Progenie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Progenie ist eine Kiefererkrankung. Hierbei ist dieser fehlgestellt (Dysgnathie). Kennzeichnend für eine Progenie ist ein umgekehrter Überbiss der Schneidezähne (sogenannter frontaler Kreuzbiss).

Inhaltsverzeichnis

Was ist Progenie?

Eine Progenie hat vorrangig optische Auswirkungen. Das bedeutet die Fehlstellung des Kiefers ist (oft auch für den Laien) mit bloßem Auge sichtbar.
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Mit dem Begriff Progenie wird in der Zahnmedizin eine massive Fehlstellung des Kiefers bezeichnet. Da der Terminus zunehmend als irreführend empfunden wird, weil er lediglich ein vorstehendes Kinn umschreibt, findet sich in der neuen Literatur vorrangig die Bezeichnung Dysgnathie.

Die Progenie wird dabei als Unterfall der verschiedenen Dysgnathien eingeordnet. Kennzeichnend für diese Kieferfehlstellung ist ein umgekehrter Überbiss (auch frontaler Kreuzbiss genannt). Hierbei befinden sich vor allem die Schneidezähne in einer ungewöhnlichen Stellung. Die Progenie bleibt in der Regel nicht nur auf die Zähne beschränkt, sondern erstreckt sich auf den gesamten Kiefer.

Durch eine Progenie können folglich verschiedene Beeinträchtigungen der Funktionalität entstehen. Auch sind Schädigungen weiterer Teile des unteren Schädelbereiches denkbar.

Ursachen

Eine Progenie lässt sich üblicherweise nicht auf eine monokausale Ursache zurückführen. Das bedeutet, dass sie in der Regel mehr als bloß eine Ursache hat. In der zahnmedizinischen Fachliteratur wird jedoch der Genetik eine große Rolle zugeschrieben. Eine Dysgnathie kann demnach dominant vererbt werden.

Daneben werden aber auch weitere Entwicklungsanreize ausgewiesen, die zur Ausbildung einer Kieferfehlstellung wie der Progenie führen können. Hierzu zählen etwa Funktionsstörungen der Zunge (sogenannte Dyskinesien) oder Abweichungen vom regulären Körperbau (morphologische Anomalien).

Morphologische Anomalien, die zur Ausbildung einer Progenie führen können, sind zum Beispiel eine vergrößerte Zunge oder eine stark eingeschränkte Atmungsfähigkeit der Nase, die zu einer fast vollständigen Atmung durch den Mund führt. All dies sind Faktoren, die ein mangelndes Wachstum des Kiefers verursachen können und damit zu einer Progenie führen.

In Betracht zu ziehen sind darüber hinaus Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Durch die hierdurch verursachten Narben kann es zu Hemmungen des Kieferwachstums kommen. Zusammenfassend sind die häufigsten Ursachen einer Progenie damit Vererbung (Genetik), Funktionsstörungen der Zunge (Dyskinesien), Morphologische Anormalien (zum Beispiel verringerte Atmungsfähigkeit der Nase) und Narben, die das Resultat einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sind.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Progenie hat vorrangig optische Auswirkungen. Das bedeutet die Fehlstellung des Kiefers ist (oft auch für den Laien) mit bloßem Auge sichtbar. Häufig verschiebt sich der Kiefer nach vorn, sodass die Lippen nicht vollständig geschlossen werden können.

Die Unterlippen sind im Vergleich zur Oberlippe nach vorn verschoben. Die Gesichtspartien vieler Betroffenen wirken konkav und die Nasolabialfalte stellt sich auffallend vertieft dar. Beschwerden, die durch eine Progenie (Dysgnathie) hervorgerufen werden sind (unter anderen): Schwierigkeiten beim Kauen oder Sprechen, Schmerzen im gesamten Kieferbereich und eine verminderte Atmungsfähigkeit der Nase.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zahnärzte stellen die Diagnose einer Progenie rein optisch. Die typischen Merkmale des Gesichts werden betrachtet und ausgewertet. Hierdurch wird der Grad beziehungsweise die Schwere der Fehlstellung ermittelt. Da in der Kieferchirurgie zwischen echter und echter Progenie unterschieden wird, kommt es im Rahmen einer Diagnose oft zu einer genauen Abgrenzung der beiden Erscheinungsformen.

