Morbus Hurler

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Diagnose Morbus Hurler ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Eltern mit einer enormen psychischen wie auch physischen Belastung verbunden, da die Krankheit nicht nur eine äußerst vielschichtige, sondern auch schwerwiegende Symptomatik aufweist. Nach momentanem Stand der Medizin ist Morbus Hurler nicht heilbar. Die Betroffenen müssen bereits im Säuglings- beziehungsweise frühen Kleinkindalter mit einer Knochenmark- beziehungsweise hämatopoetischen Stammzelltransplantation (KMT) sowie einer Enzymersatztherapie behandelt werden. Nur so kann es gelingen, die Lebensjahre der Pubertät zu überschreiten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Hurler?

Eine Diagnose eines Morbus Hurler kann mit einem Bluttest zur Bestimmung der Enzymaktivität der Alpha-L-Iduronidase erfolgen.
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Die Diagnose Morbus Hurler definiert von der lysosomalen Speicherkrankheit Mukopolysaccharidose Typ I (MPS I) die schwerste Verlaufsform. Die Kinderärztin Gertrud Hurler beschrieb den Verlauf dieser seltenen lysosomalen Speicherkrankheit mit Skelettdeformationen sowie einer verzögerten motorischen und intellektuellen Entwicklung zum ersten Mal. Von Ihrem Namen leitet sich die Bezeichnung ab.

Aktuell wird vermehrt zwischen einer MPS I inklusive Beteiligung des zentralen Nervensystems (ZMS) und einer MPS I ohne Beteiligung unterschieden. Allerdings ist beim Morbus Hurler das ZNS immer beteiligt. Zum Glück tritt diese Krankheit sehr selten auf. Die Schätzung beläuft sich auf circa 1:145.000 Geburten. Allerdings tritt der Morbus Hurler mit 1:100.000 am häufigsten auf.

Ursachen

Morbus Hurler, auch Hurler-Pfaunder-Syndrom genannt, wird im IDUA-Gen durch Mutationen, die einen Defekt oder vollständigen Aktivitätsverlust des Enzyms Alpha-L-Iduronidase, hervorrufen, ausgelöst. Die Folge davon ist eine Ansammlung von Glykosaminoglykanen (GAG) sowie eine Störung des Zellstoffwechsels.

Minoglykane können durch den Enzymdefekt nicht mehr in ausreichendem Maß gespalten und abgebaut werden. Sie werden vielmehr in den Lysosomen der Körperzellen gespeichert. Vor allem Dermatansulfat und Heparansulfat lagern sich an. Dadurch wird die Zellfunktion stark beeinträchtigt, wodurch die Symptome, die zum Morbus Hurler führen, entstehen.

Symptome, Beschwerden und Anzeichen

Die Symptomatik, das Beschwerdebild, zeigt sich sehr umfangreich und meist bereits im Säuglingsalter. Kleinwüchsigkeit und sich wiederholende Otitiden sowie obstruktive und restriktive Atemwegsbeschwerden, häufig in Verbindung mit pulmonalen Infekten, prägen das Krankheitsbild.

Auch Nabel- und Leistenhernien, die teilweise rezidivieren, ein-oder beidseitige Hüftdysplasien sowie ein Gibbus (Spitzbuckel der Wirbelsäule) und diverse Gelenkkontraktionen oder Gelenksteifigkeit gehören zum Krankheitsbild. Auch eine Kompression des Rückenmarks im Bereich der oberen Halswirbelsäule (HWS) am kraniozervikalen Übergang ist eine häufig auftretende Symptomatik.

Ein Karpaltunnelsyndrom, häufig beidseits, tritt oft im Kindesalter auf. Die Augen erkranken im 3. Lebensjahr häufig an einer Hornhauttrübung, das Gehör entwickelt zunehmend eine Hörschwäche und die Zunge vergrößert sich (Makroglossie). Hinzu kann es zu einer Schlafapnoe sowie einer geistigen Retardierung kommen. Der Kopf ist relativ groß und die Lippen nicht selten verbreitert.

Auch eine Organomegalie (abnorme Organvergrößerung) sowie Hernien und Hirsutismus (vermehrte androgenabhängige Behaarung) können sich einstellen. Häufig wird auch eine Kardiomyopathie mit Klappenstörung beobachtet. Ein typisches Erscheinungsbild ist bei betroffenen Patienten zu beobachten. Dazu gehören ein kurzer Hals, eine vergrößerte Zunge sowie eine tiefe Nasenwurzel.

