Ross-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Ross-Syndrom entspricht einem symptomatischen Komplex aus Schweißsekretionsunfähigkeit, pathologischen Pupillenkontraktionen und verminderten Muskelreflexen. Vermutlich liegt die Ursache im vegetativen Nervensystem und hängt mit potganglionären Neuronen des Sympathikus und Parasympathikus zusammen. Betroffene müssen sich wegen der verminderten Hitzetoleranz lebenslang von hohen Temperaturen und körperlicher Extremanstrengung fernhalten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Ross-Syndrom?

Ein Symptom des Ross-Syndroms ist die Schweißsekretionsunfähigkeit, welche ein Abkühlen des Körpers erschwert. Falls der Körper zu überhitzen beginnt, wird den Patienten zu kühlen Nassumschlägen geraten. Diese Umschläge ahmen die Schweißsekretion nach und sorgen für die fehlende Verdunstungskälte.

Die Schweißdrüsen übernehmen im menschlichen Körper vor allem innerhalb der Thermoregulation eine entscheidende Aufgabe. Bei drohender Überhitzung sondern sie Schweiß ab, der durch die Umgebungsluft auf der Haut trocknet und für Verdunstungskälte sorgt. Je mehr geschwitzt wird, desto eher kühlt der Körper wieder ab.

Über diese Funktionen hinaus wirkt Schweiß als antimikrobieller Säureschutzmantel und schützt damit die Haut. Bei einem Ausfall der Schweißdrüsen fehlen dem Organismus demzufolge wichtige Fähigkeiten. Die Unfähigkeit zur Schweißproduktion oder Sekretion wird in der medizinischen Fachliteratur als Anhidrose bezeichnet. Unterschiedliche Erkrankungen können Anhidrose bewirken.

Eine davon ist das Ross-Syndrom, das auch als familiäre Anhidrose oder Anhidrose-Syndrom bezeichnet wird. Der Komplex aus Symptomen wurde 1958 erstmals beschrieben. Als Erstbeschreiber gilt A.T. Ross, der dem Syndrom seinen Namen vermacht hat. Beim Ross-Syndrom handelt es sich um eine höchst seltene genetische Erkrankung. Seit der Erstbeschreibung wurden nicht einmal 50 Fälle dokumentiert. Neben ausgefallener Schweißsekretion wird das Syndrom durch einen Ausfall der Muskeleigenreflexe gekennzeichnet.

Ursachen

Die Ursachen für das Ross-Syndrom sind bislang nicht abschließend geklärt. Wissenschaftler und Mediziner wissen mittlerweile allerdings, dass das Ross-Syndrom einer genetischen Erkrankung entspricht. Familiäre Häufung wurde an den bisher dokumentierten Fällen beobachtet.

Spekulationen zufolge liegen die abnormal geringe Schweißproduktion und die pathologischen Pupillenkontraktionen der Patienten an einer Fehlregulation innerhalb des vegetativen Nervensystems. Die Genese dieser Fehlregulation ist allerdings nicht geklärt. Die postganglionären Neurone des Sympathikus und Parasympathikus sind vermutlich die eigentliche Ursache der Erkrankung.

Die Verteilung sowie Dichte der Schweißdrüsen entspricht der physiologisch vorgesehenen Anatomie. Problematisch zu erklären ist allerdings der Zusammenhang mit dem Ausfall sämtlicher Muskeleigenreflexe. Die genauen Relationen zwischen den einzelnen Symptomen bleiben bis heute Gegenstand wildester Spekulationen. Da das Ross-Syndrom bislang nur rund 20 Mal beobachtet wurde, ist das Forschungsmaterial begrenzt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Leitsymptomatisch für Patienten mit Ross-Syndrom ist die der meist einseitige und rumpfnahe Ausfall der Schweißsekretion. Neben dieser Anhidrose liegt Pupillotonie im Sinne von pathologischen Puillenkontraktionen vor. Die Skelettmuskulatur zeigt verminderte Reflexfähigkeit. Aufgrund der Schweißsekretionsstörung besitzen die Patienten eine reduzierte Hitzetoleranz.

Außerdem mündet die Anhidrose oft in eine gegenreaktive Hyperhidrose der anderen Körperseite. Neben diesen Leitsymptomen sind Begleiterscheinungen wie Colon irritabile und orthostatische Hypotonie zu beobachten. Bei ersterem Phänomen handelt es sich um das Reizdarmsyndrom.

