Elektroenzephalografie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 30. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Elektroenzephalografie (EEG) handelt es sich um ein nicht-invasives Verfahren zur Messung elektrischer Hirnaktivität. Im Deutschen spricht man auch von Hirnstrommessung. Die Elektroenzephalografie ist vollkommen ungefährlich und wird sowohl in der medizinischen Diagnostik als auch zu Forschungszwecken routinemäßig eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Elektroenzephalografie?

Eine Elektroenzephalografie ist das Messen von Potentialschwankungen der Hirnrinde mithilfe von auf der Kopfhaut angebrachten Elektroden.

Der Begriff Elektroenzephalografie ist eine Komposition aus den griechischen Ausdrücken encephalon (Gehirn) und graphein (schreiben). Er bezeichnet das Messen von Potentialschwankungen der Hirnrinde mithilfe von auf der Kopfhaut angebrachten Elektroden.

Alle Neurone im Gehirn weisen ein sogenanntes Ruhemembranpotential auf, das sich bei Erregung verändert. Die Zustandsänderung einer einzelnen Nervenzelle ist dabei von außen nicht erfassbar; werden aber größere Neuronenverbände synchron erregt, so summieren sich die Potentialänderungen und lassen sich auch außerhalb des Schädels messen.

Da das Signal durch Schädelknochen, Hirnhäute, etc. gedämpft wird und nur im μV-Bereich liegt, muss es zusätzlich verstärkt werden. Außerdem müssen Störgeräusche herausgefiltert werden.

Die gemessenen Potentialschwankungen werden über die Zeit hinweg in einem Elektroenzephalogramm grafisch dargestellt.

Aus diesen EEG-Kurven können geschulte Experten Krankheitsprozesse, aber auch gesunde, forschungsrelevante Hirnaktivitäten herauslesen. Entwickelt wurde die Elektroenzephalografie in den 1920er Jahren vom Jenaer Neurologen und Psychiater Hans Berger (1873-1941).

Geschichte & Entwicklung

Die Elektroenzephalografie (EEG) wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt und revolutionierte das Verständnis der Gehirnaktivität. Die Geschichte des EEG begann mit dem deutschen Psychiater Hans Berger, der 1924 erstmals die elektrischen Aktivitäten des menschlichen Gehirns aufzeichnete. Berger verwendete damals einfache Elektroden und ein empfindliches Galvanometer, um die Spannungsschwankungen auf der Kopfhaut festzuhalten. Seine Entdeckung der „Alpha-Wellen“, rhythmischer Aktivität im Wachzustand, markierte einen Durchbruch und legte den Grundstein für die moderne Hirnforschung.

In den folgenden Jahrzehnten wurde das EEG schnell zu einem wichtigen diagnostischen Instrument in der Neurologie und Psychiatrie. Ab den 1930er Jahren fand die Methode verstärkt Anwendung in der Diagnostik von Epilepsie, da spezifische Anfälle charakteristische Wellenmuster aufzeigen. In den 1950er Jahren begannen Wissenschaftler, EEGs zur Untersuchung des Schlafs einzusetzen und entdeckten verschiedene Schlafphasen, die bis heute eine zentrale Rolle in der Schlafmedizin spielen.

Die Entwicklung digitaler Technologien in den 1970er und 1980er Jahren ermöglichte eine präzisere und detailliertere Analyse der Hirnwellen. Moderne EEG-Geräte zeichnen Aktivitäten in hoher Auflösung auf und sind heute unverzichtbar in der Untersuchung von Gehirnstörungen, bei kognitiven Studien und in der Intensivmedizin. Mit dem EEG steht heute eine Methode zur Verfügung, die nicht nur Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns liefert, sondern auch bei der Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen entscheidend ist.

