Retroperitonealfibrose
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Begriff Retroperitonealfibrose (auch bekannt als retroperitoneale Fibrose, Ormond-Syndrom oder Morbus Ormond) bezeichnet der Mediziner eine Bindegewebsvermehrung, welche zwischen der Wirbelsäule und dem hinteren Bauchfell auftritt. Dabei werden vorwiegend die Nerven, Harnleiter und Gefäße „ummauert“.
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Was ist eine Retroperitonealfibrose?
Die Retroperitonealfibrose ist eine relativ seltene Krankheit (1 zu 200.000), welche jedoch vorwiegend Männer betrifft. Die ersten Anzeichen einer Retroperitonealfibrose treten im mittleren Lebensalter auf. Die Retroperitonealfibrose wird des Weiteren in zwei Formen unterteilt: die idiopathische (primäre) und sekundäre Form (Ormond-Syndrom). Bei der primären Form, die auch als Morbus Ormond oder auch Albarran-Ormond Syndrom bekannt ist, liegt kein auslösendes Ereignis vor.
Mitunter gehen Mediziner davon aus, dass ein autoimmunologischer Prozess die Ursache der Entstehung war. Im Rahmen der sekundären Form (auch als Ormond-Syndrom bezeichnet), wird die Retroperitonealfibrose mitunter durch eine primäre biliäre Zirrhose, Morbus Crohn oder auch dem Sjögren-Syndrom, der Erdheim-Chester-Erkrankung oder auch auf Grund von Granulomatose oder durch eine Polyangiitis ausgelöst.
Joaquin Albarran, ein kubanischer Urologe, war der erste Mediziner, welche 1905 die Erkrankung beschrieb. 1948 folgte eine umfangreichere Beschreibung und Dokumentation durch John Kelso Ormond, einem Urologen aus den USA.
Ursachen
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Der Patient klagt üblicherweise über schwer lokalisierbare, dumpfe, jedoch nicht mit Koliken vergleichbaren Schmerzen, die vorwiegend im Hodensack, den Flanken oder auch im Rücken angegeben werden. In fast allen Fällen werden die Harnleiter ummauert; das führt zu einem Urinrückstau in die Nieren, sodass die Möglichkeit einer Hydronphrose besteht.
Mitunter können aber auch größere Arterien, die Aorta, periphere Nerven oder auch der Darmtrakt selbst, das Pankreas- und Gallensystem und Beckenorgane betroffen sein. Ein weiteres Anzeichen einer Retroperitonealfibrose sind geschwollene Beine; dies, da es in den Lymphgefäßen und Venen zu Abflussbehinderungen kommt. In wenigen Fällen treten entzündliche oder auch fibrotische Veränderungen von Pleura, Pericard, Nasennebenhöhlen, Augenhöhlen, Schilddrüse oder Mediastinum auf.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Damit die Retroperitonealfibrose nachgewiesen werden kann, erfolgt eine Histologie (Untersuchung des Feingewebes). Mitunter können aber bereits bildgebende Verfahren deutliche Hinweise darauf geben, dass eine Retroperitonealfibrose vorliegt. Die Diagnosesicherung, welche nur auf Grund bildgebender Verfahren besteht, wird dann zulässig, wenn eine Gewebeprobe ein zu hohes Risiko mit sich bringen würde.
Die Untersuchung mittels Kernspintomographie oder Computertomographie zeigen in vielen Fällen bereits eine deutliche Veränderung des Bindegewebes rund um die Aorta (deutliche Zunahme). Mitunter können auch schon Nierenarterien oder direkt befindlich benachbarte Strukturen betroffen sein.
Erkennt der Mediziner jedoch untypische Merkmale (Verdrängungserscheinungen, Vergrößerungen der Lymphknoten, atypische Lokalisation), muss eine Gewebsentnahme erfolgen. Dies deshalb, damit etwaige granulomatöse oder maligne Prozesse ausgeschlossen werden können.
Die Patienten sprechen im Regelfall gut auf eine immunsuppressive Therapie an. Da es bislang aber keine tatsächliche Therapieempfehlung gibt, muss jeder Fall individuell beobachtet, analysiert und in weiterer Folge behandelt werden. Nach einer Heilung besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Retroperitonealfibrose wieder auftritt.