Das Wachstum verläuft bis zum dritten Lebensjahr meistens normal. Allerdings können durchaus schon zwischen dem 12. und 24. Lebensmonaten Entwicklungsverzögerungen auftreten. Auch kann im 2. Lebensjahr ein Hydrozephalus auftreten. Das Wachstum endet nicht selten bei einer Körpergröße von 1,20 Meter. Auch ist das Gangbild durch die Fehlstellungen sehr charakteristisch.

Nicht nur die bereits erwähnte Vergrößerung der Zunge, sondern auch eine Verengung der Atemwege und die verminderte Elastizität des Lungengewebes sind für eine eingeschränkte Atmung verantwortlich. Die Hornhauttrübung kann das Sehvermögen im Laufe der Zeit zunehmend beeinträchtigen.

Diagnose und Krankheitsverlauf

Eine Diagnose eines Morbus Hurler kann mit einem [[Blutprobe|]Bluttest zur Bestimmung der Enzymaktivität der Alpha-L-Iduronidase erfolgen. Auch ist eine vorgeburtliche Diagnostik enzymatisch und molekulargenetisch möglich.

Das klinische Bild kann in drei Verlaufsformen unterteilt werden, weil dem Enzymdefekt unterschiedliche Mutationen zugrunde liegen. Die drei Verlaufsformen sind:

  • Morbus Hurler in schwerer Ausprägung
  • Morbus Hurler/Sheie (M. Hurler/Scheie) in mittelschwerer Form
  • Morbus Scheie (M. Sheie) in milder Ausprägung

Komplikationen

In der Regel kommt es durch Morbus Hurler zu einer Reihe verschiedener Beschwerden und Komplikationen. Die Symptome dieser Krankheit schränken den Alltag des Betroffenen extrem ein, sodass dieser in den meisten Fällen auch auf die Hilfe anderer Menschen oder auf die Hilfe der Eltern und Pfleger angewiesen ist. Auch die Lebensqualität des Betroffenen und der Eltern wird deutlich verringert und eingeschränkt.

In der Regel leiden die Patienten an einem stark ausgeprägten Kleinwuchs und an Beschwerden der Atmung. Diese können weiterhin zu einer Atemnot und im schlimmsten Falle zum Tode des Patienten führen. Auch die Gelenke sind steif und lassen sich meistens nicht ohne Weiteres bewegen. Dadurch kommt es zu Bewegungseinschränkungen und zu einer starken Verzögerung der Entwicklung des Kindes.

In den meisten Fällen treten auch Beschwerden am Sehvermögen und am Hörvermögen des Patienten auf, sodass dieser im schlimmsten Falle durch Morbus Hurler vollständig erblinden oder das Gehör verlieren kann. Weiterhin führt diese Erkrankung auch zu einer Retardierung, sodass die Patienten auf eine spezielle Förderung angewiesen sind. Die Erkrankung selbst ist leider nicht heilbar, sodass nur einige Symptome eingeschränkt werden können. In vielen Fällen benötigen auch die Eltern und die Angehörigen eine psychologische Behandlung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei Morbus Hurler zeigen bereits Kinder deutliche Symptome der Erkrankung. Sie benötigen unmittelbar nach Feststellung der ersten Unregelmäßigkeiten medizinische Hilfe, da die Beschwerden sehr beeinträchtigend für die Lebensqualität des Patienten sind. Bei Beschwerden der Atemtätigkeit, häufig auftretenden Infekten oder einer Kleinwüchsigkeit ist ein Arztbesuch anzuraten. Wird während des Nachtschlafs eine Aussetzung der Atemfunktion wahrgenommen, ist dies mit einem Arzt zu besprechen. Kommt es zu Komplikationen bei der Mobilität, besteht ebenfalls Anlass zur Besorgnis. Eine Gelenksteifheit, Unregelmäßigkeiten in Bewegungsabläufen sowie Probleme bei der Fortbewegung sind einem Arzt vorzustellen.

Optische Auffälligkeiten oder Verformungen des Skelettsystems sind Anzeichen einer gesundheitlichen Störung. Ist die Funktionsfähigkeit der Hand eingeschränkt oder kommt es zu einer Trübung der Hornhaut, wird ein Arzt benötigt. Eine verminderte Ausbildung der geistigen Kompetenzen, eine Lernschwäche oder Entwicklungsstörungen der Sprache sollten von einem Arzt abgeklärt werden.

Allgemeine Wachstumsstörungen, ein Wasserkopf, eine vergrößerte Zunge oder eine tiefe Nasenwurzel sind charakteristisch für Morbus Hurler und sollten schnellstmöglich einem Arzt vorgestellt werden. Im Normalfall sind die Störungen ab dem zweiten Lebensjahr deutlich erkennbar. Eine Einschränkung des Hörvermögens oder der Sehfähigkeit sind weitere Hinweise einer vorliegenden Störung und müssen medizinisch untersucht werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung sollte auf jeden Fall durch ein multidisziplinares Team aus Ärzten und Therapeuten erfolgen. Bei Befall des zentralen Nervensystems ist eine möglichst frühzeitige Behandlung in Form einer Knochenmark- beziehungsweise hämatopoetischen Stammzelltransplantation (KMT) angesagt. Diese sollte bis zum Alter von 2,5 Jahren beim Kleinkind durchgeführt werden.

Das Transplantat enthält Blutzellen, die das Enzym Alpha-L-Iduronidase bilden. Dafür geben diese Zellen einen Teil des gebildeten und intakten Enzyms an die Umgebung ab. Dieses wird folgend von anderen Körperzellen aufgenommen und in die Lysosomen transportiert. Die gespeicherten Glykosaminoglykane können jetzt wieder abgebaut werden.

Nur durch eine Transplantation kann die kognitive Entwicklung und damit auch die Lebenserwartung positiv beeinflusst werden. Zusätzlich wird im Anschluss eine Enzymersatztherapie durchgeführt. Durch eine biotechnologisch hergestellte Form des menschlichen Enzyms wird das defekte Enzym ersetzt. Jetzt kann die pathologische Speicherung der Glykosaminoglykane wieder abgebaut werden.

Aufgrund einer Blut-Hirn-Schranke gelangt der Enzymersatz jedoch nicht in das zentrale Nervensystem. Dies hat zur Folge, dass diese Therapieform keinen Einfluss auf kognitive und motorische Symptome ausüben kann. Dies kann nach momentanem Stand nur die Stammzelltransplantation. Im Vorfeld der Transplantation kann der Allgemeinzustand des Patienten mit einer Enzymersatztherapie stabilisiert oder verbessert werden.

Auch kann sie die Transplantation unterstützen und die Symptome lindern. Heilen kann die KMT die Krankheit Morbus Hurler nicht. Rein prognostisch können Patienten mit einer solchen Therapie das frühe Erwachsenenalter erreichen bevor sie aufgrund von kardiovaskulären und respiratorischen Komplikationen sterben.


Aussicht & Prognose

Die Krankheit ist nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern zudem auch für Eltern eine enorme psychische sowie physische Belastung, denn Morbus Hurler weist nicht nur eine vielschichtige, sondern auch sehr schwerwiegende Symptomatik auf. Nach momentanen Kenntnissen ist die Erkrankung nicht heilbar. Die Patienten müssen bereits im frühen Kleinkindalter mit einer speziellen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation, sowie zudem einer Enzymersatztherapie therapiert werden. Nur dadurch gelingt es, das Leben über die Pubertät hinaus zu verlängern.

In den meisten Fällen kommt es durch die Krankheit zu vielen unterschiedlichen Beschwerden sowie Komplikationen. Die Auswirkungen der Erkrankung schränken das Leben der Patienten deutlich ein, sodass diese häufig auf die Hilfe von Pflegern oder auf die Familie angewiesen sind. Zudem ist die Lebensqualität von Betroffenen und ihrer Familie deutlich reduziert und eingeschränkt. Oftmals leiden die Erkrankten an einem sehr ausgeprägten Kleinwuchs und haben starke Atembeschwerden.

