Ohrmuschelfehlbildung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Ohrmuschelfehlbildung

Eine Ohrmuschelfehlbildung ist durch Anomalien der Ohrmuschelgestalt gekennzeichnet. Oft stellt sie keinen Krankheitswert dar wie bei den abstehenden Ohren. Schwere Ohrmuschelmissbildungen können jedoch auch ein Begleitsymptom eines Syndroms mit weiteren körperlichen Fehlbildungen sein.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Ohrmuschelfehlbildung?

Ohrmuschelfehlbildungen äußern sich in vielfältigen Abweichungen der Ohrmuschel. Oft handelt es sich nur um abstehende Ohren (Segelohren).
© ninell – stock.adobe.com

Der Begriff Ohrmuschelfehlbildung umfasst sowohl leichte Anomalien der Ohrmuschel wie abstehende Ohren als auch schwere Missbildungen, wobei die Ohrmuscheln sogar völlig fehlen können. Oft sind die Abweichungen nicht mit Schwerhörigkeit verbunden und haben in solchen Fällen auch keinen Krankheitswert. Das gilt besonders für die sogenannten Segelohren (abstehende Ohren). In anderen Fällen sind die Missbildungen gravierender und teilweise auch mit anderen körperlichen Fehlbildungen vergesellschaftet.

Eine Fehlbildung mit Verkleinerung der Ohren wird als Mikrotie bezeichnet. Eine hochgradige Mikrotie ist sehr selten und tritt in Deutschland bei 100 bis 150 Neugeborenen pro Jahr auf. Meist besteht eine isolierte Ohrmuschelfehlbildung. In circa 20 bis 30 Prozent der Fälle ist sie ein Symptom eines zugrunde liegenden Syndroms, welches entweder genetisch bedingt ist oder durch Blutungen während der Schwangerschaft hervorgerufen wird. Insgesamt werden die Ohrmuschelfehlbildungen in drei Schweregrade eingeteilt von der Dysplasie ersten Grades bis zur Dysplasie dritten Grades.

Ursachen

Die Ursachen für Ohrmuschelfehlbildungen sind vielfältig. Häufig stellt diese Abweichung gar keine Erkrankung dar wie bei den abstehenden Ohren. In diesen Fällen handelt es sich nur um ein äußeres Merkmal, welches allerdings nur im gesellschaftlichen Kontext definitionsgemäß von der Norm abweicht. Lediglich die psychische Belastung, gehänselt und verspottet zu werden, kann die Betroffenen veranlassen, eine chirurgische Korrektur durchführen zu lassen. Andere Fehlbildungen sind gravierender, besonders wenn es sich um Mikrotien handelt.

In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um eine isolierte Fehlbildung, dessen genaue Ursache nicht bekannt ist. Manchmal wird eine familiäre Häufung registriert. Dann kann von einer erblich bedingten Ohrmuschelfehlbildung ausgegangen werden. Wie festgestellt wurde, wird die Fehlbildung mit unterschiedlicher Penetranz an die Nachkommen weitergegeben. Dabei liegt ein autosomal dominanter Erbgang vor. Die unterschiedliche Ausprägung der Merkmale kann umweltbedingte aber auch anlagebedingte Ursachen haben. In circa 30 Prozent der Fälle tritt die Ohrmuschelfehlbildung mit anderen Fehlbildungen zusammen auf.