Während die echte Progenie durch eine Überentwicklung des Unterkiefers geprägt ist, kennzeichnet sich die unechte Progenie durch einen unterentwickelten Oberkiefer. Auch Unterentwicklungen des mittleren Gesichts werden der unechten Progenie zugerechnet. Möglich sind auch Mischformen. Zur genauen Abgrenzung können deshalb auch Röntgenaufnahmen durchgeführt werden. Hierdurch wird eine detailliertere Betrachtung ermöglicht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigen sich im Wachstums- und Entwicklungsprozess des Kindes Unregelmäßigkeiten bei der Zahn- oder Kieferstellung, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Charakteristisch für die Progenie ist ein Überbiss der Zähne im frontalen Bereich. Stehen die Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers nicht korrekt übereinander, können die Beobachtungen mit einem Arzt besprochen werden. Grundsätzlich sollte jedoch bereits im Vorfeld ein regelmäßiger Kontrollbesuch bei einem Arzt stattfinden. Das ermöglicht ein schnelles Eingreifen, wenn sich Veränderungen und Auffälligkeiten im Bereich der Kiefer zeigen. Kommt es zu schwerwiegenden Störungen der Entwicklung, kann in diesen Fällen bereits innerhalb des Wachstumsprozesses eine schnelle Korrektur eingeleitet werden. Daher sollten Erziehungsberechtigte mit den Kinder mindestens zweimal jährlich zu einen Kontrollbesuch bei einem Zahnarzt erscheinen.

Stellen sich Probleme beim Kauvorgang ein oder zeigt sich aufgrund der Beeinträchtigungen eine Störung der Sprachgebung, ist ein Arzt aufzusuchen. Schmerzen, Schwellungen oder Störungen des Schluckaktes sind untersuchen und behandeln zu lassen.

Betroffene, die trotz der Progenie keinerlei Beeinträchtigungen wahrnehmen, sollten selbst entscheiden, ob die Verschiebungen Anlass für einen Arztbesuch sind. In einigen Fällen handelt es sich um einen optischen Makel, bei dem keinerlei medizinischer Handlungsbedarf besteht. Sofern der Betroffene oder der Vormund keine explizite Behandlung wünschen, müssen keine weiteren Schritte eingeleitet werden.

Behandlung & Therapie

Kieferfehlstellungen wie die Progenie beziehungsweise Dysgnathie können auf unterschiedliche Arten behandelt werden. Im Nachgang einer umfassenden Diagnostik, die zwischen echter und unechter Dysgnathie differenziert, werden die möglichen Behandlungsformen abgesprochen. Je nach Alter des Patienten beziehungsweise dem Gerad der Erkrankung stehen diverse Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

Möglich ist etwa der Einsatz spezieller Vorrichtungen, die über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich getragen werden müssen. Hierdurch kann die Fehlstellung des Kiefers auf konservativem Wege um bis zu fünf Millimeter verbessert werden. Diese Methode gilt allerdings als recht langwierig und schmerzhaft. Ebenfalls konservativ erfolgt die Behandlung durch eine speziell angefertigte Zahnspange.

Diese verlagert die unteren Zahnreihen (dentale Kompensation des Unterkiefers). Vor allem in schwierigen Fällen ist auch eine Operation denkbar. Hierbei werden Ober- und Unterkiefer chirurgisch angepasst. Häufig werden dabei auch Korrekturen der seitlichen Ansicht des Gesichts vorgenommen. Die Kosten werden von den Krankenkassen bei bestehender Indikation übernommen.


