Bioverfügbarkeit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Bioverfügbarkeit

Die Bioverfügbarkeit ist eine messbare Größe, die sich auf den Wirkstoff von Arzneimitteln bezieht. Der Wert entspricht dem Prozentsatz eines Wirkstoffs, der in unveränderter Form zur systemischen Verteilung im Organismus gelangt. Damit entspricht die Bioverfügbarkeit der Geschwindigkeit und dem Umfang, in dem eine Arznei zur Resorption gelangt und an ihrem Bestimmungsort ihre Wirkung entfalten kann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Bioverfügbarkeit?

Die Bioverfügbarkeit ist eine messbare Größe, die sich auf den Wirkstoff von Arzneimitteln bezieht.

Die Bioverfügbarkeit ist ein pharmakologischer Begriff, der sich auf den Prozentsatz eines Wirkstoffs in einer bestimmten Arzneimitteldosis bezieht, welcher in unveränderter Form dem System- und Blutkreislauf zur Verfügung steht. Damit entspricht die Bioverfügbarkeit einer Messgröße für die Geschwindigkeit und den Umfang, in dem ein bestimmtes Arzneimittel zur Resorption kommt und letztlich seinen jeweiligen Wirkort erreicht.

Ein Sondermaß der Bioverfügbarkeit ist die absolute Bioverfügbarkeit. Intravenös verabreichte Medikamenten besitzen definitionsgemäß eine 100-prozentige Bioverfügbarkeit. Die absolute Bioverfügbarkeit ist daher die Bioverfügbarkeit eines Medikaments im Vergleich zu seiner intravenösen Gabe. Von der relativen Bioverfügbarkeit ist immer dann die Rede, wenn eine Darreichungsform eines Wirkstoffs mit einer anderen Form der Darreichung verglichen wird.

In der Pharmakokinetik entspricht die Bioverfügbarkeit vor allem im Zusammenhang mit der Arzneimittelzulassung einer wichtigen Größe.

Funktion & Aufgabe

Nach der Einnahme eines bestimmten Arzneimittels stehen dessen Wirkstoffe nicht unmittelbar im Körper zur Verfügung. Oral gegebene Arzneien müssen zum Beispiel erst den Magen-Darm-Trakt durchlaufen, wo sie von den Darmwänden resorbiert und erst danach ins Blut aufgenommen und zur Leber weitergeleitet werden. Die Dauer, bis der Stoff das Plasma erreicht und über die Blutbahnen an die vorgesehene Stelle transportiert wird, entspricht der Bioverfügbarkeit.

Die Bioverfügbarkeit ist damit eine messbare Größe und wird auf Arzneimitteln oft offiziell angegeben. Zur Messung der Größe wird zum Beispiel nach der oralen Gabe des jeweiligen Arzneimittels oder Wirkstoffes dessen Konzentration im Plasma zu verschiedenen Zeitabschnitten ermittelt. Aus den Messungen entsteht in der Regel ein Diagramm mit kurvenartigem Verlauf, das die Anflutung des verabreichten Mittels oder Wirkstoffs sichtbar macht. Was sich unter der Kurve befindet, wird AUC genannt und entspricht einer geschlossenen "area under the curve". Diese Fläche zeigt ein proportionales Verhalten zu der jeweiligen Menge an Wirkstoffen, die mit der Gabe den Organismus erreicht haben. Zur Berechnung der absoluten Bioverfügbarkeit stehen Formeln zur Verfügung. Die Formel F = AUC (peroral) / AUC (intravenös) ergibt die absolute Größe.

Bei Arzneimitteln ist die Größe der Bioverfügbarkeit zur Ermittlung der Bioäquivalenz entscheidend. Von Bioäquivalenz ist immer dann die Rede, wenn zwei Arzneimittel wirkstoffgleich und zugleich gegeneinander austauschbar sind, obwohl sie im Herstellungsprozess oder in ihren Hilfsstoffen voneinander abweichen. Wenn beide Arzneimittel denselben Wirkstoff haben, aber unterschiedliche Bioverfügbarkeit aufweisen, sind sie nicht bioäquivalent und lassen sich daher nicht miteinander austauschen.

