Ranvier-Schnürringe

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter den Ranvier-Schnürringen versteht der Neurologe die freiliegenden Stellen von Axonen. Damit kommt den Schnürringen eine wichtige Rolle bei der saltatorischen Erregungsleitung und bei der Generierung von Aktionspotenzialen zu. Bei demyelinisierenden Erkrankungen ist diese saltatorische Erregungsleitung gestört.

Inhaltsverzeichnis

Was sind die Ranvier-Schnürringe?

Die Ranvier-Schnürringe erfüllen vor allem eine Aufgabe als Teil der saltatorischen Erregungsleitung.
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Die Ranvier-Schnürringe sind ein Bestandteil der Nerven. Sie kommen genauso im zentralen, wie im peripheren Nervensystem vor und sind die mit wichtigste Komponente der saltatorischen Erregungsleitung. Ohne die Ranvier-Schnürringe wären Nervenleitgewschwindigkeit von 60 m/s undenkbar, wie sie die A-Alpha-Nervenfasern des motorischen Nervensystems innehalten. Um eine Nervenfaser sind je mehrere Schwann-Zellen gewickelt.

Bei den Ranvier-Schnürringen handelt es sich um die freiliegenden Teile der Axone, an denen zwei Schwann-Zellen oder Gliazellen aufeinander treffen. Die Axone von Nerven werden von einer markigen Schicht aus Myelin umgeben. Diese Schicht isoliert die Nerven elektrisch und steigert ihre Leitfähigkeit. Das Myelin ist an der Stelle der Ranvier-Schnürringe unterbrochen. Benannt wurden die Schnürringe nach dem Anatomen Ranvier, der die anatomischen Strukturen im 19. Jahrhundert erstmals beschrieben hat.

Anatomie & Aufbau

Die Schnürringe sind rund einen μm lang und kommen entlang des Axons etwa alle ein bis zwei Millimeter vor. Zwischen ihnen liegt jeweils ein sogenanntes Internodium. Dabei handelt es sich um den myelisierten Abschnitt des Axons, der im zentralen Nervensystem mit Gliazellen und im peripheren Nervensystem mit Schwann-Zellen isoliert ist.

Im Bereich der Schnürringe weist die Zellmembran eine hohe Dichte auf und enthält spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Sie ist an diesen Stellen aber nicht mit Schwann-Zellen oder Gliazellen gegen die Umgebung isoliert. Das Axon und die Gliazellen oder Schwann-Zellen werden an den Seiten des Schnürrings durch paranodale Septumverbindungen, also durch schmale Bänder aus Membranpotenzial zusammengeschlossen. Damit entsteht ein geschlossener Raum, dessen biochemisches Milieu unabhängig von der Umgebung reguliert werden kann.

Funktion & Aufgaben

Die Ranvier-Schnürringe erfüllen vor allem eine Aufgabe als Teil der saltatorischen Erregungsleitung. Diese saltatorische Erregungsleitung ermöglicht die schnelle Erregung von Nervenfasern und gewährleistet die prompte Weiterleitung eines Aktionspotenzials.

Dicke Nervenfasern weisen im Allgemeinen eine bessere Leitfähigkeit auf, als dünne Äste. Das Prinzip der saltatorischen Erregungsleitung stellt sicher, dass die Leitgeschwindigkeit dünner Äste trotzdem ausreicht. Ein Aktionspotenzial läuft daher nicht kontinuierlich entlang der Axone, sondern springt von einem Schnürring zum nächsten. Zwischen den Ringen liegt das isolierte Internodium, das die Erregung elektrotonisch weiterleitet. Der myelinisierte Teil des Axons ist gegenüber der Umgebung ähnlich eines Kunststoffkabels elektrisch isoliert.

