Blut-Hirn-Schranke

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Blut-Hirn-Schranke dient als natürliche Barriere zwischen Zentralnervensystem (ZNS) und Blutkreislauf. Sie erlaubt nur einen selektiven Stofftransport. Störungen der Blut-Hirn-Schranke können zu schweren Erkrankungen des Gehirns führen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Blut-Hirn-Schranke?

Die Blut-Hirn-Schranke regelt neben ihrer Schutzfunktion für das ZNS vor schädlichen Einflüssen auch die Transportprozesse zwischen Blutkreislauf und Gehirn.
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Die Blut-Hirn-Schranke grenzt die Milieubedingungen im Gehirn und im Blutkreislauf voneinander ab. Im Hirn laufen sehr komplexe und fein abgestimmte Vorgänge ab, dessen Störung unabsehbare Folgen hätten. Die Blut-Hirn-Schranke sorgt deshalb für den Schutz des ZNS vor Krankheitserregern, Giften, Antikörpern, Leukozyten, vor dem Einfluss der im Blut befindlichen Neurotransmitter sowie vor Veränderungen des PH-Wertes.

Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass das ZNS mit den grundlegenden Nährstoffen und Substanzen, die für seine Funktion notwendig sind, versorgt wird. Das Gleiche gilt auch für den Abtransport von Abbauprodukten des Hirnstoffwechsels. Deshalb ist die Barriere nicht vollkommen hermetisch abgeschlossen, sondern selektiv durchlässig. Der Transport von wichtigen Substanzen zwischen Blutkreislauf und Gehirn wird durch passive und aktive Diffusionsprozesse sowie selektive chemische Prozesse reguliert. Lebensnotwendige Moleküle, wie Wasser, Sauerstoff und wichtige Nährstoffe, können die Blut-Hirn-Schranke uneingeschränkt passieren.

Anatomie & Aufbau

Die Blut-Hirn-Schranke besteht aus den Endothelzellen, den Perizyten und den Astrozyten. Die Endothelzellen bilden die innerste Wandschicht der Kapillaren. Unter anderem regulieren diese Zellen den Stoffaustausch zwischen Gewebe und Blut.

In der Blut-Hirn-Schranke besitzen die Endothelzellen sogenannte Tight Junctions. Das sind schmale Bänder aus Membranproteinen, welche die Endothelzellen so fest miteinander verbinden, dass sie eine für viele Substanzen undurchlässige Schicht bilden. Nur sehr kleine Moleküle können durch diese Schicht diffundieren. Der Stoffaustausch zwischen Zelle und Zellzwischenraum wird so weitgehend unterbunden. Die Perizyten wiederum befinden sich an der Außenwand der Kapillaren und sind Bindegewebszellen. Sind sind über Zell-Zell-Kanäle, den Gap Junctions, mit den Endothelzellen verbunden.

Das Zusammenwirken beider Zelltypen über diese Kanäle steuert das Membranpotenzial, welches für die selektive Diffusion von Substanzen verantwortlich ist. Die Astrozyten stellen als sogenannte Spinnenzellen die Mehrheit der im ZNS enthaltenden Gliazellen dar. Sie versorgen die Neuronen über die Kontakte zum Blutgefäß mit Nährstoffen. In ihrer Membran befinden sich Rezeptoren für Neurotransmitter. Außerdem induzieren sie durch die Membrana limitans glialis perivascularis (eine, die Blutgefäße des Gehirns umgebende, Grenzmembran) die Blut-Hirn-Schranke und halten sie gleichzeitig aufrecht.

Funktion & Aufgaben

Die Blut-Hirn-Schranke regelt neben ihrer Schutzfunktion für das ZNS vor schädlichen Einflüssen auch die Transportprozesse zwischen Blutkreislauf und Gehirn. So gibt es verschiedene physikalische und chemische Prozesse, die diesen Transport steuern. Die meisten löslichen Substanzen, die überhaupt diese Barriere überwinden können, passieren sie durch Diffusion. Da die Blut-Hirn-Schranke durch Tight Junctions dicht verschlossen ist, kann die Diffusion nicht wie bei anderen Organen über Interzellularspalten erfolgen.