Diese führen oft zu Atemnot und im Extremfall zum Tod des Betroffenen. Zudem sind die Gelenke vielmals steif und lassen sich nur schwer ohne Schmerzen bewegen. Dies führt zu Bewegungseinschränkungen und zu starken Entwicklungsverzögerungen der betroffenen Kinder. Auch treten oftmals Beschwerden am Hör- und Sehvermögen der Patienten auf, sodass diese sogar durch die Krankheit vollständig erblinden und ihr Gehör verlieren können.

Vorbeugung

Bei Morbus Hurler handelt es sich um einen angeborenen Gendefekt. Deswegen kann keine präventive Behandlung erfolgen. Mit Blick auf die Gentechnik sollte aber positiv in die Zukunft geschaut werden.

Nachsorge

Morbus Hurler beruht auf einem Gendefekt und nimmt in den meisten Fällen einen schweren Verlauf. Betroffene können selbst nur sehr begrenzt zur Behandlung beitragen. Zu Beginn der Krankheit beschränken sich Selbsthilfemaßnahmen meist darauf, psychotherapeutische Angebote in Anspruch zu nehmen, die es den Patienten erleichtern können, die Krankheit zu akzeptieren.

Selbsthilfegruppen, in denen ein Austausch mit anderen Erkrankten stattfindet, helfen häufig dabei, neue Lebensperspektiven zu entdecken und das Alltagsleben mit dieser schwerwiegenden Krankheit zu meistern. Eine behindertengerechte Einrichtung des Lebensumfeldes ermöglicht den Betroffenen mehr Bewegungsfreiheit. Gesprächs- und Verhaltenstherapien unterstützen oftmals die psychische Auseinandersetzung des Patienten mit der Erkrankung.

Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit muss häufig Hilfe durch geschultes Pflegepersonal eingesetzt werden. Ebenso kann natürlich auch die Unterstützung von Verwandten und Freunden die Lebensführung des Betroffenen positiv beeinflussen. Moderate sportliche Betätigung, die Vermeidung von psychischem Stress, sowie eine spezielle Diät tragen ebenfalls zur Verbesserung der Situation bei.

Ein Beschwerdetagebuch kann helfen, ungewöhnliche Symptome und Beschwerden frühzeitig zu erkennen, um lebensbedrohlichen Komplikationen vorzubeugen. Ständige Kommunikation mit dem behandelnden Arzt ist dabei unverzichtbar. Im letzten Stadium des Krankheitsverlaufes beschränken sich die Hilfsmaßnahmen auf die Gabe von schmerzlindernden Medikamenten, die nach ärztlicher Verordnung einzunehmen sind.

Das können Sie selbst tun

Morbus Hurler nimmt in der Regel einen schwerwiegenden Verlauf und kann von den Betroffenen selbst nur in begrenztem Umfang behandelt werden. Dementsprechend konzentriert sich die wichtigste Selbsthilfemaßnahme darauf, psychotherapeutische Maßnahmen in Anspruch zunehmen. Das Gespräch mit einem Therapeuten zum einen und der Besuch einer Selbsthilfegruppe zum anderen bieten den Erkrankten Möglichkeiten, die Krankheit zu akzeptieren. Zudem kann im Gespräch mit anderen Betroffenen eine neue Lebensperspektive entwickelt werden.

Darüber hinaus sind Schritte einzuleiten, um das Leben mit der Erkrankung im Alltag zu erleichtern. Dies kann die Installation einer behindertengerechten Einrichtung sein, aber auch Verhaltens- und Gesprächstherapien. Personen, bei denen Morbus Hurler bereits weit fortgeschritten ist, bedürfen der Pflege durch einen Fachmann. Freunde und Verwandte können in dieser Zeit eine wichtige Stütze sein.

Der Arzt wird auch Maßnahmen wie eine Umstellung der Diät, sportliche Betätigung und die Vermeidung von Stress empfehlen. Dadurch und durch ein Beschwerdetagebuch kann trotz Erkrankung ein relativ beschwerdefreies Leben geführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sämtliche Symptome und ungewöhnliche Beschwerden dem Arzt mitgeteilt werden. Andernfalls kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen, die weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich machen. In den letzten Stadien der Erkrankung konzentrieren sich die Selbsthilfemaßnahmen darauf, die schmerzlindernden Medikamente nach den Vorgaben der behandelnden Ärzte einzunehmen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011
  • Speer, C.P., Gahr, M. (Hrsg.): Pädiatrie. Springer, Berlin 2013

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