Amyotrophe Lateralsklerose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine Nervenerkrankung, die zu allmählicher Bewegungsunfähigkeit und Lähmung der Muskeln führt. Die Krankheit ist fortschreitend und nicht heilbar. Allerdings können unterstützende Therapien den Verlauf verlangsamen und günstig beeinflussen.
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Was ist eine amyotrophe Lateralsklerose?
Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, in deren Verlauf die Skelettmuskulatur nicht mehr ausreichend ernährt wird und verkümmert.
Die Skelettmuskeln werden für willkürliche Bewegungen gebraucht, das heißt beispielsweise für die Bewegung von Armen und Beinen. Normalerweise werden vom Gehirn aus über das Rückenmark Nervenimpulse an die Muskeln gesendet und damit die Bewegung ausgelöst. Bei der amyotrophen Lateralsklerose werden die Nervenzellen, die sogenannten Motoneuronen, derart geschädigt, dass sie keine Impulse mehr an die Muskeln weiterleiten können.
Dies führt dazu, dass Reflexe nicht mehr funktionieren und allmählich keine Bewegungen mehr möglich sind. Die Muskeln atrophieren (verkümmern) und versteifen. Die amyotrophe Lateralsklerose tritt hauptsächlich zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Es gibt zwei Formen von amyotropher Lateralsklerose. Die sporadische Form, das heißt sie tritt nur vereinzelt auf, und die familiäre Form, die gehäuft in Familien vorkommt.
Ursachen
Die Ursachen der amyotrophen Lateralsklerose sind bis heute noch unerforscht. Man weiß zwar, dass bei der familiären Form genetische Gründe vorliegen, doch diese Form tritt viel seltener auf als die sporadische amyotrophe Lateralsklerose.
Die Symptome der Krankheit entstehen durch eine Verkümmerung von Nervenzellen und bestimmten Gehirnarealen, die für die Bewegung der Skelett- und der Gesichtsmuskeln verantwortlich sind. Warum jedoch diese Degeneration stattfindet, ist noch ungeklärt. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2011 lassen vermuten, dass ein gestörter Eiweiß-Stoffwechsel Auslöser der amyotrophen Lateralsklerose ist. Man nimmt an, dass sich geschädigte Proteine in den Nervenzellen in Rückenmark und Gehirn einlagern und diese absterben lassen. Man sieht hier eine Parallele zur Alzheimer Demenz, für die ebenfalls Eiweiße die Auslöser sind.
Die Tatsache, dass bei Betroffenen der familiären amyotrophen Lateralsklerose eine Mutation (Veränderung) des Gens gefunden wurde, das für die Verwertung von geschädigten Eiweißen zuständig ist, stärkt die Annahme einer Beteiligung von Eiweißen an der Erkrankung.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) werden durch die zunehmende Zerstörung von Nervenzellen hervorgerufen, welche für die Muskelbewegungen verantwortlich sind. Allerdings können sowohl Krankheitsbeginn als auch Krankheitsverlauf unterschiedliche Formen aufweisen. Manchmal beginnt die Erkrankung mit kleinen motorischen Ausfällen wie ständiges Stolpern oder Hinfallen.
Oft gibt es Probleme beim Halten von Gegenständen, die durch Muskelschwäche oder Lähmungen der Muskulatur verursacht werden. Seltener treten zum Beginn von ALS bereits Sprach- oder Schluckbeschwerden auf. Es ist nicht möglich, den genauen Verlauf der Erkrankung vorherzusagen. Dieser richtet sich danach, in welcher Reihenfolge bestimmte Nervenzellen absterben.
Immer handelt es sich jedoch um einen irreversiblen Prozess, der ständig weiter voranschreitet und schließlich zum Tod führt. Typisch für ALS sind schmerzlose Lähmungen der Muskulatur, die mit erhöhter Muskelspannung kombiniert sind. Mit Ausnahme des Herzmuskels, der Augenmuskeln sowie der Schließmuskeln von Darm und Blase können ansonsten alle Muskelgruppen von den Ausfällen betroffen sein.
