Retinaculum patellae
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Retinaculum patellae ist ein wichtiger Bestandteil des Bandsystems, das für den Halt der Kniescheibe zuständig ist. Die wichtigste Funktion ist die Verhinderung einer Patellaluxation.
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Was ist das Retinaculum patellae?
Legt man die Übersetzung der lateinischen Begriffe dem Deutschen zugrunde, ist damit der Begriff schon sehr treffend definiert. Patella bezeichnet die Kniescheibe und Retinaculum bedeutet der Halter, dementsprechend haben wir es mit einem Halter der Kniescheibe zu tun.
Korrekterweise ist der Gebrauch des Plurals richtiger, da insgesamt 3- 4 solcher Haltebänder am Knie existieren. Regelmäßig kommen die längs verlaufenden Portionen, die den Zusatz longitudinale tragen, auf der vorderen Innen- und Außenseite des Knies vor. Die querverlaufenden Zügel, mit dem Zusatz transversale, existieren außen häufig, während sie auf der Innenseite nur bei 30% der Menschen nachgewiesen werden können. Ähnliche Haltebänder kommen auch an anderen Orten des menschlichen Körpers vor, zum Bespiel am Fuß im Bereich des Sprunggelenkes und an der oberen Extremität am Handgelenk.
Ihre Form und Funktion unterscheidet sie von den Retinacula patellae. Sie sind halbkreisartig angeordnet und sind dazu da, die langen Sehnen der Beuge- und Streckmuskeln zu befestigen.
Anatomie & Aufbau
Die längs verlaufenden lateralen Partien gehen hauptsächlich aus Sehnenmaterial des Musculus vastus lateralis und des Musculus rectus femoris hervor, die beide Teile des vierköpfigen Oberschenkelmuskels (Musculus quadrizeps femoris) sind. Sie laufen eng an der Patella entlang und setzen lateral neben dessen Endsehne am Schienbein an. Mit bindegewebigen Brücken sind sie mit dem Außenrand der Kniescheibe verbunden.
Die queren Faserzüge, die zur lateralen Fläche des Oberschenkelknochens im Bereich des Außenbandes ziehen, bekommen ihr Gewebematerial vorwiegend vom Tractus iliotibialis, einer Sehnenplatte, die sich vom Becken über die Außenseite des Oberschenkels bis zum Schienbein erstreckt.
Die inneren Retinacula sind Ausläufer der Sehne des Musculus vastus medialis, der ebenfalls zum Musculus quadrizeps femoris gehört. Die Längszügel streifen den Innenrand der Patella und setzen am oberen Schienbeinrand an, medial neben der Quadrizepssehne. Die quer verlaufenden Faserstränge ziehen vom medialen Patellarand zum seitlichen Ende des Oberschenkelknochens im Bereich des Innenbandes.
Alle Partien sind in verschiedenen Bereichen mit der Gelenkkapsel verwachsen.
Funktion & Aufgaben
Zusammen mit allen anderen Gewebestrukturen bilden die Retinacula patellae eine dünne Deckschicht, die die darunter liegenden Strukturen nur ungenügend vor äußeren mechanischen Einflüssen abschirmt. Eine besondere Schutzfunktion übernehmen sie gemeinsam mit Sehnenanteilen des Quadrizeps bei der Stabilisation des Kniegelenkes. Die tieferen Schichten sind mit der Kapsel verwachsen und verstärken sie neben der Kniescheibe und im Bereich des Innen- und Außenbandes.
Alle Haltebänder sind für die Stabilität und die Kontrolle der Kniescheibe bei Bewegungen sehr wichtig. Die Patella verläuft in einer Rinne an der Vorderseite des Oberschenkelknochens. Sie besitzt an ihrer Unterseite einen passenden First, der bei Beugung und Streckung in dieser Rinne gleitet. Die Knochenführung in diesem Gelenk ist nicht sehr ausgeprägt, weshalb andere Strukturen die Sicherung übernehmen müssen, um eine Luxation der Kniescheibe zu verhindern. Die Retinacula patellae spielen dabei eine herausragende Rolle. Die Längszügel, die mit ihr verwachsen sind, bilden eine Art Führungsschiene. Die transversalen Fasern verhindern oder erschweren ein Ausweichen der Patella zur Gegenseite. Die medialen Anteile schützen vor einer Luxation nach außen, die lateralen vor einer Ausrenkung nach innen.
Da die Längszüge aus den Streckersehnen hervorgehen und mit diesen parallel zum Schienbein verlaufen, haben sie die gleiche Funktion wie diese, allerdings nur im schwachen Ausmaß. Bei einem Riss der Patellasehne fällt der Quadrizeps komplett aus. Über die Retinacula ist aber noch eine geringe Reststreckung möglich, wenn sie nicht geschädigt sind. In der Literatur taucht in diesem Zusammenhang der Begriff Reservestreckapparat auf.
Krankheiten
Durch eine Trümmerfraktur der Kniescheibe kann die gesamte Funktion aller Retinacula verloren gehen. Sie verlieren ihre Spannung, weil die Kontinuität der Knochen, an denen sie befestigt sind, nicht mehr vorhanden ist. Auch die Straffung der Gelenkkapsel wird dadurch beeinträchtigt.
Eine typische Erkrankung, die primär die Kniescheibe betrifft, aber sekundär von insuffizienten Haltebändern begünstigt wird, ist die Chondropathia patellae. Häufig ist eine Inkongruenz der beiden Gelenkflächen an der Patella und am Femur die Ursache dafür, dass die Patella tendenziell nach außen rutscht. Wenn die sichernden Bänder und Muskeln nicht in der Lage sind, die Verlagerung zu verhindern, kann es zur Luxation kommen. Die Insuffizienz der Bandstrukturen ist häufig auf eine angeborene Bindegewebsschwäche zurück zu führen oder die Folge einer traumatischen Luxation, bei der es zu einer massiven Zerreißung kommen kann.
Eine typische Sportverletzung, die in seltenen Fällen auch die Retinacula betrifft, die am Schienbein ansetzen, ist der Patellasehnenriss. Diese Schädigung kann einerseits durch eine abrupte und massive Anspannung des Quadrizeps bei gleichzeitiger Beugung des Knies hervorgerufen werden, wie dies beim plötzlichen Abstoppen aus vollem Lauf oder beim Landen nach einem Sprung geschieht. Andererseits kann auch eine zusätzliche Gewichtsbelastung während der explosiven Kniestreckung verantwortlich für den Riss sein, wie beim Vollspann oder Volleyschuss im Fußball. Wenn die Gewalteinwirkung sehr groß ist, reißen manchmal auch ein oder beide Retinacula ab.
Quellen
- Lang, J.: Praktische Anatomie, Band 5 – Bein und Statik. Springer, Berlin 2004
- Schmidt, R., et al.: Physiologie des Menschen. Springer, Heidelberg 2010
- Wolff, H.-P., Weihrauch, T.R. (Hrsg.): Internistische Therapie. Urban & Fischer, München 2012