Rasmussen-Enzephalitis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Rasmussen-Enzephalitis stellt eine sehr seltene Form einer nichtinfektiösen Entzündung in der Großhirnrinde dar. Es wird ein autoimmunologischer Entstehungsprozess vermutet. Die Erkrankung tritt in der Regel bei Kindern auf und endet unbehandelt fast immer tödlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Rasmussen-Enzephalitis?

Die Rasmussen-Enzephalitis beginnt meist mit fokalen epileptischen Anfällen. Dabei sind die Anfälle auf eine Körperhälfte lokalisiert.
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Die Rasmussen-Enzephalitis ist nach dem kanadischen Neurologen Theodore Rasmussen benannt. Rasmussen führte chirurgische Methoden zur Heilung von epileptischen Erkrankungen ein und beschäftigte sich in diesem Zusammenhang auch mit der nach ihm benannten entzündlichen Erkrankung der Großhirnrinde. Im englischen Sprachraum ist die Rasmussen-Enzephalitis auch als Chronic Focal Encephalitis oder CFE bekannt.

Dieser Begriff bezeichnet eine chronische herdförmige Enzephalitis. Danach beginnt die Erkrankung mit einer kleinen herdförmigen Entzündung in einem bestimmten begrenzten, kleinen Bereich des Hirns und breitet sich von dort immer mehr auf das benachbarte Hirngewebe aus. In der Regel ist nur eine Hirnhemisphäre betroffen.

Auf die gegenüberliegende Hirnhälfte greift die Entzündung in den allermeisten Fällen nicht über. Die Erkrankung ist immer mit einem unumkehrbaren Verlust von Nervenzellen verbunden. Sie hinterlässt Narben und führt unbehandelt zum Tod. Auch nach einer Behandlung leiden die Betroffenen je nach Ausmaß der entzündlichen Prozesse teilweise an schweren lebenslänglichen Behinderungen.

Meist tritt die Rasmussen-Enzephalitis erstmalig bei Kindern unter zehn Jahren auf. In seltenen Fällen finden sich aber auch die ersten Krankheitssymptome erst bei Jugendlichen in der Pubertät oder gar erst bei Erwachsenen. Insgesamt ist die Erkrankung sehr selten. Jedes Jahr werden beispielsweise in Deutschland 50 neue Fälle registriert. Es wird von einer Prävalenz von ein bis zwei Personen pro 1000.000 ausgegangen.

Ursachen

Als Ursache für die Rasmussen-Enzephalitis wird ein autoimmunologischer Prozess angenommen. Dabei spielen sogenannte CD8-T-Zellen eine besondere Rolle. CD8-T-Zellen sind T-Zellen mit einem zusätzlichen CD8-Rezeptor-Protein in der Zellmembran. Der CD8-Rezeptor stellt einen sogenannten Korezeptor des T-Zell-Rezeptors dar.

Durch die CD8-Rezeptoren erkennen die zytotoxischen T-Zellen fremde Proteinstrukturen und regen eine Immunreaktion an, in deren Folge die antigenpräsentierenden Zellen zerstört werden. Nun wurde erkannt, dass CD8-T-Zellen gezielt Zellen mit bestimmten Antigenstrukturen aussuchen und diese zerstören. Um welche Strukturen es sich dabei handelt, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.

So ist nicht klar, ob diese Strukturen viraler Natur sind oder auf der Basis körpereigener Proteine beruhen. Im Falle der Rasmussen-Enzephalitis greifen die CD8-T-Zellen jedenfalls Nervenzellen sowie Astrozyten an und zerstören diese. Die CD8-T-Zellen vermehren sich sehr stark und sind noch jahrelang im Blut nachweisbar. Über die Blut-Hirn-Schranke gelangen sie ins Gehirn und schmiegen sich an Nervenzellen sowie Astrozyten an.

Dort zerstören sie gezielt Zellen mit einer bestimmten Antigenstruktur. Nach Beginn der Zellzerstörung kann dieser Prozess nicht mehr gestoppt werden. Die Entzündung schreitet fort und führt zum Untergang weiterer Areale der betroffenen Hirnhemisphäre. Bisher konnten auch Immunsuppressiva die Entzündungen nur abschwächen, jedoch noch aufhalten.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Rasmussen-Enzephalitis beginnt meist mit fokalen epileptischen Anfällen. Dabei sind die Anfälle auf eine Körperhälfte lokalisiert. Später entwickeln sich zunehmend neurologische Beeinträchtigungen wie halbseitige Lähmungen, Sehstörungen, Sprachstörungen und geistige Retardierungen. Die epileptischen Krampfanfälle können sich im Weiteren generalisieren (Grand Mal).