Innerhalb der betroffenen Muskeln kommt es zu unwillkürlichen, aber schmerzlosen Muskelzuckungen. Des Weiteren sind die betroffenen Bereiche kraftlos. Es kommt dort zu Muskelkrämpfen und Muskelversteifungen. Früher oder später treten in vielen Fällen Schluck- und Sprachstörungen auf.
Im Rahmen der Schluckstörungen können Teile der Nahrung eingeatmet werden und so in die Atmungsorgane gelangen. Der Tod tritt nach einer mittleren Verlaufszeit der Krankheit von drei bis fünf Jahren durch Lungenentzündung aufgrund der Nahrungsaspiration, Ersticken, Nahrungsverweigerung oder Infektionskrankheiten ein.
Diagnose & Verlauf
Die Symptome der amyotrophen Lateralsklerose sind sehr unterschiedlich. Meist beginnt es mit diversen Ungeschicklichkeiten, die hauptsächlich Arme und Beine betreffen. Man stößt sich beim Laufen die Zehen oder stolpert oder hat Schwierigkeiten Gegenstände in der Hand zu halten und koordinierte Bewegungen auszuführen.
Auch kann die amyotrophe Lateralsklerose mit Problemen beim Sprechen oder Schlucken beginnen, je nachdem ob zuerst die Gehirnareale oder die Motoneuronen geschädigt sind. Auch der weitere Verlauf zeigt sich von Mensch zu Mensch anders und ist wenig voraussagbar. Manche Patienten leiden an schmerzlosen Lähmungen, andere neigen zu spastischen (verkrampfenden) Anfällen und Zuckungen in den Muskeln.
Durch die Degeneration der Sprechmuskeln wird die Sprache immer undeutlicher. Da die amyotrophe Lateralsklerose fortschreitend ist, reduzieren sich mit der Zeit immer mehr Funktionen des Körpers. Jedes einzelne der Symptome kann aber auch das Zeichen einer anderen Erkrankung sein und daher ist eine ärztliche Abklärung unbedingt nötig.
Die Diagnostik muss über ein Ausschlussverfahren stattfinden, da es keine eindeutige Untersuchungsmethoden für amyotrophe Lateralsklerose gibt. In der Regel werden Blutuntersuchungen, Magnetresonanztomographie (MRT), neurophysiologische Untersuchungen und eventuell eine Liquoruntersuchung (Untersuchung des Gehirnwassers) durchgeführt.
Komplikationen
Bei einer Amyotrophen Lateralsklerose (kurz: ALS) kommt es zu einer progressiven Zerstörung der Motoneurone, so dass sich der Betroffene im Verlauf immer weniger willkürlich bewegen kann und anschließend eine schwere Invalidität verursacht. Die Patienten sind auf den Rollstuhl angewiesen und sind pflegebedürftig, die Lebensqualität ist somit sehr stark eingeschränkt. Dies kann beim Betroffenen, aber auch bei den Angehörigen zu einer schweren Depression führen.
Typischerweise sind beim Patienten die Nerven betroffen, die für die Schluckmuskulatur zuständig sind, so dass ein richtiges Schlucken nicht mehr richtig funktioniert. Zudem verschlucken sich ALS-Patienten leichter und so können Nahrungsreste in die Luftröhre gelangen. Da die Betroffenen nicht mehr stark genug husten können, bekommt die Person eine starke Atemnot und kann im schlimmsten Falle ersticken.
Daneben kann der Fremdkörper die Bronchien und die Lunge stark reizen, so dass im Verlaufe eine Lungenentzündung entstehen kann. Diese kann mitunter für den Patienten tödlich verlaufen. Bei der ALS kommt es später auch zu einer Schwächung und anschließend auch Lähmung der Atemmuskulatur, so dass das Atmen schwer beeinträchtigt wird und die Patienten auf Beatmung angewiesen sind.
In den späten Stadien kommt es zu einer Paralyse des Patienten und Ende der Atmung, der Tod des Betroffenen tritt ein. Die durchschnittliche Überlebenszeit eines ALS-Patienten nach Feststellung der Diagnose beträgt drei bis fünf Jahre.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Problem an der Amyotrophen Lateralsklerose ist, dass sie mit beeinträchtigenden, aber relativ unspezifischen Symptomen beginnt. Diese sind jedoch in ihren Auswirkungen so massiv, dass die Betroffenen sofort zum Arzt gehen sollten. Die Ursache von Greifstörungen oder Lähmungen, Muskelzittern oder Muskelschwund, Schluckstörungen und Krämpfen sollte abgeklärt werden. Der Besuch bei einem Neurologen ist notwendig.
Die Diagnostik beim Neurologen ist umfangreich. Zunächst müssen andere neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Polyneuropathien, Gehirnblutungen, entzündliche Nervenerkrankungen und Ähnliches ausgeschlossen werden. Ein konkreter Nachweis, an dem ein fachkundiger Mediziner eine ALS diagnostizieren könnte, fehlt bisher. Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose.
Wenn feststeht, dass es sich tatsächlich um Amyotrophe Lateralsklerose bzw. ALS handelt, wird es für den behandelnden Arzt schwierig. Denn eine Therapie, die heilen könnte, gibt es bis heute nicht. Die Ärzte können die Amyotrophe Lateralsklerose lediglich begleitend behandeln bzw. den Verlauf der Krankheit um einige Zeit verzögern.
Die hinzugezogenen Ärzte bemühen sich darum, bei ALS-Patienten so lange als möglich die Beschwerden zu erleichtern. Dafür können neben Fachärzten auch Logopäden, Physiotherapeuten oder Ergotherapeuten herangezogen werden. Medikamente sorgen dafür, dass allzu belastende Folgeerscheinungen der Amyotrophen Lateralsklerose in Schach gehalten oder abgemildert werden. Da der Verlauf der ALS invididuell unterschiedlich sein kann, sind auch die Therapiemaßnahmen unterschiedlich.
Behandlung & Therapie
Die Heilung der amyotrophen Lateralsklerose ist bis heute noch nicht möglich. Es stehen aber verschiedene Therapien zur Verfügung, die den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen und verlangsamen können. Zum einen wird eine medikamentöse Behandlung angewendet, welche an den Nervenzellen wirkt und sie schützt.
Der Schutz der Nervenzellen bewirkt, dass sie länger funktionieren und nicht so schnell absterben. Allerdings gibt es bis heute nur ein einziges Medikament, das erfolgreich bei amyotropher Lateralsklerose eingesetzt wird. Unterstützend wird symptomatisch behandelt, das heißt die Beschwerden werden gelindert.
Zur symptomatischen Therapie gehören hauptsächlich Physiotherapie und Ergotherapie. Schienen und Gehhilfen unterstützen die Muskeln, man trainiert schwächer werdende Muskelgruppen und behandelt Schluck- und Sprechstörungen. Da im fortgeschrittenen Stadium von amyotropher Lateralsklerose auch die Atemmuskulatur schwächer wird, unterstützt man auch die Atemfunktionen.
Aussicht & Prognose
Durch diese Krankheit leiden die Betroffenen an einer deutlichen Verringerung der Lebensqualität und auch an weiteren Einschränkungen im Alltag. In einigen Fällen sind die Betroffenen dann auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können den Alltag nicht mehr alleine meistern.
Die Patienten leiden dabei vor allem an starken Lähmungen und an anderen Gefühlsstörungen. Diese können dabei in allen Regionen des Körpers auftreten und damit den Alltag einschränken. Die Betroffenen wirken dabei ungeschickt und leiden weiterhin an Sprachstörungen oder an Schluckstörungen. Durch diese Störungen kann auch die Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten deutlich erschwert werden, sodass es zu einer Unterernährung oder zu Mangelerscheinungen kommt.
In vielen Fällen kann die Krankheit auch nicht früh diagnostiziert werden, da die Symptome nur langsam und schleichend eintreten. Auch die Verständigung mit anderen Menschen kann durch die Krankheit deutlich eingeschränkt sein. Die Patienten leiden weiterhin nicht selten an einer starken Müdigkeit oder an Kopfschmerzen. Die Müdigkeit kann dabei in der Regel nicht durch Schlaf ausgeglichen werden. Auch Störungen der Konzentration und der Koordination treten auf.
