Wassernesselsucht

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Wassernesselsucht ist eine dermatologische Reaktion auf den Kontakt mit Wasser. Die Betroffenen zeigen nach einem Wasserkontakt geschwollene und juckende Quaddeln auf der Haut. Therapeutisch kommt die Gabe von Antihistaminika zur Linderung der Symptome infrage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Wassernesselsucht?

Die Patienten der Wassernesselsucht reagieren auf den Kontakt mit Wasser mit ähnlichen Symptomen, wie sie der Kontakt mit Brennnesseln verursacht.
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Die Nesselsucht ist eine dermatologische Reaktion. Es handelt sich dabei um eine Hautreaktion, die der Körper im Kontakt mit Allergenen hervorbringt. Die Hautreaktion entspricht punktartigen, knopfähnlichen oder geröteten Quaddeln und Erythemen, die durch allergische Prozesse der dermalen Blutgefäße verursacht werden.

Nesselsucht kommt nicht nur im Zusammenhang mit Medikamenten, Nahrungsmitteln, psychischem Stress oder immunologischen Phänomenen vor. Auch als Reaktion auf den Kontakt mit Wärme, Licht, Druck oder Wasser kann es zu den beschriebenen Symptomen kommen. Abhängig von der Ursache unterscheidet die Medizin verschiedene Arten der Nesselsucht. Die Wassernesselsucht ist eine davon.

Bei dieser aquagenen Form der Urtikaria reagiert die Haut mit einem Ausschlag auf die Einwirkung von Wasser. Der Ausschlag entsteht oft schon Sekunden nach dem Kontakt und hält durchschnittlich etwa zwei Stunden an. Neben angeborenen Formen der Wassernesselsucht wurden erworbene Formen der Erkrankung beobachtet. Einige Patienten berichten im Verlauf ihres Lebens von einem langsamen Rückgang der Symptome.

Die Wassernesselsucht ist eine eher seltene Form der Nesselsucht und wurde gegen Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals beschrieben. Als Erstbeschreiber gelten Shelley und Rawnsley. Laut einer britischen Boulevardzeitung sollen nach der Erstbeschreibung weltweit nur 35 Fälle dokumentiert worden sein.

Ursachen

Die Wassernesselsucht wird zuweilen zu den Allergien gezählt. Das ist aber nicht vollständig richtig. Allergien sind durch die Ausschüttung des Neurotransmitters Histamin gekennzeichnet, der die charakteristischen Abwehrreaktionen hervorruft. Die Wassernesselsucht ist zwar oft, aber nicht in allen Fällen mit der Ausschüttung von Histamin assoziiert.

Daher handelt es sich vermutlich nicht um eine eigentliche Wasserallergie, sondern eher um eine dermatologische Reaktion auf Substanzen wie Chlor oder bestimmten Ionen, wie sie in nichtdestilliertem Wasser zu finden sind. Einige der bisher dokumentierten Fälle legen für die Wassernesselsucht eine genetische Disposition nahe. So wurde zuweilen eine familiäre Häufung beobachtet. Für eine genetische Disposition spricht vor allem die Untersuchung der Reaktionen an Zwillingspaaren.

Neben der genetischen Form der Wassernesselsucht existiert offenbar aber auch eine nichterbliche Form, wie sie zum Beispiel für die erworbenen Arten der Wassernesselsucht angenommen wird. Da es sich bei einem Großteil der bisher dokumentierten Patienten um isolierte Einzelfälle ohne familiäre Häufung gehandelt hat, scheint das sporadische Auftreten der Symptome die häufigere Variante zu sein. Die ursächlichen Zusammenhänge sind für diese Variante nicht abschließend geklärt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Patienten der Wassernesselsucht reagieren auf den Kontakt mit Wasser mit ähnlichen Symptomen, wie sie der Kontakt mit Brennnesseln verursacht. Rund 15 Minuten nach dem Kontakt zeigen sich an den Berührungsstellen des Wassers weißliche Papeln geringer Größe, die oft zwei Stunden lang bestehen bleiben. Begleitsymptomatisch besteht in der Regel mehr oder weniger starker Juckreiz.

Auch leichte Rötungen der umliegenden Hautpartien wurden an den Patienten beobachtet. Nicht jede Art von Wasser muss diese Reaktionen auslösen. Oft führt ausschließlich Regenwasser zu den Hautveränderungen. Andere Patienten reagieren ausschließlich auf den Kontakt mit Meerwasser. Einige Betroffene berichten aber auch von regelmäßigen Ausschlägen nach dem Duschen. Nur in Ausnahmefällen spielt die Art des Wassers für die Reaktion keine Rolle.

