Botulinumtoxin

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 25. Februar 2025Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Botulinumtoxin ist ein Nervengift, das seit vielen Jahren erfolgreich als Arzneistoff in der Neurologie genutzt wird. Allgemein bekannt geworden ist Botulinumtoxin jedoch als Botox, das Wirkmittel gegen Mimikfalten. Was genau ist Botulinumtoxin? Und wie wird Botulinumtoxin angewandt?
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Was ist Botulinumtoxin?
Bei Botulinumtoxin handelt es sich um ein Neurotoxin - also um ein Gift, das speziell auf Nervenzellen einwirkt. Botulinumtoxin kommt in der Natur vor und entwickelt sich unter sauerstoffarmen Bedingungen vor allem im Erdboden.
Aber auch Fleischprodukte wie Wurst oder Wurstkonserven waren in der Vergangenheit häufig von Botulinumtoxin befallen. Daher rührt auch der Name des Giftes, der von dem lateinischen Wort „botulus“ für Wurst abgeleitet ist. Der Verzehr mit Botulinumtoxin verseuchter Lebensmittel führte vor allem im 19. Jahrhundert nicht selten zu einer schwerwiegenden Nervenstörung, dem Botulismus.
Denn Botulinumtoxin hemmt die Signalübertragung von Nervenzellen und führt somit zu Muskelschwäche bis hin zum Aussetzen der Lungenfunktion. Somit gilt Botulinumtoxin als eines der stärksten Gifte. Schon 1822 wurde die Möglichkeit erkannt, dass Botulinumtoxin in geringen Mengen als Arzneistoff gegen nervöse Störungen in Frage kommen könnte. Doch erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhundert kam Botulinumtoxin zum ersten Mal als Medikament gegen „Schielen“ zum Einsatz.
Seither wird Botulinumtoxin zur Behandlung verschiedener Nervenkrankheiten genutzt. Seit einigen Jahren wird Botulinumtoxin verstärkt in der ästhetisch-kosmetischen Medizin verwendet. Hier dient Botulinumtoxin unter dem besser bekannten Begriff „Botox“ als effektives Wirkmittel gegen Gesichtsfalten.
Pharmakologische Wirkung
Gelangt Botulinumtoxin in den Körper, so wird die Erregungsübertragung von Nervenzelle zu Muskel eingeschränkt. Der Muskel lässt sich, je nach Dosierung des Nervengifts, nur noch beschränkt oder gar nicht bewegen und entspannt sich auf diese Weise.
Bei einer medizinischen Behandlung wird Botulinumtoxin gezielt in die entsprechende Körperstelle gespritzt. Dabei werden winzig kleine Mengen des hochgradig giftigen Botulinumtoxin benutzt. Im Muskel führt Botulinumtoxin dazu, dass der Botenstoff Acetylcholin, der für die Übertragung der Nervenimpulse zuständig ist, blockiert wird. Durch die geringe Dosis und die gezielte Anwendung, ist lediglich der gewünschte Muskel betroffen.
Er kann sich nicht mehr wie gewohnt anspannen, während Sinneswahrnehmungen wie Fühlen und Tasten nicht beeinflusst werden. Je nachdem, zu welchem medizinischen Zweck und in welchen Mengen Botulinumtoxin verwendet wird, erreicht die Wirkung, die sich langsam aufbaut, nach etwa zehn Tagen ihren Höhepunkt.
Danach beginnen sich die Nerven wieder zu erholen, und die Wirkung des Botulinumtoxin lässt nach, bevor sie nach spätestens sechs Monaten gar nicht mehr zu spüren oder zu sehen ist. Je nach Wunsch, Bedarf oder Notwendigkeit erfolgt nun eine erneute Behandlung mit Botulinumtoxin.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Seine medizinische Anwendung findet Botulinumtoxin vor allem in der Neurologie. Dabei wird es vorwiegend zur Behandlung bestimmter Bewegungsstörungen eingesetzt. So können etwa Patienten, die unter Krämpfen wie dem Lidkrampf, dem Mund-, Zungen-, Schlundkrampf, dem Schreibkrampf oder dem Stimmbandkrampf leiden, mit Botulinumtoxin therapiert werden.
