Nervenkompressionssyndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Begriff Nervenkompressionssyndrom werden Krankheitssymptome zusammengefasst, die durch eine chronische Druckschädigung peripherer Nerven an bestimmten Durchführungsstellen und Engpässen zu Funktionseinschränkungen oder totalem Funktionsverlust führen. Es sind mehr als zehn verschiedene Engpässe am menschlichen Körper bekannt, die zu einem entsprechenden Nervenkompressionssyndrom mit teils sehr schmerzhaften und gravierenden Folgen führen können. Die Funktionseinschränkungen sind reversibel, solange die chronische Druckbelastung noch keine dauerhaften anatomischen Veränderungen bzw. Läsionen des Nervs bewirkt hat.
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Was ist ein Nervenkompressionssyndrom?
Unter einem Nervenkompressionssyndrom wird eine Funktionsbeeinträchtigung eines oder mehrerer peripherer Nerven verstanden, die durch anhaltenden physischen Druck auf den Nerv zustande kommt. Meist sind natürliche Engstellen zwischen zwei Muskeln oder Durchführungsrinnen an Gelenken und Knochen betroffen, in denen zusätzlich zu den Nerven in der Regel auch Blutgefäße und Sehnen verlaufen.
Weitaus mehr als zehn verschiedene neuralgische Stellen sind bekannt, an denen ein Nervenkompressionssyndrom auftreten kann, das sensorische und motorische Beeinträchtigungen betreffen kann. Die teilweise sehr schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung oder der totale Funktionsverlust des betroffenen Nervs kommt durch anhaltenden physischen Druck zustande, weil das umgebende Gewebe durch entzündliche Vorgänge oder durch andere Gründe anschwillt und Raum beansprucht.
Solange der Nerv durch die anhaltende Kompression nicht dauerhaft geschädigt wird, ist ein derartiges Nervenkompressionssyndrom teilweise oder vollständig reversibel. Prinzipiell können auch parallel zu den Nerven verlaufende Blutgefäße betroffen sein, so dass die Weiterleitung arteriellen oder venösen Blutes gestört sein kann.
Ursachen
Es handelt sich dann um das recht häufig auftretende Karpaltunnelsyndrom. In einigen Fällen können auch Degenerationen oder Gewebsneubildungen der knöchernen Struktur wie sogenannte Überbeine (Ganglien) durch Raumbeanspruchung Druck auf den Nerv ausüben. Ein Nervenkompressionssyndrom sich auch durch einen zu schnellen Muskelaufbau bilden.
Dies ist dann der Fall, wenn Nerven in ihrem Verlauf zwischen den Muskeln durch die Raumbeanspruchung der schnell an Stärke zunehmenden Muskeln komprimiert werden.
Bis zu einem gewissen Grad kann auch eine entsprechende genetische Disposition die Entstehung einer Nervenkompression begünstigen. Das ist immer dann der Fall, wenn weitere Fälle einer Nervenkompression innerhalb der Familie bekannt sind.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei einem sich abzeichnenden Nervenkompressionssyndrom, das sich noch im Anfangsstadium befindet, ist in der Regel als Erstes die Sensorik betroffen. Das bedeutet, dass sich Taubheitsgefühle und weitere sensorische Ausfälle manifestieren, die durch Kribbeln auf der Haut (Ameisenlaufen) begleitet sein können. Motorische Störungen stellen sich meist erst bei stärker werdender Kompression der Nerven ein.
Die sensorischen und motorischen Störungen können von erheblichen Schmerzen begleitet sein. Im Extremfall kommt es zu einem völligen Ausfall der innervierten Muskelpartien, weil die motorischen Nervenfasern keine Kontraktionssignale mehr an die Muskelzellen abgeben können. Symptomatisch für motorische Störungen sind Kraftverlust und zügiger Abbau von Muskelgewebe. Die sich daraus ergebenden Bewegungseinschränkungen hängen vom Ort des Nervenkompressionssyndroms ab.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die meisten Nervenkompressionssyndrome lassen sich bereits anhand der geschilderten Symptome des Patienten (Anamnese) erkennen. Zur Absicherung der Diagnose stehen eine Überprüfung der Muskelkraft und Tests der Berührungsempfindungen wie spitz, stumpf, kalt, heiß und ähnliches zur Verfügung. In vielen Fällen ist die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit von Nutzen.
