IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen

IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen sind eine Gruppe aus Krankheiten, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. Die Erkrankungen zählen zu den Systemerkrankungen und können gleichzeitig oder nacheinander mehrere Organsysteme befallen. Mittlerweile hat sich zur symptomatischen Behandlung der bislang unheilbaren Krankheiten die Gabe von Glukokortikoiden eingebürgert.

Inhaltsverzeichnis

Was sind IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen?

Kommt es zu akuten Situationen wie einem Verlust des Bewusstseins, muss ein Notarzt gerufen werden. Erste Hilfe Maßnahmen sind erforderlich, damit bis zu dessen Eintreffen das Überleben des Betroffenen gesichert ist.
© Christian Schwier – stock.adobe.com

Das menschliche Immunsystem erkennt Krankheitserreger und andere Fremdkörper, die in den menschlichen Organismus eingedrungen sind. Die Zellen des Immunsystems greifen die Fremdkörper nach Identifikation an, um sie zu eliminieren und den Organismus damit zu schützen. Bei Autoimmunerkrankungen erkennt das Immunsystem körpereigenes Gewebe fälschlicherweise als körperfremd und greift gesunde Zellen des eigenen Organismus an.

Die sogenannten IgG4-assoziierten Erkrankungen sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen. Es handelt sich um Systemerkrankungen, die sich prinzipiell gegen alle Gewebe und Organe des Körpers richten können. IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen rufen starke Schwellungen und Fibrotisierungen hervor und entstehen immunvermittelt.

Die Gruppe setzt sich aus chronisch verlaufenden Erkrankungen mit Vermehrung der antikörperproduzierenden IgG4-positiven Plasmazellen zusammen. Das klinische Bild von IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen kann sich von Fall zu Fall deutlich unterscheiden. IgG4-assoziierte Erkrankungen sind vor allem in Ostasien verbreitet und betreffen bevorzugt Männer zwischen mittlerem und fortgeschrittenem Alter. Die mitunter bekannteste, IgG4-assoziierte Erkrankung ist die IgG4-assoziierte Pankreatitis oder Autoimmunpankreatitis Typ 1.

Ursachen

Wie bei allen anderen Immunerkrankungen ist die Ursache der IG4-assoziierten Immunerkrankungen bislang umstritten. Mittlerweile gehen viele Forscher von einem eigenständigen Entstehungsmechanismus aus. Der sogenannte „cross-talk“ zwischen angeborenem und erworbenem Abwehrsystem soll bei Patienten der Krankheitsgruppe Wissenschaftlern zufolge gestört sein.

Die sogenannte Th2-Reaktion des Abwehrsystems scheint eine zentrale Rolle für die Pathogenese der Erkrankungen zu spielen. Die Reaktion aktiviert die regulatorischen T-Lymphozyten und stimuliert die Bildung des transforming growth factor ß sowie des Interleukins 10. Diese Substanzen regen den Körper wiederum zur IgG4-Bildung an. Der Auslösemechanismus für die Th2-Reaktion ist bislang unbekannt.

Einige Autoren sprechen von Autoantigenen, während andere Infektionserreger diskutieren. Aktuellen Erkenntnissen zufolge liegen bei der Mehrzahl aller Patienten Autoantikörper gegen Prohibitin vor. Dieser Zusammenhang spricht für eine rein autoimmune Genese der meisten IgG4-RD-Gruppe.

Allerdings ist nicht jeder IgG4-Patient von einer Autoimmunkrankheit betroffen. Besser gesagt bleibt weitestgehend ungeklärt, ob eine IgG4-Vermehrung für die Krankheitsentstehung ursächlich ist oder als Epiphänomen nach der Krankheitsentstehung auftritt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome einer IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankung unterscheiden sich von Fall zu Fall und hängen vor allem von der genauen Erkrankung ab. Scheinbar manifestieren sich IgG4-RD oft zur selben Zeit oder kurz nacheinander an unterschiedlichen Organen oder Gewebesystemen. Aus diesem Grund werden sie als Systemkrankheiten bezeichnet.

