Tethered cord
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Tethered cord ist eine angeborene oder in der erweiterten Definition auch eine erworbene Verwachsung der unteren Rückenmarksanteile bekannt. Die Verwachsungen befinden sich in der Regel nahe des Conus medullaris und können zum Beispiel neurologische Ausfälle hervorrufen. Die Behandlung erfolgt in einer Operation.
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Was ist Tethered cord?
Das Rückenmark des Menschen verjüngt sich am kaudalen Ende kegelförmig. Dieser Bereich wird als Conus medullaris oder Markkegel bezeichnet und läuft an seiner Spitze fadenförmig und gemeinsam mit dem Filum terminale, dem sogenannten Endfaden, aus. Die kaudalen Anteile des Rückenmarks können pathologisch anheften und vermehrten Zug auf die im unteren Rückenmark angesiedelten Nervenfasern generieren.
Bei entsprechendem Krankheitsbild ist von einem Tethered cord die Rede. Wörtlich übersetzt bedeutet „tethered cork“ „angebundene Schnur“. In den meisten Fällen sind neurologische Ausfälle mit dem Krankheitsbild verbunden, die durch den Zug auf die Nervenfasern generiert werden. Ein Tethered cord ist unter gewissen Umständen mit dem sogenannten Konus-Syndrom assoziiert, einer neurogenen Ausfallserscheinung in Folge von Druckzuständen auf die kaudalen Rückenmarksanteile.
Nach ICD-10 wird das Krankheitsbild des Tethered cork den angeborenen Rückenmarksfehlbildungen zugeordnet. In der weiter gefassten Definition muss der Zustand allerdings nicht zwingend angeboren sein, sondern kann durch unterschiedliche Prozesse auch später erworben werden.
Ursachen
Neuralohrfehlbildungen sind abnorme Prozesse während der primären Neurulation. Andere Ursachen für Tethered cord können versteckte Störungen. sein. Derartige Störungen können zum Beispiel einer Fettinfiltration im Sinne einer Lipomatose des Filum terminal entsprechen. Ein solches Phänomen behindert den Aufstieg des Konus im Wachstumsprozess.
In der weiter gefassten Definition kann auch Narbenbildung nach Operationen an der Lendenwirbelsäule für das Phänomen des Tethered cord verantwortlich sein. In diesem Zusammenhang können das Filum terminale oder andere Ausläufer des Rückenmarks zum Beispiel in einem fibrösen Strang mit der Hülle des Rückenmarks verwachsen.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Durch die Anheftung durchleiden Patienten mit Tethered cord mehr oder weniger starken Druck auf die unteren Abschnitte des Rückenmarks. Der Conus medullaris befindet sich auf ungewöhnlicher Tiefe. Aufgrund des Konustiefstands wird Zug auf das Rückenmark ausgeübt. Neurologische Störungen können eintreten.
Zu den mitunter häufigsten Störungen zählen Gefühlsstörungen bis hin zur Gefühlslosigkeit auf den Innenseiten der Oberschenkel. Auch Miktionsstörungen oder Störungen des Sexualfunktion sind denkbare Symptome mit neurogenem Hintergrund. Abgesehen von den neurologischen Störungen manifestiert sich das angeborene Phänomen Tethered cord zum Teil in einer Spina bifida aperta, also einer sichtbaren Spaltbildung der Wirbelsäule.
Darüber hinaus leiden viele Patienten an äußerlich erkennbaren Zeichen wie atypischer Behaarung oder Nävi in der unmittelbaren Nähe der Läsion. Etwas seltener liegt bei der angeborenen Form zusätzlich eine Größendifferenz der beiden Füße vor. In etwa einem Viertel aller Fälle wird eine Meningomyelozele an Patienten mit Tethered cord beobachtet.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose Tethered cord wird für die angeborene Form in der Regel bereits am Neugeborenen oder zumindest noch im Säuglingsalter gestellt. Die Diagnostik besteht aus Blickdiagnostik und Sonographie. Wenn keine sichtbaren Auffälligkeiten im Bereich der Läsion vorliegen, kann die Diagnosestellung deutlich später stattfinden und erfolgt dann meist mittels Kernspintomographie.
Bei späteren Diagnosen geben in der Regel beobachtete Ausfallerscheinungen des Nervensystems den Anlass dazu, einen Arzt aufzusuchen. Für Patienten mit Tethered cord hängt die Prognose vom Ausmaß und der Korrigierbarkeit der Verwachsungen ab.
