Hysterie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Es existieren nur wenige Begriffe, die häufiger falsch gedeutet und neu interpretiert wurden und für mehr Diskussionen sorgten als der der Hysterie. Der schon von den berühmten antiken Ärzten Hippokrates und Galen verwendete Begriff hat heute eine ganz andere Bedeutung und ist besser erforscht als vor zweieinhalbtausend Jahren. Doch liegt noch viel Arbeit vor den Wissenschaftlern und Psychologen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Hysterie?

Histrionische Persönlichkeiten neigen zu Übertreibungen und inszenieren sich häufig, um Sympathie zu wecken oder sich in den Vordergrund zu stellen.
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Hysterie leitet sich von dem altgriechischen Wort für Gebärmutter, "hystera", ab und bezeichnet heutzutage eine auffällige, extrem extrovertierte Verhaltensweise, die durch eine psychische Störung ausgelöst wird.

Mit den Konversionsstörungen sowie den dissoziativen Störungen werden heute zwei Symptomgruppen unterschieden. Bei ersteren handelt es sich um traumatische Erlebnisse, die der Geist nicht verarbeiten kann und die deshalb in körperliche Beschwerden "umgewandelt" werden. Die dissoziativen Störungen haben denselben Auslöser, äußern sich jedoch in Bewusstseinsstörungen.

In der Antike - und auch lange Zeit danach - wurde die Ursache für die Krankheit allerdings nicht im Gehirn, sondern in der Gebärmutter vermutet und somit exklusiv Frauen zugeschrieben. Berühmte Mediziner wie Hippokrates gingen beispielweise davon aus, dass die Symptome durch die Wanderung der Gebärmutter in andere Organe ausgelöst wurden. Zur Behandlung der Hysterie verschrieben sie daher Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft, um die Gebärmutter wieder richtig zu platzieren.

Ursachen

Auch wenn die Ursachen für eine Hysterie immer noch nicht gänzlich geklärt sind, geht man mittlerweile von einer Entwicklung in frühen Kindertagen, etwa zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr aus.

In dieser Zeit sehen die Forscher einen enorm wichtigen Schritt in der Entwicklung des Kindes, sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht. Das Kind hat zu diesem Zeitpunkt bereits viele motorische und geistige Fähigkeiten erlangt, sieht sich aber vor dem Problem der beginnenden Integration in die Welt der Erwachsenen.

Mangelt es in dieser Phase an starken Vorbildern, die ihr diese für sie neue und noch unbekannte Welt interessant vorkommen lassen - fehlt beispielsweise ein Elternteil oder eine andere wichtige Bezugsperson - kann dies zur Ausbildung einer Hysterie führen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein Anzeichen für Hysterie im Sinne der histrionischen Persönlichkeitsstörung ist ein starker Wunsch nach Aufmerksamkeit. Dieses Bedürfnis wird durch verschiedene Mittel erfüllt. Nach Alarcon (1973) können sieben zentrale Merkmale von Hysterie unterschieden werden.

Eines davon ist theatralisches Verhalten. Histrionische Persönlichkeiten neigen zu Übertreibungen und inszenieren sich häufig, um Sympathie zu wecken oder sich in den Vordergrund zu stellen.

Ein weiteres Symptom der Hysterie ist die emotionale Labilität. Histrionische Persönlichkeiten erleben häufig drastische Stimmungsschwankungen, wobei die einzelnen Gefühle meist sehr stark ausgeprägt sind. Dadurch können sie launisch und unvorhersehbar wirken. Nicht immer passen die gezeigten Gefühle zur Situation, sondern sie können auch sozial unangemessen sein.

Ein weiteres Anzeichen für Hysterie besteht darin, dass sich die Betroffenen freiwillig von einer oder mehreren anderen Personen abhängig machen. Dabei ordnen sie sich jedoch nicht vollständig unter. Häufig entsteht dadurch eine paradoxe Situation, in der die histrionische Persönlichkeit einerseits selbstbestimmte Entscheidungen treffen möchte und andererseits jemanden sucht, der sich um sie kümmert wie um ein Kind.