Der Verlauf eines Nervenkompressionssyndroms ist davon abhängig, wie sich die einengenden Strukturen entwickeln. Wenn es sich um entzündetes Gewebe als Verursacher der Kompression handelt, kann sich das Nervenkompressionssyndrom nach Behebung der Entzündung und Abschwellung des Gewebes von selbst wieder zurückentwickeln. In den meisten anderen Fällen kommt es unbehandelt zu irreversiblen Schäden an den Nerven und damit zu einem dauerhaften Ausfall und Abbau der innervierten Muskelpartien sowie zu dauerhaften sensorischen Beeinträchtigungen.
Komplikationen
Häufig verlaufen in den Engstellen für die physikalische Durchführung von Nerven und Blutgefäßen auch Sehnen oder Bänder, die sich entzünden können und dann selbst anschwellen können. Unter Umständen gilt das auch für das umliegende Gewebe, so dass der ursprüngliche Engpass zur Kompression der empfindlichen Nerven führt und typischerweise ein Nervenkompressionssyndrom verursacht.
Unbehandelt kann der motorische oder sensorische Nerv irreversibel geschädigt werden, so dass sich die Symptome eingeschränkter sensorischer Empfindungen wie Taubheitsgefühle und eingeschränkter Motorik trotz Behebung der Nervenkompression nicht mehr zurückbilden. Natürlicherweise sind etwa zehn verschiedene Durchführungsengstellen – meist in der Nähe von Gelenken – bekannt, von denen ein Nervenkompressionssyndrom ausgehen kann.
In einzelnen Fällen können Nerven auch außerhalb der bekannten Engstellen komprimiert werden. Beispielsweise können Nerven, die zwei oder mehrere Muskelpartien passieren von schnell aufgebauter Muskelmasse, wie es in teilweise extremer Form beim Bodybuilding erwünscht ist, durch die Muskeln so gepresst werden, dass ein Nervenkompressionssyndrom entstehen kann. Unbehandelt besteht die Gefahr irreversibler sensorischer und motorischer Defizite.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Taubheitsgefühle oder Sensibilitätsstörungen sind Anzeichen einer bestehenden Unregelmäßigkeit, die von einem Arzt untersucht werden sollte. Kommt es zu Missempfindungen, einer Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen oder einem Kribbeln auf der Haut, benötigt der Betroffene eine ärztlich Abklärung der Beschwerden. Eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, eine geringere Belastbarkeit sowie Einschränkungen der Mobilität sind einem Arzt vorzustellen.
In einigen Fällen breiten sich die Beschwerden weiter aus oder führen zu einem Totalausfall der Funktionen. Ein Arzt wird benötigt, damit eine Klärung der Ursache erfolgen kann und ein Behandlungsplan erstellt wird. Kommt es zu Beeinträchtigungen des Muskelapparates, ist die Erkrankung bereits fortgeschritten. Schmerzen, eine Versteifung oder eine Schonhaltung des Bewegungsapparates weisen auf die Notwendigkeit einer medizinischen Versorgung hin. Fehlhaltungen, fehlerhafte Belastungen des Körpers sowie Schwellungen sind mit einem Arzt zu besprechen.
