Morbus Hunter

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Morbus Hunter gehört zu den Mukopolysaccharidosen (MPS). Er wird x-chromosomal rezessiv vererbt und betrifft daher fast nur Jungen und Männer. Die Krankheitsverläufe der einzelnen Patienten gestalten sich unterschiedlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Hunter?

Der Morbus Hunter wird durch eine Mutation auf dem X-Chromosom verursacht. Dabei ist das Gen für die Synthese des Enzyms Iduronat-2-Sulfatase defekt.
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Der Morbus Hunter ist eine erblich bedingte lysosomale Speicherkrankheit, bei welcher der Abbau von Dermatan- und Heparansulfat gestört ist. Beide Polymere sind Makromoleküle aus einer Polysaccharidkette mit einem Sulfatrest. Dieses Molekül ist noch an ein Glukoprotein gebunden. Die Polysaccharide sind aus unterschiedlichen Einfachzuckern aufgebaut.

Dermatansulfat ist am Aufbau des Knorpelgewebes beteiligt. Heparansulfat übernimmt wichtige Aufgaben im extrazellulären Bereich. Beim Morbus Hunter werden diese Makromoleküle entweder nicht oder nur unzureichend abgebaut. Da die Verbindungen vor dem Abbau zunächst von den Lysosomen aufgenommen werden, kommt es bei Abbaustörungen zur ständigen Anreicherung der Substanzen in diesen Zellorganellen.

Die Erkrankung tritt sehr selten auf. Unter 156.000 Geburten kommt nur ein Fall vor. Das ergibt für Deutschland nur vier bis fünf Fälle pro Jahr. Betroffen sind fast nur Jungen und Männer. Die Krankheitsverläufe sind je nach Schweregrad sehr unterschiedlich. So kommen Fälle mit körperlicher, motorischer und geistiger Retardierung vor. Allerdings gibt es auch leichtere Fälle, die so gut behandelbar sind, dass die Symptome fast zurückgedrängt werden können.

Ursachen

Der Morbus Hunter wird durch eine Mutation auf dem X-Chromosom verursacht. Dabei ist das Gen für die Synthese des Enzyms Iduronat-2-Sulfatase defekt. Das Enzym wird entweder überhaupt nicht oder nur mit einer eingeschränkten Wirkung synthetisiert. Iduronat-2-Sulfatase ist für die Abspaltung der Sulfatgruppe aus Dermatan- und Heparinsulfat verantwortlich. Dieser Abbau erfolgt also nicht mehr oder in nicht ausreichendem Maße.

Dabei werden die beiden Polymere in den Lysosomen gespeichert. Es kommt zur Vergrößerung der Lysosomen und schließlich zur Zerstörung der betroffenen Zellen. Die Vererbung der Erkrankung erfolgt x-chromosomal rezessiv. Das bedeutet, dass fast nur Jungen und Männer erkranken können. Mädchen und Frauen besitzen zwei X-Chromosomen. Da das Gen rezessiv vererbbar ist, reicht ein gesundes Gen aus, um die Erkrankung zu verhindern. Jungen und Männer besitzen jedoch nur ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom, sodass bei einer Vererbung des defekten Gens kein Ausgleich durch ein gesundes Gen besteht.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Morbus Hunter macht sich durch verschiedene Symptome bemerkbar. So gibt es einerseits Fälle mit schwerer geistiger Retardierung und andererseits sehr milde Verlaufsformen ohne geistige Einschränkung. Die Lebenserwartung kann reduziert sein. Es gibt aber auch Fälle mit normaler Lebenserwartung. Oft treten blasse, knötchenförmige Hautverdickungen auf. Dabei stehen die Verdickungen meist in Gruppen zusammen.

Weitere Symptome sind dichte Augenbrauen, vorstehender Unterkiefer, vergrößerte Zunge, eingesunkene Nasenwurzel oder fleischige Lippen. Die Stimme ist tief und heiser. Des Weiteren kann es zu einer Schwerhörigkeit kommen. Die Gelenke deformieren progredient und es kommt zu Skelettveränderungen. Der Bauch ist aufgetrieben, wobei sich eine Leber- und Milzvergrößerung entwickeln kann.

