Scham

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Schamgefühl beziehungsweise Scham ist genau wie Trauer oder Freude eine grundlegende menschliche Emotion. In der christliche und der muslimischen Mythologie tauchte das Schamgefühl zum ersten Mal auf, nachdem Adam und Eva Früchte vom Baum der Erkenntnis aßen und sich ihrer Nacktheit bewusst wurden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Scham?

Schamgefühl beziehungsweise Scham ist genau wie Trauer oder Freude eine grundlegende menschliche Emotion.

Aus psychologischer Sicht ist Scham eng mit den eigenen, durch Sozialisation erworbenen Moralverstellungen verwoben. Sie wird beim einzelnen Menschen auf zweierlei verschiedene Arten ausgelöst. Schamgefühl kann einerseits durch die Handlungen oder Worte eines anderen Menschen hervorgerufen werden. Beispiele für dieses fremdinitiierte Gefühl des Unwohlseins oder der Verlegenheit sind beispielsweise Beleidigungen, die einen Menschen an einem sehr privaten und sensiblen Punkt treffen. Auch beschämende Handlungen eines Dritten können persönliche Grenzen überschreiten. Sehr oft sind diese Handlungen mit der Sexualität oder dem sexuellen Selbstverständnis der betroffenen Person verbunden.

Die zweite Kategorie der Scham hängt mehr mit eigenen Gedanken oder Handlungen und dem Wissen, dass diese als peinlich zu betrachten sind, zusammen. Das entstehende Schamgefühl kann als anerzogene Emotion oder sogar als Selbstregulation betrachtet werden. Im Rahmen dieser Selbstregulation werden oftmals der eigene Körper oder sogar die eigenen Gedanken als schamhaft belegt angesehen.

Funktion & Aufgabe

Schamgefühl ist eine sehr mächtige, menschliche Emotion. Obwohl der Moment von Peinlichkeit für die Betroffenen und für ihr Umfeld höchst unangenehm ist, hat das Empfinden von Scham aus soziologischer Sicht viele Vorteile. Es markiert die Grenzen einer Gesellschaft und sorgt dafür, dass diese nicht überschritten werden. In den meisten Gesellschaften zum Beispiel gilt der Besitz privater Gegenstände als persönliches Recht. Diebstahl wird als Eingriff in den persönlichen Bereich des anderen betrachtet und ist aus diesem Grund schamhaft belegt. Alleine die Angst vor der Scham sorgt dafür, dass viele Menschen einen Diebstahl ablehnen, obwohl sie dies nicht rational erklären können.

Auch das sogenannte Fremdschämen, also die Scham für das Verhalten anderer Menschen, kann grundsätzlich als positiv betrachtet werden. Um Scham für einen anderen, vielleicht völlig fremden Menschen zu empfinden, ist ein gewisses Maß an Empathie notwendig. Erst wenn der Andere als menschlich oder als ebenbürtig empfunden wird, ist es möglich, sich in dessen Position hineinzuversetzen. Fremdscham zeugt von Mitgefühl und sorgt dafür, dass einzelne Mitglieder einer Gesellschaft die Umsetzung von Regeln und Moralverstellungen garantieren.

Zudem werden Menschen, die sich schnell schämen, als emotional und empathisch empfunden. Menschen hingegen, die sich selten schämen, haben den Ruf, gefühlskalt und egoistisch zu sein.

Und auch die Philosophie befasst sich mit der positiven, gesellschaftlichen Bedeutung des Schamgefühles. Der französische Existenzialist Jean Paul Sartre zum Beispiel betrachtet die Scham als Erkenntnisprozess. Erst in Situationen, die mit Scham besetzt sind, wird deutlich, das Menschen vor allem durch den Blick und die Ansichten ihrer Mitmenschen geformt und definiert werden. Die Existenz von Schamgefühl zeigt, dass die Mitglieder einer Gesellschaft voneinander abhängig sind und durch ihre Taten auch andere Menschen in Mitleidenschaft ziehen.


Krankheiten & Beschwerden

Trotz der positiven Effekte von Schamgefühl kann ein Übermaß von Scham auch krank machen. Die leichten körperlichen Effekte von Scham sind jedem bekannt und weit verbreitet. Herzklopfen, Schwitzen und ein erhöhter Blutdruck sind unmittelbare Effekte einer als peinlich empfundenen Situation, die meistens schnell vergehen.

Ein übermäßig starkes Empfinden von Scham allerdings, kann die Lebensqualität des einzelnen stark beeinträchtigen. Grundsätzlich geht ein ausgeprägtes Schamgefühl mit einem Minderwertigkeitskomplex einher. Menschen, die sich in vielen Situationen schämen, haben Angst davor, zurückgewiesen zu werden. Sie haben Schwierigkeiten damit, Kritik anzunehmen oder sich ungewohnten Situationen zu stellen, da Scheitern und Fehler eng mit Scham verknüpft werden.

In einigen Fällen kann diese Angst zum sogenannten Vermeidungszwang führen. Potenziell peinliche Situation werden nach Möglichkeit vermieden und der eigene Ereignishorizont wird stark eingeschränkt. Ein verbreitetes Beispiel für den Vermeidungszwang ist das Schamgefühl beim Reden. Dieses äußert sich häufig in extremer Schüchternheit, die zu sozialer Isolation und damit einhergehenden Depressionen führen kann.

Auch die Scham für den eigenen Körper kann krankhafte Züge annehmen. Wird dieser als zu dick, zu dünn oder schlichtweg nicht der Norm entsprechen wahrgenommen, entstehen Schamgefühle, die manchmal zu Essstörungen oder zu Sportsucht führen. Anstatt sich auf die „Peinlichkeit“ des eigenen Körpers zu konzentrieren, ist es für die Betroffenen jedoch sinnvoller, der psychologischen Seite der Scham auf den Grund zu gehen.

Auch kann das permanente Erleben von Scham mit Schuldgefühlen zusammenhängen. Das ständige Fokussieren auf diese negativen Emotionen hat in manchen Fällen Zwangsgedanken zur Folge, die das Erleben eines normalen Alltags zur Unmöglichkeit machen.

Eine sehr ernstzunehmende Problematik ist das Erleben von Schamgefühl im Zusammenhang mit Sexualität. Viele Menschen empfinden es zum Beispiel als peinlich, Kondome zu verwenden, weil sie nicht beim Kauf des Verhütungsmittels beobachtet werden möchten. Auch sexuelle Erkrankungen werden oftmals als Grund für Schamgefühl angesehen. Betroffene vermeiden aus diesem Grund den notwendigen Gang zum Arzt und riskieren ernsthafte, gesundheitliche Folgen. Sogar im Fall von sexuellen Übergriffen oder im schlimmen Fall von Vergewaltigung, halten viele betroffene Menschen das Erlebte geheim. Sie befürchten, in eine peinliche Situation zu geraten und nehmen körperliche Auswirkungen wie Geschlechtskrankheiten oder eine ungewollte Schwangerschaft und psychologische Erkrankungen, die infolge des Traumas entstehen können, in Kauf.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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