Treacher-Collins-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Treacher-Collins-Syndrom wird eine Erbkrankheit genannt, durch die es zu Fehlbildungen im Gesicht kommt. Die Krankheit wird heute oft auch als Franceschetti-Zwahlen-Syndrom, als Berry-Syndrom oder als Dysostosis mandibulofacialis bezeichnet. Die Ausbildungen der durch das Syndrom verursachten Fehlbildungen sind sehr variabel, oft sind jedoch das Kinn, die Augen, die Ohren, der Gaumen oder das Jochbein betroffen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Treacher-Collins-Syndrom?

Bei dem Syndrom handelt es sich um eine Erbkrankheit, die autosomal-dominant vererbt wird. Das bedeutet, dass bereits ein defektes und mutiertes Allel (eine Genform) im dominanten Erbteil genügt, um eine Ausprägung der Krankheitsmerkmale zu verursachen.
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Das Treacher-Collins-Syndrom bezeichnet eine erbliche Erkrankung, die durchschnittlich bei einem von rund 50.000 Neugeborenen und somit relativ selten auftritt. Sie wurde im Jahr 1900 vom englischen Arzt Edward Treacher Collins entdeckt. Der Augenarzt beschrieb damals erstmalig das kombinierte und gemeinsame Auftreten und die charakteristischen Merkmale des Syndroms und seiner Symptome.

Seine Arbeit wurde 1949 von Adolphe Franceschetti und David Klein fortgesetzt. Sie führten schließlich auch die fachmedizinische Bezeichnung „Dysostosis mandibulofacialis“ ein, die für den Symptomkomplex (den Komplex aus den Beschwerden und den Symptomen) der Erkrankung steht. Neben dem eigentlichen Treacher-Collins-Syndrom sind heute zudem einige ähnliche Genmutationen, wie etwa das Elschnig-Syndrom, das stets nur die Augenlider betrifft, bekannt. Manchmal treten diese auch gemeinsam mit dem Treacher-Collins-Syndrom auf. Leidet bereits ein Elternteil am Syndrom, besteht ein erhöhtes Risiko, dass auch ein Kind an diesem erkrankt.

Ursachen

Bei dem Syndrom handelt es sich um eine Erbkrankheit, die autosomal-dominant vererbt wird. Das bedeutet, dass bereits ein defektes und mutiertes Allel (eine Genform) im dominanten Erbteil genügt, um eine Ausprägung der Krankheitsmerkmale zu verursachen. Da die Information dabei auf einem der 22 Autosomenpaare liegt und nicht auf den Geschlechtschromosomen, wird das Treacher-Collins-Syndrom zudem unabhängig vom Geschlecht vererbt.

Leidet also beispielsweise ein Elternteil bereits unter dem Syndrom, besteht für das Kind ein 50-prozentiges Risiko, ebenfalls an diesem zu erkranken. Leiden beide Elternteile unter dem Syndrom, steigt das Risiko auf 75 bis 100 Prozent. Hier kommt es darauf an, ob die Elternteile heterozygot oder homozygot sind – also, ob identische oder unterschiedliche Allele vorliegen. Das Syndrom kann übrigens auch Generationen überspringen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome und Merkmale des Syndroms können erheblich variieren und fallen selbst bei bereits erkrankten Eltern nur selten vorhersehbar oder ähnlich aus. Heute sind zudem ebenso recht milde Verlaufsformen als auch lebensbedrohliche Fälle bekannt. Denn beim Treacher-Collins-Syndrom kommt es nicht nur zu Missbildungen im sichtbaren Bereich des Gesichtes, sondern es können auch die Atemwege oder die Knochenleitungen betroffen sein. Häufig kennzeichnet sich das Syndrom jedoch durch bilaterale Symptome.

Diese äußern sich beispielsweise in einer Missbildung des Jochbeines (Os zygomaticum genannt), einer fehlerhafte Bildung des Unterkieferknochens (Mandibula genannt) oder der Ohrmuschel (als Auricula bezeichnet). Darüber hinaus können aber auch Fehlbildungen wie eine Gaumenspalte, deformierte Augenlider, fehlerhafte Augenstellungen, Sehstörungen, Hörstörungen und Atemprobleme durch eine Verlegung der Atemwege Folgen des Syndroms sein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose eines Treacher-Collins-Syndroms erfolgt in der Regel durch klinische Befunde: nach der Geburt oder aber bereits im Mutterleib. Eine häufig angewandte Methode, um das Syndrom zu diagnostizieren, ist heute beispielsweise die OMENS-Klassifikation. Diese bewertet die Ausprägung der Symptome bezüglich der Orbita (Augenhöhle), dem Mandibula, dem Ohr (Ear), dem Nervus facialis und dem Weichteilgewebe des Gesichtsbereichs (Soft tissue).