Der Grad der organischen Dysfunktion hängt vom Einzelfall ab. Prinzipiell stellt die Vergrößerung oder Schwellung der befallenen Organe und Gewebe das gemeinsame Merkmal aller IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen dar. Bei den meisten Krankheiten der Gruppe tritt starke Vernarbung im Sinne einer Sklerosierung des Gewebes ein.

Eine Komprimierung von Ausführgängen wurde vor allem bei Krankheiten wie dem Miculicz-Syndrom, der sklerosierenden Cholangitis und Morbus Ormond beobachtet. Dieses Phänomen zieht eine Stauung von Sekret nach sich, die oft mit einer Folgesymptomatik verbunden ist. Mittlerweile werden mehr als ein Dutzend unterschiedliche Erkrankungen den IG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen zugeordnet. Bei einigen Krankheiten aus der Gruppe kann leichte Schmerz-Symptomatik in den befallenen Geweben auftreten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Im Rahmen der Diagnostik sind zum Nachweis von IgG4-assoziierten Erkrankungen organische Untersuchungen an verschiedenen Organen und Geweben des Körpers durchzuführen. Nur bei einem Befall mehrerer Organsysteme, so zum Beispiel kombiniert bei Befall der Lungen, der Nieren, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse, kann von einer IgG4-assoziierten Erkrankung die Rede sein.

Laborwerte und Bildgebungen zählen zur Standarddiagnostik. Auch eine Histologie wird in den meisten Fällen erforderlich. Die Prognose für Patienten mit IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen ist aufgrund der Anfälligkeit für Folgeerkrankungen relativ ungünstig. Offenbar lassen Krankheiten der Gruppe das Risiko für Tuberkulose und Krebs ansteigen.

Auch die Chronizität der IgG4-assoziierten Erkrankungen ist mit schlechten Aussichten assoziiert. Regelmäßig befallenes Gewebe nimmt unter Umständen irreversiblen Schaden. Dieser Umstand ist vor allem bei dem Befall von Organen denkbar ungünstig.

Komplikationen

Bei den IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen kann es zu ernsthaften Beschädigungen und Komplikationen an den Organen kommen, die für den Patienten auch lebensgefährlich sein können. Hierdurch kann die Lebenserwartung eingeschränkt werden, wenn keine sofortige Behandlung der Krankheit eintritt. Es kann dabei allerdings nicht vorausgesagt werden, welche Organe betroffen werden und wie sich die Beschwerden äußern werden.

In den meisten Fällen kommt es allerdings zu einer Vergrößerung der Organe und damit zu Schmerzen. Sie können ebenso anschwellen und zu Narben führen. Nicht selten kommt es auch zu Schäden am Skelett des Patienten und zu stechenden Schmerzen. Der Betroffene fühlt sich im Allgemeinen krank und leidet an einer geringen Belastbarkeit. Die Muskeln schmerzen oft und es kommt zu Bewegungseinschränkungen.

Die Behandlung der IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen findet in den meisten Fällen nur symptomatisch statt, da eine ursächliche Behandlung nicht möglich ist. Dabei werden dem Patienten Medikamente verabreicht und es treten keine weiteren Komplikationen auf. Allerdings können dann Komplikationen entstehen, wenn Organe irreversibel geschädigt wurden. In diesem Falle kommt es zum Tode oder es ist eine Transplantation notwendig, um den Patienten am Leben zu erhalten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Schwellungen am Körper und diffuse Hautveränderungen sollten einem Arzt vorgestellt werden. Kommt es zu einem Engegefühl im Körperinnern, breiten sich die Hautauffälligkeiten weiter aus oder stellt sich ein Unwohlsein ein, wird ein Arzt zur Abklärung der Symptome benötigt. Bei Funktionsstörungen einzelner Systeme oder einem allgemeinen Krankheitsgefühl, ist ein Arztbesuch notwendig.

Kommt es zu akuten Situationen wie einem Verlust des Bewusstseins, muss ein Notarzt gerufen werden. Erste Hilfe Maßnahmen sind erforderlich, damit bis zu dessen Eintreffen das Überleben des Betroffenen gesichert ist. Bei Schmerzen, einem Abfall des Leistungsniveaus, Konzentrationsstörungen, Schwindel oder Schlafstörungen, muss ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu Gangunsicherheiten, Kopfschmerzen, Blutungen, Magenbeschwerden, Durchfall oder Verstopfungen, ist ein Arzt zu konsultieren.

