Enzymdefekt
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Enzyme sind an fast jedem Körperprozess und vor allem am Stoffwechsel eines Organismus beteiligt. Bei einem genetisch bedingten oder erworbenen Enzymdefekt verändert sich die biochemische Aktivität der betroffenen Enzyme, was häufig zu einer Enzymopathie führt. Manche Enzymdefekte und Mangelerscheinungen können mittlerweile mit enzymatischer Substitution ausgeglichen werden, die meist ein Leben lang erfolgen muss.
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Was ist ein Enzymdefekt?
Ein Enzymdefekt liegt immer dann vor, wenn ein Enzym in seiner biochemischen Aktivität aufgrund von strukturellen Veränderungen beeinträchtigt wird. Enzyme zeichnen sich durch biochemische Aktivität aus. Es handelt sich um Stoffe aus biologischen Riesenmolekülen mit Katalysatorfunktion in chemischen Reaktionen.
Im menschlichen Körper finden unzählbare Reaktionen auf biochemischer Basis statt. Enzyme beschleunigen als Katalysatoren den Ablauf dieser Reaktionen oder sorgen sogar erst dafür, dass bestimmte Reaktionen im menschlichen Körper stattfinden. Annähernd alle Enzyme bestehen aus Proteinen. Die katalytisch aktive RNA bildet hiervon eine Ausnahme.
In allen anderen Fällen findet die Bildung von Enzymen in der Zelle im Rahmen einer Proteinbiosynthese durch die Ribosomen statt. Im Stoffwechsel von allen Organismen übernehmen Enzyme unersetzliche Aufgaben und steuern den überwiegenden Anteil aller biochemischen Reaktionen. Manche Strukturveränderungen der Enzyme führen zu Störungen beziehungsweise heben die biochemische Aktivität des Enzyms sogar vollständig auf.
Als Folge eines enzymatischen Defekts ist die Bildung der enzymatisch katalysierten Syntheseprodukte von Störungen betroffen. Das heißt, dass die Syntheseprodukte aus den katalysierten Reaktionen des fehlerhaft strukturierten Enzyms nur in vermindertem Maß oder überhaupt nicht mehr im Organismus zur Verfügung stehen.
Neben einem fehlerhaften Enzymaufbau kann auch die fehlgeleitete Bereitstellung eines Enzyms im organischen Stoffwechsel einen Enzymdefekt verursachen. In diesem Fall stört nicht die Qualität, sondern die Quantität eines Enzyms seine biochemischen Aktivitäten. Die Symptome eines Enzymdefekts werden als Enzymopathien zusammengefasst.
Ursachen
Ein Großteil aller Enzymdefekte ist angeboren und geht auf genetische Ursache zurück. Von Mutationen in der DNA können zum Beispiel Gene betroffen sein, die für eins oder mehrere der Enzyme codieren oder für solche Stoffe Codierung tragen, die an der Enzymbiosynthese beteiligt sind. Auf diese Weise kann eine Mutation beispielsweise dazu führen, dass ein bestimmtes Enzym mit falscher Struktur zusammengesetzt wird.
Auch ein Enzymmangel bis hin zur gänzlichen Abwesenheit von bestimmten Enzymen im menschlichen Organismus kann auf Mutationen zurückgehen. Beim adrenogenitalen Syndrom liegt zum Beispiel ein erblicher Enzymdefekt der 21-Beta-Hydroxylase vor. Ein mutationsbedingter Enzymmangel liegt derweil dem Favismus zugrunde. Bei dieser Erberkrankung liegt der Defekt auf der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase.
Einige Enzymdefekte sind autosomal-dominant, andere autosomal-rezessiv und wieder andere X-chromosomal vererbbar. In Ausnahmefällen treten mutationsbedingte Enzymdefekte auch im Rahmen von sporadischen Prozessen auf und werden in diesem Fall nicht als vererbte Mutationen, sondern Neumutationen bezeichnet.
