Myelomeningozele

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Myelomeningozele, auch Meningomyelozele genannt, wird eine schwere Verlaufsform der Spina bifida bezeichnet. Dabei kommt es zu einer Spaltung der Wirbelsäule, durch die Rückenmarksteile hervortreten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Meningomyelozele?

Hervorgerufen wird eine Myelomeningozele durch einen Defekt bei der Entstehung des Neuralrohrs. Dieser bewirkt eine Hemmungsfehlbildung im zentralen Nervensystem.
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Bei einer Myelomeningozele handelt es sich um eine angeborene Rückenmarksfehlbildung. Sie wird durch einen unzureichenden Verschluss des Neuralrohrs hervorgerufen. Die Meningomyelozele stellt neben der Meningozele und der Rhachischisis eine Ausprägung der Spina bifida aperta dar.

Die Häute des Rückenmarks (Meningen) sind dabei zusammen mit dem Rückenmark außerhalb des Wirbelbogens angesiedelt. Erkennbar ist dies als Vorwölbung (Zele) unterhalb der Haut. Der lateinische Begriff Spina bifida bedeutet „offener Rücken“. Gemeint ist damit eine Fehlbildung in der Rückenmark- und Wirbelsäulenregion.

Rückenmark und Wirbelsäule gehen bei der Entwicklung des menschlichen Embryos aus dem Neuralrohr hervor. Daher wird Spina bifida beziehungsweise die Meningomyelozele zu den Neuralrohrdefekten gerechnet, die zu den am häufigsten vorkommenden angeborenen Fehlbildungen gehören. In Deutschland kommt es Jahr für Jahr zu etwa 500 Geburten mit einem Neuralrohrdefekt.

Ursachen

Hervorgerufen wird eine Myelomeningozele durch einen Defekt bei der Entstehung des Neuralrohrs. Dieser bewirkt eine Hemmungsfehlbildung im zentralen Nervensystem. Durch diesen Defekt treten Teile des Rückenmarks (Myelon) sowie der Rückenmarkshäute durch die Wirbelbögen, die sich nicht geschlossen haben, hindurch, weswegen sie ungeschützt freiliegen.

Mediziner nennen eine Wirbelsäule mit ungeschlossenen Wirbelbögen „gespaltene Wirbelsäule“ (Spina bifida). Bei einem ungeschützten Offenliegen von Rückenmarkshäuten und Rückenmark ist von einer Spina bifida aperta die Rede. Befindet sich die Rückenmarks- und Wirbelsäulenfehlbildung versteckt unter der schützenden Haut, handelt es sich um eine Spina bifida occulta.

Kommt es durch den Spalt nur zum Austreten der Meningen, was die Bildung eines vorgewölbten Sacks, der mit Hirnwasser gefüllt ist, zur Folge hat, sprechen Ärzte von einer Meningozele. Bei einem gemeinsamen Vorwölben von Rückenmark und Meningen durch die Wirbelbögen in die hintere Richtung entsteht dagegen eine Myelomeningozele.

Wodurch eine Myelomeningozele verursacht wird, ließ sich bislang nicht feststellen. In der Diskussion stehen der Folsäurestoffwechsel sowie genetische Faktoren. Unter Folsäure wird ein wasserlösliches Vitamin verstanden, das zu den B-Vitaminen zählt. In früheren Jahren nahmen Mediziner an, dass Neuralrohrdefekte durch einen Folsäuremangel entstehen.

Neuere Studien sprechen allerdings dagegen. So traten Myelomeningozele auch dann auf, wenn der Folsäurespiegel im Körper normale Werte aufwies. Stattdessen werden Störungen beim Folatstoffwechsel oder das Entstehen von Autoantikörpern, die sich gegen die Folsäurerezeptoren richten, als denkbare Urheber angenommen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Myelomeningozele kann zahlreiche unterschiedliche Beschwerden verursachen. So zeigen sich am Kreuzbein oder an der Lendenwirbelsäule oft partielle oder komplette Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen. Wie stark diese ausfallen, richtet sich nach dem Ausmaß des Neuralrohrdefekts.

Die Lähmungen bewirken wiederum eine Dysbalance an der Skelettmuskulatur. Infolgedessen kommt es zu Verkürzungen der Muskeln und Fehlstellungen an den Fuß-, Knie- und Hüftgelenken. Weitere mögliche Beschwerden durch eine Meningomyelozele können Entleerungsstörungen von Mastdarm und Harnblase sein, die oftmals zu Harnwegsinfekten führen.

Das Auftreten von Krampfleiden wie Epilepsie, dekubitale Geschwüre am Rücken sowie das Auftreten eines sogenannten Tethered cord (gefesseltes Rückenmark) können ebenfalls auftreten. Als weiteres typisches Merkmal einer Myelomeningozele gilt die Ausprägung eines Wasserkopfs (Hydrozephalus). Dabei staut sich Liquor (Hirnwasser) aufgrund der Myelomeningozele an, was eine Aufdehnung der Hirnventrikel nach sich zieht.