Setzen Krämpfe ein oder werden psychische Auffälligkeiten bemerkt, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Probleme beim Wasserlassen, Atemstörungen oder Aussetzer der Atmung, sind untersuchen und behandeln zu lassen. Leidet der Betroffene unter Störungen der Mobilität, Gelenkproblemen oder starken Veränderungen des Gewichts, ist ein Arzt zu konsultieren. Bei Veränderungen des Herz-Rhythmus, Bluthochdruck oder Durchblutungsstörungen ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt notwendig. Wiederholt auftretendes Erbrechen, Übelkeit sowie Auswurf gelten als ungewöhnlich und sind ärztlich untersuchen zu lassen. Liegt keine Erkältungserkrankung vor, sollte ein Arzt aufgesucht werden, sobald die Beschwerden über mehrere Tage anhalten.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung existiert für Patienten mit IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen bisweilen nicht, da die Ursache bisher nicht abschließend geklärt ist. Die Therapie erfolgt daher ausschließlich symptomatisch. Mit anderen Worten sind Krankheiten dieser Gruppe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht heilbar.

Erfahrungsgemäß haben sich zur symptomatischen Behandlung von Patienten mit IgG4-assoziierten Krankheiten Glukokortikoide eingebürgert. Falls eine Unverträglichkeit gegenüber Steroiden vorliegt oder ein steroidrefraktärer Verlauf eintritt, kann Rituximab verabreicht werden. Das Medikament führt schnell zur Verbesserung des klinischen und histologischen Befunds.

Die B-Zellen im Gewebe des Patienten nehmen ab. Dasselbe gilt für die IgG4-Konzetration im Serum des Betroffenen. Wichtig ist vor der Gabe von Medikamenten eine tatsächlich gesicherte Diagnostik. Vor allem Lymphomkrankheiten sind differenzialdiagnostisch auszuschließen, bevor mit der Therapie begonnen wird.

Andere Therapieoptionen sind bislang nicht dokumentiert worden. Vor allem bei der IgG4-assoziierten Autoimmunpankreatitis wurde in einem Großteil aller Fälle von hervorragender Ansprache auf Glukokortikoide berichtet. Irreversible Schädigungen an Organen müssen gegebenenfalls mit einer Organtransplantation kompensiert werden.


Aussicht & Prognose

Die IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen sind nach dem derzeitigen wissenschaftlichen und medizinischen Stand unheilbar. Die Prognose wird daher als ungünstig beschrieben. Dennoch gibt es Therapieansätze, die eine Linderung einzelner Beschwerden bewirken und damit zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Die chronisch verlaufenden Erkrankungen haben starke Auswirkungen auf den Betroffenen. Neben verschiedenen Dysfunktionen und Schmerzen drohen auch lebensgefährdende Verläufe. Sind Organe betroffen, verschlechtert sich die Prognose deutlich. Die Lebenserwartung ist bei diesen Patienten meist verkürzt, da irreparable Schäden entstehen.

Alternativ können als lebensverlängernde Maßnahme Organtransplantationen durchgeführt werden. Steht ein Spenderorgan zur Verfügung wird dieser Weg oft gewählt. Der chirurgische Eingriff ist mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Treten keine Komplikationen ein und wird das Spenderorgan vom Organismus angenommen, erlebt der Patient im Normalfall eine Verbesserung seiner Gesundheit.

Verläuft die Operation ohne Erfolg, nehmen die Beschwerden zu und der Allgemeinzustand ist stark geschwächt. Bei Organvergrößerungen treten häufig starke Schmerzen ein. Als Folge muss sich der Patient einer Langzeittherapie unterziehen. Sobald die Behandlung abgebrochen wird, kommt es zu einer Rückbildung der Beschwerden. Eine dauerhafte Linderung ist derzeit nicht möglich, da bislang keine genaue Ursache für die Entstehung der Autoimmunerkrankungen gefunden werden konnte. Die Behandlung der individuell auftretenden Symptome steht im Mittelpunkt einer medizinischen Versorgung.