Abhängig von den betroffenen Enzymen führt ein Enzymdefekt zu unterschiedlichen Symptomen. Enzymopathien sind immer Stoffwechselerkrankungen, die entweder durch Enzymmangel, Enzymüberschuss oder angeboren beziehungsweise erworbene Strukturdefekte von Enzymen verursacht werden.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Enzymdefekte entstehen in den meisten Fällen durch fehlerhaft codierte Aminosäuresequenzen der DNA. Diese fehlerhafte Codierung muss allerdings nicht zwingend auch Symptome verursachen. Manche Patienten mit Enzymdefekten bleiben zeitlebens asymptomatisch.
Ob ein Enzymdefekt zu einer Enzymopathie mit Krankheitszeichen führt, hängt zum einen vom betroffenen Enzym betroffen und zum anderen von der Ausprägung seiner Aktivitätsveränderung ab. Enzymdefekte der wichtigsten Schlüsselenzyme führen im Wesentlichen alle zu schwerwiegenden Störungen verschiedener Körperfunktionen und treten in den meisten Fällen vorgeburtlich in Erscheinung.
Besonders schwere Enzymdefekte lösen einen Abort aus. Das heißt, dass der Mensch ab einem gewissen Funktionsverlust verschiedener Enzyme nicht lebensfähig ist. Die Folge von Enzymdefekten ist außerdem häufig eine Idiosynkrasie oder eine schwerwiegende Entwicklungsverzögerung.
Aufgrund ihrer Aufgaben im Stoffwechsel sind Stoffwechsel- und Hormonstörungen die mitunter häufigsten Manifestationen von Enzymdefekten. Die häufigste Stoffwechselstörung von Neugeborenen ist die Phenylketonurie (PKU), die zum Beispiel auch auf einen enzymatischen Defekt zurückzuführen ist.
Diagnose
Die Diagnose von Enzymdefekten erfolgt meist mittels enzymatischer Analyse oder wird im Rahmen einer Gendiagnostik gestellt. Die Prognose der Patienten hängt stark von dem betroffenen Enzym und dem Umfang seiner Aktivitätsveränderung zusammen. Während manche Enzymdefekte keine Symptome verursachen, haben andere einen letalen Verlauf.
Komplikationen
Ein Enzymdefekt kann verschiedene Komplikationen hervorrufen. Generell können Enzymdefekte bereits vorgeburtlich in Erscheinung treten und schwerwiegende Störungen der verschiedenen Körperfunktionen hervorrufen. Bei besonders schweren Fällen während der Schwangerschaft kann es bis zum Abort des Kindes kommen.
Leichte Defekte ziehen Entwicklungsstörungen nach sich, die sich mitunter über das gesamte Leben des Betroffenen hinweg bemerkbar machen. Daneben kann es zu Stoffwechsel- und Hormonstörungen kommen. Ein gestörter Stoffwechsel ruft bei den Betroffenen mitunter auch einen unangenehmen Körpergeruch hervor.
Besonders häufig entsteht eine sogenannte Phenylketonurie, bei der mehrere Komplikationen auftreten können. Dabei besteht ein erhöhtes Risiko von geistigen Fehlentwicklungen, die bis zur geistigen Behinderung des Kindes reichen können. Betroffene leiden in der Kindheit vermehrt an epileptischen Anfällen, gestörten Muskelspannungen und spastischen Zuckungen.
Meist kommt außerdem eine erhöhte Reizbarkeit hinzu, welche sich im Verlauf zu schweren psychischen Störungen entwickeln kann. Äußerlich zeigt sich die PKD durch eine helle Hautfarbe mit blonden Haaren und blauen Augen. Selten kommt es zu schweren Pigmentstörungen. Bei der Therapie eines Enzymdefekts kommt es üblicherweise nicht zu schweren Komplikationen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald sich Störungen oder Unregelmäßigkeiten des Stoffwechsels zeigen. Wird bei einem heranwachsenden Kind eine Entwicklungsstörung festgestellt, sollte eine ärztliche Untersuchung stattfinden. Da ein Enzymdefekt in schweren Fällen einen tödlichen Verlauf haben kann, sollte ein Arzt rechtzeitig bei Beschwerden verschiedener Bereiche aufgesucht werden.
