Morbus Scheie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Morbus Scheie ist eine sehr seltene Erbkrankheit. Mediziner gehen davon aus, dass Morbus Scheie eine abgeschwächte Verlaufsform des Mukopolysaccharidose Typ I (auch als MPS I bekannt), eine lysosomale Speicherkrankheit, ist. Morbus Scheie kann mit Morbus Hurler verglichen werden, wobei Morbus Scheie einen deutlich milderen Krankheitsverlauf hat. So sind die Symptome bei Morbus Scheie weniger stark ausgeprägt. Morbus Scheie hat auch keine Auswirkungen auf die Lebenswartung des Betroffenen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Scheie?

Auch immer wieder auftretende Lungeninfekte, Erkrankungen der Herzklappen und des Herzmuskels, Erkrankungen des Rückenmarks und das Karpaltunnelsyndrom (tritt bereits bei Kindern und Jugendlichen auf) sind Symptome von Morbus Scheie.
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Mediziner bezeichnen Morbus Scheie als mildere Mukopolysaccharidose Typ I. MPS I ist ebenfalls eine sehr selten auftretende Erkrankung; Mediziner schätzen die Häufigkeit bei 1:145.000. Mildere Formen, eben Morbus Scheie, treten noch seltener auf. Hier gehen Mediziner von 1:500.000 Geburten aus.

Morbus Scheie kann durch verschiedene Mutationen ausgelöst werden, wobei die Mediziner zwischen drei Verlaufsformen unterscheiden: Morbus Hurler-Scheie, Morbus Hurler und Morbus Scheie. Die Mutation von Morbus Scheie liegt am IDUA-Gen (Genport 4p16.3). Die Symptome, die bei Morbus Scheie auftreten, sind zwar ähnlich wie jene des Morbus Hurler, jedoch nicht so stark ausgeprägt. Der Krankheitsverlauf ist milder.

Ursachen

Wie bei allen MPS I-Erkrankungen, liegt Morbus Scheie einem Defekt des sogenannten Alpha-L-Iduronidase-Enzyms zugrunde. Jene Mutation führt in weiterer Folge dazu, dass die Glykosaminoglykanen (GAGs) nicht gespalten und sodann auch nicht abgebaut werden können. Durch den Umstand kommt es zu einer Akkumulation der Glykosaminoglykanen in den Körperzellen befindlichen Lysosomen.

Dabei lagern sich auch Heparansulfate und Dermatansulfate ein. Jene Umstände führen zu einer Beeinträchtigung der Zellenfunktion. In weiterer Folge treten die typischen Symptome auf, wobei Morbus Scheie ein individuelles Krankheitsbild aufweist. Das ist mitunter auch der Grund, warum Mediziner Probleme haben, Morbus Scheie schon im Anfangsstadium festzustellen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Liegt Morbus Scheie vor, sind nicht alle Symptome, die für eine MPS I-Erkrankung sprechen, zur Gänze ausgeprägt. Vor allem sorgt der Enzymdefekt für Beeinträchtigungen des Skeletts, der Augen und des Herzens. Zu den typischen Langzeit-Symptomen gehören: Hornhauttrübungen, Gelenksteifigkeit und Gelenkkontrakturen (klassisch sind Klauenhände), Leisten- und Nabelhernien, Rückenmark-Kompressionen (obere Halswirbelsäule), Hüftdysplasie sowie Schwerhörigkeit.

Auch immer wieder auftretende Lungeninfekte, Erkrankungen der Herzklappen und des Herzmuskels, Erkrankungen des Rückenmarks und das Karpaltunnelsyndrom (tritt bereits bei Kindern und Jugendlichen auf) sind Symptome von Morbus Scheie. Zu beachten ist, dass derartige Symptome oft auch erst im späteren Krankheitsverlauf auftreten. Zu den ersten Anzeichen gehören Nabel- und Leistenbrüche; das Karpaltunnelsyndrom kann ebenfalls in jungen Jahren auftreten.

Während Morbus Hurler eine schwere Verlaufsform mit sich bringt, da hier auch das zentrale Nervensystem angegriffen wird, ist das zentrale Nervensystem bei Morbus Scheie nicht beeinträchtigt. Patienten, die an Morbus Scheie erkrankt sind, haben daher eine normale geistige Entwicklung und selbe Intelligenz wie nichtbetroffene Personen.

Zu beachten ist, dass Morbus Scheie ein anderes Erscheinungsbild darstellt; Morbus Hurler kann daher „einfacher“ erkannt werden. Auch wenn es optische Auffälligkeiten - wie etwa grobe Gesichtszüge und gedrungener Körperbau - gibt, sind jene nicht derart stark ausgeprägt. Es gibt aber auch Morbus Scheie-Patienten, die bereits Skelettveränderungen haben und das typische Gangbild aufweisen. Jedoch bilden jene die Seltenheit. Im Regelfall sorgt Morbus Scheie für kein auffälliges Erscheinungsbild.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da Morbus Scheie einen verzögerten Krankheitsverlauf mit sich bringt und zudem noch ein variables Krankheitsbild besteht, kann die Diagnose oft erst recht spät gestellt werden. In vielen Fällen wird Morbus Scheie daher erst im Pubertäts- oder Erwachsenenalter festgestellt. Eine frühe Diagnose ist aber aufgrund des fortschreitenden Verlaufs ratsam.

