallleitungs- oder Schallempfindungschwerhörigkeit auftreten, ist Handlungsbedarf gegeben.
Bei einer beidseitigen Fehlbildung durch die Mikrotie kann da Kind mit einem Knochenleitungshörgerät versorgt werden. Eine Operation, um die Fehlbildung zu korrigieren, sollte frühestens im Alter von vier bis fünf Jahren erfolgen, um die notwendige körperliche Reife für diesen Eingriff zu haben. Alternativ kann bei einer Mikrotie ein Implantat eingesetzt werden, um das invasive Verfahren mittels Operation zu vermeiden. Da die Mikrotie nicht so deutlich sichtbar ist wie Defekte im Gesicht ist die psychische Belastung nicht unbedingt groß.
Jedoch ist eine Rekonstruktion des Ohres eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen und auch eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Zudem ist die Minderung des angeborenen Defizits der Mikrotie mit einer Steigerung der Sicherheit im sozialen Umfeld verbunden. Da bei der Mikrotie die Hörfähigkeit nahezu immer eingeschränkt ist, ist eine Operation der HNO-Chirurgie zur Verbesserung des Gehörs meist notwendig oder empfehlenswert.
Vor dem Aufbau des Ohrs ist eine Operation des Mittelohrs durchzuführen, da bei einem umgekehrten Ablauf mögliche Narben den Ohraufbau behindern könnten. Die Operation erfolgt in mehreren Teilschritten. Nach ungefähr einem Jahr kommt bei Betroffenen das Gefühl in der neu aufgebauten Ohrmuschel zurück. Der Hörgewinn nach einer Operation zur Verbesserung der Hörfähigkeit liegt zwischen 20 bis 40 Dezibel.
Aussicht & Prognose
Eine Mikrotie hat als angeborene Fehlbildung keinerlei Aussicht auf spontane Heilung oder Besserung. Allerdings ist die Prognose bezüglich einer möglichen Verbesserung bei der Ohrmuschelfehlbildung in der Regel sehr gut. Relevant für die genaue Prognose sind mehrere Faktoren – etwa, ob beide Ohren betroffen sind und das Innen- und Mittelohr völlig intakt sind. Sind etwa nur die Ohrmuscheln als solche fehlgebildet, so können kleinteilige Eingriffe aus dem Bereich der plastischen Chirurgie mindestens das Hören enorm verbessern. Eine weitere Anpassung und Rekonstruktion eines gewöhnlichen Ohres ist vielfach möglich.
Mögliche Entwicklungsstörungen, die infolge des eingeschränkten Hörens auftreten, bergen allerdings die Gefahr größerer Einschränkungen. Diesen sollte für eine beste Aussicht auf eine Kompensation früh begegnet werden. Auch ist zu beachten, dass die empfundene Lebensqualität bei Betroffenen durch schnelles Handeln stark verbessert wird. Vielfach stellt nicht das eingeschränkte Hören für Betroffene die alleinige Belastung dar, sondern auch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Gesicht und Kopf aufgrund der Verformung.
Tritt eine Mikrotie zudem in Familien gehäuft auf, ist von einer genetischen Komponente auszugehen. Dies kann im Zweifel untersucht werden. Erkenntnisse darüber sind bezüglich der weiteren Familienplanung und einer erfolgten Gewissheit relevant. Es kann derzeit auch keine wirklich Prävention der Ohrmuschelfehlbildung in Aussicht gestellt werden, aber eine Gewissheit über das Risiko für das eigene Kind kann sehr hilfreich sein.
Vorbeugung
Zur Vorbeugung einer Mikrotie sollte insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft besonders darauf geachtet werden, dass schwangere Frauen keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen, rauchen oder Drogen konsumieren. Möglicherweise sollte auch der Konsum von Medikamenten mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden, um ein etwaiges Risiko auszuschließen.
Nachsorge
Eine bestehende Hörminderung kann bei Betroffenen zu verschiedenen Beschwerden und Komplikationen führen, die eine anhaltende Nachsorge erforderlich machen können. Diese Beschwerden verringern zwar nicht die Lebenserwartung, können sich jedoch sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten auswirken und zu deutlichen Einschränkungen im Alltag führen. Daher sollte schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen eine Untersuchung durch einen Arzt stattfinden.
Die Betroffenen sind aufgrund des eingeschränkten Hörvermögens mitunter angespannt und leiden nicht selten an psychischen Verstimmungen. Einfühlsame Gespräche mit Freunden und der Familie helfen dabei, das seelische Leiden zu mindern. Zudem ist es nützlich, das soziale Umfeld auf die bestehende Erkrankung aufmerksam machen, um Vorurteilen oder Missverständnissen vorzubeugen.
Mitunter kann es bei den Betroffenen dadurch zu Minderwertigkeitskomplexen oder zu einem verringerten Selbstwertgefühl kommen, wenn diese Krankheit dauerhaft anhält und den Alltag des Betroffenen einschränkt. Vor allem in stressigen Situationen können sich die Symptome verstärken, sodass sich der Betroffene nicht mehr richtig konzentrieren kann. Daher ist die gezielte Ansprache an die Mitmenschen ein wesentliches Element der Nachsorge, um den Umgang mit der Erkrankung dauerhaft zu meistern.
Das können Sie selbst tun
In Familien, in denen eine Fehlbildung der Ohrmuschel verbreitet ist, sollte bereits bei Kleinstkindern ein Hörtest durchgeführt werden, um eventuelle Störungen frühzeitig zu entdecken. Ein nicht erkannter Hörschaden kann zu einer Verzögerung der Entwicklung führen, der die Betroffenen in schweren Fällen selbst als Erwachsene noch beeinträchtigt. Defizite beim Hören können in der Regel zunächst durch Hörgeräte ausgeglichen werden. Später ist meist auch eine Korrektur der Beeinträchtigung durch einen operativen Eingriff am Mittelohr möglich. Eine plastisch-chirurgische Rekonstruktion der Ohrmuschel empfiehlt sich erst danach.
Die operativen Eingriffe am Ohr werden jedoch meist nicht schon im Kindesalter durchgeführt. Kinder, die an einer Mikrotie leiden, die mit einer deutlich sichtbaren Fehlbildung des äußeren Ohres einhergeht, werden deshalb im Kindergarten und in der Grundschule oft gehänselt. Eltern sollten darauf achten, ob ihr Kind auch psychisch unter der Störung leidet und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen. Oft helfen schon einfache Mittel, zum Beispiel eine Frisur, die die Ohren bedeckt, so dass die Fehlbildung im Alltag nicht ständig sichtbar ist. Sofern Kinder unter der ästhetischen Beeinträchtigung seelisch stark leiden, sollte ein Kinderpsychologe hinzugezogen werden.
Quellen
- Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
- Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
- Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009