Favismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Favismus tritt aufgrund eines Defekts im G6PD-Gen auf, welches für ein wichtiges Enzym im menschlichen Körper codiert. Der Enzymmangel führt zu Anämie und Hämolyse und kann nicht ursächlich behandelt werden. Die Prognose ist sehr gut, wenn Betroffene auslösende Substanzen lebenslang meiden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Favismus?

Favismus geht nicht selten mit schwerwiegenden und potenziell lebensbedrohlichen Symptomen einher. Erste Anzeichen eines Schubs sind Bauchschmerzen und Rückenschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und ein allgemeines Schwächegefühl.
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Bei Favismus handelt es sich um den krankhaften Verlauf eines Enzymmangels. Betroffene haben eine Mutation im G6PD-Gen, wodurch es zu einem Mangel an Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase im Körper kommt. Die Folgen sind Anämie, eine zu geringe Konzentration an Hämoglobin im Blut sowie immer wieder auftretende Hämolysen, bei welchen es zu einer Zerstörung der Erythrozyten kommt.

Insgesamt weisen etwas weniger als 8 Prozent aller Menschen Mutationen am G6PD-Gen auf; allerdings kommt es nur bei 25 Prozent davon zum Ausbruch von Favismus. Menschen mit dieser Genmutation, bei denen bereits Symptome aufgetreten sind, sollten jeglichen Kontakt zu für sie gefährlichen Stoffen vermeiden. Dazu gehören beispielsweise Bohnen der Art Vicia faba und deren Pollen.

Favismus tritt vorwiegend im Mittelmeerraum, Teilen Afrikas, im Nahen Osten sowie in einigen asiatischen Ländern wie Thailand oder Indien auf. Erstaunlicherweise kommt es bei von Favismus Betroffenen zu keinem Ausbruch von Malaria, da sich die Malariaerreger aufgrund des Enzymmangels kaum vermehren können.

Ursachen

Favismus ist eine erblich bedingte Erkrankung, welche X-chromosomal-rezessiv vererbt wird. Da die Vererbung X-chromosmal erfolgt, sind Frauen deutlich seltener betroffen als Männer. Frauen können einen Gendefekt auf einem X-Chromosom durch das andere ausgleichen. Männer haben nur ein X-Chromosom, weswegen eine Mutation auf einem dort befindlichen Gen nicht kompensiert werden kann. Die Mutation im G6PD-Gen ist vor allem bei Ethnien vorherrschend, die im Verbreitunsgebiet des Malariaerregers leben.

Die Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase spielt im menschlichen Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Ein Mangel führt dazu, dass reaktive chemische Verbindungen, nämlich Peroxide, ungehindert Bestandteile der roten Blutkörperchen angreifen können. Dadurch treten chronische Anämie und Hämolyse auf. Grundsätzlich setzen die Symptome erst ein, wenn Betroffene in Kontakt mit auslösenden Stoffen kommen. Diese Stoffe sind unter anderem in Ackerbohnen (Vicia faba), Johannisbeeren und Erbsen enthalten.

Auslöser der Erkrankung können auch verschiedene andere Substanzen wie Acetylsalicylsäure oder Malariamedikamente sein. Stress und Infektionen können ebenso Auslöser für Favismus sein.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Symptome und Beschwerden treten typischerweise erst einige Zeit nach dem Kontakt mit auslösenden Substanzen auf. Erste Anzeichen sind meist bereits nach wenigen Stunden erkennbar. Es können aber auch einige Tage vergehen, bis sich Symptome zeigen. Nicht jeder mit einem G6PD-Gendefekt entwickelt automatisch Favismus. Warum die Krankheit bei einigen Betroffenen der Mutation ausbricht und bei anderen nicht, ist derzeit noch nicht vollständig geklärt.

Favismus geht nicht selten mit schwerwiegenden und potenziell lebensbedrohlichen Symptomen einher. Erste Anzeichen eines Schubs sind Bauchschmerzen und Rückenschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und ein allgemeines Schwächegefühl. Bei einer schweren hämolytischen Anämie befinden sich die Patienten meist in einem lebensgefährlichen Schockzustand. Liegt ein schwerer Verlauf vor, kann ein Schub zu akutem Nierenversagen führen.

Diagnose

Im Rahmen der Diagnosestellung wird zuerst eine ausführliche Anamnese erhoben. Der behandelnde Arzt fragt dabei nach der Einnahme von Medikamenten und nach Kontakt zu auslösenden Nahrungsmitteln wie Ackerbohnen. Um eine endgültige Diagnose zu stellen, entnimmt der Arzt Blut, welches labortechnisch untersucht wird. Bei einem G6PDH-Mangel wird eine verminderte Enzymaktivität festgestellt.

Damit die Untersuchungsergebnisse nicht verfälscht werden können, wird die Enzymaktivität in den Retikulozyten, den Vorläufern der roten Blutkörperchen, untersucht. Außerdem ist es sinnvoll, auch die Zahl der Retikulozyten bestimmen zu lassen. Der Krankheitsverlauf ist in den meisten Fällen mild, solange auslösende Stoffe vermieden werden. Wissen Betroffene jedoch nichts von ihrer Krankheit, kann es zu einem schweren Enzymmangel kommen, wodurch die Lebenserwartung deutlich gesenkt wird.

Komplikationen

In der Regel treten beim Favismus keine Komplikationen ein, wenn der Patient den Kontakt mit dem jeweiligen Stoff oder den jeweiligen Stoffen komplett vermeidet. Hierdurch können Alltag und Leben eingeschränkt werden, wodurch die Lebensqualität verringert wird. In vielen Fällen ist der Favismus schwer festzustellen, da die Symptome erst mehrere Tage nach dem Kontakt mit der auslösenden Substanz aufkommen.

Beim Verzicht auf diese Substanz kann der Favismus vermieden werden. Die Betroffenen leiden vor allem an starken Schmerzen im Bauch, Unterleib und im Rücken. Es kommt es ebenso zu Fieber und Schüttelfrost, weswegen die Symptome des Favismus oft mit einer Erkältung oder Grippe verwechselt werden. Hinzu kommt es zu einem Schwächegefühl, Schwindel und oft Erbrechen.

Allerdings tritt beim Patienten auch ein Schockzustand ein, welcher den Favismus von einer Grippe abgrenzen kann. Falls der Favismus nicht direkt behandelt wird, kann dieser die Niere schädigen. In vielen Fällen ist keine Behandlung möglich. Der Patient muss sein gesamtes Leben lang auf bestimmte Inhaltsstoffe verzichten. Hierdurch wird die Lebenserwartung nicht verringert.

Schwere Schübe werden auf der Intensivstation behandelt und führen bei einer schnellen und frühzeitigen Behandlung zu keinen weiteren Beschwerden. Aufgrund der mangelnden Hygiene und medizinischen Versorgung in den Ländern, in welchen der Favismus bevorzugt auftritt, können hierdurch schwere Komplikationen entstehen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Favismus kann nicht direkt und kausal behandelt werden. Die Betroffenen sind daher auch nicht immer auf einen Arzt angewiesen. Vor allem durch das Vermeiden der auslösenden Stoffe können die Beschwerden vollständig vermieden werden. Ein Arzt sollte dann aufgesucht werden, wenn es durch die Beschwerden zu einem akuten Notfall kommt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Betroffene an hohem Fieber und an starken Schmerzen im Bauch oder im Rücken leidet.

Auch ein allgemeines Gefühl der Schwäche und der Müdigkeit kann auf die Erkrankung hindeuten und sollte unbedingt untersucht werden. Weiterhin kann die Krankheit auch zu einem Schockzustand führen. Sollte der Patient aufgrund der Beschwerden das Bewusstsein verlieren, so muss direkt ein Notarzt gerufen oder das Krankenhaus ausgesucht werden. Meistens kann die Krankheit durch einen Allgemeinarzt oder direkt im Krankenhaus diagnostiziert werden. Da es keine ursächliche Behandlung der Krankheit gibt, müssen die Patienten den auslösenden Stoff ihr gesamtes Leben lang meiden. In den meisten Fällen wird die Lebenserwartung des Patienten durch die Erkrankung nicht negativ beeinflusst.

Behandlung & Therapie

Bis heute gibt es keine Behandlung für Favismus, welche die zugrundeliegende Ursache beseitigt. Die Genmutation besteht ab dem Zeitpunkt der Befruchtung und kann nicht behandelt werden. Von Favismus Betroffene müssen ihr Leben lang jeglichen Kontakt zu den krankheitsverursachenden Stoffen vermeiden. Dies gilt für Nahrungsmittel wie Bohnen und Erbsen genauso wie für bestimmte Medikamente. Gelingt dies, ist die Lebenserwartung im Vergleich zur nicht betroffenen Bevölkerung nicht verkürzt.

Problematisch ist Favismus vor allem, wenn die Erkrankung lange Zeit unerkannt bleibt und es dann zu Kontakt mit einer auslösenden Substanz kommt. Dies führt zu einem schweren Schub, welcher intensivmedizinisch behandelt werden muss. Aufgrund der schweren hämolytischen Anämie, die mit Favismus einhergehen kann, besteht die Gefahr von schweren Komplikationen.

In Einzelfällen wird zur Therapie Haptoglobin verwendet. Dabei handelt es sich um ein im Blutplasma befindliches Protein, das am Transport von Hämoglobin beteiligt ist. Bei einer Hämolyse ist der Haptoglobinwert im Blut erniedrigt. Diese Behandlung eignet sich nicht für alle Patienten und wird nur in Notfällen eingesetzt.

Aussicht & Prognose

Da es sich bei dem Favismus um eine genetische Erkrankung handelt, gilt sie bei dem derzeitigen Stand als nicht heilbar. Mit den aktuellen medizinischen und insbesondere den rechtlichen Vorgaben kann keine Änderung der menschlichen Genetik vorgenommen werden. Dennoch kommt es nicht bei allen Trägern der Genmutation zu einem Ausbruch der Beschwerden des Enzymmangels.

