Neurofibromatose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Neurofibromatose
Neurofibromatose ist ein Sammelbegriff für Erbkrankheiten, die die Entstehung von Neurofibromen gemeinsam haben. Hierbei handelt es sich um gutartige Nerventumore.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Neurofibromatose?
Unter den Begriff Neurofibromatose fallen bis zu acht Krankheitsbilder. Von zentraler Bedeutung sind jedoch lediglich zwei: die Neurofibromatose Typ 1 (auch „Morbus Recklinghausen“) und Neurofibromatose Typ 2.
Da die Neurofibromatose durch Tumore der Nerven verursacht wird, ist sie durch ein breites Spektrum von Merkmalen gekennzeichnet: Die Symptome beschränken sich nicht nur auf bestimmte Körperbereiche, sondern können sich theoretisch überall am und im Körper manifestieren. Einige Symptome sind jedoch charakteristisch für die Neurofibromatose. Sowohl bei der Neurofibromatose Typ 1 als auch bei Typ 2 treten sogenannte Milchkaffeeflecken auf der Haut auf.
Zudem sind Veränderungen der Augen häufig: Knötchen in der Iris, sogenannte Lisch-Knötchen, weisen auf Tumore am Auge hin. Defizite in der Sinneswahrnehmung, vor allem beim Hören, definieren die Neurofibromatose ebenfalls – durch die Tumorbildung kann die Funktionsfähigkeit des Nervensystems teilweise beeinträchtigt werden.
Eines der entscheidenden Kennzeichen der Neurofibromatose Typ 1 ist das Auftreten des „Klingelknopfphänomens“. Bei diesem bilden die Neurofibrome einen weichen Knoten, der mit dem Finger eindrückbar ist, als würde sich darin ein Loch befinden.
Bei der Neurofibromatose Typ 2 sind die Tumore ebenfalls oft durch die Haut hindurch zu sehen und zu spüren; zudem können hier auch Skelettveränderungen auftreten, zum Beispiel starke Verformungen der Wirbelsäule. In Folge dessen treten meist orthopädische Beschwerden auf.
Ursachen
Infolge des Gendefektes kommt zur Bildung von gutartigen Tumoren, bei denen keine Metastasen entstehen. Die Tumore bilden sich aus den Schwann'schen Zellen, die vor allem die Axone der Nervenzellen umschließen und diese dadurch elektrisch isolieren. Weitere Tumore bilden sich zudem aus Teilen des endo- und perineuralen Bindegewebes.
Durch die Tumorbildung des Nervensystems kann dessen Funktion beeinträchtigt werden, was zahlreiche Symptome der Neurofibromatose erklärt. Im Rahmen der Neurofibromatose Typ 1 kommt zur Bildung von Neurofibromen (Nerventumore), die sowohl das zentrale als auch das periphere und vegetative Nervensystem betreffen. Die Neurofibromatose Typ 2 befällt im Gegensatz zur Neurofibromatose Typ 1 überwiegend das zentrale Nervensystem: Es kommt zu Tumoren in Gehirn und/oder Rückenmark.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Da es von der Erkrankung zwei Typen gibt, unterscheiden sich auch die Symptome. Für Typ 1 sind gutartige, ovale, hellbraune Hautknötchen (Neurofibrome) charakteristisch, die häufig schon direkt nach der Geburt zu sehen sind. Sie bilden sich auf der Haut oder entlang der Nerven. Zu Beginn treten sie nur vereinzelt auf, im weiteren Verlauf können sie den ganzen Körper überdecken. Sie werden wegen ihrer Farbe auch als Café-au-lait-Flecken (Milchkaffeeflecken) bezeichnet.
Die Knötchen an den Nerven kann man manchmal bläulich schimmernd durch die Haut sehen. Wachsen diese Knoten an der Iris des Auges, heißen sie Lisch-Knötchen. Die Hauterscheinungen können unterschiedlich groß sein, manche messen nur wenige Millimeter, andere mehrere Zentimeter. Zusätzlich bilden sich in den Achselhöhlen und in der Leistenregion Flecken, die ähnlich wie Sommersprossen aussehen.
Weitere Symptome wie Skoliose, epileptische Anfälle oder Tumoren am Sehnerv sind möglich. Der Typ 2 der Neurofibromatose weist nur selten Hautzeichen auf. Eher sind Tumoren am Hörnerv typisch; sie werden Akustikusneurinome oder Schwannome genannt und entstehen meistens erst nach der Pubertät.
Sie beeinträchtigen die Hörfähigkeit und das Gleichgewichtsempfinden und können Tinnitus auslösen. Tumore können sich aber auch an anderen Nerven des zentralen Nervensystems bilden. Ein weiteres mögliches Symptom der Erkrankung vom Typ 2 ist die Trübung der Augenlinse.