Die orthostatische Hyptonie äußert sich wiederum in Blutdruckstörungen bei der Aufrichtung des Körpers. Abgesehen von diesen Symptomen leiden einige Patienten an Ohnmachtsattacken im Sinne von vasovagalen Synkopen und Atembeschwerden in Form von Dyspnoe. Außerdem sind häufig Kopfschmerzen und Sodbrennen zu beobachten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf das Ross-Syndrom wird in den meisten Fällen erst relativ spät nach der Geburt gestellt. Eventuell ist die Dunkelziffer im Falle dieser Erkrankung hoch. Die Patienten suchen den Arzt in den meisten Fällen aufgrund der beunruhigenden Ohnmachtsattacken auf.

Bei entsprechendem Verdacht kann der Arzt die vorliegende Schweißsekretionsstörung über Sekretionstests nachweisen. Die Konstellation der Symptome ist beim Ross-Syndrom relativ spezifisch. Deshalb kann die Diagnose rein klinisch gestellt werden.

Diagnosesichernde Schritte stehen bislang nicht zur Verfügung, da die primäre Ursache bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt ist. Das klinische Bild ist allerdings zumindest für eine sehr wahrscheinliche Diagnose genug. Zwar ist die Erkrankung bisher nicht heilbar, allerdings besteht kein lebensgefährlicher Zustand, solange die Patienten die supportiven Maßnahmen einhalten.

Komplikationen

In erster Linie können die Betroffenen beim Ross-Syndrom keinen Schweiß mehr aussondern. Dabei tritt dieser Ausfall der Sekretion in der Regel nur einseitig auf und wird von eine Kontraktion der Pupillen begleitet, sodass es auch zu Sehbeschwerden kommen kann. Die gesamte Reflexfähigkeit des Patienten wird beim Ross-Syndrom ebenso vermindert und die Betroffenen können leichte Hitze nicht mehr aushalten.

Dabei kann es auch zu einem Bewusstseinsverlust oder zu Ohnmachtsanfällen kommen. Weiterhin kommt es auch zu einer Dehydration und im weiteren Verlauf der Erkrankung auch zum Reizdarmsyndrom. Dabei leiden die Patienten häufig an Bauchschmerzen, Durchfall oder auch an Flatulenzen. Die Lebensqualität des Betroffenen wird von dem Ross-Syndrom deutlich eingeschränkt und verringert.

Die Erkrankung führt ebenso zu Störungen des Blutdruckes, sodass die Patienten häufig an Schwindel oder an Atembeschwerden leiden. Auch Sodbrennen oder starke Kopfschmerzen können dabei auftreten. Leider kann das Ross-Syndrom nicht geheilt werden. Einige der Beschwerden können mit Hilfe von Medikamenten eingeschränkt werden. Auch eine dauerhafte Kühlung ist bei diesem Syndrom notwendig. Ob es durch das Ross-Syndrom zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es sich beim Ross-Syndrom um eine erblich bedingte Krankheit handelt, die nur rein symptomatisch und nicht kausal behandelt werden kann, muss bei dieser Erkrankung in jedem Falle ein Arzt aufgesucht werden. Eine selbstständige Heilung tritt beim Ross-Syndrom nicht ein. Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch vorliegen, so kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das Vererben des Syndroms an Kinder zu vermeiden.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer starken Überhitzung des Körpers leidet. Dabei kann Schweiß kaum ausgesondert werden, sodass der Betroffene immer warm ist und sich nicht abkühlen kann. Häufig wirken die Patienten gestresst oder leicht aggressiv. In einigen Fällen deuten auch Störungen des Blutdruckes oder sogar Ohnmachtsanfälle auf das Ross-Syndrom hin und müssen untersucht werden, falls sie ohne einen besonderen Grund auftreten.

Dabei kann in erster Linie ein Allgemeinarzt aufgesucht werden, um das Ross-Syndrom zu diagnostizieren. Die weitere Behandlung erfolgt dann allerdings durch einen Facharzt. Ob eine vollständige Heilung erreicht wird, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.

Behandlung & Therapie

Das Ross-Syndrom ist bislang unheilbar. Die genaue Genese und die Ursachenzusammenhänge des Symptomkomplexes bleiben unklar. Aus diesem Grund existiert keine kausale Therapie. Kausale Therapien entsprechen ursächlichen Therapien.

Durch die Beseitigung der Ursache sind derartige Behandlungen dazu in der Lage, eine Erkrankung auf lange Sicht zu heilen. Symptomatische Therapien sind dazu nicht in der Lage. Diese Ansätze lindern zwar die Symptome, aber beseitigen die Ursachen nicht. Damit wirken symptomatische Therapien lediglich unterdrückend und können keine dauerhafte Besserung der Symptome erzielen.