In seltenen Fällen sind schließlich beide Hirnhemisphären betroffen, was zu einer bilateralen Ausfallsymptomatik führt. Wenn keine Behandlung durchgeführt wird, ist die Prognose der Erkrankung sehr schlecht. Letztlich endet sie dann immer letal. Eine Behandlung führt zu besseren Prognosen. Allerdings können je nach Ausmaß der bereits eingetretenen Schädigungen des Hirns zuweilen schwere körperliche und geistige Behinderungen zurückbleiben.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Zur Diagnose der Rasmussen-Enzephalitis kommen bildgebende Verfahren wie die MRT-Untersuchung, das EEG und die histologische Untersuchung des Hirngewebes infrage. Bei dem EEG geht es um die Lokalisierung des anfallsauslösenden Hirnbereichs. Die histologische Untersuchung des Hirngewebes dient der Differenzialdiagnose zum Ausschluss infektiöser Ursachen für die Enzephalitis.

Komplikationen

Im Verlauf der Rasmussen-Enzephalitis kommt es immer zu schweren Komplikationen. Typisch für die Erkrankung sind neurologische Beeinträchtigungen wie halbseitige Lähmungen und geistige Behinderung. Mit dem Fortschreiten der Krankheit treten vermehrt auch Seh- und Sprachstörungen sowie epileptische Anfälle auf. Bei schweren Anfällen beißen sich die Betroffenen oft die Lippen und die Zunge blutig und leiden unter schwersten Zuckungen der Arme und Beine.

Meist leiden die Patienten auch psychisch unter den Beschwerden – es kommt zu Angststörungen, Depressionen oder Minderwertigkeitskomplexen. Wird die Rasmussen-Enzephalitis nicht behandelt, endet sie immer tödlich. Zuvor stellen sich meist schwere Hirnschädigungen ein, die im weiteren Verlauf zu Ausfallerscheinungen, Schmerzen und schließlich zum Koma führen. Bei der Behandlung mit Immunsuppressiva können verschiedene Neben- und Wechselwirkungen auftreten.

Mögliche Beschwerden sind Blutdruckschwankungen, erhöhte Blutfettwerte und Muskelschwäche. Daneben können Spätfolgen wie Diabetes mellitus, Osteoporose und Schädigungen von Nieren und Leber auftreten. Langfristig kann es außerdem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Entstehung von Tumoren der Haut und der Lymphknoten kommen. Ähnliche Risiken bergen die begleitend verordneten Antiepileptika und Glukokortikoiden. Eine Operation am Gehirn kann schwere Komplikationen hervorrufen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Patienten, bei denen Rasmussen-Enzephalitis bereits diagnostiziert wurde, sollten sich in ärztlicher Behandlung befinden. Sofern keine Diagnose besteht, existieren einige Anhaltspunkte, aufgrund derer ein Arztbesuch sinnvoll ist. Sollte ein Betroffener krampfen, empfiehlt es sich, einen Arzt oder gleich einen Neurologen aufzusuchen. Dieser kann erstens die Ursache für das Krampfen klären und zweitens eine entsprechende Medikation verordnen, die einerseits die generelle Anfälligkeit für Krampfanfälle lindert und andererseits eine Bedarfsmedikation, die bei akutem Krampfen für Linderung sorgt.

Abgesehen vom offensichtlichsten Anzeichen, ist es aber auch ratsam, Veränderungen im Alltag zu beachten und diese gegebenenfalls zum Anlass für einen Arztbesuch zu nehmen. So können etwa eine Einschränkung der Sehfähigkeit oder undeutliches, stockendes Sprechen bereits Anzeichen einer Rasmussen-Enzephalitis sein. Auch eine Häufung kognitiver Schwierigkeiten ist ein Warnsignal, das ärztlich abgeklärt werden sollte. Ist die Krankheit diagnostiziert, sollte der Arzt regelmäßig aufgesucht werden, damit die Medikation angepasst werden kann. Für eine optimale medikamentöse Einstellung sind Bluttests und gegebenenfalls EEG's nötig.

Behandlung & Therapie

Bisher gibt es bei der Rasmussen-Enzephalitis keine eindeutige Therapieempfehlung. Die Behandlung gestaltet sich oft sehr schwierig, zumal die Erkrankung unaufhaltsam fortschreitet. Es wird versucht, die Enzephalitis mit einer Kombinationstherapie aus Immunsuppressiva aufzuhalten. Dazu werden unter anderem Kombinationen aus Immunglobulinen, hoch dosierten Glukokortikoiden und Tacrolimus verabreicht.