Kommt es zu Schmerzen oder Einschränkungen der Funktionsfähigkeit unterschiedlicher Systeme, wird ein Arzt benötigt. Bei hormonellen Problemen, Stimmungsschwankungen oder Gewichtsproblemen, sollte ein Arzt konsultiert werden. Setzen Bauchschmerzen, Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems, Schlafstörungen oder ein allgemeines Unwohlsein ein, wird ein Arzt benötigt.
Treten psychische Auffälligkeiten auf, besteht Grund zur Besorgnis. Apathie, depressive Phasen oder Antriebslosigkeit sind mit einem Arzt zu besprechen, wenn sie über mehrere Wochen unvermindert anhalten. Bei Krämpfen, Gefühlsstörungen, einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Fieber oder Bewusstseinsstörungen ist ein Arzt aufzusuchen.
Erhöht sich im Alltag die Reizbarkeit, empfiehlt es sich, mit einem Arzt über die Beobachtung zu sprechen. Wird beim Toilettengang im Urin oder Stuhl wiederholt Blut wahrgenommen, ist ein Arztbesuch notwendig. Eine innere Unruhe, verminderte Leistungsgrenze und Konzentrationsprobleme, sind von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. Treten Veränderungen des Hautbildes auf oder kommt es zu einer Störung des Haarwuchses, ist ein Arztbesuch notwendig. Eine Pigmentstörung, Schwellungen der Haut oder Verfärbungen sollten untersucht werden.
Behandlung & Therapie
In den meisten Fällen sind enzymatische Defekte angeboren und lassen sich daher solange nicht heilen, wie gentherapeutische Behandlungsansätze die klinische Phase nicht erreichen. Die symptomatische Behandlung besteht, soweit es möglich ist, in einer sogenannten Enzymsubstitution. Dieser Therapieansatz ist ein eher neueres Verfahren und entspricht der Zuführung der fehlenden Enzyme von außen.
Die Substitution muss bei genetischen Defekten ein Leben lang erfolgen. Mit der Zuführung von strukturell einwandfreien Enzymen können im Organismus wieder in hinzureichendem Maß die entsprechenden Reaktionen katalysiert werden. Funktionsverluste der Enzyme lassen sich auf diese Weise ausgleichen. Bei erworbenen Enzymdefekten oder Enzymmangelerscheinungen im Rahmen einer Pankreasinsuffizienz müssen zum Beispiel säurestabile Verdauungsenzyme substituiert werden.
Nicht alle Enzymdefekte lassen sich durch Enzymsubstitution kompensieren. Wenn zum Beispiel im Übermaß bestimmte Enzyme produziert werden, macht eine Substitution entsprechend wenig Sinn. Auch ein Enzymmangel kann nicht immer mittels Substitution behandelt werden. In diesen Fällen erfolgt die Behandlung rein symptomatisch.
Aussicht & Prognose
Der Enzymdefekt ist eine angeborene oder erworbene Erkrankung, die bei dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand nicht geheilt werden kann. Die genetische Mutation kann aus rechtlichen Gründen nicht verändert werden, so dass der Patient lebenslang mit Beeinträchtigungen leben muss. Dennoch ist durch die vorhandenen medizinischen Möglichkeiten in den meisten Fällen eine Behandlung der individuellen Symptome möglich. Die Stoffwechselstörung wird in einer Langzeittherapie sehr erfolgreich behandelt. Dabei kommt es nur zu wenigen Einschränkungen im Alltag.
Wird eine Behandlung des Enzymdefekts abgelehnt, ist bei einem erblich bedingten Defekt mit einem plötzlichen Abbruch der Schwangerschaft oder einer Entwicklungsstörung des Kindes zu rechnen. Erwachsene leiden lebenslang unter körperlichen Problemen wie Muskelbeschwerden oder psychischen Erkrankungen. Die allgemeine Leistungsfähigkeit ist herabgesetzt und eine Teilhabe am sozialen Leben aufgrund des geringen Wohlbefindens eingeschränkt.
