Narzissmus
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Narzissmus
Die narzisstische Persönlichkeitsstörung beziehungsweise der Narzissmus gehört zu den psychischen Störungen, die mit einer besonders stark ausgeprägten und nicht anpassungsfähigen Persönlichkeit verbunden sind. Der Narzisst scheint sehr selbstverliebt, hat tatsächlich jedoch ein sehr gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein und ist stets auf der Suche nach Anerkennung.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Narzissmus?
Die Persönlichkeitsstörung wurde nach der Sage des Narciss benannt, der so sehr in sein Spiegelbild verliebt ist, dass er die Liebe der Nymphe Echo weder erkennt noch erwidern kann. Er stirbt über seine Verzweiflung, sein Spiegelbild, nicht erreichen zu können.
Man könnte nun annehmen, dass der Narzisst durch eine große Selbstverliebtheit gekennzeichnet ist. So einfach ist es jedoch nicht, die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe psychische Störung mit vielen Symptomen.
Betroffene leiden unter einer starken Ablehnung ihrer eigenen Person nach innen, verbunden mit einem sehr geringen Selbstbewusstsein. Nach außen wirkt dies aufgrund ihrer ständigen Suche nach Bewunderung und Anerkennung wie ein übersteigertes Selbstbewusstsein, Arroganz und als ob sich die Betroffenen sehr wichtig nehmen würden.
Ursachen
Narzissten unterscheiden sich jedoch in wichtigen Punkten von Borderline-Betroffenen. So haben sie in der Regel eine sehr gute Impulskontrolle und leiden sie nicht unter selbstzerstörerischen Verhaltensweisen. Die Ähnlichkeit der beiden Störungen zeigt sich jedoch in ihren Ursachen.
Beide Störungen sind frühkindlich und entstehen aufgrund unzureichender oder übersteigerter elterlicher Zuwendung. Diese traumatischen Erlebnisse werden im Erwachsenenalter in einem mangelnden Selbstbewusstsein und übersteigerter Suche nach Anerkennung mit Leistungszwang wiederholt und an die Umwelt wiedergegeben.
Es muss jedoch gesagt werden, dass sich Betroffene ihres Verhaltens meist nicht bewusst sind und somit nicht von einer absichtlichen Handlung des Individuum gesprochen werden kann.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Narzissmus zeigt sich primär in einem stark gesteigerten Selbstwertgefühl. Der Narzisst glaubt von sich selbst, er sei besonders und einzigartig. Dies mündet darin, dass er stark auf sich selbst fixiert ist und versucht, andere zu beeindrucken. Lügen und Selbsttäuschungen sind häufig Teil des Bildes, das der Narzisst von sich aufrecht zu erhalten versucht.
Dabei gehen soziale Kompetenzen verloren. So sind Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung weniger zu Empathie befähigt. In zwischenmenschlichen Beziehung sind sie gar nicht oder kaum dazu in der Lage, Emotionen zu erwidern. Häufig wirken Narzissten daher kühl und arrogant auf ihr Umfeld.
Der Drang, wichtig zu sein, kann sich dabei in zwei Formen äußern: So kann der Narzisst entweder sein (vermeintliches) Können ständig zur Schau stellen oder sich sehr bescheiden geben. Dabei haben narzisstische Menschen häufig Träume und Phantasien über Geld und Status. Ihr Verhalten ist dementsprechend ausgelegt.
Die Erwartungshaltung anderen Menschen gegenüber speist sich aus der Idee, dass diese zum Erfüllen der Bedürfnisse des Narzissten da seien. Entsprechend nutzen Narzissten anderen Menschen aus. Sie reagieren mitunter bösartig, wenn ihre Erwartungshaltung nicht erfüllt wird. Wutausbrüche und Rache kommen vor. Entsprechend werden Narzissten leicht verärgert. Narzissten neigen zudem zu Neid und glauben auch, dass andere auf sie neidisch seien.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung folgt dem Erhebungsmuster für alle psychischen Störungen und findet in der Ambulanz einer psychiatrischen Klinik statt.
Es sind zwar Selbsttests im Internet zu finden, deren Aussagekraft darf jedoch bezweifelt werden, zumal diese Tests nur wenige Facetten des Verhaltens und nur wenige Symptome abdecken können. Die ausführliche Diagnose einer Persönlichkeitsstörung dauert in der Regel mehrere Stunden und beinhaltet persönliche Gespräche mit einem Therapeuten genau so wie das Ausfüllen zahlreicher Fragebögen.