Dadurch kommt es wiederum zu schädlichem Druck auf das benachbarte Hirngewebe sowie zu Beeinträchtigungen des Nervengewebes. Nicht selten leiden die betroffenen Kinder auch unter orthopädischen Beschwerden wie einer Skoliose. Sie bildet sich zumeist am Übergang zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule oder am Grenzbereich zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. Des Weiteren treten die Bildung von Buckeln, Störungen der Atemfunktion und Lungeninfekte auf.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Feststellen lässt sich eine Spina bifida beziehungsweise Myelomeningozele oft schon im Verlauf der Schwangerschaft mithilfe einer Sonographie (Ultraschalluntersuchung). So kann der Arzt die Fehlbildung durch den Ultraschall meist problemlos identifizieren. Weiterhin ist die Durchführung eines Alpha-1-Fetoprotein-Tests zwischen 16. und 18. Schwangerschaftswoche im Blut oder Fruchtwasser der Mutter möglich.

Beim Alpha-1-Fetoprotein (AFP) handelt es um einen vom Fötus hergestellten Eiweißstoff. Liegt dieser in erhöhter Menge vor, gilt dies als wichtiges Indiz für einen Neuralrohrdefekt. Der Verlauf einer Myelomeningozele richtet sich nach deren Ausmaß. Erfolgt eine umfassende medizinische Betreuung, können die betroffenen Kinder durchaus eine hohe Lebenserwartung und gute Lebensqualität erreichen.

Allerdings besteht in schweren Fällen die Gefahr von Komplikationen wie Entzündungen von Rückenmark und Rückenmarkshäuten. Als besonders bedenklich gilt ein unbehandelter Wasserkopf, der oft schwere Störungen zur Folge hat.

Komplikationen

Durch die Myelomeningozele wird der Alltag des Betroffenen deutlich eingeschränkt und die Lebensqualität verringert. In den meisten Fällen leiden die Patienten dabei an Störungen der Sensibilität und an Lähmungen. Diese können dabei an verschiedenen Regionen des Körpers eintreten und führen zu deutlich Einschränkungen bei Tätigkeiten. Auch Bewegungseinschränkungen können durch die Myelomeningozele auftreten, sodass die Betroffenen auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen sind.

Weiterhin treten auch Verkürzungen an den Muskeln auf und die Patienten leiden an Beschwerden der Harnwege und der Blase. Durch verschiedene Infekte kann es dabei zu Schmerzen beim Wasserlassen kommen. Nicht selten leiden die Betroffenen auch an Epilepsie und an Geschwüren, die die Lebenserwartung möglicherweise einschränken können. Durch die Beschwerden der Myelomeningozele kommt es weiterhin auch zu Depressionen oder zu psychischen Beschwerden.

Auch die Lunge kann von dieser Krankheit betroffen sein, sodass es zu Infekten oder zu Atembeschwerden kommt. In der Regel muss eine Behandlung der Myelomeningozele schon direkt nach der Geburt durchgeführt werden. Dabei können Folgeschäden im Erwachsenenalter eingeschränkt werden. Bei einer frühzeitigen und erfolgreichen Behandlung kommt es in der Regel nicht zu Komplikationen und auch die Lebenserwartung des Patienten wird nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn neurologische Ausfälle, Lähmungen oder Spastiken im Bereich der Glieder auftreten, ist ärztlicher Rat gefragt. Eine Myelomeningozele stellt eine schwerwiegende Erkrankung dar, die umgehend medizinisch diagnostiziert und je nach Befund behandelt werden muss. Deshalb müssen schon erste Hinweise auf ein Leiden medizinisch abgeklärt werden. Personen, die eine Abnahme der motorischen Fähigkeiten oder andere Symptome bemerken, die rasch stärker werden, sprechen am besten mit dem Hausarzt.

Die weitergehende Behandlung erfolgt durch einen Facharzt für innere Erkrankungen oder durch einen Orthopäden. Personen, die bereits an einer Erkrankung des Rückens leiden, sollten beim Auftreten der erwähnten Symptome den verantwortlichen Mediziner informieren. Selbiges gilt für Menschen, die von Geburt an unter einer Myelomeningozele leiden und eine Zunahme der Beschwerden bemerken. Schwangere, ältere und kranke Menschen sprechen am besten mit einem Facharzt. Neben dem Allgemeinmediziner und erwähnten Fachärzten wird die Myelomeningozele auch von Physiotherapeuten und Therapeuten behandelt. Die Therapie erfolgt in der Regel in einem Fachzentrum für Rückenleiden.

Behandlung & Therapie

Zur erfolgreichen Behandlung einer Myelomeningozele ist eine konsequente Zusammenarbeit von Neurochirurgen, Neurologen, Kinderärzten, Urologen, Orthopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten erforderlich.

Zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen zählt der Verschluss des offenen Rückens. Dieser muss bereits 24 bis 48 Stunden nach der Geburt durch einen chirurgischen Eingriff erfolgen, um eine Infektion von Rückenmark und Rückenmarkshäuten zu verhindern. Im Rahmen der Operation verlagert der Chirurg die in der Myelomeningozele befindlichen Rückenmarksanteile wieder zurück in ihre korrekte Position.