Komplikationen
Im Zusammenhang mit einem Tethered cord können verschiedene neurologische Störungen auftreten. Am häufigsten kommt es zu Gefühlsstörungen der Beine oder sogar zu einer vollständigen Gefühlslosigkeit an den Innenseiten der Oberschenkel. Außerdem können Miktionsstörungen und Störungen der Sexualfunktion auftreten.
Die Erkrankung kann außerdem mit einer sichtbaren Spaltbildung der Wirbelsäule verbunden sein, einer sogenannten Spina bifida aperta. Viele Patienten leiden zudem an einer atypischen Behaarung oder Haut- und Schleimhautfehlbildungen im Bereich der Erkrankung. Gelegentlich sind die Zehen beider Füße unterschiedlich groß. Die kosmetischen Auffälligkeiten stellen für die Betroffenen meist auch eine psychische Belastung dar.
Insbesondere bei starken Missbildungen kann es zur Entwicklung seelischer Erkrankungen und zur Ausgrenzung beziehungsweise dem Rückzug aus dem sozialen Leben kommen. Eine operative Behandlung der Beschwerden ist immer mit gewissen Risiken verbunden. Gelegentlich kommt es während des Eingriffs beispielsweise zu Blutungen oder einer Nervenverletzung.
Auch Infektionen und postoperative Wundheilungsstörungen sind nicht auszuschließen. Nimmt der Patient Medikamente ein, so können die für das jeweilige Präparat typischen Neben- und Wechselwirkungen auftreten. Manche Personen reagieren zudem allergisch auf bestimmte Verbandsmaterialien oder Wirkstoffe.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei der Krankheit Tethered cord sollte immer ein Arzt aufgesucht werden, damit es zu keinen weiteren Beschwerden und Kompilationen kommt, die die Lebensqualität des Betroffenen einschränken könnten. Schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Krankheit sollte daher ein Mediziner kontaktiert werden. Nur dadurch können weitere Beschwerden verhindert werden. Je früher die Krankheit Tethered cord erkannt und behandelt wird, desto besser ist auch der weitere Verlauf der Krankheit.
In der Regel ist bei Tethered cord ein Arzt dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an erheblichen Störungen der Gefühle leidet. Weiterhin können auch Beschwerden beim Stuhlgang oder beim Toilettengang auf die Krankheit hindeuten und sollten durch einen Arzt untersucht werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum anhalten. In vielen Fällen ist durch die Krankheit Tethered cord auch die Sexualfunktion des Betroffenen gestört.
In erster Linie kann bei diesen Beschwerden ein Allgemeinarzt kontaktiert werden. Die weitere Behandlung richtet sich nach der genauen Grunderkrankung.
Behandlung & Therapie
Bei Patienten mit Tethered cord stören Verwachsungen die physiologische Anatomie und Funktionsfähigkeit des Rückenmarks. Die Therapie der Wahl ist in diesem Fall eine kausale Behandlung. Kurzum müssen die Verwachsungen beseitigt werden, um alle Symptome der Erscheinung beseitigen zu können. Mit diesem Ziel wird eine Operation veranlasst. Nicht-invasive Verfahren kommen zur Behandlung nicht in Frage.
Das Rückenmark muss von dem Druck entlastet werden, der durch die Verwachsungen entstanden ist. Nach der chirurgischen Entlastung des Rückenmarks können unter Umständen mehr oder weniger beeinträchtigende Einschränkungen zurückbleiben. Um beispielsweise zurückgebliebene Bewegungsstörungen zu bekämpfen, kann gezielte Physiotherapie sinnvoll sein.
Falls Gefühlsstörungen zurückgeblieben sind, kann eine Resensibilisierung versucht werden. Da das Rückenmark zum zentralen Nervensystem gehört, besitzt das dort angesiedelte Nervengewebe eine hohe Spezialisierung. Aus diesem Grund ist es schwierig, einmal eingetretene Schädigungen des Rückenmarks wieder rückgängig zu machen.
Narbengewebe kann nach längerem Zug durch die Verwachsungen zurückbleiben. Im Bereich des Narbengewebes findet keine Reizübertragung mehr statt. Allerdings besteht bei gezieltem Training die Möglichkeit, dass benachbarte Nervenzellen die Funktionen defekter Nervenzellen übernehmen.