Diese genaue Diagnostik ist wichtig, um eine spezifische Diagnose erstellen, die individuell stark ausgeprägten Symptome und damit das genaue Störungsbild ausmachen zu können. Denn nur dann kann eine individuelle Therapie eingeleitet werden. Wie alle schweren Persönlichkeitsstörungen kann der Narzissmus nicht vollständig therapiert, dem Betroffene nur zu einem symptomfreieren Leben verholfen werden.
Komplikationen
Obwohl ein Wunsch nach Zugehörigkeit besteht, sorgt Empathiemangel für immer wieder auftretende soziale Konflikte. In der Folge erfahren Narzissten Ablehnung durch ihre Mitmenschen und geraten in Isolation. Betroffene mit vulnerablem Narzissmus sind hingegen häufig überangepasst und leiden an einem mangelnden Selbstwert. Auch für sie ist der Umgang mit anderen Menschen aufgrund sozialer Ängste und der Furcht vor Ablehnung eine Herausforderung. Sie legen ein eher vermeidendes Verhalten an den Tag.
Als Folge der sozialen Schwierigkeiten, die sich aufgrund dieser Persönlichkeitsstruktur ergeben, können Betroffene an Depressionen oder Angststörungen erkranken. Nicht selten neigen sie auch zu Suchtverhalten. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse verhelfen Betroffenen, mit ihren spezifischen Problemen besser umzugehen.
Ziel ist es, den Selbstwert zu stabilisieren. Die Verhaltensmuster sind jedoch tiefgreifend und schwer zu behandeln. Auch in der Therapie können Konflikte aufgrund von Kränkungserleben entstehen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Problem am Narzissmus ist, dass der Betroffene keine Ensicht in seine narzisstische Persönlichkeitsstruktur hat. Er hält diese daher nicht für behandlungsbedürftig. Seine Mitwelt leidet oft erheblich unter dem Verhalten des Narzissten. Nicht selten begeben sich daher die Opfer von Narzissten in Behandlung.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung gilt als untherapierbar. Zwar kann der Leidensdruck eines Narzissten hoch sein. Doch meistens wird er trotzdem keinen Therapeuten aufsuchen. Andere Menschen wagen nicht, ihm eine Therapie anzuraten. Sie müssten mit entsprechenden Reaktionen rechnen. Eines der Kennzeichen eines Narzissten ist seine komplette Einsichtslosigkeit, gepaart mit dem Unwillen, sich ändern zu wollen.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung erfolgt mit psychotherapeutischen Maßnahmen und, abhängig von Schweregrad und Ausprägung der Symptome, Psychopharmaka. Wichtig ist zudem die Therapie begleitender Symptome und Probleme. Bei Betroffenen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind dies vor allem Depressionen und Drogenmissbrauch.
In der Regel kann der Patient bestimmen, welche Therapieform ihm am besten liegt: Stationär oder ambulant. Tiefenpsychologisch, psychoanalytisch oder behavioristisch. Eine große Rolle bei der Findung der passenden Therapie spielt jedoch die Diagnose und die dort getroffene Einschätzung der Therapiebedürftigkeit. Wird festgestellt, dass der Patient aufgrund der Schwere seiner Symptome einer mehrwöchigen stationären Therapie bedarf, so sind ambulante Maßnahmen meist nicht zielführend.
Erschwerend bei der Suche nach einem Therapeuten kommt hinzu, dass viele Psychologen sich mit schweren Persönlichkeitsstörungen als überfordert erleben und Betroffene nicht in ihre Patientenkartei aufnehmen, so dass diese tatsächlich einen viel kleineren Spielraum bei der Wahl der passenden Therapie haben als theoretisch möglich wäre.
Um eine erfolgreiche Therapie einleiten zu können, muss der Betroffene einen ausgeprägten Leidensdruck aufweisen, der ihn zur Mitarbeit motiviert. Eine Zwangstherapie oder eine psychologische Intervention gegen den Willen des Patienten oder bei unzureichender Motivation sind nicht Erfolg versprechend und werden insofern nicht durchgeführt.
Aussicht & Prognose
Die Prognosen fallen bei Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung sehr unterschiedlich aus. So gilt insgesamt, dass Menschen in Therapie eine bessere Prognose haben. Entscheidend ist die Fähigkeit, eine richtige Selbstwahrnehmung zu erlernen. Als hilfreich gelten ferner auch stabile zwischenmenschliche Beziehungen, die ein großes Maß an Vertrauen und Reflektiertheit erwachsen lassen sowie persönliche Erfolgserlebnisse, die durch eigene Fertigkeiten entstehen.