Es kann in der Regel nicht vorausgesagt werden, ob eine direkte Behandlung möglich ist. Einige Beschwerden können dabei eingeschränkt werden. Eine vollständige Heilung ist in der Regel nicht möglich.
Vorbeugung
Ein Vorbeugen gegen amyotrophe Lateralsklerose ist nicht möglich. Allerdings wirkt sich eine Behandlung in einem frühen Stadium der Krankheit sehr positiv auf den Verlauf aus und verlangsamt das Fortschreiten der Symptome.
Nachsorge
Da die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) progredient verläuft und am Ende immer tödlich ist, ist der Begriff Nachsorge eigentlich unzutreffend. Vielmehr geht es darum, durch eine Dauerbehandlung die immer weiter um sich greifenden Symptome für den Patienten aushaltbar und erträglicher zu machen. Die Beschwerdelage dieser neurodegenerativen Erkrankung ist komplex. Entsprechend intensiv ist die medizinische Betreuung während der gesamten Zeit, die der ALS-Patient noch vor sich hat.
Statt einer Nachsorge, die konzeptuell von einer späteren Heilung oder Besserung ausgeht, kann bei Amyotrophe Lateralsklerose lediglich eine Mitbehandlung durch Pysiotherapeuten, Psychologen oder andere Instanzen angezeigt sein. Die Betroffenen sind während der gesamten Erkrankungsdauer und im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auf umfangreiche Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen - auch technischer Art - angewiesen. Dadurch kann ihnen eine möglichst gute Lebensqualität geschenkt werden. ALS-Betroffene benötigen zum Beispiel im fortgeschrittenen Stadium eine spezielle Ernährung.
Mit Beatmungsmaßnahmen und der Hilfe von Sprachcomputern oder elektrischen Rollstühlen kann der ALS-Patient seine Mobilität und Teilhabe am Leben wenigstens im machbaren Umfang sicherstellen. Ob allerdings allen ALS-Patienten gleichermaßen sämtliche therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, darf bezweifelt werden. Mit Maßnahmen der Physiotherapie oder Ergotherapie kann aber einiges für die Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose getan werden. Eine symptomatische Behandlung und Betreuung ist möglich, mehr aber nicht.
Das können Sie selbst tun
Die Diagnose „Amyotrophe Lateralsklerose“ stellt für die Betroffenen eine große Belastung dar. Eine psychotherapeutische Beratung oder der Austausch in einer Selbsthilfegruppe kann dabei helfen, sich auf die neue Situation einzustellen.
Um den Alltag möglichst lange ohne Hilfe zu meistern, ist die Erhaltung der Mobilität äußerst wichtig. Regelmäßige Physio- und Ergotherapie trägt dazu bei, an die Erkrankung angepasste Bewegungsabläufe zu erlernen und bereits auftretende Einschränkungen mit dem Einsatz von Hilfsmitteln auszugleichen. Durch eine frühzeitige Anpassung des häuslichen Umfelds können gewohnte Tagesabläufe oft noch längere Zeit beibehalten werden.
Zur Unterstützung bei Tätigkeiten im Haushalt stehen Greifhilfen, Spezialbestecke und elektrische Haushaltsgeräte zur Verfügung, die fehlende Muskelkraft bis zu einem gewissen Grad kompensieren. Auch die Körperpflege wird durch den Einsatz von Hilfsmitteln erleichtert. Die Mobilität kann mit Gehhilfen oder – im fortgeschrittenen Stadium – einem Elektrorollstuhl aufrechterhalten werden.
Eine logopädische Therapie kann Sprechstörungen entgegenwirken, bei zunehmender Muskelschwäche hilft der Logopäde bei der Auswahl eines geeigneten Kommunikationsmittels. Bereitet das Schlucken Probleme, kann eine Schlucktherapie und eine auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Zubereitung der Speisen Linderung bringen. Physiotherapeutische Maßnahmen, die in vielen Fällen mit dem Gebrauch eines Absauggeräts und der Assistenz einer betreuenden Person kombiniert werden, unterstützen die Atmung und das Abhusten von Sekreten.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012