Möglicherweise können während der Retroperitonealfibrose Nierenschäden auftreten, die auf Grund des Harnstaus entstehen. Die Mortalität (Sterblichkeit) beträgt zwischen 10 Prozent und 20 Prozent; neuesten Erkenntnissen und Studien zufolge, liegt die Mortalitätsrate jedoch bereits unter 10 Prozent, sodass heutzutage von einer deutlich besseren Heilungschance ausgegangen werden muss.
Komplikationen
Komplikationen können aber nur mit Hilfe einer solche Therapie verhindert werden. Von einer Kompression sind häufig die Nieren, die Harnleiter, die Aorta abdominalis, die Arteria iliacae communes und die Vena cava inferior betroffen. Durch die Kompression der Harnleiter kann es zu einem Rückstau von Urin kommen, der langfristig die Nieren schädigt. Als Folge entstehen oft Harnweginfektionen und Nierenbeckenentzündungen, die nur antibiotisch behandelt werden können. Der Harnstau führt langfristig zu schweren Nierenschäden, die in sehr schweren Fällen sogar eine Nierentransplantation notwendig machen.
Auch der Darm wird nicht selten in Mitleidenschaft gezogen. Das verstärkte Wachstum des Bindegewebes kann begünstigen, dass dieser verengt wird. Dabei besteht die Gefahr der Entwicklung eines Darmverschlusses, der sofort operativ behandelt werden muss, um das Absterben großer Teile des Darms zu verhindern. Des Weiteren können sich durch die Kompression großer Venen und der damit verbundenen Blutabflussstörungen Thrombosen bilden, die nur mit Hilfe Blut verdünnender Medikamente wieder abgebaut werden können.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Eine Retroperitonealfibrose sollte immer von einem Arzt behandelt werden. Es kommt bei dieser Erkrankung nicht zu einer Selbstheilung und in den meisten Fällen auch zu einer deutlichen Verschlechterung der Beschwerden. Die Retroperitonealfibrose kann auch nicht durch Mittel der Selbsthilfe behandelt werden, sodass eine ärztliche Untersuchung immer notwendig ist.
Der Arzt ist bei der Retroperitonealfibrose dann aufzusuchen, wenn der Patient unter starken Schmerzen am Hodensack leidet. Dabei können die Schmerzen auch am Rücken oder an den Flanken auftreten die Lebensqualität des Betroffenen erheblich einschränken. Weiterhin können auch angeschwollene Beine des Patienten auf die Retroperitonealfibrose hindeuten, die Schwellungen sollten dann von einem Arzt untersucht werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum auftreten und nicht wieder von alleine verschwinden.
In den meisten Fällen kann die Retroperitonealfibrose durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Urologen diagnostiziert und behandelt werden.
Behandlung & Therapie
Bislang gibt es keine kontrollierten Studien zu etwaigen Behandlungen oder Therapieansätzen. Dies deshalb, da die Retroperitonealfibrose relativ selten auftritt. Auf Grund der Seltenheit stützen sich die Empfehlungen vorwiegend auf Ergebnisse kleinerer Fallserien (Kasuistiken); mitunter wurden auch bereits erste Spontanheilungen (Spontanremissionen) dokumentiert.
Jene Spontanremissionen stellen aber die absolute Ausnahme dar. Im Regelfall liegt die Behandlungsdauer zwischen 12 und 24 Monate; ein neuerliches Auftreten der Retroperitonealfibrose kann nicht ausgeschlossen werden. Besteht eine Störung des Harntransports, muss der Mediziner den Abfluss wiederherstellen. Im Rahmen einer Operation wird dem Patienten eine innere Schienung (mit Katheter) angelegt. Möglicherweise muss auch der Harnleiter freigelegt werden. In seltenen Fällen, etwa dann, wenn eine chronische Infektion diagnostiziert wurde, muss eine Niere entfernt werden (Nephrektomie).
Da es bislang keine tatsächlichen Empfehlungen gibt, wie die Retroperitonealfibrose behandelt werden soll, liegen auch keine einheitlichen Pläne vor, welche Medikamente angeraten werden. Mediziner haben jedoch festgestellt, dass vor allem Immunsupressiva (Azathioprin oder auch Kortikosteroide) oder Tamoxifen erfolgversprechend sind. Auch Methotrexat, Cyclophosphamid, Cyclosporin A, Mycophenolat-Mofetil oder Colchizin wurden bereits erfolgreich eingesetzt.