Diese Faktoren wirken sich günstig auf den Narzissmus aus, da sie dem Betroffenen seine Fähigkeiten gut vor Augen halten und ihn mit den Konsequenzen seines Handelns konfrontieren.
Unzugängliche Narzissten haben eine deutlich schlechtere Prognose. Dies gilt insbesondere für Menschen, die viele Misserfolge erleben und nicht zugänglich für eine Therapie sind, Erschwerend kommen in diesen Fällen häufig Alkohol und andere Drogen hinzu. Entsprechend wird der Narzissmus im Sinne einer empfundenen hohen Selbstwertigkeit zwar erlebt. Aber die Realität stimmt nicht mit diesem Selbstbild überein.
Bei Narzissten besteht zudem auch die Gefahr, dass ein starkes Scheitern sie so sehr frustriert, dass sie depressive Episoden erleben. Andererseits werden diese persönlichen Zusammenbrüche von Patienten oftmals als Grund für das Aufsuchen eines Therapeuten genannt.
Vorbeugung
Der narzisstischen Persönlichkeitsstörung kann nicht aus eigener Kraft vorgebeugt werden. Elterliche Liebe und Zuwendung und eine gegebenenfalls rechtzeitige Intervention sind die wichtigsten Schlüssel zur Prävention.
Nachsorge
Menschen, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, müssen oft ihr Leben lang an sich arbeiten, um die Gratwanderung zwischen normalem und übertriebenem Narzissmus zu meistern. Eine hohe Bereitschaft des Patienten, aktiv an der Behandlung und Nachsorge mitzuwirken, hat dabei oft einen positiven Einfluss auf die weitere persönliche Entwicklung.
Häufig erarbeiten Therapeuten mit ihren Patienten in der letzten Phase der Psychotherapie Strategien für die Nachsorge. Dabei geht es oft darum, wie die Betroffenen den Therapieerfolg aufrechterhalten können. Nach einer stationären Therapie bieten Kliniken spezielle Programme an, um ihre Patienten in der Zeit nach der Entlassung zu unterstützen.
Dabei handelt es sich in der Regel um ambulante Angebote, die den Übergang von der Klinik in den Alltag erleichtern sollen. In diesem Rahmen können verschiedene Therapieansätze angewendet werden, zum Beispiel Gesprächsgruppen, Psychoedukationsprogramme oder Einzelgespräche mit einem Psychiater oder Psychotherapeuten. Auch eine Betreuung oder Begleitung durch einen Sozialarbeiter kann zur Nachsorge gehören.
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist nicht bei jedem Patienten gleichermaßen schwer ausgeprägt. Auch die Nachsorge kann deshalb unterschiedlich intensiv gestaltet werden, indem zum Beispiel die Frequenz der Gespräche angepasst wird.
Das können Sie selbst tun
Narzissten haben häufig Probleme damit, sich empathisch in andere Menschen hineinzuversetzen. Deshalb kann es hilfreich sein, wenn sie sich bewusst mit dem Thema Empathie auseinandersetzen. Wenn eine Person anders reagiert als erwartet, können sie beispielsweise innehalten und überlegen, wie die Situation aus Sicht der anderen Person verlaufen ist.
Häufig fühlen sich Menschen von Narzissten vor den Kopf gestoßen, weil sie eine Situation völlig anders wahrgenommen haben. Das Unverständnis des Narzissten macht es für sie oft noch schwieriger oder ruft Wut hervor. Narzissten müssen oft erst lernen, solche ablehnenden und verletzten Reaktionen von Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern als legitim anzuerkennen.
Manche Narzissten neigen dazu, andere Menschen zu manipulieren. Die Beeinflussung muss keineswegs bösartig sein – sie verfolgt typischerweise das Ziel, anderen zu gefallen und sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Ein häufig eingesetztes Mittel besteht darin, andere Menschen von sich abhängig zu machen. Wenn ein Narzisst zu solchen Verhaltensweisen neigt, sollte er sich die eigenen Muster bewusst machen. Er kann dann überlegen, warum er sich auf eine bestimmte Weise verhält und ob die Intention angemessen ist.
Selbsthilfegruppen können dabei helfen, diese Reflexion zu unterstützen. Das Internet bietet die Möglichkeit, anonym um Meinungen zu bitten – beispielsweise zu typischen Situationen, in denen sich der Betroffene nicht in andere Menschen hineinversetzen kann.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Köhler, T.: Medizin für Psychologen und Psychotherapeuten. Schattauer, Stuttgart 2014
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015