Vor allem dann, wenn es sich um eine leicht verlaufende Form von Morbus Scheie handelt, ist die frühzeitige Diagnose wünschenswert, um den Verlauf zu bremsen, sodass mehrere Beschwerden gar nicht auftreten können. Liegt mitunter nur der Verdacht vor, dass es sich um Morbus Scheie handeln könnte, kann der Mediziner einen Bluttest anordnen.

Dabei wird ein indirekter Gentest durchgeführt, der am Ende bestätigt, ob es sich um Morbus Scheie handelt oder nicht. Nach der Diagnose wird sofort die Therapie begonnen. Menschen, die an Morbus Scheie erkrankt sind, haben - vergleichen mit Patienten, die an Morbus Hurler erkrankt sind - eine normale Lebenserwartung.

Komplikationen

Der Morbus Scheie führt zu vielen verschiedenen Beschwerden, die die Lebensqualität des Patienten deutlich verringern und einschränken können. In den meisten Fällen leiden die Betroffenen dabei an einer starken Gelenksteifigkeit und auch an Hornhauttrübungen. Dadurch kann auch die Sicht des Betroffenen eventuell eingeschränkt sein. Weiterhin kommt es auch zu einer Schwerhörigkeit, sodass auch der Alltag der Patienten deutlich eingeschränkt ist.

Auch am Herzen treten verschiedene Beschwerden auf, sodass es im schlimmsten Fall zum Herztod kommen kann. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch den Morbus Scheie deutlich verringert und eingeschränkt. Vor allem die Entwicklung von Kindern wird durch diese Krankheit deutlich verzögert. Ebenso kommt es zu Veränderungen und zu Deformationen am Skelett, welche auch zu Gangstörungen führen können. Kinder können dadurch Opfer von Hänseleien oder von Mobbing werden.

Der Morbus Scheie kann leider nicht kausal behandelt werden. Aus diesem Grund findet nur eine symptomatische Therapie statt, die auf die Linderung der Beschwerden abzielt. Besondere Komplikationen treten dadurch nicht auf. In einigen Fällen sind die Patienten allerdings auf die Hilfe und Unterstützung anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Erkrankung handelt es sich um einen sehr seltenen Gendefekt, der zwingend eine ärztliche und auch medikamentöse Behandlung erfordert. Eine vollständige Heilung ist nach aktuellem Stand der Medizintechnik nicht möglich. Allerdings können die auftretenden Symptome weitestgehend gelindert werden, sodass ein Leben mit dieser Erkrankung durchaus möglich ist und erträglich gestaltet werden kann.

Die einzelnen Symptome können mit entsprechenden Medikamenten stark gelindert und einige sogar komplett beseitigt werden. Viele betroffene Personen klagen über eine starke Hornhauttrübung. Dieses bestehende Symptom kann allerdings durch die Einleitung einer entsprechenden Behandlung behoben werden.

Weitere Symptome sind Schwerhörigkeit, Karapaltunnelsyndrom und eine Hüftdysplasie. Wann diese Symptome auftreten ist nur schwer vorherzusagen. Oftmals treten einige Symptome erst im Erwachsenenalter auf. Dennoch darf der Gang zum Arzt nicht hinausgezögert werden. Wer sich bei ersten Beschwerden für eine Behandlung entscheidet, der kann mit einer deutlichen und schnellen Besserung rechnen. Wer allerdings gänzlich auf eine ärztliche und medikamentöse Behandlung verzichtet, der erlebt einen deutlich erschwerten Krankheitsverlauf.´Mit schwerwiegenden Komplikationen muss gerechnet werden, die unter Umständen sogar lebensbedrohlich sein können.

Behandlung & Therapie

Seit dem Jahr 2003 wird - speziell für Morbus Scheie - eine vielversprechende Langzeitbehandlung angeboten. Dabei verweisen die Mediziner auf die Enzymersatztherapie. Dabei wird ein biotechnologisch hergestelltes Enzym verwendet und eingesetzt, sodass GAGs wieder gespalten und abgebaut werden können. Jedoch kann die Langzeitbehandlung nur die Symptome lindern; eine Heilung von Morbus Scheie gibt es nicht.

Zu beachten ist, dass die Langzeitbehandlung vorwiegend bei Morbus Scheie hilft. Bei schwereren Formen und Verläufen, bringen auch derartige Therapien nur einen bedingten Erfolg. Das Ziel der Behandlung ist es, dass die Symptome daher gelindert und die Lebensqualität gesteigert werden kann. Erfolgt eine derartige Therapie im frühen Krankheitsstadium, können diverse Beschwerden, die erst mit dem weiteren Krankheitsverlauf möglich sind, im Vorfeld verhindert werden.