Können Gelenke nicht mehr wie gewohnt gestreckt oder eingeknickt werden, besteht Anlass zur Besorgnis. Damit keine dauerhaften gesundheitlichen Schäden entstehen oder sich Folgeerkrankungen entwickeln, wird ein Arzt benötigt. Zeigen sich Gangunsicherheiten, eine Zunahme von leichten Unfällen oder Stürzen sowie emotionale Auffälligkeiten, ist ein Arzt zu konsultieren. Bei Ängsten, Stimmungsschwankungen, rapiden Verhaltensänderungen oder einem Rückzug aus dem sozialen Leben liegen häufig Erkrankungen zugrunde, bei denen ein Behandlungsbedarf besteht.
Behandlung & Therapie
Einem Nervenkompressionssyndrom liegt immer eine Primärerkrankung zugrunde, die als Auslöser der Beschwerden identifiziert wurde. Eine Behandlung zielt daher in erster Linie auf Behebung der Ursachen der Kompression ab. Mögliche Therapien decken ein weites Spektrum ab. Eine Therapie kann eine einfache Anweisung zur Änderung einer Gewohnheit bedeuten oder einen operativen Eingriff erfordern.
Beispielsweise kann durch ein zu enges Armband einer Armbanduhr ein sogenanntes Wartenberg-Syndrom verursachen, eine Druckläsion des Speichennervs (Nervus radialis) auf der Streckseite des Handgelenks. Während in diesem Fall das Ablegen der Uhr oder ein weniger enges Armband das Problem beheben kann, werden vielfach die betroffenen Gelenkregionen durch Schienen oder Verbände ruhig gestellt.
Als Ultima Ratio gelten konventionelle oder minimalinvasive chirurgische Eingriffe, falls mit konservativen Behandlungsmethoden nicht die erwünschten Verbesserungen erzielt werden konnten. Das oberste Ziel bei operativen Eingriffen besteht immer darin, die Druckbelastung des entsprechenden Nervs zu beheben, so dass er sich regenerieren kann. Mit der Regeneration des Nervs durch die Dekompression verschwinden auch die Beschwerden.
Aussicht & Prognose
Nervenkompressionssyndrome lassen sich operativ behandeln. In der Regel erholt sich der Nerv vollständig, insofern die Schädigung nicht allzu lange vorgelegen hat. Die Prognose orientiert sich auch an der Art der Nervenkompression. Ein Karpaltunnelsyndrom kann sowohl operativ als auch mittels verschiedener Selbsthilfe-Maßnahmen effektiv behandelt werden. Das Loge-de-Guyon-Syndrom kann bereits durch Ruhigstellung des Handgelenks mithilfe einer geeigneten Schiene therapiert werden. Medikamente können eine zusätzliche Linderung der Beschwerden bringen. Die Lebensqualität wird vor allem während der akuten Schmerzphase eingeschränkt. Sobald das Nervenkompressionssyndrom operativ behoben wurde, verschwinden auch die Beschwerden. Zumeist wird dadurch eine vollständige Erholung des Nervs erreicht.
Eine Vollbelastung ist erst nach einigen Wochen wieder möglich. Bis dahin können für den Patienten verschiedene Einschränkungen auftreten. Wird das Nervenkompressionssyndrom frühzeitig behandelt, ist die Prognose relativ gut. Bei deutlich geschädigten Nerven können Ausfälle bestehen bleiben. Der Patient ist dann unter Umständen ein ganzes Leben geschädigt und leidet an anhaltenden Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Nervenstörungen. Die Lebenserwartung wird durch das Leiden nicht eingeschränkt. Die genaue Diagnose muss ein Facharzt für Nervenerkrankungen oder der zuständige Chirurg stellen.
Vorbeugung
Vorbeugende Maßnahmen zur Minimierung des Risikos, ein Nervenkompressionssyndrom zu erleiden, beziehen sich hauptsächlich auf eine von Zeit zu Zeit kritische Beobachtung der eigenen Gewohnheiten, die zu einer Nervenkompression führen könnten. Dazu gehören beispielsweise Angewohnheiten wie Abstützen des linken Ellbogens bei längeren Autofahrten oder bei der Bedienung der Computermaus die Hand ständig an der Tischkante abzustützen. Derartige Überlegungen sind vor allem wichtig bei Auftreten erster Anzeichen, so dass noch früh genug durch Änderungen ungünstiger Gewohnheiten eine Verschlimmerung des Syndroms vermieden wird.