Wird eine medizinische Versorgung eingeleitet, verbessert sich die Gesundheit des Patienten erheblich. Es findet eine Enzymsubstitution statt. Der Betroffene muss an regelmäßigen Untersuchungen teilnehmen, um Ungleichgewichte auszugleichen und die Dosierung zu optimieren. Zusätzlich verbessern eine gesunde Lebensführung und eine ausgewogene Ernährung die Gesundheit des Patienten.
Werden Schadstoffe wie Alkohol, Nikotin oder andere Genussmittel vermieden, kann der Betroffene trotz des Enzymdefekts eine gute Lebensqualität ohne deutliche Einschränkungen erreichen. Sobald die Behandlung abgebrochen wird, kommt es zu einem Rückfall.
Vorbeugung
Genetischen Enzymdefekten lässt sich im Rahmen von genetischer Beratung in der Phase der Familienplanung bis zu einem gewissen Grad vorbeugen. Risiko-Paare können sich so unter Umständen zum Beispiel gegen eigene Kinder entscheiden.
Nachsorge
Da es sich beim Enzymdefekt um eine angeborene und damit auch erblich bedingte Krankheit handelt, kann keine vollständige Heilung erreicht werden. Die Beschwerden können lediglich rein symptomatisch und nicht kausal behandelt werden, sodass der Betroffene in der Regel auf eine lebenslange Therapie angewiesen ist. Damit stehen dem Betroffenen keine besonderen Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung.
Im Vordergrund steht bei dieser Therapie auch die frühzeitige Erkennung des Enzymdefektes, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommt. Um das erneute Auftreten des Enzymdefektes bei den Nachfahren zu verhindern, kann bei einem Kinderwunsch auch eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden. Die Maßnahmen zur Behandlung dieser Krankheit hängen sehr stark von der genauen Art und der Ausprägung dieses Defektes ab, sodass hierbei keine allgemeine Voraussage getroffen werden kann.
Die Betroffenen sind in der Regel auf die Hilfe ihrer Familie und der Freunde im Alltag angewiesen. Auch eine psychologische Unterstützung kann dabei sehr sinnvoll sein, wobei nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Eltern häufig auf eine psychologische Behandlung angewiesen sind. Ob und wie der Enzymdefekt die Lebenserwartung des Betroffenen verringert, kann nicht im Allgemeinen vorausgesagt werden.
Das können Sie selbst tun
Die Selbstheilungskräfte vermögen es nicht, den angeborenen Enzymdefekt selbst zu heilen. Der Patient hat keine Möglichkeiten, um eine Heilung der Erkrankung durch Selbsthilfe zu erzielen. Die fehlenden Enzyme müssen dem Organismus in regelmäßigen Abständen zur Verfügung gestellt werden.
Zur Vorbeugung vor den Beschwerden kann der Betroffene wiederholt Lichtschutzsalben auf der Haut auftragen. Dies kann er eigenverantwortlich und ohne eine festgelegte Dosierung täglich vornehmen. Die Salben sollten auf Verträglichkeit geprüft werden und einen hohen Lichtschutzfaktor haben. Die direkte Sonneneinstrahlung ist grundsätzlich zu vermeiden. Der Patient sollte Kleidung tragen, bei der alle Körperstellen gut bedeckt sind und die keine Lichtdurchlässigkeit haben.
Je besser der Schutz, desto weniger Hautveränderungen treten auf. Zusätzlich empfehlen sich eine gute Kopfbedeckung und das Tragen einer Sonnenbrille. Nach Möglichkeit ist insbesondere in den Sommermonaten die Wohnung entweder vor dem Sonnenaufgang oder erst nach dem Sonnenuntergang zu verlassen. Bei Juckreiz sollten unter allen Umständen Kratzen und Scheuern vermieden werden. Dies verschlechtert die Beschwerden zusätzlich.
Neben der Pflege und dem Schutz der Haut ist eine mentale Stabilisierung besonders wichtig. Die Teilhabe am sozialen Leben oder die Planung von Freizeitaktivitäten sollten unter keinen Umständen vernachlässigt werden. Trotz der Erkrankung können die Lebensfreude gefördert und die Lebensqualität erhalten werden.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016