Einsatz & Indikation

Eine Elektroenzephalografie wird durchgeführt, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu messen und Muster der Gehirnwellen zu analysieren. Sie ist notwendig bei verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Fragestellungen, vor allem zur Diagnose und Untersuchung von Anfallsleiden wie Epilepsie. Bei Epilepsie-Patienten zeigt das EEG typische Wellenmuster, die Rückschlüsse auf die Art und den Ursprung der Anfälle zulassen und somit eine gezielte Therapie ermöglichen.

Auch bei Verdacht auf Schlafstörungen, etwa bei Schlafapnoe oder Narkolepsie, ist das EEG ein wichtiges Diagnoseinstrument, da es die unterschiedlichen Schlafphasen aufzeichnet und hilft, abnormale Schlafmuster zu identifizieren. Darüber hinaus kommt das EEG zum Einsatz, wenn Hirnerkrankungen wie Enzephalitis, Hirntumore oder degenerative Erkrankungen vermutet werden. Es kann Hinweise auf gestörte Hirnaktivitäten geben, die auf solche Erkrankungen hinweisen.

In der Intensivmedizin wird das EEG bei komatösen Patienten verwendet, um die Gehirnaktivität zu überwachen und Anzeichen für eine Erholung oder Verschlechterung des Hirnzustandes zu erkennen. Auch bei kognitiven Störungen wie Demenz oder bei psychiatrischen Erkrankungen, etwa zur Differenzierung von organischen und psychischen Ursachen, kann das EEG zur Beurteilung der Hirnaktivität beitragen. Insgesamt ist das EEG ein vielseitiges Werkzeug zur Untersuchung und Überwachung der Gehirnfunktion in verschiedenen medizinischen Kontexten.

Vorteile & Nutzen

Die Elektroenzephalografie (EEG) bietet mehrere Vorteile gegenüber anderen diagnostischen Methoden in der Neurologie und Psychiatrie. Einer der größten Vorteile des EEG ist seine Fähigkeit, die Gehirnaktivität in Echtzeit und mit hoher zeitlicher Auflösung zu messen. Während bildgebende Verfahren wie MRT und CT detaillierte anatomische Bilder liefern, erfassen sie die Gehirnaktivität nur indirekt oder mit zeitlicher Verzögerung. Das EEG hingegen kann Hirnaktivitäten im Millisekundenbereich abbilden, was besonders nützlich bei der Diagnose von Epilepsie ist, da es spezifische Wellenmuster während und zwischen Anfällen präzise darstellt.

Ein weiterer Vorteil ist die nicht-invasive und schmerzfreie Anwendung. Im Gegensatz zu invasiveren Methoden, bei denen Sonden oder Elektroden ins Gehirn eingeführt werden müssen, werden EEG-Elektroden einfach auf die Kopfhaut gelegt. Dies reduziert das Risiko von Nebenwirkungen und macht das EEG für eine breite Patientengruppe zugänglich.

Das EEG ist zudem kostengünstiger und schneller durchzuführen als viele andere neurologische Untersuchungen. Es erfordert keine Strahlenbelastung oder komplexe Vorbereitung, weshalb es leicht in verschiedenen klinischen Umgebungen anwendbar ist, einschließlich der Intensivstation. Die Fähigkeit des EEG, auch subtile Veränderungen der Hirnaktivität zu erfassen, macht es zu einem unverzichtbaren Instrument für die Diagnose und das Monitoring von Hirnerkrankungen sowie für die Forschung zu kognitiven und psychischen Funktionen.

Funktion, Wirkung & Ziele

Beim gesunden Menschen findet die Elektroenzephalografie, je nach Wachheitszustand und kognitiver Leistung, charakteristische rhythmische Aktivitätsmuster: Im wachen, entspannten Zustand mit geschlossenen Augen treten Alpha-Wellen (8-12 Hz) auf, bei geöffneten Augen Beta-Wellen (13-30 Hz). Bei geistiger Anstrengung zeigen sich Gamma-Wellen im Frequenzbereich über 30 Hz.

Im Schlaf sind hingegen Theta-Wellen (4-8 Hz) und Delta-Wellen (<4 Hz) typisch. Grundsätzliche Abweichungen von diesen Oszillationen deuten auf neurologische Krankheitsprozesse hin. Besonders wichtig ist die Elektroenzephalografie für die Diagnostik und Verlaufskontrolle von Epilepsien, bei denen anfallsartige Entladungen großer Nervenzellverbände auftreten. Hier hilft das EEG, Art und Dauer der Anfälle zu bestimmen sowie (bei fokaler Epilepsie) Anfallsherde zu ermitteln.

Aber auch anderen Bewusstseinsstörungen kommt Elektroenzephalografie zum Einsatz: In der Schlafmedizin wird oft ein Ganznacht-EEG abgeleitet. Aus dem aufgezeichneten Hypnogramm lassen sich u. a. die Einschlaflatenz, Dauer und Verteilung der Schlafstadien sowie Weckreaktionen ablesen. Meist wird die Elektroenzephalografie hierbei mit weiteren physiologischen Messverfahren wie zur Polysomnografie kombiniert, z. B. mit Elektrokardiografie (EKG) oder Pulsoxymetrie (nicht-invasive Bestimmung des arteriellen Sauerstoffgehalts).

So lassen sich unterschiedliche Schlafstörungen wie Insomnien, Parasomnien oder Dyssomnien erkennen und objektivieren. Darüber hinaus hilft die Elektroenzephalografie, die Tiefe einer Narkose, aber auch die Tiefe eines Komas zu bestimmen. Elektroenzephalografie ist ein Instrument zur Feststellung des Hirntods. Da die Hirnrinde auch im Ruhezustand ständig elektrische Aktivität aufweist, gilt ein Ausbleiben selbiger als Hinweis auf irreversibel abgestorbenes Gewebe.

Neben ihren klinischen Einsatzgebieten findet Elektroenzephalografie auch in der Forschung häufig Verwendung. Hier sind die relevanten Veränderungen in der EEG-Kurve meist subtiler und nicht direkt ablesbar, sondern müssen mithilfe statistischer Software herausgefiltert werden. Häufig wird Elektroenzephalografie eingesetzt, um in Experimenten Reaktionen und Reaktionszeiten auf bestimmte Stimuli zu messen. Hierfür ist Elektroenzephalografie besonders geeignet, da sie eine hohe zeitliche Auflösung (im Millimeterbereich) besitzt.

In diesem Aspekt ist sie anderen Untersuchungsverfahren, etwa der Magnetresonanztomografie (MRT), der Computertomografie (CT) und der Positronen-Emissions-Tomographie (PET), deutlich überlegen. Das räumliche Auflösungsvermögen der Elektroenzephalografie ist hingegen relativ grob. Zudem wird nur die elektrische Aktivität der Hirnrinde erfasst; tiefer gelegene Hirnareale lassen sich mittels Elektroenzephalografie nur indirekt (über ihren Einfluss auf die Hirnrinde) untersuchen.

Kommerzielle und therapeutische Anwendung findet Elektroenzephalografie seit einigen Jahren in sogenannten Brain-Computer-Interfaces (BCI). Diese Technik erlaubt eine direkte Steuerung von Computern mithilfe von Gehirnwellen und wird zu Spielzwecken eingesetzt, ermöglicht aber auch Schwerstgelähmten eine Kommunikation mit der Außenwelt.


Durchführung & Ablauf

Der Ablauf einer Elektroenzephalografie beginnt mit der Vorbereitung des Patienten, bei der ihm der Ablauf erklärt wird und er es sich bequem macht, meist im Sitzen oder Liegen. Die Kopfhaut wird gereinigt, um eine optimale Leitfähigkeit der Elektroden zu gewährleisten. Anschließend befestigt der Techniker kleine Elektroden an bestimmten Positionen auf der Kopfhaut, entweder mithilfe eines Elektrodenkappen-Systems oder einzelner Klebeelektroden. Die Elektroden sind über Kabel mit einem Verstärker und einem Computer verbunden, der die elektrische Aktivität des Gehirns als Wellenmuster aufzeichnet.