Auch spastische Syndrome wie beispielsweise der Spitzfuß oder Krämpfe, die nach einem Schlaganfall auftauchen, können mit Botulinumtoxin behandelt werden. Dabei kann es zu einer deutlichen Verbesserung der Störungen kommen. In vielen Fällen, wie etwa beim Lidkrampf, ist sogar ein zeitweilig gänzliches Verschwinden der unangenehmen Nervenstörung möglich. Allerdings wirkt Botulinumtoxin lediglich gegen die Symptome und muss deshalb erneut gespritzt werden, sobald die Wirkung nachgelassen hat.
Daneben findet Botulinumtoxin auch Anwendung gegen Beschwerden wie Migräne, erhöhten Speichelfluss sowie gegen starker Schweißbildung unter den Achseln. Am meisten verbreitet ist jedoch die sogenannte „Botoxbehandlung“ mit Botulinumtoxin.
Nachdem Anfang der neunziger Jahre der faltenreduzierende Effekt nach einer Injektion mit Botulinumtoxin nachgewiesen wurde, erfreut sich Botulinumtoxin seit seiner Zulassung für den kosmetischen Bereich im Jahr 2001 großer Beliebtheit. Wird eine geeignete, geringe Dosis Botulinumtoxin in den Muskel unter einer Mimikfalte gespritzt, entspannt sich der Muskel und verursacht damit eine Glättung der sich über ihm befindlichen Haut.
Verabreichung & Dosierung
Die Verabreichung und Dosierung von Botulinumtoxin erfordert höchste Präzision, da es sich um ein potentes Neurotoxin handelt, das die Freisetzung von Acetylcholin an den neuromuskulären Endplatten hemmt. Die richtige Dosierung hängt von der Indikation, der behandelten Muskelgruppe und der individuellen Reaktion des Patienten ab.
Vor der Injektion muss die genaue Platzierung der Injektionspunkte bestimmt werden, um eine optimale Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren. In der ästhetischen Medizin werden beispielsweise geringere Dosen als in der Behandlung neurologischer Erkrankungen wie Spastiken oder Dystonien verwendet. Die maximal zulässige Dosis pro Sitzung sollte nicht überschritten werden, da eine Überdosierung zu Muskelschwäche oder in schweren Fällen zu systemischen Effekten wie Dysphagie oder Atemproblemen führen kann.
Das Toxin muss vor der Injektion korrekt verdünnt werden, meist mit physiologischer Kochsalzlösung, wobei die Verdünnung je nach Präparat und Behandlungsziel variiert. Es sollte stets mit sterilen Techniken gearbeitet werden, um Infektionen zu vermeiden. Nach der Injektion sollte der behandelte Bereich nicht massiert oder stark belastet werden, um eine ungewollte Diffusion des Toxins zu verhindern. Die volle Wirkung tritt in der Regel nach 3 bis 7 Tagen ein und hält je nach Anwendung mehrere Monate an.
Risiken & Nebenwirkungen
Nebenwirkungen von Botulinumtoxin betreffen vor allem eine Überdosierung, die unbedingt zu vermeiden ist. Da es sich bei Botulinumtoxin um ein sehr starkes Nervengift handelt, kann eine falsch verabreichte Injektion schwerwiegende Nervenschäden verursachen.
Zudem darf Botulinumtoxin auf keinen Fall in die Blutbahn gelangen. Patienten, die sich einer „Botoxbehandlung“ unterzogen haben, beklagten als Nebenwirkungen mitunter Lidkrämpfe, Störungen des Auges sowie Mundtrockenheit. Des weiteren kann Botulinumtoxin als Mittel gegen Mimikfalten dazu führen, dass es bei nicht gezielt gesetzten Injektionen zu Einschränkungen der Mimik kommt, wodurch ein maskenhafter Effekt entsteht.
Grundsätzlich sollte bei der medizinischen Behandlung mit Botulinumtoxin auf die Erfahrenheit des Arztes Wert gelegt werden und auch bei einem kosmetischen Eingriff mit Botulinumtoxin ist es wichtig, sich in kenntnisreiche Hände zu begeben.
Kontraindikationen
Die Anwendung von Botulinumtoxin ist in bestimmten Fällen kontraindiziert, da sie schwerwiegende Nebenwirkungen hervorrufen kann. Eine absolute Kontraindikation besteht bei bekannter Überempfindlichkeit gegen das Toxin oder gegen Bestandteile des Präparats, da dies zu schweren allergischen Reaktionen führen kann.
