Enzymersatztherapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Behandlungen Enzymersatztherapie
Die Enzymersatztherapie dient der Behandlung lysosomaler Speicherkrankheiten, bei denen es aufgrund fehlender Enzyme zu einer pathologischen Anhäufung von Abbauprodukten in den Lysosomen der Zellen kommt.
Die aufgrund genetischer Defekte fehlenden Enzyme werden in Form von regelmäßigen intravenösen Infusionen ausgeglichen. Weil die infundierten synthetischen Enzyme aufgrund ihrer Molekülgröße die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können, schlägt die Therapie nur bei lysosomalen Speicherkrankheiten an, die nicht das Zentralnervensystem betreffen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Enzymersatztherapie?
Lysosomen sind spezielle Zellorganellen, in denen fremde und körpereigene Substanzen abgebaut und teilweise recycliert werden. Für Abbau und Transport der Substanzen sind spezifische hydrolysierende Enzyme erforderlich. Es handelt sich dabei um Proteasen, Nukleasen, Lipasen und Transportersubstanzen.
Aufgrund einer Reihe bekannter Gendefekte kann es zu einem Ausfall bestimmter Enzyme kommen, so dass sich in den Lysosomen einige Abbauprodukte in pathologischer Menge anhäufen und aufstauen bis sie unkontrolliert in die extrazelluläre Matrix, also in die Zellzwischenräume gelangen. Alle Gendefekte, die zu einem Ausfall von mindestens einer notwendigen Hydrolase führen, werden unter dem Begriff lysosomale Speicherkrankheit zusammengefasst. Die Enzymersatztherapie (ERT, enzyme replacement therapy) dient dazu, die fehlenden körpereigenen Enzyme durch synthetisch hergestellte Enzyme zu ersetzen.
Weil Hydrolasen aus relativ großen Molekülen bestehen, können sie nicht vom Darm resorbiert werden, ohne vorher zerlegt und inaktiviert zu werden, so dass sie nur auf dem Wege der intravenösen Infusion verabreicht werden können. Die Größe der Enzymmoleküle verhindert allerdings auch die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke, so dass die Therapie nur bei lysosomalen Speicherkrankheiten wirksam sein kann, die nicht das Zentralnervensystem (ZNS) betreffen.
Funktion, Wirkung & Ziele
Für eine ERT kommen in erster Linie Mukopolysaccharidosen und Oligosaccharidosen in Frage. Ziel der ERT ist es immer, durch die künstlich zugeführten Enzyme den spezifischen Enzymmangel auszugleichen, um einen Stillstand der Krankheit oder zumindest einen milderen Verlauf zu erreichen. Im Einzelnen stehen Ersatzenzyme für folgende lysosomale Speicherkrankheiten zur Verfügung:
- Morbus Gaucher
- Morbus Pompe
- Morbus Fabry
- Hurler-Pfaundler-Syndrom (Mukopolysaccharidose I)
- Morbus Hunter (Mukopolysaccharidose II)
• Maroteaux-Lamy-Syndrom (Mukopolysaccharidose VI) • Niemann-Pick B
Morbus Gaucher ist die häufigste lysosomale Speicherkrankheit. Sie tritt in drei verschiedenen Varianten auf, von denen zwei Verlaufsformen auch das Nervensystem betrifft. In der nicht-neuropathischen Form ist vor allem die Milz betroffen, die sich stark vergrößert und zu Sekundärschäden wie Blutarmut und Schädigung des Knochenmarks führt. Typische Symptome sind Knochen- und Gelenkschmerzen und Durchblutungsstörungen. Die akut neuropathische Variante der Krankheit zeigt einen schweren Verlauf und bietet nur geringe Überlebenschancen über die ersten zwei Lebensjahre hinaus.
Die Speicherkrankheit Morbus Pompe geht auf einen Mangel des Enzyms Alpha-1,4-Glukosidase zurück, das an einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Morbus Pompe führt zu einer enormen Herzvergrößerung (Kardiomegalie) und Herzinsuffizienz. Es gibt frühzeitige, schwerwiegende, Verläufe, die bereits in den ersten Lebensmonaten auftreten wie auch mildere Formen, die erst in späteren Lebensjahren auftreten.
Morbus Fabry wird durch einen X-chromosomalen Gendefekt ausgelöst, so dass nur Jungen und Männer von der Speicherkrankheit betroffen sein können. Die Krankheit führt meist im fortgeschrittenen Kindesalter zu Symptomen, die unter anderem Schmerzattacken, Keratome der Haut, Nierenprobleme und Herzmuskelschädigungen beinhalten. Der Mangel an dem Enzym alpha-Galaktosidase A führt zu einer Einlagerung von Zeramidtrihexosid, das ursächlich für die Auslösung der Symptome ist, von denen auch das vegetative Nervensystem betroffen sein kann.
Nicht selten entwickeln sich aufgrund der Schädigungen ein Herzinfarkt, ein Niereninfarkt oder auch ein Schlaganfall. Das Hurler-Pfaundler-Syndrom wird auch als Mukopolysaccharidose, Typ I bezeichnet und geht auf eine Störung des Glykosaminglykan-Stoffwechsels zurück. Die Krankheit ist mit einer Vielzahl von Symptomen verbunden einschließlich gravierender geistiger Einschränkungen und schweren Veränderungen am Knochengerüst. Der Krankheitsverlauf ist schwerwiegend, so dass die durchschnittliche Lebenserwartung mit 11 bis 14 Jahren angegeben wird. Morbus Hunter entspricht der Mukopolysaccharidose, Typ 2 und wird – wie Morbus Hurler – durch einen X-chromosomalen Defekt verursacht. Die Krankheit zeichnet sich durch unterschiedlich schwere Verläufe aus von im frühen Kindesalter auftretend bis zu milden Verläufen, die erst bei erwachsenen Männern auftreten.
Aufgrund meist auftretender kardialer Symptomatik wie Herzklappenfehler und Herzmuskelproblemen reicht die Lebenserwartung von normal bis leicht eingeschränkt. Das Maroteaux-Lamy-Syndrom (MPS VI) gehört zu den Mukopolysaccharidosen, die autosomal rezessiv vererbt werden, weil sich der auslösende Gendefekt nicht auf dem X-Chromosom befindet. Die Krankheit ist mit einem Fall pro 455.000 Geburten sehr selten. Es sind leichte und schwerere Verlaufsformen bekannt.
Symptomatisch sind eine vergrößerte Leber und Milz, Karpaltunnelsyndrom und Herzklappenveränderungen. Bei der Niemann-Pick B handelt es sich um eine Sphingomyelinlipidose, die zu den lysosomalen Speicherkrankheiten gehört und durch einen Gendefekt auf Chromosom 11 verursacht wird. Während beim Typ B der Erkrankung hauptsächlich Leber und Milz betroffen sind, kommen beim Typ A noch erhebliche neuronale Probleme hinzu.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Ein weiteres Risiko besteht weniger in der Therapie selbst als vielmehr darin, dass die Grunderkrankung zu spät erkannt wird, so dass die ERT zwar im Verlauf stoppen kann, die bereits verursachten Schäden sich aber nicht wieder zurückbilden können. Etwa jeder zweite behandelte Patient reagiert auf die Infusionen vorübergehend mit Symptomen wie Fieber und Schüttelfrost. Die Ursachen hierfür sind noch nicht vollständig verstanden. Einige Patienten reagieren mit der Bildung von Antikörpern, und es sind Fälle bekannt, bei denen die Patienten mit Hautausschlägen und Bronchospasmen reagiert haben.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013