Dysgnathie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Dysgnathien werden Fehlstellungen des Kiefers bezeichnet, es können der Oberkiefer, der Unterkiefer oder beide betroffen sein. Dysgnathie ist ein Oberbegriff aus der Zahnheilkunde, welcher sämtliche Formen möglicher angeborener oder erworbener Kieferfehlstellungen zusammenfasst. Dabei kann es sich um Fehlstellungen des Kieferknochens selbst, aber auch um Fehlstellungen einzelner oder mehrerer Zähne im Ober- oder Unterkiefer handeln, die ebenfalls unter dem Begriff Dysgnathie zusammengefasst werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Dysgnathie?

Hauptgrund, warum ein Patient mit Dysgnathie einen Zahnarzt oder einen Kieferorthopäden aufsucht, ist das äußere Erscheinungsbild. Es müssen aber grundsätzlich ästhetische von funktionellen Problemen als getrennte Aspekte betrachtet werden.
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Die Definition einer Dysgnathie bezeichnet Abweichungen jeglicher Form von der Regelverzahnung, auch als Regelbiss bezeichnet. Die Abweichungen vom Regelbiss werden in der Zahnheilkunde in drei Kategorien eingeteilt:

  • Als normal gilt lediglich Klasse eins, die sogenannte eugnathe Zahnstellung, hier besteht kein Therapiebedarf. Ob ein menschliches Gebiss eugnath ist oder nicht, kann nur der Zahnarzt oder ein Kieferorthopäde feststellen.
  • Kategorie zwei ist eine leichte Zahnfehlstellung, bei welcher der vordere Höcker des ersten oberen Molaren vor das mittlere zentrale Grübchen des ersten unteren Molaren beißt.
  • Kategorie drei einer Dysgnathie bezeichnet einen deutlichen Vorbiss des Unterkiefers. Im Bereich der Kieferfehlstellungen bezeichnet der Begriff Dysgnathie eine vertikale, transversale oder sagittale Abweichung der normalen Kieferstellung.

Jegliche Abweichung des knöchernen Kiefers von der Norm wird auch als Fehlerachse bezeichnet. Auch die sogenannte Kinndysplasie, nach außen sichtbar als vorspringendes, fliehendes Kinn, ist eine Form der Dysgnathie.

Ursachen

Angeborene Fehlstellungen der Kiefer führen zur permanenten Überlastung des gesamten Zahnhalteapparates, der Kiefergelenke aber auch der Kaumuskulatur. Wird nicht therapeutisch interveniert, so kann ein frühzeitiger Zahnverlust die Folge sein. Unter normalen Bedingungen reihen sich die Zähne im Gebiss des Ober- und Unterkiefers wie eine Perlenkette aneinander.

Außerdem beißen die oberen leicht über die unteren Zähne. Typischerweise berühren auch die Schneidezähne des Unterkiefers die Hinterseiten der Schneidezähne des Oberkiefers. Jegliche angeborene Abweichung von diesem Schema wird in der Kieferorthopädie als Dysgnathie bezeichnet.

Erworbene Dysgnathien, welche in der zahnärztlichen und kieferorthopädische Praxis weitaus seltener behandelt werden müssen, können durch mangelnde Mundhygiene oder durch knöcherne Destruktionen im Kieferbereich, durch Tumoren oder Entzündungen, entstehen. Kindliche Dysgnathien sind nach außen hin nicht immer direkt erkennbar, weil sich der Kieferknochen noch im Wachstum befindet.

Die Abweichungen betragen bei angeborenen Kieferfehlstellungen im Säuglingsalter oft nur wenige Millimeter. Eine frühzeitige Diagnose ist also sehr wichtig, damit später daraus in der Adoleszenz oder als Erwachsener kein manifester und schwer zu behandelnder Befund resultiert.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Hauptgrund, warum ein Patient mit Dysgnathie einen Zahnarzt oder einen Kieferorthopäden aufsucht, ist das äußere Erscheinungsbild. Es müssen aber grundsätzlich ästhetische von funktionellen Problemen als getrennte Aspekte betrachtet werden. Die Zahnreihen passen nicht optimal aufeinander, falls Unter- oder Oberkiefer zu weit zurück- oder vorstehen oder eine andere Form der Dysgnathie vorliegt.

Typisch sind bei vielen Kieferfehlstellungen auch Beschwerden mit dem Sprechen oder Essen. Die empfindliche Muskulatur der Kiefergelenke reagiert oft verspannt. Diese Verspannungen können ein extremes Ausmaß annehmen, sodass sie nicht nur lokal begrenzt bleiben, sondern sogar auf die Nacken-Schulter- oder Rückenmuskulatur übergehen können. Nicht selten ist für die Betroffenen auch kein Lippenschluss möglich.