Beim Ross-Syndrom besteht die Langzeitbehandlung vor allem aus supportiven Therapieschritten. Bei akuter Überhitzung aufgrund der Anhidrose kann eine symptomatische Therapie erfolgen. Auch gegen die Hyperhidrose der sekretionsfähigen Körperseite stehen symptomatische Therapieschritte zur Verfügung, so zum Beispiel Behandlungen mit Botox oder Aluminiumchlorid.

Die supportive Therapie konzentriert sich vor allem darauf, Überhitzungen zu vermeiden. Hohe Temperaturen und körperliche Extremanstrengung stellt für Patienten mit Ross-Syndrom eine Überhitzungsgefahr dar. Deshalb weisen Ärzte die Betroffenen dazu an, körperliche Extrembetätigung und den Aufenthalt in heißeren Gebieten zu vermeiden.

Falls der Körper zu überhitzen beginnt, wird den Patienten zu kühlen Nassumschlägen geraten. Diese Umschläge ahmen die Schweißsekretion nach und sorgen für die fehlende Verdunstungskälte. Auch der Konsum von Kaltgetränken oder das Auflegen von Eiswürfeln können im Akutfall Besserung versprechen.


Vorbeugung

Vorbeugemaßnahmen im Kontext des Ross-Syndroms existieren bislang nicht. Da die primären Ursachen und die Genese des Komplexes unbekannt sind, sind präventive Schritte auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten. Aufgrund der geringen Fallzahlen wird die Ursachenforschung vermutlich noch mehrere Dekaden in Anspruch nehmen.

Nachsorge

Beim Ross-Syndrom sind die Möglichkeiten und die Maßnahmen einer direkten Nachsorge in den meisten Fällen deutlich eingeschränkt, wobei sie dem Betroffenen in einigen Fällen gar nicht erst zur Verfügung stehen. Daher sollte der Betroffene idealerweise schon sehr früh einen Arzt aufsuchen und auch eine Behandlung einleiten, um das Auftreten von anderen Beschwerden und Komplikationen zu verhindern.

Es kann oftmals nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass der Betroffene auf die Behandlung durch einen Arzt angewiesen ist und diesen schon bei den ersten Anzeichen konsultieren sollten. Die meisten Betroffenen sind bei dieser Krankheit auf verschiedene operative Eingriffe angewiesen, mit welchen die Beschwerden und die Fehlbildungen meistens gut gelindert werden können.

Dabei sollten sich Betroffene nach dem Eingriff auf jeden Fall ausruhen und schonen. Von körperlichen Anstrengungen oder stressigen Betätigungen ist abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten. In erster Linie müssen dabei Medikamente abgesetzt werden, die die Beschwerden fördern. Allerdings sollte das Absetzen der Medikamente nur mit einer ärztlichen Zustimmung erfolgen. Ebenso sind während der Behandlung regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr wichtig, um weitere Schäden am Körper früh zu erkennen und zu behandeln.

Das können Sie selbst tun

Das Ross-Syndrom ist eine unheilbare Erkrankung. Betroffene Personen müssen in erster Linie die supportive Therapie befolgen. Je nach Ausprägung des Leidens zählen dazu medikamentöse Behandlung, Krankengymnastik und weitere Maßnahmen. Das körperliche Training kann zu Hause durchgeführt werden. Betroffene Kinder sollten in ihrem Bemühen gefördert werden, damit sie die vorbeugenden und supportiven Maßnahmen auch im Erwachsenenalter weiterhin durchführen.

Bei akuter Überhitzung muss sofort der Notarzt gerufen werden. Der Patient sollte sich rasch in den Schatten begeben und sich gut abkühlen. Gegebenenfalls müssen Notfallmedikamente eingenommen werden. Sollte es zu einem Kreislaufzusammenbruch kommen, müssen die Ersthelfer rasch Erste Hilfe leisten. Die Anhidrose selbst kann nicht ursächlich behandelt werden. Die Selbsthilfe-Maßnahmen konzentrieren sich darauf, eine Überhitzung des Körpers zu verhindern. Dies gelingt, indem der Patient Aktivitäten meidet, welche die Schweißbildung fördern. Verschiedene Medikamente hemmen die Schweißproduktion. Sie sollten nach den Vorgaben des Arztes eingenommen werden.

Da das Leiden meist auch seelisch belastend ist, kann eine Begleittherapie sinnvoll sein. Im Rahmen einer Selbsthilfegruppe lernen die Patienten andere Betroffenen kennen und können die Erkrankung dadurch besser verstehen.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010

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