Die Schnürringe sind die Unterbrechungen dieser Isolierung, in denen erst das Aktionspoenzial entsteht. Wenn ein solches Aktionspotenzial vorhanden ist, so öffnen sich die Natriumkanäle des Axons. Ein Na+-Ionenstrom fließt in das Axon ein und tritt am nächsten Schnürring wieder aus. Mithilfe dieses Ionenstroms kann das Aktionspotenzial das anschließende Axon genügend depolarisieren, um auch dort ein Aktionspotenzial auszulösen. Die Erregung entsteht demnach nur an den Schnürringen, wobei die myelinisierten Teile der Axone sozusagen übersprungen werden.

Eine Nervenzelle weist in unerregtem Zustand ein gewisses Ruhemembranpotential auf. Zwischen ihrem Extra- und Intrazellulärraum tritt eine Potentialdifferenz auf. Das Axon entlang liegt aber keine Differenz vor. Wenn es an einem der Schnürringe zu eine Erregung kommt, wird die Membran über das Schwellenpotenzial hinaus depolarisiert. Da die Na+-Kanäle spannungsabhängig sind, öffnen sie sich. Damit fließen Na+-Ionen aus dem Extrazellulärraum in den Intrazellulärraum. Die Plasmamembran depolarisiert um den Schnürring herum und der Kondensator der Membran wird umgeladen.

Durch die positiven Natriumionen liegt intrazellulär am Schnürring ein Übermaß positiver Ladungsträger vor. Ein elektrisches Feld und eine Potentialdifferenz das Axon entlang treten auf. Am nächsten Schnürring werden nun negative Teilchen von der positiven Ladung am ersten Schnürring angezogen und andersherum. Wegen dieser Ladungsverschiebungen positiviert sich auch das Membranpotential des zweiten Schnürrings.


Krankheiten

Die Ranvier-Schnürringe sind selbst selten von Krankheiten betroffen. Dafür kann das Prinzip der saltatorischen Erregungsleitung von den sogenannten demyelinisierenden Erkrankungen gestört sein. Demyelinisierende Krankheiten bauen das isolierende Myelin um die Axone der Nerven ab. Damit sind die Nervenbahnen nicht mehr elektrisch isoliert und können so nicht die Funktion eines Kunststoffkabels erfüllen.

Als eine Folge dessen versagt auch die Weiterleitung des Aktionspotenzials über die Ranvier-Schnürringe. Die Ringe selbst können zwar ihre Funktion noch immer erfüllen, das weitergeleitete Potenzial ist allerdings zu schwach, um an den nachfolgenden Schürringen überhaupt ein Aktionspotenzial auszulösen. Die bekannteste Krankheit aus dem Bereich der demyelinisierenden Erkrankungen ist die degenerative Erkrankung Multiple Sklerose. Bei dieser Autoimmunerkrankung baut das eigene Immunsystem das Myelin des zentralen Nervensystems Stück für Stück ab. Sensibilitätsstörungen und Lähmungen können sich als Folge der gestörten Erregungsleitung einstellen.

Polyneuropathien haben ähnliche Auswirkungen auf das periphere Nervensystem. Es gibt toxische, den Stoffwechsel betreffende, genetische und infektiöse Polyneuropathien. Einer Polyneuropathie kann zum Beispiel ein Zeckenbiss vorausgehen. Auch Erkrankungen wie Diabetes oder Lepra können mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. Ebenso können Alkoholismus oder Mangelernährung Polyneuropathien auslösen.

Dasselbe gilt für Störungen des Eiweißhaushalts und Vitaminaufnahmestörungen. Davon abgesehen kommt es auch im Rahmen von Tumorerkrankungen in fast einem Drittel aller Fälle zu einer Polyneuropathie. Anders als Multiple Sklerose bauen Polyneuropathien nicht das Myelin des zentralen Nervensystems ab, sondern schädigen die Nervenbahnen des peripheren Nervensystems.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Klingelhöfer, J., Berthele, A.: Klinikleitfaden Neurologie. Urban & Fischer, München 2009

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