Wachstumsverzögerungen und Nabelbrüche sind weitere Symptome. Es kann auch eine Lähmung aller vier Gliedmaßen auftreten. Auch das Herz wird in Mitleidenschaft gezogen. Dabei kann es zu einer Herzinsuffizienz kommen. Die Herzinsuffizienz ist bei einem schweren Verlauf der Erkrankung die Haupttodesursache. Die Symptome entstehen durch die Vergrößerung der Zellen aufgrund der ständigen Speicherung der Dermatan- und Heparansulfate in den Lysosomen der Zellen.

Die Erkrankung kann bereits Kinder und Jugendliche betreffen (Typ A). Dann kommt es meist zu einer schweren Verlaufsform mit geistiger Retardierung. Manchmal beginnt die Erkrankung jedoch erst im Erwachsenenalter (Typ B). In diesem Fall ist der Verlauf oft sehr mild. Zwischen beiden Typen gibt es jedoch auch Übergangsformen. Der Erfolg der Behandlung richtet sich auch nach dem Schweregrad der Erkrankung.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose eines Morbus Hunter erfolgt durch Laboruntersuchungen. Dabei werden Urinanalysen auf die Mucopolysaccharide Dermatan- und Heparansulfat durchgeführt. In den Leukozyten oder in den Fibroblasten erfolgt die Bestimmung des defekten Enzyms. Auch eine molekulargenetische Analyse kann durchgeführt werden. Dabei wird die Leukozyten-DNA bestimmt.

Eine pränatale Diagnostik der entsprechenden Mutation ist ebenfalls möglich. Da die Krankheit progredient verläuft, sind regelmäßige Lungenfunktionsprüfungen, Echokardiografien und orthopädische Verlaufskontrollen notwendig.

Komplikationen

Durch den Morbus Hunter kommt es bei den Patienten in erster Linie zu einer sehr schweren geistigen Retardierung. Die Betroffenen sind aus diesem Grund fast dauerhaft auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Bei den Angehörigen oder den Eltern kommt es aufgrund dieser Krankheit nicht selten zu psychischen Beschwerden, Verstimmungen oder zu starken Depressionen.

Weiterhin leiden die Patienten auch an einer Schwerhörigkeit und an Sehbeschwerden. Nicht selten treten Veränderungen am Skelett auf, sodass es zu Einschränkungen bei verschiedenen Bewegungen kommt. Das Wachstum und die Entwicklung des Kindes sind durch den Morbus Hunter deutlich verzögert und eingeschränkt, sodass es vor allem im Erwachsenenalter zu starken Einschränkungen und zu Komplikationen kommt.

Weiterhin führt diese Krankheit nicht selten zu Herzbeschwerden, sodass die Betroffenen durch einen plötzlichen Herztod an einer stark verringerten Lebenserwartung leiden. Eine kausale Behandlung ist in diesem Falle nicht möglich. Durch verschiedene Therapien oder durch die Transplantation von Stammzellen können einige Beschwerden eingeschränkt werden.

Der Erfolg und der weitere Verlauf der Behandlung hängt allerdings stark von der Schwere des Morbus Hunter ab, sodass es nicht in jedem Fall zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt. Komplikationen treten bei der Behandlung allerdings nicht auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da bei Morbus Hunter aufgrund der genetischen Ursache nahezu ausschließlich Jungen und Männer zur Risikogruppe der Erkrankung gehören, sollten Eltern insbesondere bei ihrem männlichen Nachwuchs wachsam sein. Treten die Beschwerden erst im Erwachsenenalter auf, sollten sich Männer möglichst frühzeitig einer umfassenden Untersuchung stellen. Vorzugsweise ist die Teilnahme an regelmäßigen Check-ups zur Früherkennung anzuraten. Zeigen sich bei einem Kind Wachstumsverzögerungen oder Entwicklungsstörungen, wird ein Arztbesuch empfohlen. Werden im unmittelbaren Vergleich zu gleichaltrigen Kindern geistige Einschränkungen oder Verzögerungen festgestellt, sollte ein Arztbesuch erfolgen.