Neuromuskuläre Erkrankungen wie Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom oder amyotrophe Lateralsklerose (ALS) stellen ebenfalls eine Kontraindikation dar, da Botulinumtoxin die neuromuskuläre Übertragung weiter hemmt und zu schwerer Muskelschwäche führen kann. Patienten mit aktiven Infektionen oder Hauterkrankungen im Injektionsbereich sollten nicht behandelt werden, um das Risiko von Komplikationen wie Infektionen oder schlechter Wundheilung zu minimieren.
Vorsicht ist bei Schwangeren und Stillenden geboten, da keine ausreichenden Studien zur Sicherheit vorliegen. Ebenso sollten Patienten mit Blutgerinnungsstörungen oder unter Antikoagulationstherapie nicht ohne sorgfältige Abwägung behandelt werden, da es zu Hämatomen oder Blutungen an der Injektionsstelle kommen kann.
Bei bestimmten neurologischen oder systemischen Erkrankungen sollte die Behandlung nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Zudem können psychische Erkrankungen oder übertriebene ästhetische Erwartungen eine relative Kontraindikation darstellen, da der Patient möglicherweise mit dem Ergebnis unzufrieden ist oder unrealistische Vorstellungen von der Wirkung des Toxins hat.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Botulinumtoxin kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, insbesondere mit solchen, die die neuromuskuläre Übertragung beeinflussen. Eine Verstärkung der muskelentspannenden Wirkung kann bei gleichzeitiger Einnahme von Aminoglykosid-Antibiotika wie Gentamicin, Tobramycin oder Streptomycin auftreten. Diese Antibiotika hemmen die Freisetzung von [[Acetylcholin] und können in Kombination mit Botulinumtoxin zu einer verstärkten Muskelschwäche führen.
Ähnliche Wechselwirkungen bestehen mit anderen Medikamenten, die die neuromuskuläre Funktion beeinträchtigen, wie Muskelrelaxantien (z. B. Baclofen oder Dantrolen) und Magnesiumsulfat. Auch Chloroquin und Hydroxychloroquin, die unter anderem zur Behandlung von Malaria oder rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden, können die Wirkung von Botulinumtoxin verstärken.
Patienten, die unter einer chronischen Behandlung mit Antikoagulantien oder Thrombozytenaggregationshemmern wie Aspirin oder Clopidogrel stehen, haben ein erhöhtes Risiko für Blutergüsse an den Injektionsstellen, jedoch beeinflussen diese Medikamente nicht die eigentliche Wirkung des Toxins.
Zusätzlich können zentral wirkende Medikamente wie Benzodiazepine oder opioidhaltige Schmerzmittel eine verstärkte sedierende Wirkung hervorrufen, wenn sie in Kombination mit Botulinumtoxin angewendet werden. Daher sollte vor einer Behandlung eine detaillierte Medikamentenanamnese erfolgen, um mögliche unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Botulinumtoxin nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, je nach Indikation.
Für die Behandlung von muskulären Verspannungen oder Spastiken können Muskelrelaxantien wie Baclofen oder Tizanidin eingesetzt werden. Diese wirken zentral auf das Nervensystem und reduzieren die Muskelspannung. Eine weitere Möglichkeit sind physiotherapeutische Maßnahmen wie Dehnübungen, manuelle Therapie oder Elektrostimulation, die helfen können, Muskelverkrampfungen zu lindern.
In der ästhetischen Medizin gibt es Alternativen zur Faltenbehandlung, beispielsweise Hyaluronsäure-Filler, die die Haut aufpolstern und Volumen verleihen. Auch nicht-invasive Verfahren wie hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU) oder Laserbehandlungen können zur Hautstraffung beitragen.
Bei chronischer Migräne, die oft mit Botulinumtoxin behandelt wird, können Medikamente wie CGRP-Antikörper (z. B. Erenumab oder Fremanezumab) als präventive Therapie eingesetzt werden. Zudem zeigen Akupunktur und biofeedbackbasierte Methoden in einigen Fällen eine lindernde Wirkung.
Für übermäßiges Schwitzen (Hyperhidrose) sind Aluminiumchlorid-haltige Antitranspirante, Iontophorese oder medikamentöse Optionen wie Glycopyrronium eine mögliche Alternative. In schweren Fällen kann eine chirurgische Durchtrennung der Schweißdrüsen-nervalen Versorgung (Sympathektomie) erwogen werden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor