Liquor cerebrospinalis
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Als Liquor wird die Körperflüssigkeit bezeichnet, die ständig Gehirn und Rückenmark im sogenannten inneren und äußeren Liquorraum umspült. Es handelt sich um ein System miteinander in Verbindung stehender Hohlräume. Der Liquor erneuert sich bis zu viermal täglich in einem kontinuierlichen Produktions- und Resorptionsprozess. Eine wichtige Hauptfunktion besteht im Schutz des Gehirns gegen Erschütterungen. Inwieweit Ernährungs- und sonstige Stoffwechselprozesse für das Nervengewebe eine Rolle spielen, ist noch nicht abschließend erforscht.
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Was ist Liquor?
Der Liquor cerebrospinalis – wie die vollständige Bezeichnung lautet – umspült das Großhirn, das Zwischenhirn und das Rückenmark in speziellen Hohlräumen, die wie kommunizierende Röhren miteinander in Verbindung stehen. Die Hohlräume lassen sich in einen inneren und einen äußeren Liquorraum unterteilen.
Der innere Liquorraum wird durch sogenannte Ventrikel gebildet, die teilweise mit einem Adergeflecht, dem Plexus choroideus, ausgekleidet sind, aus dem die Flüssigkeit ständig neu gebildet und in die Ventrikel abgegeben wird. Damit Volumen und Druck des zirkulierenden Liquors konstant bleibt, diffundiert die normalerweise glasklare Flüssigkeit über spezielle Zotten (Arachnoidalzotten) an den Wänden des äußeren Liquorraumes in das venöse Blut und wird von Venen zur weiteren Aufarbeitung abtransportiert.Die Produktions- und Resorptionsrate müssen die gleichen Werte erreichen. Eine spezielle Blut-Liquor-Schranke verhindert, dass venöses Blut über die Arachnoidalzotten in den äußeren Liquorraum eintritt. Unterhalb der Schädeldecke hüllt der Liquor das Großhirn in einer dünnen Schicht zwischen den beiden weichen Hirnhäuten ein – vergleichbar mit einem gelgepolsterten inneren Schutzhelm.
Zusammensetzung
Der Liquor wird im inneren Liquorraum in den Wänden der vier Ventrikel erzeugt und strömt langsam über spezielle Verbindungsstellen (Foramina) zu einem der äußeren Liquorräume, um letztendlich über die Arachnoidalzotten wieder in den Blutkreislauf überzutreten.
Der innere Liquorraum besteht aus den beiden Seitenventrikeln im Großhirn mit einer ausgeprägten Geometrie mit Vorder- Hinter- und Unterhorn sowie einem Mittelteil, dem dritten Ventrikel im Zwischenhirn und dem vierten Ventrikel, der weiter unterhalb im Rhombencephalon oder Rautenhirn verläuft. Der vierte Ventrikel steht über insgesamt drei Öffnungen mit dem äußeren Liquorraum in Verbindung, durch die die Zerebrospinalflüssigkeit in den äußeren Liquorraum übertreten kann.
Funktion & Aufgaben
Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe der Zerebrospinalflüssigkeit besteht in seiner mechanisch-hydraulischen Schutzfunktion des Gehirns. Dem äußeren Liquorraum kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Unterhalb der Schädeldecke zirkuliert der Liquor zwischen den beiden weichen Hirnhäuten Pia mater und Arachnoidea mater und bildet quasi ein Gelpolster, das das Gehirn – vor allem das Großhirn - vor Erschütterungen schützt, die auf den Kopf, beziehungsweise auf die Schädeldecke einwirken.
Da das Gehirn weitestgehend von Liquor umgeben ist, schwimmt es quasi auf, so dass sich die „Aufdruckfläche“ des Gehirns zur Kompensation der Schwerkraft oder einer anderen Beschleunigung in beliebiger Richtung gleichmäßig verteilt und das Gehirn vor punktueller und einseitiger mechanischer Druckbelastung schützt, die zu gravierenden Folgen führen könnte.
In wieweit der Liquor zur Versorgung der Nervenzellen mit Nährstoffen oder anderen physiologisch wirksamen Substanzen beiträgt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die relativ hohe Reproduktionsrate der Zerebrospinalflüssigkeit könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Liquor Abbauprodukte aus dem Stoffwechsel der Nervenzellen aufnimmt und abtransportiert.
Liquor ist auch Ausgangssubstanz für die Perilymphe im Innenohr (Scala tympani) und in den Gleichgewichtsorganen (Scala vestibuli). Die Perilymphe ähnelt dem Liquor in ihrer Elektrolytzusammensetzung, und der äußere Liquorraum steht mit den Perilymphräumen über den Ductus perilymphaticus in Verbindung.
Beschwerden & Krankheiten
Im Falle einer Erhöhung des Gesamtvolumens des zirkulierenden Liquors erhöht sich der Druck der Flüssigkeit in den Liquorräumen mit gravierenden Auswirkungen. Eine exzessive Flüssigkeitsvermehrung kann durch Hirnödeme, entzündliche Prozesse im Gehirn wie auch zum Beispiel durch eine starke Überversorgung mit Vitamin A (Hypervitaminose A) verursacht werden.
Die Druckerhöhung kann auch durch Gehirntumore entstehen, die infolge ihrer physikalischen Abmessungen Raum für sich beanspruchen und dadurch den Druck erhöhen. Eine Verschiebung des Gleichgewichts durch Störung des Liquorabflusses, beziehungsweise der Resorption, ist ebenfalls bekannt und kann einen erhöhten Druck in den Liquorräumen auslösen.
Ein verminderter Liquorabfluss kann zum Beispiel durch eine angeborene Fehlbildung, durch ein Verkleben der Hirnhäute oder durch eine Störung des Übergangs von den inneren zu den äußeren Liquorräumen verursacht werden. Das wichtigste Indiz, das auf erhöhten Liquordruck, beziehungsweise Hirndruck, hinweist, ist außer allgemeiner Symptome wie Kopfschmerzen und Erbrechen die Entstehung eines Ödems im Gewebe der Sehnervpapille.
In fortgeschrittenem Stadium kommt es zu Augenmuskellähmungen, Schwindel sowie Atem- und Bewusstseinsstörungen, die bis zum Koma führen können. Bei einem dauerhaft gestörten Abfluss des Liquors kann sich durch den erhöhten Druck in den Liquorräumen ein sogenannter Wasserkopf (Hydrocephalus) ausbilden. Es handelt sich um eine schwerwiegende Krankheit, die häufig auf Entwicklungsstörungen und auf genetische Defekte zurückgeführt werden kann.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
- Hochschild, J.: Strukturen und Funktionen begreifen, Funktionelle Anatomie. Band 1: Wirbelsäule und obere Extremität. Thieme, Stuttgart 2019