Vorbeugung

Die Ursachen und die detaillierte Pathogenese für IgG4-assoziierte Erkrankungen ist bislang nicht abschließend aufgeklärt. Solange die Ursachen für die Erkrankungen unklar sind, wird es keine erfolgsversprechenden Wege zur Vorbeugung geben. Dieser Zusammenhang kennzeichnet nicht nur die IgG-assoziierten Autoimmunerkrankungen, sondern gilt bis heute für annähernd alle Autoimmunerkrankungen.

Nachsorge

IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen lassen sich in der Nachsorge lediglich im eingeschränkten Maße behandeln. Für die Vorsorge gibt es, wie bei fast allen Autoimmunerkrankungen, nur ein paar grobe Richtlinien. Die Ärzte empfehlen zunächst eine entzündungshemmende Ernährungsweise mit Lebensmitteln, die den Körper stärken. Daran schließt sich eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung an.

Im Fokus steht dabei die Achtsamkeit der Patienten, die sich selbst und ihre Lebensweise bewusst wahrnehmen sollten. Mit sportlicher Betätigung reduziert sich die Gefahr von Entzündungen, gleichzeitig verbessert sich das eigene Körpergefühl. Der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel senkt das Risiko von Entzündungen. So können tierische Lebensmittel wie Fleisch einen schädlichen Einfluss haben.

Sehr zuckerhaltige Nahrung und Arachidonsäure, die beispielsweise in rotem Fleisch enthalten ist, fördern die Entzündungen. Darum sollten die Betroffenen den Genuss von Fleisch und raffiniertem Zucker einschränken. Als Entzündungshemmer eignen sich beispielsweise Hülsenfrüchte, Gemüse, Nüsse, Obst und Leinöl. Omega-3-Fettsäuren und viele Gewürze sorgen ebenfalls für ein stärkeres Immunsystem.

Die Betroffenen können sich in Selbsthilfegruppen direkt austauschen oder an einem Online-Forum teilnehmen. Hier treffen sie auf Verständnis und gewöhnen sich an ihre neue Lebenssituation. Diese Kommunikation hilft bei der alltäglichen Bewältigung der Immunerkrankung.

Das können Sie selbst tun

In verschiedenen Selbsthilfegruppen oder Foren im Internet tauschen sich Betroffene aus. Der häufig lange Weg zur Diagnose ist eine Belastung. Jeder Erkrankte muss seinen eigenen Weg im Umgang mit der veränderten Lebenssituation finden. Erfahrungen teilen und dabei Parallelen erkennen sind positive Aspekte bei der Bewältigung.

Vielen Patienten hilft eine entzündungshemmende Ernährung. Zahlreiche Lebensmittel haben einen positiven Effekt auf entzündliche Vorgänge im Körper. Die Lebensqualität steigt durch eine gesunde Lebensführung. Dazu gehört neben der Ernährung auch der achtsame Umgang mit sich selbst. Sport wirkt ebenfalls entzündungslindernd und steigert das Wohlbefinden.

Ein erster Schritt ist die Vermeidung von Nahrungsmitteln, die Entzündungen verstärken. Fleisch und tierische Lebensmittel enthalten Arachidonsäure. Diese Fettsäure fördert Entzündungen ebenso wie raffinierter Zucker. Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst, Nüsse, Beeren, Leinöl und Rapsöl wirken dagegen hemmend. Das Auftreten entzündlicher Prozesse und chronischer Entzündungen wird gemindert durch den Verzehr von Tomaten, Kirschen, Papaya, Blaubeeren, Granatapfelkernen oder Granatapfelsaft, Ananas, Spinat, Möhren, Wassermelonen, Weißkohl, Feldsalat und Omega-3-Fettsäuren, etwa in Wildlachs.

Auch Gewürze wie Kurkuma, Ingwer, Chili, Oregano und Zimt zeigen eine gesundheitsfördernde Wirkung. Ebenso Knoblauch und Zwiebeln. Eine Alternative zu rotem Fleisch bietet Geflügel. Das gilt auch für fetthaltige Wurst. Zucker lässt sich durch Honig, Agaven-Dicksaft oder Rohrohrzucker ersetzen.

Quellen

  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

Das könnte Sie auch interessieren