Wochenbettdepression (postnatale Depression)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Nichtbetroffene mögen zuerst stutzen - postnatale Depression oder Wochenbettdepression, eine Depression bei jungen Müttern? Gibt es so etwas überhaupt und hat die Mutter sich denn nicht auf ihr Kind gefreut? Aber ganz so einfach verhält es sich nicht.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Wochenbettdepression?

Die Symptome einer Wochenbettdepression können sich unmittelbar nach der Geburt entwickeln, können aber auch Wochen nach der Entbindung erstmals auftreten.
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Eine Wochenbettdepression (im Fachjargon: postnatale Depression) betrifft schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Mütter. Weitaus mehr Frauen, rund 70 Prozent, leiden an einer leichteren Form. Diese Form heißt umgangssprachlich "Babyblues" und besitzt keinen Krankheitswert.

Die richtige Wochenbettdepression äußert sich dagegen in Energiemangel, Schuldgefühlen, Reizbarkeit, dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Die sexuelle Lust ist eingeschränkt. Zwangsgedanken treten bei der Hälfte aller Betroffenen auf.

Auch Tötungsgedanken können bei einer Wochenbettdepression eine Rolle spielen. Dennoch töten nur 1 bis 2 von 100.000 an Wochenbettdepression erkrankte Mütter tatsächlich ihr eigenes Kind. Die Wochenbettdepression kann innerhalb der ersten beiden Jahre nach der Geburt auftreten.

Ursachen

Es gibt einige Faktoren, die die Entstehung einer Wochenbettdepression begünstigen können. Dazu gehören in erster Linie belastende Lebensumstände, wie eine schlechte Partnerschaft, finanzielle Sorgen oder traumatische Erlebnisse. Auch psychische Erkrankungen, die bereits vor der Geburt vorhanden waren, können die Entwicklung einer Wochenbettdepression begünstigen.

Ein großer Risikofaktor ist auch die soziale Isolation. Berufstätige Frauen, die plötzlich mit dem Neugeborenen zu Hause bleiben müssen, geraten leichter in eine Wochenbettdepression. Perfektionismus, Versagensängste und ein falsche Mutterbild ("die stets glückliche Mutter") stehen ebenfalls im Verdacht, eine Wochenbettdepression auszulösen.

Da auch Schilddrüsenerkrankungen ursächlich sein können, sollten Frauen nach der Geburt ihre Schilddrüse untersuchen lassen. Hormonschwankungen nach der Geburt begünstigen eine Wochenbettdepression.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome einer Wochenbettdepression können sich unmittelbar nach der Geburt entwickeln, können aber auch Wochen nach der Entbindung erstmals auftreten. Viele Mütter leiden etwa am dritten Tag nach der Geburt an einem seelischen Tief. Sie sind weinerlich, fühlen sich gestresst und überfordert.

Dies lässt sich mit der hormonellen Veränderung rund um den Einschuss der Muttermilch erklären und dem Abfallen anderer Hormone durch Beendigung der Schwangerschaft. Im Regelfall ist dieses Tief aber nach sehr wenigen Tagen überwunden. Eine länger andauernde Wochenbettdepression äußert sich vor allem dadurch, dass betroffene Frauen ständig bedrückt, unglücklich und unzufrieden wirken.

Manche äußern dies auch klar und sprechen von einer Überforderung, einem Gefühl der Entfremdung und in Einzelfällen auch vom Gefühl, das Kind nicht lieben zu können. Viele frischgebackene Mütter können oder wollen ihre Gefühle aber nicht derart klar ausdrücken. Sie fürchten, Spott und Unverständnis der Umwelt auf sich zu ziehen und leiden eher still vor sich hin.

Dies kann die Symptomatik der Wochenbettdepression wiederum verstärken. Betroffene fallen auch oft dadurch auf, dass sie glauben, dem Alltag mit dem Kind nicht gewachsen zu sein oder tatsächlich keinen geregelten Tagesrhythmus mehr schaffen. Die Pflege des Kindes kann ebenso wie die eigene Körperpflege vernachlässigt werden. In Extremfällen werden suizidale Gedanken beschrieben.

Diagnose & Verlauf

Bei einer Wochenbettdepression stellt ein Arzt die richtige Diagnose. Erster Ansprechpartner beim Verdacht auf eine Wochenbettdepression sollte der Frauenarzt sein. Er bespricht die Vorgehensweise und überweist unter Umständen die Patientin zu einem Psychologen oder in eine Ambulanz.