Hier spielen entweder Erkrankungen während der Schwangerschaft oder genetische Ursachen eine Rolle. Besonders im Zusammenhang mit zwei Syndromen tritt eine Ohrmuschelfehlbildung auf. Das ist zum einen das Goldenhar-Syndrom und zum anderen das Franceschetti-Syndrom. Beim Goldenhar-Syndrom liegt eine einseitige Missbildung einer Gesichtshälfte mit Ohrmuschelfehlbildung, verschobenem Kinn zur betroffenen Seite, missgebildetem oder fehlendem Auge, eingeschränkter Mimik und Hörproblemen vor. Als Ursache für diese Erkrankung wird beim Fetus eine Blutung in den Geweben vermutet, die als Ohren- oder Kiefernanlage dienen. Beim Franceschetti-Syndrom handelt es sich wiederum um eine genetisch bedingte Erkrankung, welche auch noch weitere Missbildungen aufweist.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ohrmuschelfehlbildungen äußern sich in vielfältigen Abweichungen der Ohrmuschel. Oft handelt es sich nur um abstehende Ohren (Segelohren). Von Segelohren wird gesprochen, wenn der Winkel von Ohrmuschel zum Ohransatz mehr als 30 Prozent beträgt. In Extremfällen kann er bis zu 90 Prozent betragen. Die Segelohren besitzen jedoch keinen Krankheitswert. Allerdings werden sie als ästhetisches Problem betrachtet. Betroffene leiden zwar nicht an Hörstörungen.

Aufgrund von Hänseleien und Spott führt diese Fehlstellung der Ohren jedoch häufig zu psychischen Problemen und sozialer Isolierung. Gravierender sind jedoch die Mikrotien. Das sind Ohrmissbildungen mit anomal kleinen Ohren. Hörstörungen treten in der Regel nur auf, wenn beide Ohren von einer Mikrotie betroffen sind. Bei einseitig betroffenen Personen konnte eine normale Lautsprachenentwicklung festgestellt werden. Das gilt jedoch nicht für beidseitige Ohrmuschelfehlbildungen. Wenn die Ohrmuschelfehlbildungen im Rahmen eines Syndroms auftreten, sind auch andere Körperteile von Missbildungen betroffen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei der Diagnostik von Ohrmuschelfehlbildungen geht es hauptsächlich um die Feststellung, ob auch Hörstörungen auftreten. Des Weiteren wird nach den Ursachen einer Mikrotie gesucht. So ergibt die familiäre Anamnese oftmals Anhaltspunkte für eine erblich bedingte Störung. Dabei kann die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens bei weiteren Kindern abgeschätzt werden.

Komplikationen

In der Regel kommt es bei der Ohrmuschelfehlbildung nicht zu besonderen Komplikationen und auch nicht zu einem schwerwiegenden Verlauf der Krankheit. Die Krankheit selbst hat keine negative Auswirkung auf die Gesundheit des Betroffenen, sodass es in der Regel nicht zu Einschränkungen im Alltag oder im Leben des Patienten kommt. Die meisten Betroffenen leiden aufgrund der Ohrmuschelfehlbildung allerdings an Hänseleien oder an Mobbing.

Vor allem bei Kindern kann es zu diesen Faktoren kommen, sodass diese oft aggressiv oder gereizt sind. Auch psychische Beschwerden, Verstimmungen oder Depressionen können sich bemerkbar machen und die Lebensqualität des Betroffenen zusätzlich verringern. In den meisten Fällen tritt eine Ohrmuschelfehlbildung zusammen mit anderen Fehlbildungen am Körper auf. Dabei hängt der weitere Verlauf stark von der Ursache der Krankheit ab.

In der Regel kommt es durch die Ohrmuschelfehlbildung nicht zu Hörbeschwerden oder zu anderen Einschränkungen im Leben des Betroffenen. Durch einen operativen Eingriff kann eine Ohrmuschelfehlbildung wieder behoben werden. Auch dabei kommt es nicht zu Komplikationen. Die Behandlung selbst ist auch nicht zwingend erforderlich. Die Lebenserwartung des Betroffenen bleibt von der Ohrmuschelfehlbildung in der Regel unberührt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer Ohrmuschelfehlbildung muss in einer Vielzahl der Fälle kein Arzt aufgesucht werden. Es handelt sich bei den meisten Betroffenen um einen optischen Makel, der keinen Krankheitswert hat. Sind keine weiteren Beschwerden vorhanden, muss daher im Normalfall kein Arzt konsultiert werden. Liegen Einschränkungen des Hörvermögens vor oder kommt es zu Schmerzen sowie Störungen des Gleichgewichts, wird ein Arzt benötigt. Es liegen Veränderungen oder weitere Erkrankungen des Ohrs vor, die untersucht und abgeklärt werden müssen.