Vorbeugung
Dem Phänomen Tethered cord lässt sich in der angeborenen Form nur schwer vorbeugen. Während der Zeit der embryonalen Entwicklung kann die Exposition gegenüber kleinster Giftstoffe Entwicklungsstörungen hervorrufen. Kleinste Giftstoffe befinden sich in der Umwelt und können von der Schwangeren daher vielleicht minimiert, aber nicht vollständig vermieden werden.
Einem erworbenen Tethered cord lässt sich in Maßen durch Rückenschule und Rückentraining vorbeugen. Diese Maßnahmen gelten seit langem als prophylaktische Maßnahmen für Bandscheibenvorfälle. Da die Verwachsungen in der erworbenen Form oft das Resultat eines Bandscheibenvorfalls sind, gelten zur Vorbeugung in diesem Fall sämtliche Bandscheibengesundheitsmaßnahmen.
Nachsorge
Beschwerden durch Tethered cord lassen sich in der Nachsorge durch spezielle Maßnahmen lindern. Nachdem das Rückenmark durch einen chirurgischen Eingriff entlastet ist, bietet sich für die Patienten eine individuelle Physiotherapie an. Diese hilft dabei, gegen noch vorhandene Bewegungsstörungen anzuarbeiten. Falls es zu Gefühlsstörungen kommt, ist eine Resensibilisierung möglich.
Zu dieser speziellen Nachsorge liefert der Arzt eine umfassende Beratung, nach der sich die Betroffenen auch richten sollten. So erhält das Nervengewebe am Rückenmark eine gezielte Unterstützung. Durch die Operation kommt es möglicherweise zur Narbenbildung. Das Narbengewebe braucht wegen Verwachsungen oft lange Zeit, um sich zurückzubilden.
In der Folge können Probleme bei der Reizübertragung entstehen. Ein regelmäßiges, gezieltes Training regt jedoch die benachbarten Nervenzellen dazu an, die Aufgabe der beschädigten Nervenzellen zu übernehmen. Darum ist für die Betroffenen eine Teilnahme an einer Rückenschule empfehlenswert.
Die Ärzte liefern alle wichtigen Informationen zum Rückentraining, das sowohl für die Nachsorge als auch in der Prophylaxe sinnvoll ist. Häufig entstehen die Verwachsungen durch einen Bandscheibenvorfall. Um das Risiko der Erkrankung zu minimieren, lohnen sich alle Maßnahmen für eine bessere Bandscheibengesundheit. Auch Beckenbodengymnastik, eine erweiterte Physiotherapie und orthopädische Einlagen können helfen.
Das können Sie selbst tun
Patienten mit Tethered cord leiden unter anderem an Beschwerden, die ihre Mobilität herabsetzen und dadurch die Lebensqualität beeinträchtigen können. Da die Erkrankung in einigen Fällen für lange Zeit unentdeckt bleibt, liegt es zunächst in der Verantwortung der Betroffenen, eine Diagnosestellung zu beschleunigen. Nur dann können wirksame und gezielte Maßnahmen zur Selbsthilfe begonnen werden.
Nach einer ärztlichen Diagnose empfiehlt sich beispielsweise der regelmäßige Besuch einer Physiotherapie. Dabei trainieren die Patienten mit Tethered cord spezielle Bewegungsabläufe und Muskeln, die der Linderung ihrer Beschwerden dienen. Um den Erfolg der Physiotherapie zu fördern, führen die Betroffenen die Übungseinheiten auch außerhalb der therapeutischen Kurse durch. Beschwerden durch Fußdeformitäten und Gangstörungen lassen sich zumindest teilweise durch eine adäquate orthopädische Therapie und Schuheinlagen reduzieren. Dazu ist es notwendig, dass die verordneten Einlagen täglich getragen werden.
Gegen die Inkontinenz können die Patienten einerseits die Muskulatur ihres Beckenbodens trainieren und andererseits vom Arzt verschriebene Medikamente einnehmen. Wiederkehrende Infekte der Blase müssen in jedem Fall therapiert werden, da sich andernfalls auf lange Sicht Erkrankungen der Niere entwickeln können. Generell müssen die Patienten im eigenen Interesse zahlreiche Termine bei diversen Fachärzten koordinieren und regelmäßig wahrnehmen.
Quellen
- Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Wilhelm, W. (Hrsg.): Praxis der Intensivmedizin. Springer, Berlin 2013