Es existiert ein spezialisierter Fragebogen, um die Diagnose abzusichern. Steht die Diagnose Wochenbettdepression fest, hängt der weitere Verlauf von der richtigen Therapie ab. Eine Wochenbettdepression kann einige Monate andauern. Dies führt bei den Müttern zu einem hoffnungslosen Gefühl. Es geschieht auch, dass eine Wochenbettdepression nicht diagnostiziert wird. Je später eine Wochenbettdepression behandelt wird, umso schlechter ist der Verlauf. Im schlimmsten Fall entstehen Tötungsgedanken. Weiterhin kann die an Wochenbettdepression erkrankte Frau eine gestörte Beziehung zum Kind aufbauen.

Komplikationen

Wird eine depressive Erkrankung der Mutter im Wochenbett nicht frühzeitig erkannt, hat dies fatale Auswirkungen auf die Beziehung zum Neugeborenen, oder auch zum Vater des Kindes. Auch wenn die Vorfreude groß war, kann es nun sein, dass die Mutter ihr Kind ablehnt und daher ungenügend versorgt. Das Neugeborene wird zum Beispiel nicht mehr gestillt und verliert an Gewicht.

Auch profitiert es nicht von den Abwehrstoffen, welche in der Muttermilch enthalten sind und vor jeglichen Umwelteinflüssen schützen. Bei der Mutter kommt es zuweilen zu einem schmerzhaften Milchstau, welcher die Stimmung weiter negativ beeinflusst. Auch die emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind ist gestört und führt häufig dazu, dass dem Baby auch bei starkem Schreien keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Es entwickelt dadurch Ängste, welche sich tief verwurzeln und auf das Beziehungsverhalten im Erwachsenenalter auswirken. Wird die Depression nicht rechtzeitig behandelt, kann es zum Einsatz von Gewalt kommen, zum Beispiel wenn die Mutter aus Verzweiflung das Neugeborene schüttelt oder zu fest anfässt. Neben der Mutter-Kind-Beziehung wirkt sich eine Wochenbettdepression auch auf die Beziehung zum Kindsvater aus. Wird die erkrankte Mutter beispielsweise stationär behandelt, so bedeutet dies entweder, dass ihm der Kontakt zu Frau und Kind entzogen oder ihm aber die Verantwortung vollkommen übergeben wird.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Der Zustand der emotionalen Überforderung tritt häufig bei jungen Müttern auf. In vielen Fällen wird kein Arzt benötigt, da sich der Zustand selbstständig reguliert und harmonisiert. Unmittelbar nach der Entbindung kommt es zu einer hormonellen Umstellung im Organismus. Dieser kann zu starken Stimmungsschwankungen, einem weinerlichen Verhalten sowie diffusen Ängsten führen. Bei einem stabilen sozialen Umfeld und ausreichendem Verständnis, ist nach einigen Tagen oder Wochen bereits eine Linderung der Beschwerden wahrzunehmen.

Häufig tritt ganz selbstständig eine Heilung ein. Nehmen die vorhandenen Unregelmäßigkeiten jedoch an Intensität zu, sollte die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der Hebamme gesucht werden. Hat die junge Mutter das Gefühl, nicht ausreichend für ihren Nachwuchs sorgen zu können, ist die Rücksprache mit einem Mediziner anzuraten. Bei einem Gefühl der tiefen Unzufriedenheit, Nutzlosigkeit sowie Apathie sollte medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden.

Zeigen sich Symptome wie Appetitlosigkeit, Verwahrlosung oder eine nicht enden wollende Traurigkeit, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei einer Überempfindlichkeit, starken Stimmungsschwankungen und der Unfähigkeit den Alltag zu bewältigen, ist die Konsultation eines Arztes angezeigt. Entwickeln sich suizidale Gedanken oder berichtet die Betroffene von Plänen zur Beendigung ihres Lebens, muss unverzüglich gehandelt werden. Angehörige oder enge Vertraute sind in der Verpflichtung, Hilfe zu holen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlungsmöglichkeiten einer Wochenbettdepression sind sehr gut. In aller Regel heilt sie problemlos wieder aus. Doch Selbsthilfe reicht in den meisten Fällen nicht aus. Dauern die Symptome länger als zwei Wochen an, muss sich die Mutter Hilfe suchen. Besitzt die Wochenbettdepression einen schweren Grad, muss die professionelle Hilfe unverzüglich erfolgen. Manchmal ist auch ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer speziellen Klinik vonnöten, um die Mutter wieder zu stabilisieren. In manche Kliniken darf das Baby mitgenommen werden, um die Beziehung nicht zu stören.

Als Behandlungsmethoden kommen je nach Schweregrad und Ursache mehrere Methoden zum Einsatz: Psychotherapie, Hormontherapie, systemische Familientherapie oder Musiktherapie. Unterstützend werden in vielen Fällen Psychopharmaka gegeben. Naturheilkundliche Verfahren können ebenfalls eine Wochenbettdepression lindern. Hier ist besonders Akupunktur zu nennen.