Kopfschmerzen, Schwindel, Gangunsicherheiten oder Auffälligkeiten des Hautbildes sind ebenfalls einem Arzt vorzustellen. Treten aufgrund der Ohrmuschelfehlbildung psychische Störungen auf, besteht Handlungsbedarf. Bei emotionalen oder seelischen Unregelmäßigkeiten sollte ein Arzt aufgesucht werden. Besonderheiten des Verhaltens, eine depressive Stimmung oder ein Rückzug aus dem sozialen Leben sind mit einem Arzt zu besprechen. Bei vegetativen Problemen, Stress oder einer herabgesetzten Stimmung ist die Rücksprache mit einem Arzt anzuraten.

Behandlung & Therapie

Bei einer Dysplasie ersten Grades sollte eine nichtinvasive Behandlung bereits bei Neugeborenen beginnen. Der Ohrknorpel des Säuglings ist in den ersten Lebenstagen noch formbar. Er kann mit einem Ohrmuschelformer in der Zeit vom fünften bis zum siebten Lebenstag gut geformt werden, sodass die Fehlbildung korrigiert wird. Wenn die Behandlung später beginnt, werden aufgrund der zunehmenden Steifigkeit der Ohrmuscheln keine so guten Erfolge mehr erzielt.

Invasive Operationsmethoden zur Ohrmuschelkorrektur können ab dem vierten bis fünften Lebensjahr des Kindes beginnen. Als Material wird körpereigener Knorpel oder Kunststoff verwendet. Am besten hat sich Knorpelmaterial aus den Rippen bewährt. Meist besteht der operative Eingriff aus drei Schritten, die in einem zeitlichen Abstand von jeweils drei Monaten durchgeführt werden. In einem ersten Schritt wird der missgebildete Ohrknorpel entfernt und der Rippenknorpel entnommen.

Nach Präparation der Rudimenthaut erfolgen die Formung des Ohrmuschelgerüstes aus dem Rippenknorpel und seine Implantierung. In einem zweiten Schritt wird die Ohrmuschel abgehoben und eine Ohrfalte gebildet. In einer dritten Operation werden noch weitere Korrekturen vorgenommen. Manchmal ist dieser Schritt jedoch nicht mehr nötig.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bei Ohrmuschelfehlbildungen war bisher nicht sehr gut. Sofern das Hörvermögen nicht gestört oder extrem gemindert war, galt eine Fehlbildung der Ohrmuscheln bestenfalls als kosmetisches Problem. Es wurde vielfach durch längere Haare überdeckt. Die einzige Alternative dazu war eine Kunststoff-Ohrmuschelprothese, die über die fehlgebildete Ohrmuschel gelegt wurde.

Neben der audiologischen Rehabilitation haben in neuerer Zeit aber auch kosmetische Operationen zur erfolgreichen Verbesserung der Optik beigetragen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür, wenn der Betroffene deswegen an schweren Minderwertigkeitskomplexen und Depressionen leidet. Das ist zum Beispiel oft bei Jugendlichen der Fall.

In Zukunft könnten sich die Aussichten für Patienten mit Ohrmuschelfehlbildungen erheblich verbessern lassen. Chinesische Wissenschaftler haben einigen betroffenen Kindern Ohrmuscheln transplantiert. Die Haut und das Knorpelgewebe für das Hörorgan wurden aus körpereigenen Zellen im Labor gezüchtet. Die neuen Ohrmuscheln wurden anschließend per 3D-Drucker hergestellt, und anstelle der fehlgebildeten Ohrmuschel implantiert. Das Risiko einer Abstoßung konnte durch die körpereigenen Zellen minimiert werden.