Patienten, bei denen sich Symptome zeigen, haben unter bestimmen Bedingungen eine gute Prognose. Mit der Einhaltung ärztlicher Vorgaben besteht die Aussicht einer lebenslangen Beschwerdefreiheit. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Enzymmangels werden bei den betroffenen Patienten ausgelöst sobald sie ausgewählte Substanzen durch ihre Nahrungsmittelzufuhr aufnehmen.

Ein dauerhafter Verzicht der auslösenden Nährstoffe führt zu einer Genesung. Kommt es im weiteren Verlauf des Lebens zu einem Konsum der betroffenen Stoffe, stellen sich unverzüglich Beschwerden ein. Dennoch tritt eine Spontanheilung ein, sobald die Substanzen aus dem Organismus abtransportiert werden. In Ausnahmefällen treten bei der Aufnahme der Stoffe irreversible Schäden des Organismus auf.

Bei einem akuten Zustand durch den Enzymmangel kann es zu einem Akutes Nierenversagen|Versagen der Nierentätigkeit kommen. Der Patient benötigt in diesen Fällen die Transplantation einer Spenderniere, damit eine Heilungsaussicht besteht. Andernfalls ist eine lebenslange medizinische Dialysebehandlung notwendig oder es kommt zu einem frühzeitigen Ableben.


Vorbeugung

Der Gendefekt, welcher die Ursache für Favismus ist, kann nicht vorgebeugt werden, da er bereits vor der Geburt besteht. Um Krankheitsschübe vorzubeugen, müssen Betroffene streng darauf achten, nicht in Kontakt mit auslösenden Substanzen wie Ackerbohnen zu kommen. Bei der Behandlung von bakteriellen oder viralen Infektionen muss der Arzt über den Enzymmangel informiert werden, weil manche Medikamente für Betroffene gefährliche Substanzen enthalten. So sollten beispielsweise keine Medikamente mit Sulfonamide oder Acetylsaliclysäure eingenommen werden.

Nachsorge

Beim Favismus stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen keine oder nur wenige Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene ist dabei in erster Linie auf die frühzeitige Erkennung und die anschließende Behandlung der Erkrankung angewiesen, um weitere Komplikationen zu verhindern. Nur durch eine frühzeitige Erkennung des Favismus können weitere Beschwerden verhindert werden.

Eine selbstständige Heilung kann dabei nicht eintreten. Da es sich beim Favismus um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann diese auch weitervererbt werden. Bei einem Kinderwunsch sollte daher auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um dies eventuell zu vermeiden. Der Betroffene sollte bei dieser Krankheit auf jeden Fall den Kontakt zu den auslösenden Stoffen vermeiden.

Dabei sollte durch einen Arzt geklärt werden, um welche Stoffe es sich dabei handelt. Weiterhin sind die Betroffenen sehr häufig auf die Hilfe von Bekannten und Freunden oder auch der Familie in ihrem Alltag angewiesen, um diese zu erleichtern. Dabei sind auch Gespräche sinnvoll, um psychische Verstimmungen oder Depressionen zu verhindern, die durch den Favismus entstehen könnten. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht universell vorhergesagt werden. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen kann bei dieser Krankheit sinnvoll sein.

Das können Sie selbst tun

Bei einer akuten hämolytischen Krise reichen Selbsthilfemaßnahmen nicht aus. Sie muss umgehend medizinisch behandelt werden. Der zugrunde liegende Enzymdefekt ist nicht heilbar. Betroffene können aber seinen Folgen — einer Blutarmut und akuten Schüben — vorbeugen, indem sie die auslösenden Substanzen und Produkte meiden.

Dazu gehören Bohnen, insbesondere die Saubohnenpflanze und ihre Pollen, sowie Erbsen, Sojaprodukte und Johannisbeeren. Auch viele Medikamente können bei Menschen mit G6PD-Mangel eine Hämolyse anstoßen, darunter gängige Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (ASS) sowie bestimmte Antibiotika (z.B. Sulfonamide und Ciprofloxacin) und Malaria-Therapeutika wie Chloroquin.

Deshalb sollten Patienten ihren Arzt über ihren Enzymdefekt informieren, damit er ihnen keines dieser Präparate verschreibt. Henna-Produkte, Mottenkugeln und WC-Deo enthalten häufig Naphtalin. Das ist eine weitere Substanz, die zu einer hämolytischen Krise führen kann.

Auch Infekte können den oxidativen Stress kritisch erhöhen. Darum ist es essenziell, sie frühzeitig zu therapieren, um einem Schub vorzubeugen. Patienten, die zu schweren Krisen neigen, sollten einen Notfallausweis tragen. Bei chronischer Hämolyse lindern tägliche Gaben eines Folsäurepräparats die Blutarmut. Weil der G6PD-Mangel erblich ist, sollten Betroffene auch ihre Kinder auf den Defekt testen lassen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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