Die Entzündungen können wohl abgeschwächt werden, aber die Erkrankung schreitet trotzdem weiter voran. Auch die Behandlung der epileptischen Anfälle gestaltet sich sehr schwierig. Zunächst handelt es sich dabei um eine symptomatische Behandlung, die keinerlei Einfluss auf den Verlauf der Rasmussen-Enzephalitis hat.

Es wurde aber auch festgestellt, dass selbst die bisher eingesetzten Antiepileptika kaum Fortschritte bei der Bekämpfung der Epilepsie gebracht haben. Wirkliche kurative Erfolge eröffnet jedoch die operative Therapie. Dabei wird der betroffene Abschnitt der Hirnhemisphäre entfernt. In schweren generalisierten Fällen muss jedoch die gesamte betroffene Hirnhälfte entfernt werden, um ein Übergreifen auf das gesamte Gehirn zu vermeiden.

Ohne Operation ist die Prognose der Erkrankung immer schlecht. Nach einer Operation kann der Verlauf der Rasmussen-Enzephalitis gestoppt werden. Ob und welche Behinderungen zurückbleiben, hängt davon ab, wie weit die Erkrankung bereits fortgeschritten war und wie das kindliche Hirn durch Regeneration in der Lage ist, schwere Schäden wieder zu kompensieren. In der medizinischen Forschung liegt der Fokus auf der Suche nach wirksamen Medikamenten, die den Verlauf der Erkrankung bereits ohne chirurgischen Eingriff stoppen können.


Vorbeugung

Eine Empfehlung zur Prophylaxe der Rasmussen-Enzephalitis gibt es derzeit nicht. Bisher ist die Ursache der Erkrankung noch nicht vollständig aufgeklärt.

Nachsorge

Die Rasmussen-Enzephalitis ruft Störungen der Motorik und Lähmungserscheinungen vor. In schweren Fällen bleiben Folgeschäden im betroffenen Hirnareal zurück, unbehandelt führt die Erkrankung zum Tod. Aus diesem Grund ist eine Nachsorge notwendig. Ein Wiederkehren der Symptome ist langfristig zu vermeiden. Bei der Nachsorge wird der Zustand des Patienten kontrolliert, die Dauer hängt vom Ausmaß der Erkrankung ab.

Ein Neurologe führt die Nachsorge bei regelmäßigen Untersuchungen durch. Die Wirkung der verabreichten Medikamente wird ermittelt, Nebenwirkungen müssen rechtzeitig erkannt und abgewendet werden. Bei schweren Krankheitsverläufen ist eine Hirnoperation nötig. Bei der Nachsorge wird der Heilungsprozess ärztlich überwacht, nach der Entlassung führt der Facharzt die Kontrollen fort. Das Ziel ist eine erfolgreiche Beseitigung der Enzephalitis ohne Spätfolgen.

Hat die Entzündung bereits physische oder geistige Einschränkungen hervorgerufen, erhält der Patient Unterstützung im Alltag. Diese Maßnahmen zählen ebenfalls zur Nachsorge. Der Betroffene erlernt einen angemessenen Umgang mit der neuen Situation. Neben dem Facharzt ist das Aufsuchen einer entsprechenden Beratungsstelle empfehlenswert. Schwere Behinderungen erfordern professionelle Hilfe durch ein geschultes Personal. Im Rahmen der Nachsorge wird der Patient fachgerecht betreut.

Das können Sie selbst tun

Die Behandlung des Rasmussen-Syndroms kann nur in begrenztem Umfang unterstützt werden. Erkrankte müssen einen gesunden Umgang mit der Krankheit erlernen, was durch Literatur und Dokumentationen, aber auch durch den Besuch eines Fachzentrums für neurologische Erkrankungen gelingt. Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen und das Gespräch mit anderen Betroffenen sind wichtige Maßnahmen, um den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern.

Die medikamentöse Behandlung kann unter Umständen durch verschiedene Allgemeinmaßnahmen wie Sport oder eine Umstellung der Diät unterstützt werden. Naturheilmittel können ebenfalls Linderung bringen. Allerdings sollte die Einnahme von alternativer Medizin zuvor mit dem Arzt besprochen werden, um Komplikationen auszuschließen. Erkrankte suchen am besten einen Heilpraktiker oder eine gut ausgestattete Drogerie auf, um die passenden Arzneimittel für die jeweiligen Symptome zu finden. Die antiepileptische Behandlung ist in erster Linie durch aufmerksames Beobachten des Betroffenen zu unterstützen, denn dann kann bei einem Anfall umgehend gehandelt werden.

Langfristig müssen Rasmussen-Enzephalitis-Patienten stationär behandelt werden. Selbsthilfe-Maßnahmen sind in den späteren Stadien der Erkrankung nicht mehr effektiv. Die Angehörigen und Freunde stellen jedoch eine wichtige Stütze für die Betroffenen dar.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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