Aussicht & Prognose

Morbus Scheie bietet eine relativ gute Prognose. Zwar sind die Symptome vielfältig, die meisten Beschwerden lassen sich jedoch effektiv behandeln. Wird die Erkrankung bereits im Kindesalter anhand der früh auftretenden Leisten- und Nabelbrüche erkannt, ist die Aussicht auf eine vollständige Genesung gegeben.

Haben sich bereits Leitsymptome wie zum Beispiel die typischen Herzerkrankungen oder Dysplasien entwickelt, ist eine vollständige Genesung schwierig zu erreichen. Die Patienten müssen sich langfristig in Behandlung begeben, wobei die Dauertherapie eine enorme körperliche und seelische Belastung darstellt. Menschen mit Morbus Scheie haben eine annähernd normale Lebenserwartung. Das Leiden kann seit 2003 effektiv behandelt werden. Durch die Enzymersatztherapie wird das defekte Enzym ersetzt, wodurch die körperlichen Prozesse unterbunden werden. Dadurch können Betroffene ein fast normales Leben führen.

Die Prognose orientiert sich am jeweiligen Symptombild und den zugehörigen Beschwerden. Deshalb muss die abschließende Prognose von einem Facharzt gestellt werden. Hierzu wird er verschiedene Testwerte, den bisherigen Krankheitsverlauf, die Konstitution des Patienten und einige andere Faktoren miteinbeziehen. Dadurch kann eine genaue Prognose gestellt werden, welche allerdings immer wieder angepasst werden muss.

Vorbeugung

Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, kann Morbus Scheie nicht vorgebeugt werden. Wichtig ist, dass auch wenn eine frühe Diagnose sich als schwierig erweist, beim kleinsten Verdacht ein Mediziner aufgesucht wird, um abzuklären, ob es sich um Morbus Scheie handelt oder nicht. Beginnt die Behandlung im frühen Stadium der Krankheit, kann der Verlauf gebremst werden, sodass verschiedene Symptome gar nicht erst auftreten können.

Nachsorge

In der Regel sind die Maßnahmen der direkten Nachsorge bei Morbus Scheie deutlich eingeschränkt, sodass Betroffene bei dieser Erkrankung schon sehr frühzeitig einen Arzt aufsuchen sollten. Es kann nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Daher sollte auch im Falle eines bestehenden Kinderwunsches eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten von Morbus Scheie bei den Nachfahren und den Kindern zu verhindern.

Im Vordergrund steht bei dieser Krankheit daher die frühe Erkennung und Behandlung. Die Betroffenen sind in der Regel auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen. Hierbei sind die Anweisungen des Arztes zu beachten, wobei bei Fragen oder Unklarheiten auch zuerst ein Arzt zu konsultieren werden sollte.

Weiterhin ist die richtige Dosierung und auch die regelmäßige Einnahme der Arzneimittel zu beachten. Die meisten Betroffenen sind bei Morbus Scheie auf regelmäßige Untersuchungen und Kontrollen durch einen Arzt angewiesen. Dabei kann auch der Kontakt zu anderen Patienten der Erkrankung sehr sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommt, welcher den Alltag des Betroffenen erleichtern kann.

Das können Sie selbst tun

Bei Morbus Schleie ist eine Selbsthilfe im Alltag nur dann möglich, wenn sie auf die Behandlung der Symptome zielt. Die wohl wichtigste Möglichkeit, der Krankheit entgegenzuwirken, ist tägliche Bewegung. Allein regelmäßige Spaziergänge können bereits möglichen Folgen von Morbus Schleie vorbeugen, die die Bewegungsfähigkeit von Patienten einschränken. Wenn die betroffene Person zu anspruchsvolleren sportlichen Betätigungen in der Lage ist, dann ist auch dies empfehlenswert. Im Zweifel sollte der Belastungsgrad mit einem Arzt abgeklärt werden.

Ein Fokus bei den Bewegungsübungen sollte vor allem auf den Händen liegen. Im Zuge von Morbus Schleie werden wichtige Funktionen der Hände eingeschränkt. Diesem Verfall kann durch regelmäßige Übungen entgegengesteuert werden. Spaziergänge eignen sich nicht nur aufgrund der Bewegung in der Selbsthilfe.

Ein wichtiger Faktor ist auch die frische Luft, da Lungenprobleme eine häufige Folge der Erkrankung sind. Auch sonst sollten Betroffene darauf achten, dass die Feuchtigkeit und die Temperatur der Luft in der Wohnung zu einer angenehmen Atmung beiträgt. Auch Atemübungen können helfen, etwaigen Beeinträchtigungen der Lungenfunktion entgegenzuwirken. Es lässt sich also festhalten, dass vor allem Bewegung und Selbsthilfemaßnahmen zu einer wirkungsvollen Selbsthilfe im Alltag beitragen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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