Refraktärzeit
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Refraktärzeit ist die Phase, in der nach Eintreffen eines Aktionspotentials die Neuerregung von Neuronen nicht möglich ist. Diese Refraktärphasen verhindern die retrograde Ausbreitung von Erregung im menschlichen Körper. In der Kardiologie liegt eine Störung der Refraktärzeit zum Beispiel bei Phänomenen wie dem Kammerflimmern vor.
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Was ist die Refraktärzeit?
Unter der Refraktärzeit oder auch Refraktärphase versteht die Biologie die Erholungszeit von depolarisierten Neuronen. Diese Erholungszeit entspricht dem Zeitraum, in dem an einer gerade depolarisierten Nervenzelle kein neues Aktionspotenzial ausgelöst werden kann. Die Nervenzelle kann während der Refraktärzeit also nicht neu auf einen Reiz reagieren.
In Zusammenhang mit der Refraktärzeit von Neuronen wird zwischen der absoluten und relativen Refraktärzeit unterschieden, die direkt aneinander anschließen. Die Auslösung eines Aktionspotentials ist während der relativen Refraktärzeit lediglich eingeschränkt, aber nicht unmöglich. Im engeren Sinn ist also nur die absolute Refraktärzeit und die damit verbundene Unmöglichkeit eines neuen Aktionspotenzials als tatsächliche Refraktärzeit zu verstehen.
Außerhalb der Medizin spielt die Refraktärzeit vor allem im Hinblick auf reizreaktive Aggregate eine Rolle und trifft sich in diesem Zusammenhang mit der medizinischen Definition.
In der Kardiologie kann mit der Refraktärzeit zusätzlich ein anderer Zusammenhang gemeint sein. Herzschrittmacher dürfen sich nicht selbst stimulieren und müssen den noch vorhandenen Eigenrhythmus des Herzschlags unterstützen. Zu diesem Zweck wird die Signalerkennung in Herzschrittmachern für festgelegte Zeitspannen deaktiviert. Auch diese Zeitspannen der Deaktivierung sind aus kardiologischer Sicht Refraktärzeiten.
Funktion & Aufgabe
Die Weitergabe eines Aktionspotentials depolarisiert die Membran des nachgeschalteten Neurons. Wenn die Membran über ihr Ruhepotenzial hinaus depolarisiert wird, öffnen sich die spannungsabhängigen Natrium-Kanäle des Neurons. Erst die Öffnung dieser Kanäle generiert im nächsten Neuron das Aktionspotential, das die wieder nachgeschaltete Nervenzelle depolarisiert.
Nach der Öffnung schließen sich die Kanäle selbständig. Nach diesem Vorgang sind sie für einige Zeit nicht zur abermaligen Öffnung bereit. Die Nervenzelle muss erst Kalium-Ionen ausströmen lassen und die eigene Membran so wieder unter -50 mV repolarisieren.
Erst diese Repolarisation ermöglicht eine abermalige Depolarisation. Die Natrium-Kanäle sind also erst nach Abschluss der Repolarisation wieder aktivierbar. Daher kann die Zelle vor der vollständigen Repolarisation nicht mehr auf Reize reagieren.
Während der absoluten Refraktärzeit kann unabhängig von der Reizstärke kein Aktionspotenzial ausgelöst werden. Alle spannungsabhängigen Kanäle befinden sich während dieser Zeit in einem inaktivierten und geschlossenen Zustand, der rund zwei ms andauert. Auf diese Phase folgt die relative Refraktärzeit, während der durch die begonnene Repolarisation einige Natrium-Kanäle wieder einen aktivierbaren Zustand erreicht haben, obgleich sie noch immer geschlossen sind. In dieser Phase lassen sich Aktionspotentiale auslösen, falls eine entsprechend hohe Reizstärke vorliegt. Die Amplitude der Aktionspotentiale und die Depolarisationssteilheit sind allerdings auch dann gering.
Durch die Refraktärzeit wird die maximale Frequenz von Aktionspotentialen begrenzt. So verhindert der Körper eine retrograde Ausbreitung von neuronaler Erregung. Das Herz ist durch die Refraktärzeit zum Beispiel vor einer zu schnellen Abfolge von Kontraktionen geschützt, die das Herz-Kreislauf-System zusammenbrechen lassen könnte.
Krankheiten & Beschwerden
Dieser Zusammenhang gilt nicht für den Herzmuskel. Er kontrahiert lediglich, wenn der Reiz stark genug ist. Ist er nicht stark genug, findet keine Kontraktion statt. Wenn die Stromstärke angehoben wird, wird nicht gleichzeitig der Herzschlag stärker und sobald ein Herzschlag erfolgt ist, tritt eine Refraktärzeit von 0,3 Sekunden auf. Skelettmuskeln können also in rascher Folge kontrahieren oder dauergespannt sein, während der Herzmuskel dazu nicht in der Lage ist.
In der Refraktärzeit füllen sich die Kammern des Herzens mit Blut. Bei der darauffolgenden Kontraktion wird dieses Blut wieder ausgeworfen. Wenn die Refraktärzeit des Herzens die Dauer von rund 0,3 Sekunden unterschreitet, so strömt nicht ausreichend Blut in die Herzkammern ein. Beim nächsten Herzschlag wird dementsprechend wenig Blut wieder ausgeworfen.
Kurz vor dem Abschluss der Refraktärzeit sind die Muskelfasern der kardialen Erregungsleitung bereits teilweise erregt. Wenn während dieses Zeitpunktes ein Reiz den Herzmuskel erreicht, reagiert das Herz darauf mit einem rasenden Herzschlag. Kammerflimmern stellt sich ein. Der rasend schnelle Herzschlag bewegt kaum mehr Blut durch den Organismus. Ein Pulsschlag lässt sich nicht mehr ausmachen.
Die Refraktärzeit des Herzens spielt auch im Hinblick auf verschiedene Medikamente eine Rolle. Das Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron verlängert zum Beispiel die Refraktärzeit des Kammer- und Vorhofmyokards.
Quellen
- Erdmann, E.: Klinische Kardiologie. Springer, Heidelberg 2011
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013