Überreaktionen, Egozentrismus und Beeinflussbarkeit sind weitere Symptome, die für die Hysterie typisch sind. Die Beeinflussung kann dabei nicht nur von anderen ausgehen, sondern auch von der histrionischen Persönlichkeit selbst. Darüber hinaus verhalten sich viele histrionische Persönlichkeiten sexuell verführerisch, um auf diesem Weg ebenfalls Aufmerksamkeit und Bewunderung hervorzurufen.

Diagnose & Verlauf

Das größte Problem bei der Diagnose einer Hysterie ist die Klassifizierung der Symptome, seien diese nun psychischer oder körperlicher Natur, als Folge eben dieser. Treten etwa Sehstörungen oder Lähmungserscheinungen auf, werden dessen Ursachen in der Regel erstmal in anderen Bereichen gesucht.

Ähnlich verhält es sich mit den Bewusstseinsstörungen, die auch als Folge von vielen anderen Erkrankungen des zentralen Nervensystems auftreten können. Fehldiagnosen kommen daher ziemlich häufig vor und sind auch schwer zu vermeiden. Eine Diagnose kann eigentlich nur durch einen erfahrenen Therapeuten, der sich in dem Gebiet der Hysterie auskennt, zuverlässig gestellt werden.

Komplikationen

Unter dem eigentlich veralteteten Begriff der Hysterie versteht die Psychiatrie eine neurotische Störung. Diese geht mit labilen und oberflächlichen Affekten, Geltungsbedürfnis, manipulativem Verhalten und einem ausgeprägten Bedürfnis nach Anerkennung einher. Heute wird eher von Konversionsstörung oder histrionischer Persönlichkeitsstörung gesprochen.

Daraus erklärt sich, warum es im Zusammenhang mit diesen Verhaltensweisen zu Komplikationen kommen kann, vor allem mit der Umwelt. Betroffene verlangen übermäßig viel Aufmerksamkeit, sind unvorhersehbaren Gefühlsschwankungen unterworfen und drängen sich in den Vordergrund. Mitmenschen empfinden dies in der Regel als lästig und gehen auf Distanz.

Dies gilt insbesondere dann, wenn sie die dahinter verborgenen Manipulationstechniken durchschauen. Vor allem Menschen mit histrionischer Persönlichkeitsstörung können diese Reaktion aber nicht verstehen und verstärken ihre früh erlernten Strategien, woraus ein Teufelskreislauf entsteht. Patienten, die zur Hysterie neigen, werden deswegen entweder oft ausgegrenzt oder finden manchmal Mitmenschen, die eine Co-Abhängigkeit aufweisen.

Dies ist für den therapeutischen Prozess jedoch ebenfalls ungünstig. Stabile, gesunde Beziehungen sind für die Betroffenen sehr schwer aufzubauen. Da es sich um Verhaltensmuster handelt, deren Wurzeln bis in die Kindheit zurückreichen, sind diese therapeutisch schwer zu beeinflussen. Sie sind tief in der Persönlichkeit der Betroffenen verankert. Der therapeutische Prozess ist langwierig und zäh. Auch erfahrene Therapeuten müssen dabei vorsichtig sein, sich nicht vereinnahmen zu lassen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Diagnose mit dem Begriff Hysterie gibt es heutzutage nicht mehr, da es sich um eine alte Begrifflichkeit handelt. Dennoch sollte ein Arzt aufgesucht werden, sobald die mit dem Ausdruck verbundenen Beschwerden auftreten. Ein Verhalten, dass im direkten Vergleich zu anderen Menschen als ab der Norm wahrgenommen wird, sollte von einem Arzt professionell beurteilt werden.

Ein besonders aggressives Auftreten oder sich selbst gefährdende Verhaltensweisen sind Gründe für einen Arztbesuch. Besorgniserregend sind Erlebenszustände, in denen der Betroffene stark emotional überreagiert, seine alltäglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann und sein gewohntes Leistungsniveau nicht mehr erreicht wird. Apathie, sexuelle Auffälligkeiten oder ein Verlust der Gedächtnisfähigkeit müssen untersucht und behandelt werden.

