Naegeli-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim Naegeli-Syndrom handelt es sich um eine genetisch hervorgerufene Krankheit. Das Naegeli-Syndrom wird synonym Naegeli-Franceschetti-Jadassohn-Syndrom genannt und mit der Abkürzung NFJ bezeichnet. Das Naegeli-Syndrom tritt überaus selten in der Bevölkerung auf. Grundsätzlich stellt das Naegeli-Syndrom eine Erkrankung der Haut dar, die durch eine Pigmentdermatose anhidrotischer retikulärer Art gekennzeichnet ist. Der Krankheitsbegriff leitet sich von dem Hautarzt Naegeli ab.
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Was ist das Naegeli-Syndrom?
Das Naegeli-Syndrom stellt eine seltene, erblich bedingte Krankheit der Haut dar. Sie zählt zu einer bestimmten Kategorie der Pigmentdermatosen. Das Naegeli-Syndrom wurde erstmals 1927 wissenschaftlich erfasst und beschrieben. Dabei spielt der aus der Schweiz stammende Hautarzt Naegeli eine zentrale Rolle, nach dem die Erkrankung später auch benannt wurde.
Der Arzt identifizierte das Naegeli-Syndrom bei einer Familie. Sowohl der Vater als auch die beiden Töchter waren von der Erkrankung der Haut betroffen, sodass Naegeli eine umfassende medizinische Beschreibung vornahm. 1954 nahm dieselbe Familie an einer weiteren Forschungsstudie zum Naegeli-Syndrom teil. Hier waren im Wesentlichen die Ärzte Franceschetti und Jadassohn beteiligt. Die beiden Mediziner fanden heraus, dass beim Naegeli-Syndrom eine autosomal-dominante Vererbungsweise vorliegt.
Prinzipiell zählt das Naegeli-Syndrom zu den am seltensten vorkommenden Erkrankungen überhaupt. Denn laut dem bisherigen Forschungsstand in Bezug auf die Krankheit wurde das Naegeli-Syndrom erst bei fünf Familien und deren nachfolgenden Generationen diagnostiziert. Dabei zeigt sich eine gleichhäufige Erkrankung von weiblichen und männlichen Patienten.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Typisch für das Naegeli-Syndrom sind spezielle Veränderungen und Anomalien der Haut. Besonders charakteristisch für das Naegeli-Syndrom ist zum Beispiel das komplette Fehlen von Fingerabdrücken. Zudem ist die Hautoberfläche am ganzen Körper von einer besonderen Hyperpigmentierung gekennzeichnet.
Diese erinnert in ihrer Form an eine Netzstruktur. Allerdings bildet sich dieses Phänomen zunehmend zurück, umso älter die am Naegeli-Syndrom erkrankten Personen werden. Ein weiteres, weitreichendes Symptom besteht in der Unfähigkeit der betroffenen Personen, Schweiß über die Haut und die Schweißdrüsen aus dem Körper auszuscheiden.
Selbst bei entsprechend hohen Lufttemperaturen sind die erkrankten Patienten nicht in der Lage zu schwitzen. Dieses Phänomen wird in der Medizin als Anhidrose bezeichnet und stellt das komplikationsreichste Symptom des Naegeli-Syndroms dar. Darüber hinaus verlieren die Betroffenen meist all ihre Zähne.
Dieser Zahnverlust ereignet sich bei einem Großteil der Patienten bereits im Kindes- oder Jugendalter. Im Zusammenhang damit sind Anomalien am sogenannten Zahnbein der Patienten zu beobachten. Zudem entwickeln sich bei manchen erkrankten Personen Blasen auf der Haut.
Die Nägel der Zehen sind unter Umständen verformt. Jedoch nehmen sämtliche Beschwerden des Naegeli-Syndroms mit steigendem Lebensalter ab. Zahlreiche Symptome des Naegeli-Syndroms weisen Parallelen zu denen des Bloch-Sulzberger-Syndroms auf, weshalb eine entsprechende Differentialdiagnose dringend notwendig ist.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Naegeli-Syndroms wird von einem spezialisierten Facharzt durchgeführt und findet im Hinblick auf die genetischen Ursachen sowie die Seltenheit der Erkrankung üblicherweise in einem medizinischen Fachzentrum statt. Am Anfang ist eine Anamnese notwendig, bei der der behandelnde Arzt die Krankengeschichte des Patienten aufnimmt und die vorliegende Symptomatik analysiert.