Während der Messung, die meist 20 bis 30 Minuten dauert, wird der Patient gebeten, ruhig zu bleiben. In manchen Fällen werden spezielle Reize eingesetzt, um die Gehirnreaktion zu testen. Dazu gehören das Öffnen und Schließen der Augen, tiefes Ein- und Ausatmen oder das Beobachten von Lichtblitzen, was helfen kann, bestimmte Auffälligkeiten, etwa bei Epilepsie, sichtbar zu machen.

Die gesammelten Daten werden in Form von Wellenmustern aufgezeichnet, die anschließend von einem Neurologen ausgewertet werden. Dieser analysiert die Muster, um Auffälligkeiten oder spezifische Wellenfrequenzen zu identifizieren, die Hinweise auf neurologische Erkrankungen wie Epilepsie, Schlafstörungen oder andere Hirnfunktionsstörungen geben können. Nach Abschluss der Untersuchung werden die Elektroden entfernt, und der Patient kann in der Regel sofort seinen Alltag wieder aufnehmen.

Nebenwirkungen & Gefahren

Die Elektroenzephalografie ist eine vollkommen sichere und unschädliche Untersuchungsmethode. Es werden lediglich Elektroden auf der äußeren Kopfhaut angeklebt und ohnehin vorhandene elektrische Signale abgeleitet. Der Patient bzw. Proband wird dabei keinerlei Strahlenbelastung oder sonstiger Gefahr ausgesetzt. Eine Routineuntersuchung dauert etwa 20-30 Minuten; bei speziellen Fragestellungen kann eine Langzeit-Elektroenzephalografie nötig sein.

Alternativen

Falls eine Elektroenzephalografie (EEG) nicht möglich ist oder ergänzende Informationen benötigt werden, stehen verschiedene alternative Verfahren zur Verfügung, die ebenfalls die Gehirnaktivität oder Hirnstruktur untersuchen. Eine häufig genutzte Alternative ist die Magnetresonanztomographie (MRT), die detaillierte Bilder des Gehirns liefert und vor allem strukturelle Anomalien wie Tumore, Entzündungen oder Gefäßveränderungen sichtbar macht. Während MRT keine direkte Hirnaktivität misst, kann sie Hinweise auf krankhafte Veränderungen geben, die möglicherweise für Symptome wie Anfälle verantwortlich sind.

Ein weiteres Verfahren ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die die Stoffwechselaktivität im Gehirn darstellt. PET-Scans sind besonders hilfreich, um spezifische Bereiche des Gehirns zu identifizieren, die bei kognitiven Störungen wie Demenz betroffen sind, und können Aufschluss über Funktionsstörungen geben.

Die Magnetoenzephalografie (MEG) bietet eine direkte Alternative zur EEG, da sie ebenfalls die neuronale Aktivität aufzeichnet, jedoch Magnetfelder statt elektrischer Ströme misst. MEG hat eine höhere räumliche Präzision als das EEG, ist aber teurer und weniger verbreitet.

Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) kann ebenfalls Gehirnaktivität messen, indem sie Veränderungen des Blutflusses erfasst. Sie wird häufig in der Forschung genutzt, um Hirnregionen zu identifizieren, die mit bestimmten Aufgaben verbunden sind, und ist hilfreich, um Funktionsbereiche im Gehirn genauer zu lokalisieren. Diese Verfahren bieten wertvolle diagnostische Informationen und können je nach Fall ergänzend oder ersatzweise zum EEG eingesetzt werden.

Quellen

  • Grehl, H. und Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2008
  • Mumenthaler, M., Mattle, H.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2008
  • Zettl, U., Eilhard, M.: Bildgebung in der Neuroimmunologie. Thieme, Stuttgart 2004

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