Ob die in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlichten OP-Ergebnisse mit Fotobeweisen jedoch auch die westlichen Wissenschaftler überzeugen können, ist noch abzuwarten. Die meisten Ohrmuschelfehlbildungen sind bereits angeboren. Sie treffen also vor allem Kinder und Jugendliche hart. Nur wenige Ohrmuschelfehlbildungen entstehen bei Erwachsenen, zum Beispiel durch Unfälle oder entstellende Erkrankungen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor einer Ohrmuschelfehlbildung ist nicht möglich. Lediglich durch einen schnellen nichtinvasiven Eingriff in den ersten Lebenstagen eines betroffenen Neugeborenen kann die Fehlbildung in leichten Fällen noch korrigiert werden.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei einer Ohrmuschelfehlbildung in den meisten Fällen nur wenige und auch nur eingeschränkte Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Daher sollte der Betroffene idealerweise schon sehr früh einen Arzt aufsuchen, um ein weiteres Auftreten von Komplikationen oder Beschwerden zu verhindern. Es kann keine selbstständige Heilung eintreten, sodass schon bei den ersten Anzeichen und Beschwerden ein Arzt zu kontaktieren ist.

Sollten Betroffene einen Kinderwunsch hegen, empfiehlt sich eine genetische Untersuchung und Beratung, um das erneute Auftreten der Ohrmuschelfehlbildung bei den Kindern zu verhindern. In vielen Fällen kann diese Fehlbildung durch einen leichten operativen Eingriff wieder gelindert werden. Es kommt dabei zu keinen besonderen Komplikationen oder Beschwerden.

Nach dem Eingriff sind weiterhin regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr sinnvoll. Da die Ohrmuschelfehlbildung vor allem bei Kindern zu starken psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führen kann, sind diese in einigen Fällen auf die psychologische Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Die Krankheit selbst verringert dabei nicht die Lebenserwartung des Patienten, wobei auch keine weiteren Maßnahmen der Nachsorge zur Verfügung stehen.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Ohrmuschelfehlbildung ist in den meisten Fällen kein Krankheitswert gegeben. Es handelt sich um einen optischen Makel, dem sich der Betroffene ausgesetzt sieht. Im Alltag kann es daher zu Hänseleien können, die in schweren Fällen zu psychischen Problemen bei dem Patienten führen. Um dieser Entwicklung vorzubeugen, sollten Möglichkeiten wahrgenommen werden, die eine Verbesserung des Wohlbefindens auslösen und damit für den Betroffenen als hilfreich empfunden werden.

Mithilfe verschiedener Methoden oder Techniken kann die Ohrmuschelfehlbildung verborgen werden. Das Tragen von Kopfbedeckungen oder die Gestaltung von verschiedenen Frisuren kann die Auffälligkeit am Kopf gut verdecken. Durch diese Maßnahme bleibt vielen Mitmenschen die Fehlbildung des Ohres verborgen und damit unbemerkt. Kommentare, Bemerkungen oder unangenehme Blicke anderer Menschen werden auf diesem Weg reduziert.

Im Umgang mit den Menschen aus dem sozialen Umfeld benötigt der Betroffene ein gesundes sowie stabiles Selbstbewusstsein. Die Äußerungen anderer sollten keinen Einfluss auf die mentale Verfassung des Patienten haben. Um dies zu fördern helfen Angehörige und Partner, indem sie Erfolgserlebnisse aufbauen und die Persönlichkeit des Betroffenen fördern. In Gesprächen sollte vermittelt werden, dass die Wertigkeit eines Menschen nicht von dessen Optik abhängt. Der Fokus ist auf die Fähigkeiten und Kompetenzen des Betroffenen zu richten, damit eine Stärkung der inneren Kräfte erfolgt.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

Das könnte Sie auch interessieren