Falsche Erinnerungen oder Erinnerungslücken sind ungewöhnlich und können zudem auf organische Probleme hindeuten. Daher sind in diesen Fällen schnellstmöglich medizinische Untersuchungen einzuleiten. Treten Sensibilitätsstörungen oder Veränderungen der Persönlichkeit auf, ist ein Arzt aufzusuchen. Ein starkes Angsterleben, der Verlust des Realitätsbezugs oder sehr egoistisches Verhalten sind Hinweise auf vorliegende Störungen.

Ein Arztbesuch ist notwendig, damit sich keine weitere Verschlechterung der Gesundheit einstellt. Bei einer psychischen Erkrankung komm es oftmals zu einer fehlenden Krankheitseinsicht. Dies gehört zu den Symptomen und ist entsprechend zu berücksichtigen. Ein gutes Vertrauensverhältnis zu Bezugspersonen sowie zum Arzt sind von besonderer Wichtigkeit.

Behandlung & Therapie

Auch die Behandlung einer Hysterie ist nicht gerade simpel und kann nicht nach einem festgelegten Schema durchgeführt werden. Vielmehr muss der Therapeut gezielt auf die subjektiven Störungen - und deren Ursachen - eines jeden einzelnen Patienten eingehen.

Dabei muss in zahlreichen Sitzungen vor allem herausgefunden werden, was die jeweiligen Symptome ursächlich auslöst und dann genau geschaut werden, mit welchen psychoanalytischen Vorgehensweisen am ehesten eine Besserung zu erreichen ist. Aufgrund der häufig sehr besitzergreifenden und einnehmenden Art der Hysterie, erweist sich eine Therapie in den meisten Fällen als sehr langwierig und nur schwierig durchführbar.


Vorbeugung

Aufgrund der noch nicht gänzlich erforschten Auslöser für eine Hysterie, ist auch deren mögliche Vorbeugung noch nicht wirklich klar.

Ein behütetes Elternhaus sowie ein solides soziales Umfeld während der frühen Kindheit könnten aber - basierend auf dem derzeitigen Stand der Forschung - psychischen Verdrängungen und einer daraus möglicherweise resultierenden Hysterie entgegenwirken.

Da die Ursachen und der Ausgangspunkt der Hysterie heute besser bekannt sind und die antiken Vorstellungen dadurch größtenteils widerlegt wurden, haben sich in der Medizin neue Begriffe wie dissoziative Störung oder histrionische Persönlichkeitsstörung eingebürgert. Die genauen Gründe sind dagegen weiterhin noch teilweise unklar und erschweren dadurch auch eine Behandlung.

Das können Sie selbst tun

Die Hysterie ist ein veralteter Begriff für eine psychische Störung. Da er sehr ungenau ist, sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe im Alltag individuell zu bewerten. Um eine differenzierte Diagnose zu erhalten, ist die Zusammenarbeit mit einem Psychotherapeuten oder Psychologen notwendig. Anschließend können gemeinsam Methoden und verschiedene individuelle Verhaltenstechniken zur Selbsthilfe festgelegt werden.

Allgemein betrachtet zeigt der Betroffene ein der Norm abweichendes Auftreten, das er selbst nicht ausreichend regulieren kann. Die psychische Erkrankung führt dazu, dass dem Patienten sein eigenes Verhalten nicht bewusst ist. Das hat zur Folge, dass die Maßnahmen der Selbstregulierung sehr gering sind. Einige Erkrankte stellen ein Risiko für sich und andere dar. Es fehlt trotz Aufklärung eine Krankheitseinsicht und das eigene Auftreten ist nicht steuerbar.

In vielen Fällen sind die Angehörigen und Menschen des nahen Umfeldes von der psychischen Störung in ihrer Lebensgestaltung stark beeinflusst. Ihnen wird empfohlen, sich umfassend über die Symptome der Erkrankung zu informieren. Das verbessert den Umgang untereinander und fördert das gegenseitige Verständnis. Eine emotionale Abgrenzung wird erleichtert und die Sensibilität für ein notwendiges Eingreifen erlernt. In vielen Fällen können die erkrankten Menschen nicht ohne fremde Hilfe den Lebensalltag bestreiten. Sie sind auf Unterstützung angewiesen und benötigen Bezugspersonen, denen sie vertrauen können.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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