Bewegungen der Kiefergelenke verursachen bei den betroffenen Patienten Schmerzen oder ein Knacken. Die Ästhetik des Kiefers spielt eine entscheidende Rolle für den harmonischen Gesichtsausdruck. Eng damit verknüpft ist die Sprache der Mimik, die als ganz entscheidend dafür angesehen wird, ob ein Gesicht als attraktiv oder weniger attraktiv empfunden wird.

Das gesamte Gesichtsprofil wird wesentlich auch über die Zahnstellung bestimmt. Nur gerade Zähne und ein geschlossener Zahnbogen erlauben eine in allen Ebenen korrekte Kieferposition. Patienten mit Dysgnathien erleben also auch einen psychischen Leidensdruck.

Diagnose

Der Krankheitsverlauf aller Formen einer Dysgnathie ist abhängig von der korrekten Diagnose beim Zahnarzt oder Kieferorthopäden. Die Inspektion von Zähnen und Kiefern erlaubt dem Arzt bereits einen sicheren Befund. Zur Diagnoseerhärtung sind bildgebende Verfahren, Röntgenbilder, üblich.

Darüber hinaus müssen Patienten damit rechnen, dass auch Gipsabdrücke angefertigt werden. Frühzeitig diagnostizierte Dysgnathien haben wegen der zur Verfügung stehenden konservativen und operativen Behandlungsmöglichkeiten heute eine gute Prognose.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

In der Regel muss bei der Dysgnathie dann ein Arzt aufgesucht werden, wenn es zu einer Fehlstellung des Kiefers kommt. Diese Fehlstellung ist bei einigen Menschen angeboren, sodass sie in der Regel schon nach der Geburt direkt erkannt wird und korrigiert werden kann. Sollte die Dysgnathie nach einem Unfall oder nach einem Schlag ins Gesicht auftreten, sollte ein Notarzt gerufen oder das Krankenhaus aufgesucht werden.

Weiterhin können auch Verspannungen und Schmerzen im Bereich des Kiefers und des Mundes auf die Krankheit hindeuten. Auch bei einer verzerrten Mimik oder bei einem unnatürlichen Gesichtsausdruck sollte eine ärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Dabei kann entweder ein Zahnarzt oder ein Kieferorthopäde aufgesucht werden.

Weiterhin leiden viele Betroffene durch die Dysgnathie auch an psychischen Beschwerden, sodass in diesem Falle eine psychologische Untersuchung und Behandlung sinnvoll sein kann. In den meisten Fällen kommt es bei dieser Krankheit zu einem positiven Krankheitsverlauf und die Beschwerden können relativ gut eingeschränkt und gelindert werden.

Behandlung & Therapie

Jede Therapie einer Dysgnathie strebt stets die Kategorie eins, also die Regelverzahnung an. Dies kann konservativ oder operativ angestrebt werden, ist aber nicht in allen Fällen möglich. Um Fehllagen der Kiefergelenke sicher erkennen zu können, ist vor jeder Behandlung einer Dysgnathie bei Erwachsenen eine Bissregistrierung erforderlich.

Je nach Form einer Dysgnathie muss sich der Patient zunächst einer präoperativen, orthodontischen Therapie unterziehen. Diese besteht in der Ausformung der Zahnbögen, der Beseitigung von Zahnfehlstellungen, Zahnlücken oder Engstellen. Diese Behandlungsmaßnahmen können jedoch vorübergehend zu einer Verschlechterung der Ästhetik führen.

Vor der Haupt-OP wird mithilfe von Röntgenbildern, Zahnabdrücken und 3D Bildern des Kiefers eine simulierte, modellhafte Operation durchgeführt. Erst in der Haupt-OP werden dann die Fehler in den vertikalen oder sagittalen Ebenen des Kiefers endgültig korrigiert. Nach solch einem aufwendigen, kieferorthopädischen Eingriff müssen die Patienten meist noch über Wochen oder Monate lose Gummizüge oder Aufbissschienen tragen.

Aussicht & Prognose

In der Regel muss eine Dysgnathie immer behandelt werden, auch wenn diese schon angeboren ist. Dadurch werden die meisten Einschränkungen vollständig gelöst und es kommt zu einem positiven Krankheitsverlauf. Eine Selbstheilung tritt bei dieser Erkrankung nicht auf.