Durch gezielte Tests werden Unstimmigkeiten aufgedeckt und können abgeklärt werden. Bei Auffälligkeiten des Hautbildes, einer Bildung von Knoten auf der Haut oder Verfärbungen ist ein Arzt zu konsultieren. Nabelbrüche, Lähmungen oder weitere Einschränkungen der Mobilität sind unverzüglich abklären zu lassen. Das allgemeine Unfall- und Verletzungsrisiko ist bei Morbus Hunter erhöht.

Daher sollten so früh wie möglich Komplikationen minimiert werden und ein Arztbesuch erfolgen. Können die alltäglichen Aufgaben nicht mehr wie gewohnt oder nur mit Hilfe von Mitmenschen erfüllt werden, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Leidet der Betroffene unter emotionalen oder seelischen Problemen ist ebenfalls ein Arztbesuch zu empfehlen. Bei Stimmungsschwankungen oder depressiven Phasen wird medizinische Hilfe benötigt.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung des Morbus Hunter ist nicht möglich, da es eine genetisch bedingte Erkrankung ist. Der Erfolg einer Therapie ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Sie ist auch abhängig vom Schweregrad. In einigen Fällen kann eine Stammzelltransplantation erfolgreich durchgeführt werden. Seit dem Jahre 2007 ist das Medikament Idursulfase mit dem Handelsnamen Elaprase in Europa zugelassen.

Idursulfase stellt als Iduronat-2-Sulfatase das Enzym dar, welches beim Morbus Hunter nicht mehr funktionsfähig ist. In einigen Fällen werden durch die Enzymbehandlungen gute Erfolge erzielt. Durch diese Therapie kann eine normale Lebenserwartung erreicht werden. Die Behandlung muss lebenslang erfolgen. In weit fortgeschrittenen Fällen ist manchmal jedoch keine Therapie mehr Erfolg versprechend. Hier gilt es, die Symptome zu lindern.

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Aussicht & Prognose

Die Prognose für Betroffene ist in Abhängigkeit des gegenwärtigen Schweregrades sehr individuell und unterschiedlich zu stellen. Da es sich bei der Erkrankung um eine reine Erbkrankheit handelt, lässt sich Morbus Hunter bis heute noch nicht heilen. Neu erforschte Therapieformen, wie eine Transplantation von blutbildenden Stammzellen oder auch eine Gentherapie können zwar rein theoretisch heilen, sie gelten momentan aber dennoch als experimentell. Der Krankheitsverlauf der Erkrankung ist von Patient zu Patient sehr variabel.

Bleibt die Krankheit jedoch unbehandelt, kann sie bei schweren Verlaufsformen schon vor dem fünften Lebensjahr der Betroffenen zum Tod führen. Auch bei den leichteren Verlaufsformen sterben viele der Patienten, bevor sie das in das Erwachsenenalter kommen. Besonders nicht-neuronopathische Typen von der Morbus Hunter Erkrankung lassen sich jedoch mittels einer Enzym-Ersatz-Therapie sowie zusammen mit der Therapie der auftretenden Krankheitssymptome sehr gut therapieren.