Diagnose & Verlauf
Für die Diagnose der Neurofibromatose gibt es für Typ 1 und 2 leicht unterschiedliche Kernsymptome: Die Neurofibromatose Typ 1 wird diagnostiziert, wenn neben anderen Kriterien mindestens fünf Milchkaffeeflecken sowie Tumore in der Haut (kutan) festgestellt werden können.
Eine Diagnose der Neurofibromatose Typ 2 erfolgt im Wesentlichen dann, wenn an beiden Hörnerven gutartige Tumore festgestellt werden. Der Verlauf der Krankheit schreitet langsam voran: Durch die verhältnismäßig langsame Entstehung von Tumoren tritt die Neurofibromatose nicht schlagartig auf, sondern entwickelt sich schleichend. Der Schweregrad des Krankheitsverlaufes kann stark variieren und ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei etwa 60 % der Erkrankten verläuft die Neurofibromatose milde.
Komplikationen, die als Folge der Krankheitssymptome auftreten können, stellen ein zusätzliches Gesundheitsrisiko dar: Beispiele für mögliche Komplikationen sind Skoliose und damit einher gehende Schmerzen oder Epilepsie. Sie erfordern eine entsprechende Behandlung und müssen zusätzlich im Auge behalten werden.
Komplikationen
Im Rahmen einer Neurofibromatose vom Typ I kann es auch zu epileptischen Anfällen kommen. Des Weiteren sind auch Teilleistungsstörungen bei Kindern möglich. Diese beziehen sich auf Lernschwierigkeiten von Kindern mit normaler Intelligenz. Eine rechtzeitige Erkennung möglicher Komplikationen kann helfen, spätere Probleme zu vermeiden. Für die weitere Entwicklung der Neurofibromatose kann keine Aussage getroffen werden, weil sie sich bei jedem Menschen unterschiedlich entwickelt.
So sind neben milden Verläufen auch sehr schwere und komplizierte Verläufe möglich. Während einige von der Neurofibromatose Typ I Betroffenen anfangs oft nur einige Pigmentflecke ausbilden, können andere bereits im Säuglingsalter von Tumoren befallen sein. Bei der Neurofibromatose vom Typ II ist der weitere Verlauf ebenfalls schwer vorauszusagen. Im Allgemeinen nimmt aber die Anzahl der Tumoren im Laufe des Lebens immer mehr zu. Insgesamt steigt bei beiden Formen der Erkrankung im weiteren Verlauf das Risiko der Ausbildung bösartiger Geschwülste.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Werden unmittelbar nach der Geburt Hautveränderungen oder Auffälligkeiten bei dem Neugeborenen beobachtet, sollten sie von den Ärzten und Personen des Geburtshelferteams abgeklärt werden. Knötchen auf der Haut, eine Pigmentbildung oder Verfärbungen müssen begutachtet werden. In verschiedenen Tests sollen insbesondere schwere oder lebensgefährdende Erkrankungen ausgeschlossen werden. Nehmen die vorhandenen Besonderheiten des Hautbildes in den kommenden Wochen und Monaten nach der Geburt zu, sollte ein Kontrollbesuch bei einem Arzt stattfinden.
Flecken auf der Haut, die sich in alle Bereiche des Körpers ausbreiten gelten als ungewöhnlich und sind einem Arzt vorzustellen. Die Hautveränderungen ähneln den bekannten und ungefährlichen Sommersprossen, können dennoch klar von ihnen unterschieden und abgegrenzt werden. Schwellungen, Schmerzen oder ein ungewöhnliches Verhalten des Nachwuchses sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die von einem Arzt untersucht und behandelt werden müssen. Leidet der Betroffene im weiteren Wachstums- und Entwicklungsprozess unter Störungen der Sinneswahrnehmung, einer Beeinträchtigung des Sehvermögens oder unter epileptischen Anfällen, besteht Anlass zur Besorgnis.
Als ein Warnsignal kann eine Verminderung der Hörkraft betrachtet werden. Treten die Unregelmäßigkeiten auf oder nehmen sie an Intensität zu, muss unverzüglich ein Arzt konsultiert werden. Bei Veränderungen des Skelettsystems, ertastbaren Knoten unter der Haut oder einer Verformung der Wirbelsäule ist schnellstmöglich ein Arztbesuch vonnöten.
Behandlung & Therapie
Da es sich bei der Neurofibromatose um eine Erbrkankheit handelt, beschränkt sich ihre Behandlung auf die operative Entfernung der Tumore und die Behandlung von Folgeerscheinungen der Krankheit. Insbesondere die Tumore der Hörnerven können in einem frühen Stadium mit gewissem Erfolg entfernt werden. Darüber hinaus gibt es keine wirksame Therapiemöglichkeit.