Besonders bedeutsam für die Diagnose des Naegeli-Syndroms ist die Durchführung einer Familienanamnese, da sich auf diese Weise rasch Indizien auf die bestehende Erkrankung finden. Im Anschluss an das erste Patientengespräch untersucht der Facharzt die erkrankte Person mit klinischen Untersuchungsverfahren. Neben einer allgemeinen Sichtuntersuchung wird insbesondere die Haut der betroffenen Personen begutachtet.
In zahlreichen Fällen nimmt der Arzt Proben bestimmter Bereiche der Haut und veranlasst eine Untersuchung des Gewebes im Labor. Die Auffälligkeiten am Gebiss werden in der Regel durch Zahnärzte und Kieferorthopäden untersucht. Zu diesem Zweck unterziehen sich die vom Naegeli-Syndrom betroffenen Personen üblicherweise einer röntgentechnischen Untersuchung.
Um die Diagnose des Naegeli-Syndroms abzuschließen, wird im Normalfall eine genetische Analyse der DNA der betroffenen Person durchgeführt. Auf diesem Weg ist das Naegeli-Syndrom sicher identifizierbar. Zusätzlich ist beim Naegeli-Syndrom eine Differentialdiagnose erforderlich, wobei der Arzt die Krankheit zum Beispiel von der Epidermolysis bullosa simplex sowie der Dermatopathia pigmentosa reticularis abgrenzt. Auch das Bloch-Sulzberger-Syndrom ist auszuschließen.
Komplikationen
Dies kann Minderwertigkeitskomplexe hervorrufen, die die Lebensqualität beeinträchten. Ebenso können die Betroffenen nicht schwitzen, sodass die Wärme bei körperlichen Anstrengungen nicht richtig abgeführt werden kann. Auch an den Zähnen kommt es bei diesem Syndrom häufig zu verschiedenen Beschwerden, sodass die Betroffenen ihre Zähne vollständig verlieren.
Auch der Haut kann es auch zur Ausbildung von Blasen kommen. In vielen Fällen leiden die Betroffenen dabei vor allem im Kindesalter an Mobbing und auch an Hänseleien. Durch den Zahnverlust ist für den Patienten eine gewöhnliche Einnahme von Nahrung in der Regel nicht mehr möglich. Eine kausale Behandlung dieser Erkrankung ist in der Regel nicht möglich. Bei der Behandlung der Symptome selbst treten keine besonderen Komplikationen auf.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Abnormalitäten der Haut sowie Hyperpigmentierung auftreten, ist dies ein eindeutiger Hinweis auf eine ernste Erkrankung. Ein Arzt muss feststellen, ob es sich dabei um das Naegeli-Syndrom oder um eine andere Krankheit handelt und gegebenenfalls eine Behandlung einleiten. Sollten weitere Symptome wie eine rasche Verschlechterung der Zahngesundheit oder die Entstehung von Hautblasen bemerkt werden, muss der Hausarzt informiert werden. Da es sich bei dem Naegeli-Syndrom um ein erblich bedingtes Leiden handelt, sollte die Diagnose bereits im Kindesalter erfolgen.
Eltern, die bei ihrem Kind entsprechende Symptome bemerken, konsultieren am besten den Hausarzt oder einen Facharzt. Im späteren Leben muss das Kind engmaschig ärztlich überwacht werden, da die Krankheit immer mit Komplikationen verbunden ist. Personen, die selbst an der Krankheit leiden, sollten bei einer Schwangerschaft einen Gentest veranlassen, um Gewissheit über den Gesundheitszustand des Kindes zu erhalten. Die Behandlung erfolgt durch einen Dermatologen sowie Internisten, Chirurgen und Fachärzte für das jeweilige Leiden.
Behandlung & Therapie
Das Naegeli-Syndrom ist genetisch bedingt, weshalb eine wirksame Behandlung der Ursachen nicht praktikabel ist. Allerdings arbeitet die medizinische Forschung an Wegen zur Prophylaxe und Therapie von Erbkrankheiten. Somit konzentrieren sich sämtliche behandlungstechnischen Maßnahmen des Naegeli-Syndroms auf die Beschwerden der Patienten.
Die Veränderungen der Haut verbessern sich in den meisten Fällen mit steigendem Alter der Personen. Zahnverluste lassen sich durch kieferorthopädische Maßnahmen und Zahnersatz weitgehend ausgleichen.
Aussicht & Prognose
Die Prognose beim Naegeli-Syndrom hängt vom Symptombild ab. Einzelne Beschwerden wie die Anhidrose und die Deformationen an den Zehennägeln können über einen längeren Zeitraum Beschwerden hervorrufen. Die Patienten leiden unter einem reduzierten Wohlbefinden und fühlen sich aufgrund ihrer Erkrankung oft sozial ausgegrenzt. Infolge der körperlichen Veränderungen können zudem Entzündungen auftreten, welche die Prognose zusätzlich verschlechtern.