Da die Ursache für die Erkrankung ein Gendefekt ist, sollten betroffene Paare mit Kinderwunsch sich in einer genetischen Sprechstunde beraten lassen. Es kann auch während der Schwangerschaft durch eine Fruchtwasser-Untersuchung sowie einer Chorionzotten-Biopsie untersucht werden, ob beim Nachwuchs das Gen für Morbus Hunter defekt ist. Die Lebenserwartung der Erkrankten ist normal bis eingeschränkt. Dabei ist die Sterblichkeit in den meisten der Fälle auf die kardiopulmonalen Komplikationen zurückzuführen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor einem Morbus Hunter ist nicht möglich. Es ist eine erblich bedingte Erkrankung. Wenn in der Familie bereits Fälle dieser Erkrankung aufgetreten sind und Kinderwunsch besteht, sollte eine humangenetische Beratung in Anspruch genommen werden, um das Risiko abschätzen zu können. Auch eine pränatale Genuntersuchung ist möglich. Wenn die Erkrankung bereits besteht, ist es wichtig, lückenlose Untersuchungen durchführen zu lassen. Eine Therapie sollte frühzeitig beginnen, um die Erkrankung erfolgreich begleiten zu können.

Nachsorge

Morbus Hunter ist eine erblich bedingte Krankheit und bislang nicht heilbar. Der Krankheitsverlauf ist je nach Schweregrad sehr individuell, die Patienten bedürfen jedoch einer lebenslangen Behandlung. Um Beschwerden zu lindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern, können die Betroffenen selbst einige Maßnahmen ergreifen.

Bei neurologischen Beschwerden können gezielte Physiotherapie und sportliche Betätigung den Allgemeinzustand positiv beeinflussen. Sanfte Sportarten wie Gymnastik und Schwimmen helfen dabei, die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Glieder zu erhalten oder auch zu verbessern. Psychische Beschwerden nehmen im Krankheitsverlauf zu und können psychotherapeutisch behandelt werden.

Beim Morbus Hunter können häufig medizinische Notfälle wie akutes Herzversagen auftreten. Bei einem für diese Erkrankung typischen Notfall muss unbedingt der Rettungsdienst gerufen werden. Bis zum Eintreffen des Notarztes sollten die Ersthelfer erste Hilfe leisten und wenn nötig, Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen. Morbus Hunter verläuft je nach Schweregrad früher oder später tödlich.

Eine umfassende therapeutische Behandlung, ergänzt durch einen gesunden Lebensstil und Gespräche mit anderen Betroffenen, kann die Lebensqualität der Erkrankten verbessern. In der Regel hilft es den Betroffenen, besser mit ihrer Krankheit umzugehen, wenn sie über Symptome, Beschwerden, Ursachen und Folgen ausreichend informiert sind. Regelmäßige Gespräche mit dem Facharzt gehören ebenfalls zur Therapie. Medizinische Ratschläge unterstützen die Erkrankten im täglichen Umgang mit Morbus Hunter.

Das können Sie selbst tun

Morbus Hunter ist bislang nicht heilbar. Die Patienten können dennoch einige Maßnahmen ergreifen, um die Beschwerden zu lindern und das Wohlbefinden zu verbessern.

Bei neurologischen Beschwerden bietet sich neben einer Therapie und Physiotherapie auch sportliche Betätigung an. Schwimmen sowie Aerobic helfen dabei, die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Glieder zu verbessern. Die zunehmenden psychischen Beschwerden werden im Rahmen einer Psychotherapie aufgearbeitet. Bei einem akuten Herzversagen oder einem anderen für die Erkrankung typischen Notfall muss der Rettungsdienst gerufen werden. Bis der Notarzt eintrifft, müssen die Ersthelfer dem Betroffenen Erste Hilfe leisten und gegebenenfalls auch Wiederbelebungsversuche unternehmen.

Morbus Hunter verläuft in der Regel tödlich. Umso wichtiger ist eine umfassende therapeutische Behandlung, die durch Gespräche mit anderen Betroffenen und einen gesunden und aktiven Lebensstil unterstützt wird. Die Erkrankten können mit der Erkrankung oftmals besser umgehen, nachdem sie sich ausführlich über die Symptome, Beschwerden, Ursachen und Folgen informiert haben. Vor allem in den frühen Stadien der Erkrankung sind deshalb auch regelmäßige Gespräche mit dem Facharzt essenziell. Der Mediziner kann weitere Tipps geben, wie der Patient die Morbus-Hunter-Therapie unterstützen kann.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

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