Aussicht & Prognose
Die Neurofibromatose ist eine nicht heilbare Erkrankung. Als Ursache konnten Wissenschaftler einen genetischen Defekt feststellen. Da die menschliche Genetik nach den derzeitigen rechtlichen Vorgaben nicht verändert werden darf, konzentrieren sich die Behandlungsansätze auf eine Linderung der individuell ausgeprägten Symptome des Patienten.
Eine Behandlung ist anzuraten, da die Erkrankung mit Wucherungen des Gewebes sowie Krampfanfällen verbunden ist. Alternative Heilmethoden oder die Selbstheilungskräfte des Organismus genügen daher nicht, um eine langfristige gesundheitliche Verbesserung zu erreichen. Zudem ist die allgemeine Unfallgefahr bei einigen Patienten mit Gleichgewichtsstörungen oder vorhandenen Einbußen von Hör- oder Sehkraft erhöht. Sie sollten im Alltag bestmöglich unterstützt werden, um Folgeerkrankungen oder ungewollte Komplikationen zu vermeiden.
Bei einer frühzeitigen Diagnosestellung und einem unverzüglichen Behandlungsbeginn zeigen sich die besten Erfolge. In Abhängigkeit der aufgetretenen Beschwerden werden individuelle Therapiemethoden eingesetzt, um die Lebensqualität des Betroffenen erheblich zu verbessern. Der Umgang mit der Erkrankung wird erlernt, damit Zustände der emotionalen Belastung möglichst gering gehalten werden.
Es sind über die gesamte Lebensspanne regelmäßige Kontrollbesuche bei einem Arzt erforderlich. Zudem kommt es bei den Patienten zu wiederholten operativen Eingriffen, damit die Tumore entfernt werden können. Andernfalls können sie umliegendes Gewebe beschädigen oder zu Funktionsstörungen des Organismus führen und damit eine weitere Verschlechterung der Gesundheit auslösen.
Vorbeugung
Eine Vorbeugung der Neurofibromatose ist ebenfalls nicht möglich. Jedoch ist die Früherkennung von entscheidender Bedeutung, um schwerere Ausprägungen zu vermeiden oder die Symptome zu mildern.
Nachsorge
Dem Betroffenen stehen bei einer Neurofibromatose in den meisten Fällen nur sehr wenige Möglichkeiten einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene sollte aus diesem Grund möglichst früh einen Arzt aufsuchen, um das Auftreten von weiteren Komplikationen oder Beschwerden zu verhindern.
Die Krankheit kann nicht vollständig geheilt werden, da es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Sollten Betroffene einen Kinderwunsch hegen, kann es ratsam sein, eine genetische Untersuchung und Beratung vornehmen zu lassen, um ein erneutes Auftreten der Neurofibromatose zu verhindern. Die meisten Betroffenen sind auf die Einnahme von unterschiedlichen Arzneimitteln angewiesen.
Dabei wirkt sich in erster Linie eine regelmäßige Einnahme und auch eine richtige Dosierung positiv auf den weiteren Verlauf aus. Nicht selten ist auch die psychologische Unterstützung der Betroffenen durch die eigene Familie sehr wichtig, wobei sich vor allem liebevolle und intensive Gespräche positiv auf den weiteren Verlauf auswirken können.
Ebenso sind Maßnahmen einer Physiotherapie sehr wichtig. Viele der Übungen können die Betroffenen auch im eigenen Zuhause wiederholen. Die Neurofibromatose verringert in der Regel nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.
Das können Sie selbst tun
Wenn eine Neurofibromatose festgestellt wurde, liegt die wichtigste Maßnahme in einer engen Überwachung der Symptome. Der zuständige Arzt wird weitere Behandlungsschritte einleiten, damit die Geschwülste rasch entfernt werden können.
Nach einem operativen Eingriff muss sich der Betroffene schonen. Es gilt, die Haut keiner weiteren Belastung auszusetzen, etwa durch aggressive Shampoos oder reizende Kleidungsstücke. Auch muss im Alltag auf eine strikte Körperhygiene geachtet werden. Eltern von betroffenen Kindern sollten sicherstellen, dass die Bettwäsche regelmäßig gewaschen und die Böden und Oberflächen in der Wohnung möglichst täglich gereinigt werden. Weitere Maßnahmen beschränken sich darauf, das Kind regelmäßig zur ärztlichen Vorsorge zu bringen. Dadurch kann der Krankheitsverlauf überwacht und bei etwaigen Komplikationen die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden.
Da die Neurofibromatose oftmals einen schweren Verlauf nimmt, sollte man begleitend dazu einen Therapeuten hinzuziehen. Der Fachmann kann die Eltern unterstützen, indem er Möglichkeiten zur Bewältigung von Stress aufzeigt. Außerdem kann er den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe herstellen. Dort finden betroffene Eltern Gehör und lernen im Gespräch mit anderen Angehörigen, wie sie die Erkrankung des Kindes verarbeiten können.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014