Das klinische Bild der Hautreaktionen kann sich von Fall zu Fall deutlich unterscheiden. So liegen bei manchen Patienten zusätzlich zu den Farbveränderungen und dem Juckreiz zum Beispiel Schwellungen vor, die meist auf die vermehrte Ausschüttung des Botenstoffes Histamin zurückgehen. Ob und wie viel Histamin die Patienten im Kontakt mit Wasser ausschütten, unterscheidet sich von Fall zu Fall.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf eine Wassernesselsucht wird vom Arzt zunächst über die Anamnese gestellt. Um eine solche Verdachtsdiagnose auf Basis der Anamnese zu bestätigen, werden dem Patienten körperwarme Kompressen aufgelegt, die mit Wasser durchtränkt wurden. Falls sich daraufhin die beschriebenen Hautreaktionen zeigen, gilt die Diagnose als gesichert. Die Prognose für die Patienten ist meist günstig. In vielen Fällen stellt sich im Laufe des Lebens eine absolute Remission der Erkrankung ein.

Komplikationen

In den meisten Fällen kommt es bei der Wassernesselsucht nicht zu schwerwiegenden Komplikationen oder zu schwerwiegenden Beschwerden. Die Symptome können relativ einfach behandelt werden, sodass es auch zu keinen bleibenden Schäden kommt. In erster Linie führt die Wassernesselsucht bei den Betroffenen zu einer starken Rötung auf der Haut und ebenso zu einem Juckreiz. Dieser kann sich weiterhin verstärken, wenn der Patient die Haut kratzt.

Weiterhin kann es auch zu Schwellungen auf der Haut kommen. Viele Patienten fühlen sich mit den Beschwerden unwohl und leiden damit an einem deutlich verringerten Selbstwertgefühl und auch an Minderwertigkeitskomplexen. Bei Kindern kann es dabei zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen, sodass diese an psychischen Beschwerden erkranken.

Sollte die Wassernesselsucht schon bei einem einfachen Kontakt mit gewöhnlichem Wasser auftreten, so kann es dadurch zu erheblichen Einschränkungen im Alltag des Patienten kommen. In der Regel werden die Symptome der Wassernesselsucht mit Hilfe von Medikamenten behandelt. Eine vollständige und kausale Heilung ist allerdings nicht möglich. Bei der Behandlung kommt es nicht zu Komplikationen. Ebenso verringert diese Erkrankung nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer Wassernesselsucht ist ein Besuch bei einem Arzt notwendig. Bei dieser Erkrankung kann es in der Regel nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass sich eine frühe Diagnose und Behandlung immer positiv auf den weiteren Verlauf der Krankheit auswirkt. Dabei ist schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen ein Arzt zu kontaktieren, um weitere Beschwerden zu verhindern. Ein Arzt ist bei der Wassernesselsucht dann aufzusuchen, wenn der Betroffene nach dem Kontakt mit Wasser eine sehr starke Rötung auf der Haut zeigt. Dabei kommt es weiterhin auch zu einem starken Juckreiz, wobei die Beschwerden über mehrere Stunden andauern.

Ebenso können Schwellungen nach dem Kontakt auf die Wassernesselsucht hindeuten und sollten von einem Arzt untersucht werden. Die Farbe der Haut verändert sich nicht selten und deutet auf diese Krankheit hin. Die erste Diagnose kann von einem Allgemeinarzt oder einem Allergologen durchgeführt werden. Nicht immer ist eine Behandlung notwendig, sodass der weitere Verlauf sehr stark von der Ausprägung der Beschwerden abhängig ist. In der Regel verringert die Wassernesselsucht nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.

Behandlung & Therapie

Falls die Wassernesselsucht der Patienten mit der Ausschüttung von Histamin in Verbindung gebracht werden kann, gilt die Gabe von Antihistaminika als wichtigster Therapieschritt. Antihistaminika sind Histamin-Rezeptorblocker, die als Histamin-Rezeptorantagonisten bekannt sind. Die Wirkstoffe dieser Medikamente schwächen die Wirkung des Histamins ab oder heben sie sogar ganz auf, indem sie die körpereigenen Bindungsstellen für Histamin blockieren.