Zur Beeinflussung der Bioverfügbarkeit stehen der Arzneimittelindustrie sogenannte Bioenhancer zur Verfügung. Sie steigern die Bioverfügbarkeit, indem sie die Resorption bestimmter Stoffe im Darm erhöhen. Zusätzlich hemmen sie den Abbau der Stoffe innerhalb der Leber und verbessern die Bindungsmöglichkeiten der Wirkstoffe an den vorgesehenen Bindungsstellen. Darüber hinaus steigern einige Bioenhancer die Möglichkeit, dass Wirkstoffe die Blut-Hirn-Schranke überwinden.


Krankheiten & Beschwerden

Unter bestimmten Umständen kann sich die Bioverfügbarkeit bestimmter Wirkstoffe oder Arzneimittel vermindern. So kann es zum Beispiel zum Abbau der Arzneimittel und Wirkstoffe kommen, wenn die Arznei bei oraler Gabe das erste Mal die Leber passiert. Dieser Effekt ist als First-Pass-Effekt bekannt. Nach der Resorption erreicht der Wirkstoff via Pfortader die Leber. Dort wird er von den Zellen der Leber teilweise verstoffwechselt. Auf diese Weise erreicht nur ein Teil der eigentlich enthaltenen Wirkstoffe noch die untere Hohlvene. Damit kann auch nur der übriggebliebene Teil der Arznei zur systemischen Verteilung genutzt werden.

Der First-Pass-Effekt wird meist über parenterale, sublinguale, rektale oder bukkale Gabe des Arzneimittels umgangen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Gabe von sogenannten Prodrugs dar. Diese Arzneimittel enthalten inaktive oder zumindest wenig aktive Stoffe, die erst nach der Metabolisierung durch die Leber eine aktive Wirkform erreichen. Prodrugs sind immer dann von hoher Bedeutung, wenn ein eigentlich aktiver Wirkstoff bei der oralen Verabreichung überhaupt nicht, vermindert oder unzureichend selektiv am gewünschten Wirkungsort ankommt. Das Prodrug-Konzept verbessert die pharmakokinetischen Eigenschaften der Wirkstoffe und verbessert mit der oralen Resorption auch die Bioverfügbarkeit der Arzneien, indem der First-Pass-Effekt vermindert wird oder bestimmte Arzneistoff die Befähigung erhalten, durch die Blut-Hirn-Schranke hindurchzutreten.

Die Bioverfügbarkeit eines Arzneimittels kann sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Der Anteil der systemisch verteilten Wirkstoffe hängt bei jedem Medikament zum Beispiel stark von der jeweiligen Funktion der Leber ab und wird nicht allein von den chemischen Eigenschaften der Arznei beeinflusst. So steigt die Bioverfügbarkeit bei Menschen mit bestimmten Lebererkrankungen beispielsweise automatisch an. Dasselbe gilt für ältere Menschen, deren Leber aus altersphysiologischen Gründen nur vermindert funktionsfähig ist.

Bei Patienten mit einer Lebererkrankung kann die Standarddosierung eines bestimmten Medikaments so zu gefährlichen Konzentrationen der Wirkstoffe im Plasma führen und auf diese Weise unerwünschte Wirkungen entfalten. Die Kenntnis über die Leberwerte von Patienten ist daher eine der wichtigsten Grundlagen zur Entscheidung für eine bestimmte Arzneimitteltherapie oder ein bestimmtes Medikamentenmanagement.

Quellen

  • Aktories, K., Förstermann, U., Hofmann, F.B., Starke, K.: Repetitorium Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Urban & Fischer, München 2009
  • Dingermann, T., et al.: Pharmazeutische Biologie. Springer, Berlin 2002
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

Das könnte Sie auch interessieren