Sollte es bei der Dysgnathie nicht zu einer Behandlung kommen, so leiden die Patienten an Schmerzen und Verspannungen an der Muskulatur am Kiefer. Es kommt dadurch auch zu Schwierigkeiten bei der Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten, sodass es zu einer Dehydration oder zu verschiedenen Mangelerscheinungen kommen kann. Die Schmerzen können die Lebensqualität dabei deutlich verringern. Auch die Mimik des Betroffenen wird durch die Dysgnathie gestört, wobei auch die Zähne durch die Fehlstellungen geschädigt werden können.

Die Behandlung der Dysgnathie erfolgt in der Regel durch verschiedene operative Eingriffe und lindert die Beschwerden vollständig. Komplikationen und andere Beschwerden treten dabei nicht auf und es kommt zu einer vollständigen Heilung. Dadurch wird auch eine gewöhnliche Entwicklung des Kindes gewährleistet. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Erkrankung nicht verringert. Die Therapie der Krankheit kann durch Maßnahmen der Selbsthilfe unterstützt werden.


Vorbeugung

Eine Prophylaxe ist nur möglich gegen erworbene Formen der Dysgnathie. Die weitaus meisten behandlungsbedürftigen Dysgnathien sind jedoch angeboren, also genetisch bedingt, eine direkte Vorbeugung dagegen ist leider nicht möglich.

Nachsorge

Bei der Dysgnathie ist der Betroffene in erster Linie auf eine frühzeitige Diagnose angewiesen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommt. Je früher die Krankheit dabei erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden und desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Dysgnathie. Die Maßnahmen oder Möglichkeiten einer Nachsorge sind dabei meistens stark eingeschränkt oder nur kaum möglich, sodass im Vordergrund die schnelle und richtige Korrektur der Beschwerden steht.

In den meisten Fällen sind die Betroffenen auf einen operativen Eingriff angewiesen, der die Beschwerden vollständig lindern und einschränken kann. Dieser Eingriff sollte dabei schon relativ früh durchgeführt werden, damit es nicht im späteren Alter zu ästhetischen Beschwerden kommt. In vielen Fällen sollte sich der Betroffene nach einem solchen Eingriff ausruhen und den Körper schonen.

Dabei sind Anstrengungen oder andere stressige Aktivitäten auf jeden Fall zu verhindern. Auch nach einem erfolgreichen Eingriff müssen bei der Dysgnathie regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt durchgeführt werden. Auch das Tragen einer Aufbissschiene kann dabei die Beschwerden lindern. Im Falle von psychischen Verstimmungen sollte auch eine psychologische Behandlung angestrebt werden.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Dysgnathie führen meist angeborene Fehlstellungen der Kiefer zur beständigen Überlastung des gesamten Zahnhalteapparates sowie der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur. Eine Dysgnathie ist, obwohl oftmals entstellend, deshalb auch nicht nur ein kosmetisches Problem. Ergreift der Betroffene keine Gegenmaßnahmen, droht der vorzeitige Zahnverlust.

Die Behandlung einer Dysgnathie geht oftmals mit einer langwierigen und komplizierten, präoperativen orthodontischen Therapie einher. Meist können erst danach chirurgische Maßnahmen ergriffen werden. Die beste Selbsthilfemaßnahme besteht deshalb darin, sich einen kompetenten Dentisten zu suchen, der auf die Beseitigung dieser Störung spezialisiert ist, und sich umfassend über alle erforderlichen Behandlungsmaßnahmen aufklären zu lassen.

Denn viele Patienten müssen sich auch seelisch auf die langwierige und oftmals anstrengende Therapie einstellen. Qualifizierte Ärzte können über das Internet recherchiert werden. Außerdem erteilen die Ärztekammern und die Krankenkassen Auskünfte.

Für die Betroffenen ist es vor allem wichtig, während der meist langwierigen Behandlung nicht die Geduld zu verlieren oder in Depressionen zu verfallen. Diese gilt insbesondere auch deshalb, da sich das äußere Erscheinungsbild während der Therapie zunächst meist verschlechtert. Betroffene, die unter ihrem Aussehen oder unter den Therapiemaßnahmen seelisch stark leiden, sollten rechtzeitig einen Psychotherapeuten zuziehen.

Quellen

  • Kahl-Nieke, B.: Einführung in die Kieferorthopädie. Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln 2010
  • Stelzenmüller, W., Wiesner, J.: Therapie von Kiefergelenkschmerzen. Thieme, Stuttgart 2010
  • Weber, T.: Memorix Zahnmedizin. Thieme, Stuttgart 2010

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