Über die Kapillargefäße des Gehirns können die Substanzen nur durch einen transmembranen Transport weitergeleitet werden. Die freie Diffusion stellt die einfachste Form dieses Transportes dar. Kleine lipophile Moleküle können passiv durch die Zellmembranen der Epithelien und sogar durch die Tight Junctions diffundieren. Kleine polare Moleküle, wie Wasser, unterliegen der kanalvermittelten Permeabilität. Bestimmte Kanal-Proteine, die Aquaporine, vermitteln den Transport des Wassers durch die Blut-Hirn-Schranke und regulieren somit gleichzeitig den Wasserhaushalt des Gehirns. Für große und polare, aber lebensnotwendige Nährstoffmoleküle, wie etwa Glucose oder viele Aminosäuren, gibt es bestimmte Transportmoleküle, welche die Diffusion der entsprechenden Stoffe erleichtern.

Da bei diesen Formen der Diffusion keine Energie benötigt wird, handelt es sich um passive Diffusionen. Es gibt jedoch auch Substanzen, die nur unter dem Einsatz von ATP, also durch Energiezufuhr, transportiert werden können. Aktive Transporter sind sogenannte "Pumpen", die die Substrate unter Energieaufwand auch gegen das Konzentrationsgefälle befördern. Ausgewählte Moleküle überwinden die Blut-Hirn-Schranke auch mithilfe von speziellen Rezeptoren, die eigens für deren Transport verantwortlich sind.

Krankheiten

Störungen der Blut-Hirn-Schranke können zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen führen. Ausgangserkrankungen, wie Diabetes mellitus, Entzündungen im Gehirn oder Hirntumoren, schädigen häufig diese Barriere.

Langfristige Folgen sind Hirnschädigungen. Bestimmte Erreger können die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Dazu gehört unter anderem der HI-Virus. Auch manche Bakterien, wie beispielsweise das Escherichia coli, überwinden manchmal die Schutzmechanismen der Barriere durch Ausschüttung spezieller Toxine. Wenn Zellen für die körpereigene Immunabwehr die Blut-Hirn-Schranke überwinden, kann sich daraus das Krankheitsbild der multiplen Sklerose entwickeln. Untersuchungen haben ergeben, dass auch neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer, die Barriere zwischen Hirn und Blutkreislauf durchlässig machen.

Möglicherweise ist das der Ausgangspunkt für den weitgehenden Untergang der Hirnzellen. Ein Hauptrisikofaktor für neurologische Erkrankungen ist bekanntlich der Alkoholmissbrauch. Chronischer Alkoholkonsum schädigt die Blut-Hirn-Schranke mit unabsehbaren Folgen. Durch die Funktionsstörungen der Barriere werden bakterielle Infektionen und autoimmunologisch induzierte Entzündungsreaktionen im Gehirn begünstigt. Auch Nikotinmissbrauch stellt einen Risikofaktor hinsichtlich der Schädigung der Blut-Hirn-Schranke dar. Nikotin begünstigt kardiovaskuläre Erkrankungen, die wiederum großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns haben.

Raucher haben ein höheres Risiko, an bakterieller Meningitis zu erkranken. Untersuchungen haben ergeben, dass der Aufbau der Blut-Hirn-Schranke durch Nikotin verändert wird. Die Tight-Junction-Proteine sind anders verteilt und können ihre Funktion nicht mehr vollständig wahrnehmen. Auch der Einfluss von elektromagnetischer Strahlung auf die Blut-Hirn-Schranke wird diskutiert. Dabei sind ihre negativen gesundheitlichen Wirkungen für den Mega- bis Gigahertz-Bereich für hohe Energiedichten belegt. Die hohe Energiedichte der elektromagnetischen Strahlung führt zu einer messbaren Erwärmung im betroffenen Gewebe. Inwieweit eine Erwärmung die Blut-Hirn-Schranke schädigt, muss noch untersucht werden.


Typische & häufige Gehirnerkrankungen

Quellen

  • Benninghoff/Drenckhahn: Anatomie. Urban & Fischer, München 2008
  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007

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