Nachsorge
Die Nachsorge beim Nervenkompressionssyndrom ist aus zwei Gründen besonders wichtig. Zum einen gilt es, die Regeneration der belasteten Nerven auf optimale Weise zu unterstützen. Zum anderen soll durch das Vermeiden von Fehlhaltungen verhindert werden, dass es zu einer erneuten Kompression der sensiblen Nerven kommt.
Fehlbelastung und Fehlhaltung als häufige Ursachen sind wichtiges Thema im Rahmen einer effizienten Nachsorge. Auf die Ergonomie am Arbeitsplatz ist in diesem Zusammenhang ebenso zu achten wie auf gesunde Haltung und Bewegungsabläufe im Alltag. Hilfe und Beratung bieten neben dem behandelnden Neurologen, Orthopäden oder Hausarzt auch der Physiotherapeut oder Rehasportlehrer. Auch eine arbeitsmedizinische Beratung ist oft sehr hilfreich.
Die muskuläre Balance im Körper beziehungsweise der Abbau von Dysbalancen spielen in der Nachsorge eine bedeutende Rolle. Die Kräftigung schwacher Muskeln (zum Beispiel im Bereich von Bauch oder oberem Rücken) ist in diesem Zusammenhang genauso wichtig wie das Dehnen verkürzter Muskeln, die oft den Brustbereich oder die Rückseite der Oberschenkel betreffen. Verspannungen können zudem auch mit gezielten Massagen gelockert werden.
Für Patienten mit diagnostiziertem oder behandeltem Nervenkompressionssyndrom ist auch eine eine rückenschonende Lage im Bett wichtig. Die Matratze ist beim Kauf daher genau darauf abzustimmen, was Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule des Patienten für eine nervenschonende Lagerung des Betroffenen benötigen.
Das können Sie selbst tun
Das Nervenkompressionssyndrom ist ein Beschwerdebild, das für die Selbsthilfe des betroffenen Patienten in vielen Fällen zugänglich ist. Da die Einengung der Nerven im Spinalkanal der Wirbelsäule (Lenden-, Brust- oder Halswirbelsäule) nicht selten durch eine Fehlhaltung oder eine Überbeanspruchung entstehen, kann eine entsprechende Verhaltensänderung auch dazu beitragen, die Schmerzen, das Kribbeln oder die Taubheitsgefühle wieder zu lindern oder gar zu beseitigen.
Um sicherzustellen, dass Übungen oder Haltungen wirklich gut für den Patienten sind, sollte die Selbsthilfe im Alltag mit dem behandelnden Arzt oder Physiotherapeuten abgesprochen werden. Oft werden Grundlagen für ein gezieltes Training oder gesunde Haltungen auch im Rahmen einer Rehabilitation, in der Krankengymnastik oder einer speziellen Rückenschule erlernt.
Ein Nervenkompressionssyndrom kann im Alltag grundsätzlich auf zwei Wegen gelindert werden. Zum einen ist dies dadurch möglich, dass immer wieder einmal eine schonende Haltung eingenommen wird, um betroffene Areale zu entlasten. Ein Beispiel hierfür ist die Stufenlagerung im Hinblick auf die Lendenwirbelsäule. Der zweite Weg ist die Kräftigung schwacher Muskeln sowie die Dehnung verkürzter Muskeln. Auf diese Weise werden muskuläre Dysbalancen ausgeglichen und der Körper wird in seine physiologische Haltung aufgerichtet. Dies ist die Haltung, in der der Druck auf die Bandscheiben in bestmöglichem Maß minimiert wird, sodass ein Einengen von Nerven durch Bandscheibengewebe verhindert werden kann.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013