Zur Abdeckung des Defekts dienen Haut, Muskeln und Muskelhüllen. Liegt zusätzlich ein Wasserkopf vor, ist das Legen eines Shunts erforderlich. Auf diese Weise lässt sich die Zirkulationsstörung des Hirnwassers samt verstärktem Hirndruck wieder ausgleichen.

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Aussicht & Prognose

Wie sich eine Myelomeningozele auf Betroffene auswirkt, hängt vor allem in hohem Maße davon ab, wie sehr die Wirbelsäule und das Rückenmark fehlgebildet sind. Die Kinder mit einer Myelomeningozele können dennoch eine recht hohe Lebenserwartung und Lebensqualität haben, wenn sie die umfassende medizinische Behandlung erhalten die sie benötigen. Die kognitive Entwicklung der betroffenen Kinder ist beim alleinigen Vorliegen der Krankheit normalerweise nicht beeinträchtigt.

Zu möglichen Komplikationen der Krankheit gehören besonders Entzündungen der betroffenen Rückenmarkshäute sowie dem Rückenmark. Auch Nierenentzündungen und Arthrosen können bei den Patienten auftreten. In dem Fall, dass die Erkrankung auch zu einem Wasserkopf führt und dieser unbehandelt bleibt, ist das Gehirn der Betroffenen im weiteren Verlauf zunehmendem Druck ausgesetzt. Dies kann für Patienten sehr schwere Störungen und sogar akute Lebensgefahr zur Folge haben.

Betroffene Kinder mit einer ausgeprägten Myelomeningozele sind oftmals ihr Leben lang auf professionelle medizinische Betreuung angewiesen. Dabei ist es jedoch besonders wichtig, die eventuellen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Therapien abzuwägen. Das ist wichtig, damit die erkrankten Kinder so normal wie nur möglich leben können und zudem gesellschaftlich bestmöglich integriert sind. Besonders deshalb ist es auch ratsam, dass alle notwendigen operativen Behandlungen noch vor der Einschulung der betroffenen Kinder abgeschlossen sind.

Vorbeugung

Als vorbeugende Maßnahme gegen eine Myelomeningozele wird die Einnahme von Folsäure während der Schwangerschaft empfohlen. Dadurch soll sich das Risiko einer Spina bifida um etwa 50 Prozent verringern.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei einer Myelomeningozele in den meisten Fällen nur wenige und auch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der direkten Nachsorge zur Verfügung. Daher sollte der Betroffene idealerweise schon frühzeitig einen Arzt aufsuchen, um ein weiteres Auftreten von Komplikationen oder anderen Beschwerden zu verhindern.

Dabei kann auch keine Selbstheilung eintreten, sodass eine Behandlung durch einen Arzt immer notwendig ist. In vielen Fällen sind die Betroffenen aufgrund der Myelomeningozele in ihrem Alltag auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Dabei kann sich auch eine psychologische Unterstützung sehr positiv auf den weiteren Verlauf dieser Krankheit auswirken und Depressionen oder andere psychische Verstimmungen verhindern.

Die Krankheit selbst wird dabei in den meisten Fällen durch einen geringen operativen Eingriff wieder gelindert. Nach einem solchen Eingriff sollte sich der Betroffene auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Dabei sollte von Anstrengungen oder stressigen und körperlichen Tätigkeiten abgesehen werden.

Ebenso sind auch nach dem Eingriff regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig und notwendig. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge stehen dem Patienten bei der Myelomeningozele nicht zur Verfügung. Die Krankheit selbst verringert dabei auch nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Das können Sie selbst tun

Wenn eine Myelomeningozele festgestellt wurde, muss zeitnah eine Behandlung eingeleitet werden. Die Eltern von betroffenen Kindern sollten nach einem Eingriff am Rücken sicherstellen, dass die Operationswunde gut verheilt und im Zweifelsfall den Arzt informieren.

Daneben müssen physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Erkrankte Kinder zeigen oft Fehlhaltungen, die unmittelbar korrigiert werden sollten. Zur Unterstützung der ärztlichen Behandlung, die eine erhebliche Belastung für das Kind darstellt, kann eine individuelle Diät durchgeführt werden. Tierische Produkte wie Milch und Naturjoghurt reduzieren Rückenschmerzen, während Gemüse wie Grünkohl oder Rucola die Knochen stärkt. Auch Feldsalat, Spinat, Naturreis, Eier und andere Lebensmittel, die reichlich Vitamin B und Vitamin K enthalten, sollten auf dem Speiseplan stehen.

Liegt zusätzlich ein Wasserkopf vor, ist ein längerer Krankenhausaufenthalt erforderlich. Das Kind benötigt oft auch therapeutische Unterstützung. In der Pubertät können die äußerlichen Auffälligkeiten eine große Belastung darstellen, weshalb die Eltern unterstützend und verständnisvoll agieren sollten. Die Myelomeningozele ist eine langwierige Erkrankung, die oft ein Leben lang behandelt werden muss. Die Eltern sollten das Kind regelmäßig ärztlich untersuchen lassen und sicherstellen, dass auch im Erwachsenenalter eine engmaschige Überwachung erfolgt.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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