Nach einem Ausfall der Zähne ist die Nahrungsaufnahme erschwert und die Patienten entwickeln oftmals Mangelerscheinungen oder dehydrieren. Infolge der entzündlichen Hautkrankheiten können Juckreiz oder Schmerzen auftreten. Damit einhergehend steigt bei den Patienten oft auch die psychische Belastung, weil sie aufgrund der äußerlichen Veränderungen ausgegrenzt werden.
Sehr selten können sich aus den Hautkrankheiten chronische Beschwerden entwickeln. Typisch sind Ekzeme oder Fisteln, welche die Aussicht auf eine vollständige Genesung verschlechtern. Die Prognose ist dementsprechend schwierig, da sowohl die Krankheit selbst als auch die Symptome und ihre Folgen die Lebensqualität reduzieren. Die Lebenserwartung ist nicht zwingend eingeschränkt. Die genaue Prognose stellt der zuständige Mediziner. Patienten, die an dem Naegeli-Syndrom leiden, müssen sich umfassend behandeln lassen, um eine bessere Prognose zu erreichen.
Vorbeugung
Es existieren keine Optionen, dem Naegeli-Syndrom vorzubeugen. Die Krankheit wird autosomal-dominant über die Eltern an die Nachkommen vererbt, sodass ein Teil der Tochtergenerationen im Phänotyp das Naegeli-Syndrom zeigt. Grundsätzlich steht die Prognose des Naegeli-Syndroms allerdings positiv, da die Symptome im Lauf des Lebens nachlassen.
Nachsorge
Dem Betroffenen stehen beim Naegeli-Syndrom in den meisten Fällen nur sehr wenige und in der Regel auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen der Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene sollte aus diesem Grund schon sehr früh einen Arzt aufsuchen, damit das Auftreten von anderen Komplikationen und Beschwerden verhindert werden kann. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, ist eine vollständige Heilung meist nicht zu erreichen.
Der Betroffene sollte im Falle eines Kinderwunsches eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen, um das erneute Auftreten des Syndroms zu verhindern. Die Betroffenen selbst sind in den meisten Fällen auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten angewiesen. Dabei ist immer auf eine regelmäßige Einnahme und ebenso auf eine richtige Dosierung zu achten, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern.
Bei Nebenwirkungen oder bei Unklarheiten sollte zuerst ein Arzt kontaktiert werden. Beschwerden an der Haut können dabei mit Hilfe von speziellen Cremes oder Salben relativ gut gelindert werden. Dabei sind auch regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen von einem Arzt notwendig. In der Regel verringert das Naegeli-Syndrom nicht die Lebenserwartung des Patienten. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge stehen dem Betroffenen dabei nicht zur Verfügung.
Das können Sie selbst tun
Da es sich bei dem Naegeli-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, kann nur symptomatisch gegen die einzelnen Beschwerden vorgegangen werden. Der Patient kann selbst einige Maßnahmen ergreifen, um die ärztliche Behandlung zu unterstützen.
Zunächst gilt es, auf eine strikte Körperhygiene zu achten. Durch regelmäßiges Zähneputzen kann der Verlust der Zähne zumindest hinausgezögert werden. Zudem lässt sich die Gesundheit der Zehen bewahren, indem diese regelmäßig sorgfältig gesäubert und mit medizinischen Produkten behandelt werden. Welche Maßnahmen hier im Detail sinnvoll sind, kann der Arzt im Hinblick auf das Stadium der Erkrankung beantworten. Gegen die sichtbaren Hautveränderungen kann allenfalls durch das Tragen verdeckender Kleidung vorgegangen werden. Eine Behandlung der Hyperpigmentierung ist nicht möglich, weshalb der Mediziner eine therapeutische Beratung empfehlen wird, um die Entstehung psychischer Beschwerden zu vermeiden.
Betroffene, die bereits stark an den seelischen Auswirkungen des Naegeli-Syndroms leiden, sollten zudem eine Selbsthilfegruppe konsultieren und mit anderen Betroffenen sprechen. Sollte es zur Ausbildung von Blasen oder zu anderen Komplikationen kommen, ist von weiteren Selbsthilfemaßnahmen abzusehen. Der Arzt muss informiert werden, damit zügig eine medizinische Behandlung eingeleitet werden kann.
Quellen
- Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
- Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011