Darüber hinaus sollten jedoch, um wirklich sicherzugehen, immer auch verschiedene radiologische Untersuchungen vorgenommen werden. Durch diese lassen sich oft die Ausprägung und das Ausmaß der Erkrankung abschätzen. Abschließend kann jedoch ebenso eine genetische Diagnostik, die auf molekularer Ebene durchgeführt wird, die Diagnose sichern – und für Klarheit sorgen.

Komplikationen

Beim Treacher-Collins-Syndrom gehen die Komplikationen von etwaigen Fehlbildungen aus. Die Erbkrankheit kann sich zum Beispiel in einer fehlerhaften Bildung des Unterkieferknochens äußern. Liegt eine solche Fehlbildung vor, treten unter Umständen Probleme bei der Nahrungsaufnahme auf. Bei Säuglingen kann eine unzureichende Ernährung schnell zu Mangelerscheinungen führen.

Des Weiteren kann im Rahmen des Treacher-Collins-Syndroms eine Fehlbildung der Ohrmuschel vorliegen, die mit Hörstörungen verbunden sein kann. Weitere Fehlbildungen wie eine Gaumenspalte oder deformierte Augenlider sind mit individuellen Komplikationen verbunden. Typische Folgebeschwerden sind Atemprobleme, Sehstörungen und Funktionsstörungen des Geruchssinns, aber auch Erkrankungen der Knochenleitungen.

Ästhetische Fehlbildungen stellen für die meisten Betroffenen eine psychische Belastung dar. Erfolgt nicht frühzeitig eine therapeutische Beratung, kann es zur Entstehung von Sozialphobien und Minderwertigkeitskomplexen kommen, die oft ein Leben lang bestehen. Bei der Behandlung des Treacher-Collins-Syndroms kann es ebenfalls zu Komplikationen kommen.

Chirurgische Eingriffe bergen immer ein gewisses Risiko für Operationsfehler, die je nach Lokalität des Eingriffs verschiedene Probleme verursachen können. Typisch sind Verletzungen von Nerven, Gefäßen oder Gewebestrukturen, durch die zum Beispiel Sensibilitätsstörungen und Funktionsstörungen auftreten können. Eine medikamentöse Behandlung von Kleinkindern ist immer mit gewissen Risiken verbunden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Treacher-Collins-Syndrom ist der Betroffene auf eine medizinische Behandlung und Untersuchung angewiesen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Dabei wirkt sich eine frühzeitige Diagnose mit einer anschließenden Behandlung immer positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit aus und kann eine weitere Verschlechterung der Beschwerden verhindern.

Ein Arzt ist beim Treacher-Collins-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an starken Fehlbildungen oder Missbildungen leidet. Diese treten am gesamten Körper auf und wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus. Dabei können auch Sehbeschwerden oder Hörbeschwerden auf das Syndrom hindeuten und sollten ebenfalls durch einen Arzt untersucht werden. Die meisten Betroffenen leiden beim Treacher-Collins-Syndrom auch an Beschwerden der Atmung, sodass auch diese Beschwerden von einem Arzt kontrolliert werden sollten.

Beim Treacher-Collins-Syndrom kann ein Allgemeinarzt kontaktiert werden. Die weitere Behandlung richtet sich stark nach der Art und nach der genauen Ausprägung der Beschwerden, sodass abei kein allgemeiner Verlauf gegeben werden kann. Sollte es zu einem Kinderwunsch kommen, so kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden.

Behandlung & Therapie

Die Art und der Erfolg einer Behandlung hängen beim Treacher-Collins-Syndrom immer von der Komplexität und der Ausprägung der Symptome ab. Rein ästhetische Fehlbildungen lassen sich heute oft recht gut durch die moderne plastische Chirurgie behandeln. Das trifft auch auf zahlreiche durch das Syndrom verursachte Fehlbildungen zu, die die Lebensqualität des Säuglings beeinflussen würden, jedoch nicht sein Leben bedrohen – etwa eine Fehlbildung der Augenlider, eine leichte Gaumenspalte oder minimale Missbildungen der Ohrmuscheln.

Anders steht es um lebensbedrohliche Ausprägungen des Syndroms, wie etwa einer Missbildung der Atemwege. Auch Ausprägungen wie diese können oft durch chirurgische Eingriffe behandelt werden. Allerdings ist es hier wichtig, dass die Behandlung möglichst schnell passiert – manchmal sogar bereits im Mutterleib. Zudem müssen nicht selten auch Symptome wie Hör- oder Sehschäden, die ebenfalls durch das Syndrom ausgelöst werden können, behandelt werden. Hierzu ist oftmals eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen behandelnden Fachärzte und Spezialisten vonnöten.