Vorbeugung

Kieferfehlstellungen lassen sich am besten durch eine frühzeitige Erkennung von morphologischen Abweichungen vorbeugen. So kann im Kindesalter auf konservativem Wege noch viel erreicht werden. Die Ausbildung einer vollständigen Progenie beziehungsweise Dysgnathie kann so eventuell noch verhindert werden.

Dies kann eine dentale Kompensation des Unterkiefers oder eine operative Behandlung entbehrlich machen. Es ist deshalb ratsam, Kinder bereits frühzeitig zu zahnärztlichen Untersuchungen zu bringen. Denn dem behandelnden Zahnarzt werden Fehlstellungen des Kiefers auffallen, sodass frühzeitig mit einer konservativen Therapie begonnen werden kann.

Nachsorge

Bei einer Progenie stehen Betroffenen in der Regel nur wenige und meist auch nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Betroffene sollten daher schon bei den ersten Symptomen dieser Krankheit einen Arzt aufsuchen, damit es im weiteren Verlauf nicht zu Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Eine frühe Diagnose mit einer anschließenden Behandlung wirken sich in der Regel sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.

Die meisten Patienten sind bei der Progenie auf einen operativen Eingriff angewiesen, durch welchen die Beschwerden dauerhaft gelindert werden können. Nach einem solchen Eingriff sollte strikte Bettruhe bewahrt werden, wobei auch von Anstrengungen oder von körperlichen und stressigen Tätigkeiten abzusehen ist. Im Allgemeinen kann sich bei dieser Krankheit eine gesunde Lebensweise mit einer gesunden Ernährung sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung auswirken.

Auch nach einem erfolgreichen operativen Eingriff sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig, um den aktuellen Zustand der Progenie zu überwachen. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Patienten. Der weitere Verlauf hängt stark vom Zeitpunkt der Diagnose ab, sodass eine allgemeine Voraussage dabei in der Regel nicht möglich ist.

Das können Sie selbst tun

Menschen, die unter einer Fehlstellung der Kiefer leiden, sollten genau prüfen, ob eine Veränderung medizinisch notwendig ist oder ob es sich einzig um einen optischen Makel handelt. Sind die Verschiebungen der Kiefer minimal und der Kauvorgang nicht beeinträchtigt, wird häufig keine Korrektur benötigt. Dies bedeutet, dass der Betroffene sein Selbstbewusstsein aufbauen sollte, um im Alltag keine emotionalen Unregelmäßigkeiten zu erleben.

Bei einer ausgebildeten Progenie kommt es zu Auffälligkeiten der Stimmgebung. Die Aussprache ist unsauber und kann vom Patienten eigenverantwortlich trainiert werden. In einer Therapie werden verschiedene Übungen zur Verbesserung der Lautgebung geübt. Diese Übungen können täglich mehrfach selbständig wiederholt werden, damit sich eine Verbesserung einstellt.

Können die Lebensmittel aufgrund der Fehlstellungen und Abstände zwischen den Zähnen nicht ausreichend zermahlen werden, ist die Nahrungsaufnahme umzustellen. Die Bestandteile der Mahlzeiten sollten bereits vor der Mundzufuhr in kleinere Stücke zerkleinert werden. Dadurch werden Komplikationen vermieden und der Schluckakt unterstützt. Ein Verschlucken und Störungen bei der Verdauung sollen damit vermieden werden.

Trotz der Erkrankung ist eine tägliche ausreichende Zahnreinigung vorzunehmen. Diese ist bei Patienten mit einer Zahnspange erschwert. Dennoch ist darauf zu achten, dass Lebensmittel zweimal täglich entfernt werden und sich auf der Zunge keine Ablagerungen bilden

Quellen

  • Gängler, P., et al.: Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Ott, R., Vollmer, H.P., Krug, W.: Klinik- und Praxisführer Zahnmedizin. Thieme, Stuttgart 2003
  • Schumacher, G.-H., Gente, M.: Odontographie – Anatomie der Zähne und des Gebisses. Hüthig, Heidelberg 1995

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