Antihistaminika gibt es für vier verschiedene Histamin-Rezeptoren. Die Medikamente werden demzufolge in H1-, H2-, H3- und H4-Antihistaminika unterschieden. Die H1- und H2-Antihistaminika zeigen therapeutisch die meiste Wirkung und gelten bei der Behandlung von Allergien aus diesem Grund als relevanteste Medikamente.

Falls die Hautreaktionen von Patienten mit Wassernesselsucht nicht auf die Wirkung des Botenstoffs Histamin rückführbar sind, bleibt eine symptomatische Behandlung mit Antihistaminka erfolglos. Manchmal wird an diesen Patienten eine kausale Therapie der Wassernesselsucht in Betracht gezogen. Die Betroffenen werden in dieser Therapie regelmäßig destilliertem Wasser ausgesetzt, bis die wiederholte Exposition die Symptome zurückgehen lässt.

Diese Therapieoption ist allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt. Zu den supportiven Therapieschritten zählt vor allem eine umfangreiche Beratung des Patienten. Der Betroffene sollte seinen Alltag auf die Krankheit ausrichten und Duschgänge zum Beispiel so kurz wie möglich halten.


Vorbeugung

Bislang stehen für die Wassernesselsucht keine Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung, da die Zusammenhänge nicht abschließend geklärt sind.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Maßnahmen einer direkten Nachsorge bei der Wassernesselsucht deutlich eingeschränkt, sodass der Betroffene professionelle medizinische Betreuung aufsuchen sollten, damit es im weiteren Verlauf nicht zu Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt. Eine Selbstheilung dieser Krankheit kann sich dabei in der Regel nicht einstellen, sodass der Betroffene schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen der Wassernesselsucht einen Arzt kontaktieren sollte.

Die meisten Betroffenen sind auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen, welche die Beschwerden lindern und einschränken können. Hierbei sollten immer die Anweisungen des Arztes beachtet werden, wobei bei Fragen oder bei Unklarheiten immer zuerst der Arzt kontaktiert werden sollte. Weiterhin sollte der Auslöser der Wassernesselsucht möglichst vermieden werden. Wasserkontakt, wie beim Duschen, sollte möglichst kurz gehalten werden, um die Beschwerden nicht erneut auftreten zu lassen.

Ebenso sollte die zugrundeliegende Allergie behandelt werden, um die Wassernesselsucht zu lindern. Die meisten Betroffenen sind während der Behandlung auch auf die Hilfe und Pflege der eigenen Familie angewiesen. Die Zuwendung kann der Entstehung von Depressionen und anderen psychischen Verstimmungen mindern. In der Regel schränkt diese Krankheit die Lebenserwartung des Betroffenen nicht ein und verringert diese nicht.

Das können Sie selbst tun

Diese Erkrankung ist zwar äußerst selten, kann aber für die Betroffenen zur Qual werden. Dies betrifft nicht nur die Symptome, den Juckreiz oder die Quaddeln nach der Berührung mit Wasser, denn diese allergische Reaktion kann mit Antihistaminika behandelt werden.

Aber da die Erkrankung meist erblich bedingt ist, betrifft es die Patienten von klein auf. Sie können im Gegensatz zu ihren Schulkameraden nicht mit Wasser spielen oder im Sommer sorglos schwimmen gehen. Das kann zu Hänseleien und Mobbing führen. In diesen Fällen ist eine psychologische Betreuung anzuraten. Reagiert der Betroffene auf alle Arten von Wasser, kann dies seine Lebensqualität deutlich einschränken. Hier muss der Patient lernen, mit seiner Situation umzugehen: Handschuhe beim Kontakt mit Wasser zu benutzen, sich kurz waschen statt zu duschen etc.

Die Symptome Rötungen, Schwellungen und Juckreiz werden am besten mit Kühlung gelindert. Dazu eignen sich kühlende Gel-Kissen, die im Handel Coolpads genannt werden. Es gibt sie rezeptfrei in Apotheken. Coolpads bewahrt man am besten im Gefrierfach des Kühlschranks auf und entnimmt sie bei Bedarf. Sie sollten jedoch nicht direkt auf die geröteten, juckenden Stellen gelegt werden, da sie zum einen auch Wasser ziehen und damit die Symptome verschlimmern können. Zum anderen kann das Auflegen von kalten Coopads zu Kälteverbrennungen führen. Daher sollten die Kissen vor dem Auflegen mit einem Handtuch umwickelt werden.

Quellen

  • Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
  • Saloga, J. et al.: Allergologie-Handbuch. Schattauer, Stuttgart 2011

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