Vorbeugung

Einem Treacher-Collins-Syndrom lässt sich nicht vorbeugen. Höchstens lässt sich im Voraus die Höhe des Risikos abschätzen, dass das Kind an einem solchen erkrankt. Und: Viele Ausprägungen und Symptome lassen sich oft behandeln, wenn dies rechtzeitig geschieht und sofern es nötig ist. Aus diesem Grund sollten am Syndrom erkrankte Eltern oder auch Elternteile, in deren Familien bereits das Treacher-Collins-Syndrom auftrat, unbedingt den behandelnden Gynäkologen informieren – sodass dieser so früh wie möglich den Kontakt zu Spezialisten herstellen kann.

Diese werden die Schwangerschaft dann meistens mit verschiedenen Diagnosen begleiten und eingreifen, wenn es nötig ist: Spätestens aber nach der Geburt, um selbst leichte Ausprägungen des Syndroms bestmöglich zu behandeln und die Lebensqualität des betroffenen Kindes zu verbessern.

Nachsorge

Die Nachsorge beim Treacher-Collins-Syndrom hängt davon ab, wie stark die Gesichtsfehlbildungen ausgeprägt sind und welche Beschwerden außerdem noch auftreten. Teil der Nachsorge ist immer eine körperliche Untersuchung sowie ein Gespräch mit dem Patienten. Bei der körperlichen Untersuchung wird der Verlauf der Fehlbildungen überprüft.

Sollten sich Komplikationen wie Entzündungen oder Sensibilitätsstörungen zeigen, ist eine weitere Behandlung erforderlich. Im Rahmen der Anamnese werden Neben- und Wechselwirkungen der verordneten Medikamente überprüft. Zudem werden offene Fragen des Patienten geklärt. Sollten keine Komplikationen auftreten, kann der Patient entlassen werden.

Da es sich bei dem Treacher-Collins-Syndrom um eine chronische Erkrankung handelt, müssen die einzelnen Symptome jedoch dauerhaft behandelt werden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch den Arzt sind notwendig, um Beschwerden, wie sie im Verlauf der Erkrankung auftreten können, rasch beheben und ernsthafte Komplikationen vermeiden zu können. Dafür muss in der Regel eine Fachklinik aufgesucht werden.

Die Routinekontrollen können dagegen vom Hausarzt durchgeführt werden. Abhängig ist dies allerdings immer von der Ausprägung der Erkrankung. Die Nachsorge beim Treacher-Collins-Syndrom übernimmt je nach Symptombild der Allgemeinarzt, Ohrenarzt, Internist oder Chirurg. Bei Kindern ist zumeist auch der Kinderarzt in die Behandlung involviert.

Das können Sie selbst tun

Das Treacher-Collins-Syndrom ist durch komplexe Fehlbildungen und körperliche Einschränkungen gekennzeichnet. Die Selbsthilfe-Maßnahmen orientieren sich an den individuellen Beschwerden.

Nach einem korrigierenden Eingriff gelten allgemeine Maßnahmen wie Schonung, Ruhe und die Einhaltung der ärztlichen Vorgaben. Etwaige Wunden oder Narben sollten in Rücksprache mit einem Dermatologen gepflegt werden, um die Hautveränderungen zu minimieren. Betroffene Personen müssen frühzeitig einen HNO-Spezialisten sowie einen Augenarzt kontaktieren, damit die jeweiligen Beschwerden behandelt werden können. Die Therapie der Hörminderung kann durch das Tragen eines Hörgeräts unterstützt werden.

Das Treacher-Collins-Syndrom bedeutet für Betroffene immer auch eine psychische Belastung. Die Fehlbildungen können das Selbstwertgefühl massiv beeinträchtigen und ernste seelische Erkrankungen hervorrufen. Deshalb zählt der Kontakt mit anderen Betroffenen sowie Fachärzten, die Behandlungsperspektiven aufzeigen, zu den wichtigsten Selbsthilfe-Maßnahmen. Patienten, die an dem Treacher-Collins-Syndrom leiden, wenden sich am besten an eine Fachklinik oder nehmen im Internet Kontakt mit anderen Patienten auf. Der Verein ACHSE e. V. unterstützt Menschen mit seltenen Erkrankungen und gibt ihnen weitere Tipps und Kontaktstellen an die Hand, mit deren Hilfe die ärztliche Therapie gezielt unterstützt werden kann.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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