Mitunter können aber auch spezielle Behandlungen erforderlich werden, wenn mitunter Komplikationen auftreten. Da der Darm eingeengt wird, ist ein Darmverschluss möglich. Der Darmverschluss muss operativ behandelt werden. Liegt eine Störung des Harnabflusses vor, kann mitunter eine Harnwegsinfektion auftreten.
Die Infektion kann sich bis zum Nierenbecken fortsetzen (Nierenbeckenentzündung), sodass der Patient mit Antibiotika behandelt werden muss. Besteht eine Einengung großer Venen, kann es in weiterer Folge zu Thrombosen oder Beeinträchtigungen des Blutabflusses kommen. In jenen Fällen werden gerinnungshemmende Substanzen verabreicht.
Vorbeugung
Da bislang keine Ursachen bekannt sind, weshalb eine Retroperitonealfibrose entsteht, gibt es auch keine vorbeugenden Maßnahmen. Wer jedoch unter Krankheiten leidet, die mit einer Retroperitonealfibrose in Verbindung stehen könnten, sollte - bei den ersten Anzeichen - einen Mediziner aufsuchen, damit geklärt wird, ob eine Retroperitonealfibrose vorliegt oder nicht.
Nachsorge
Dem Betroffenen stehen bei der Retroperitonealfibrose in den meisten Fällen nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte der Betroffene in erster Linie schon sehr früh einen Arzt aufsuchen, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden beim Betroffenen kommt. Je eher ein Arzt aufgesucht wird, desto aussichtsreicher ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung.
Daher sollte der Betroffene schon bei den ersten Anzeichen der Krankheit einen Arzt kontaktieren. Die meisten Patienten sind bei dieser Krankheit auf einen operativen Eingriff angewiesen, welcher die Beschwerden dauerhaft lindern kann. Nach einem solchen Eingriff sollte sich der Betroffene auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Von Anstrengungen oder von körperlichen und stressigen Tätigkeiten ist dabei abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten.
Ebenso können Maßnahmen einer Physiotherapie oder einer Krankengymnastik notwendig sein, wobei der Betroffene einen Teil der Übungen im eigenen Zuhause durchführen kann, um die Behandlung zu beschleunigen. Auch nach einem erfolgreichen Eingriff sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig, um den aktuellen Zustand der Retroperitonealfibrose zu überwachen. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Patienten.
Das können Sie selbst tun
Um ihre Lebensqualität zu verbessern, müssen sich Betroffene unbedingt an die ärztlich verordnete Kortisondosis halten. Der Körper stellt sich im Laufe der Behandlung auf die ihm zugeführte Dosis ein und reagiert, indem er die körpereigene Bildung von Kortison verringert oder gänzlich einstellt. Das Stresshormon Kortison ist für den Körper allerdings überlebenswichtig, da es an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist. Ein plötzliches Absetzen oder eine deutlich verringerte Dosis können zu bedrohlichen Stoffwechselstörungen, einem schweren Rückfall oder sogar zu Folgeerkrankungen führen.
Sämtliche Nebenwirkungen und Auffälligkeiten sollten vom Betroffenen notiert und im Rahmen der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen an den Arzt weitergegeben werden. Dieser kann entsprechend mit einer angepassten Medikamentendosis oder weiteren verordneten Therapeutika reagieren.
Einige Betroffene konnten durch eine gezielte Ernährungsumstellung auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung eine stetige Besserung erzielen. Solch eine Anpassung des Ernährungsplans kann mithilfe eines Ernährungsberaters optimal durchgeführt und auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Als Folge wird das Immunsystem gestärkt, überschüssiges Gewicht abgebaut und der Körper mit allen nötigen Mineralien und Vitaminen versorgt, die er für einen gut funktionierenden Stoffwechsel benötigt.
Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen kann Unsicherheit im Umgang mit der Erkrankung beseitigen. In Gesprächen erhält man viele Erfahrungswerte, Arztempfehlungen und hilfreiche Tipps für das alltägliche Leben und mögliche weitere Therapien.
Quellen
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013