Rezeptfreie Medikamente sind mit Vorsicht zu genießen. Sie können in die Muttermilch übergehen und dem Kind schaden. Bei leichteren Formen ist es möglich, dass bereits ein Geprächskreis mit anderen Betroffenen eine Wochenbettdepression lindern kann.

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Vorbeugung

Damit es nicht zu einer Wochenbettdepression kommt, kann die Mutter bereits vor der Geburt einige Vorkehrungen treffen. Sie kann für ein soziales Netz sorgen und für Hilfe nach der Geburt. So sollte der Partner Urlaub nehmen, um die erste Zeit mit dem Baby gemeinsam zu beginnen. Falls Geschwisterkinder im Haus sind, sollte sich die Mutter auch hier Unterstützung holen. So kann die Oma oder eine Freundin mit dem größeren Kind spielen, während die Mutter das Baby stillt. Es geht also um Entlastung, damit es nicht zu dem Gefühl kommt: Ich schaffe das alles nicht!

Nachsorge

Das Krankheitsbild einer Wochenbettdepression sowie ihr Verlauf können sich bei den betroffenen Frauen ganz unterschiedlich äußern. Daher ist es nicht möglich, allgemeine Aussagen über etwaige Maßnahmen zur Nachsorge zu treffen. In den meisten Fällen ist es nach einer postnatalen Depression empfehlenswert, zumindest den Hausarzt weiterhin regelmäßig aufzusuchen.

Dies ist vor allem dann notwendig, wenn die Betroffenen medikamentös behandelt werden. Außerdem sollten Patientinnen, die bereits in der Vergangenheit unter Depressionen oder unter einer Wochenbettdepression litten, auch nach einer Heilung medizinisch intensiv betreut werden, da bei ihnen ein besonders hohes Rückfallrisiko besteht. Von einem eigenwilligen Absetzen von Psychopharmaka oder einer Reduzierung der Dosis ist dringend abzuraten.

Darüber sollte stets ein Mediziner entscheiden. Zudem empfiehlt es sich, sich weiterhin psychotherapeutisch oder psychiatrisch behandeln zu lassen. Ob dies notwendig ist, sollte jedoch in Absprache mit dem behandelnden Arzt geklärt werden. Insbesondere bei Patientinnen, die schon von der Wochenbettdepression unter psychischen Erkrankungen litten, ist eine solche Behandlung anzuraten.

In wenigen Fällen ist eine medizinische Betreuung zur Nachsorge nach einer Wochenbettdepression nicht notwendig. Die betroffenen Frauen sollten dennoch psychische Belastung vermeiden und bei einem Rückfall unbedingt den Hausarzt oder einen Psychiater konsultieren.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Wochenbettdepression ist die Unterstützung durch den Partner, Familienangehörige und Freunde für viele Frauen wichtig. In einigen Städten organisieren sich Betroffene in Selbsthilfegruppen, um sich regelmäßig zu treffen und über die postnatale Depression auszutauschen. Die Teilnehmer unterstützen einander dabei emotional und helfen sich gegenseitig, Lösungsansätze für konkrete Probleme zu finden. Diese Form der sozialen Unterstützung durch andere Betroffene kann Vorteile haben, ist jedoch kein gleichwertiger Ersatz für eine richtige Behandlung. Auf dem Land fehlen Selbsthilfegruppen für Wochenbettdepressionen meistens, sodass entsprechende Onlinegruppen eine mögliche Alternative bilden.

Manchen Frauen mit postnataler Depression hilft es, sich immer wieder wohltuende Momente zu gönnen, zum Beispiel ein warmes Bad zu nehmen oder Entspannungsmusik zu hören. Kleine Auszeiten im Alltag können dazu beitragen, die psychische Belastung insgesamt zu verringern. Einige Patientinnen profitieren davon, sich kleine Ziele zu setzen, die sie realistisch erreichen können – beispielsweise einen Spaziergang zu machen oder eine bestimmte Aufgabe im Haushalt zu erledigen. Eine solche Verhaltensaktivierung kann zu Erfolgserlebnissen im Alltag führen, die motivieren. Lange To-do-Listen sind hingegen oft kontraproduktiv, da sie zu Frustration führen können.

Einige Experten empfehlen eine gesunde Ernährung, Bewegung und genügend Schlaf, um einer weiteren Verschlechterung der Stimmung entgegenzuwirken. Verschiedene Studien zeigen, dass Sport depressive Symptome verringern kann.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
  • Stiefel, A., Geist, C., Harder, U.: Hebammenkunde: Lehrbuch für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Beruf. Hippokrates, Stuttgart 2012

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