Filterung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Filterung bestimmt, welche Wahrnehmungsinhalte das denkende Bewusstsein erreichen. Jeder Mensch besitzt auf Basis seines Wahrnehmungsgedächtnisses und seiner Erfahrung sowohl kulturell bedingte, als auch persönliche Filter. Bei Menschen mit Psychose sind die Filter des Gehirns unschärfer eingestellt als beim Durchschnitt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Filterung?

Die Filterung bestimmt, welche Wahrnehmungsinhalte das denkende Bewusstsein erreichen.

Der Mensch hört und sieht im Großen und Ganzen, was er hören und sehen will. Denn die menschliche Wahrnehmung ist von Filtersystemen geprägt, die scheinbar Irrelevantes ausblenden und den Menschen ausschließlich die offenbar wichtigen Reize einer Situation bewusst erfahren lassen. Die Bewertung der Reizrelevanz wird im Gehirn auf Basis von zurückgelegenen Wahrnehmungen, damit verbundenen Gefühlen, persönlichen Interessen und Wertvorstellungen des Individuums vorgenommen.

Der Filter schützt das Bewusstsein vor einer Reizüberflutung. Würde der Mensch alle Reize bewusst wahrnehmen, könnte er sich in diesem Dschungel aus Reizen nur schwer zurechtfinden. Auch evolutionär betrachtet hat die Filterfunktion, als wichtiger Teil der Wahrnehmung, große Bedeutung, da die Vorfahren des Menschen so leichter Gefahren einschätzen konnten.

Funktion & Aufgabe

Das menschliche Gehirn besitzt eine Taktfrequenz von einem Kilohertz. Eng verbundene Synapsen mit unterschiedlicher Ausprägung rufen durch chemische Prozesse in effizienter Weise Informationen ab. Außerdem besitzt das Gehirn Speicherkapazitäten von rund zwei Petabyte. Das entspricht ungefähr dem 1000-fachen eines Hochleistungsrechners.

Jedes Sinnessystem des Menschen hat seinen eigenen Speicherraum. Sinneseindrücke werden im Gehirn auf Basis zurückgelegener Wahrnehmungen kategorisiert, vernetzt, klassifiziert, emotionalisiert, sensorisch integriert, interpretiert und an Sprache geknüpft. Die Arbeitsweise des menschlichen Wahrnehmungsapparats ist außerdem auf eine Filterung angewiesen. Diese Filterung findet auf Basis des Wahrnehmungsspeichers statt. Unzählige Reize strömen sekündlich auf den Menschen ein. Alle Reize von außen bewusst wahrzunehmen, würde die Kapazität des menschlichen Bewusstseins überfordern.

Durch das Filtersystem nimmt der Mensch bewusst nur solche Reize aus der umliegenden Welt auf, die er als sinnvoll erachtet. Das Gehirn sortiert dazu aus Wahrnehmungseindrücken die Reize heraus, die auf Basis seiner Erfahrung für die aktuelle Situation von Bedeutung sind. Alle anderen Reize wandern ins Unterbewusstsein und werden damit ausgefiltert.

Aufgrund der Filterung nimmt der Mensch etwa Vogelgezwitscher nur im Hintergrund oder überhaupt nicht bewusst wahr, wenn er sich aktuell in einem wichtigen Gespräch befindet. Dass Menschen nach den Kauf eines bestimmten Autos dieses Automodell häufiger durch die Stadt fahren sehen als vorher, liegt ebenfalls an dem Wahrnehmungsfilter des Gehirns.

Aus dem letztgenannten Beispiel geht vor allem die Bewertungsfunktion hervor, die das Gehirn bezüglich aller wahrgenommenen Reize vornimmt. Jeder Mensch bewertet Situationen und die darin vorkommenden Reize nach seinem eigenen Filtersystem. Dieter Pabst nennt als relevante Filter zum Beispiel die persönlichen Erfahrungen und die eigene Ethik. Auf den persönlichen Filter eines Individuums haben so zum Beispiel neben der Erziehung, dem Kindergarten, der Schule und dem Elternhaus auch der Freundeskreis und die Kultur Einfluss. Als Wertesysteme für den persönlichen Filter kommen neben der Ethik und Moral, das Gewissen, die weltanschaulichen und religiösen Ansichten, die Gerechtigkeitsvostellungen, Dogmen oder Aberglaube infrage. Auch die Interessen des Einzelnen nehmen Filterfunktion an: so zum Beispiel der Beruf, die Hobbys und die Neigungen.

Einen Anteil des Filters bilden also die Kultur und die kulturellen Bewertungen von Sinneseindrücken. Den anderen Anteil bilden die persönlichen Erfahrungen und die persönlichen Wertvorstellungen aufgrund der Erziehung, Bildung und der Interaktion mit anderen Menschen.

Kognitiven Linguisten zufolge repräsentiert die Sprache zum Beispiel den kulturellen Filter. Sprache lenkt die Aufmerksamkeit: wenn es in einer Kultur zum Beispiel 100 verschiedene Worte für Schnee gibt, muss der Sprecher dieser Sprache gefallenen Schnee zur Bezugnahme darauf näher unter die Lupe nehmen als der Sprecher einer Sprache mit nur einem einzigen Wort für Schnee.

Der individuelle Erfahrungsfilter der menschlichen Wahrnehmung ist dagegen eng an Gefühle, Erwartungen und Wertvorstellungen der Wahrnehmungserinnerung gebunden.


Krankheiten & Beschwerden

In manchen Fällen funktioniert der Realitätsfilter von hirngeschädigten Patienten nicht mehr. Die betroffenen Menschen handeln dann auf Basis von Gedächtnisinhalten, die von der momentanen Situation absolut unabhängig sind. Schwere Gedächtnisstörungen sind meist mit diesem Phänomen assoziiert. In den meisten Fällen sind sich die Betroffenen jedoch nicht über diese Gedächtnisstörungen bewusst. Das Gehirn der Patienten lässt im falschen Moment Erinnerungen und Wertigkeiten ohne Situationsrelevanz den Vortritt. Der Realitätsfilter des Gehirns holt normalerweise nur solche Inhalte aus dem Gedächtnis hervor, die einen Bezug zur Gegenwart haben. Bei Patienten dieser Störung ist das Gehirn zu diesem Vorgang nicht mehr in der Lage.

Nicht nur körperliche, sondern auch psychische Störungen können mit einer fehlgeleiteten Filterung der Wahrnehmung einhergehen. Das ist beispielsweise bei Psychosen der Fall. Üblicherweise sind die Filter im Gehirn mehr oder weniger scharf eingestellt und helfen dabei, in einer Fülle von Reizen und Eindrücken nur solche von aktueller Relevanz zu erkennen. Bei Menschen mit Psychose sind die Filter deutlich unschärfer eingestellt. Aus diesem Grund strömen auf sie unkontrolliert Reize und Assoziationen ein. Das Alltagsbewusstsein eines Menschen ist aufgrund der Filter relativ rigide. Das eines Menschen mit Psychose oder Schizophrenie ist es wegen der geringen Filterschärfe dagegen hoch dynamisch und lebendig. Dieser Zusammenhang deutet auf eine Verbindung zwischen Genie und Wahnsinn hin, wie sie Genies seit jeher nachgesagt wird. So sind auch die Filter eines Kreativen assoziationsoffener als die unkreativer Personen.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015

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