Internetsucht

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Internetsucht oder Internetabhängigkeit ist ein modernes und erst seit wenigen Jahren bekanntes Phänomen: Hierbei kann der Betroffene nicht davon lassen, sich Informationen aus dem Internet zu besorgen oder im virtuellen Raum mit anderen Personen in Kontakt zu stehen. Die Erkrankung ist stets heilbar und bis auf wenige Ausnahmen ist die Internetsucht auch nicht mit Komplikationen verbunden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Internetsucht?

Die Grenzen zwischen dem normalen Gebrauch des Internets und einer Abhängigkeit sind fließend und nicht immer leicht zu bestimmen. Von einer Internetsucht muss ausgegangen werden, wenn der Betroffene ständig den Zwang verspürt, online zu gehen und dafür immer mehr Zeit aufwendet.
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Die Internetsucht ist grundsätzlich eine psychische Erkrankung. Wie es der Name bereits verdeutlicht, handelt es sich bei der Internetsucht um ein gestörtes Verhalten – nämlich jenem bei der Benutzung des Internets.

Wie bei allen anderen Suchterkrankungen und Zwängen hat auch der von der Internetsucht Betroffene das Gefühl, ohne die Verbindung zur Online-Welt nicht existieren zu können. Wie fremdgesteuert öffnet er bereits morgens den virtuellen Raum und verlässt ihn erst abends – teilweise sogar erst nach einigen Tagen.

Die Internetsucht hindert den Erkrankten daher meist an einer geregelten beruflichen Tätigkeit und einem normalen Sozialleben. In einigen wenigen Fällen kann die Internetsucht jedoch gesundheitliche Schäden mit sich bringen.

Ursachen

Die Internetsucht beginnt meist dort, wo es zur täglichen Arbeit oder zum Freizeitvertreib gehört, sich online nach Informationen umzusehen odr zu spielen. Oft wächst daraus eine gewisse Angewohnheit, ohne die der von der Internetsucht Befallene sich nicht wohlfühlt.

Damit ist jedoch unmerklich der Eintritt in die Krankheit bewältigt. Bei der Internetsucht handelt es sich somit um ein psychisches Leiden, das solche Personen trifft, die in der Regel ohnehin mental labil sind oder das Übermaß an Informationen nicht anders kanalisieren können.

Die Internetsucht basiert daher auch nicht auf Vorerkrankungen oder ähnlich gelagerte Fälle im familiären Umfeld. Ebenso wenig ist sie jahreszeitenabhängig. Die Internetsucht kann nur durch den Verkehr im Internet positiv oder negativ beeinflusst werden.

Weiterhin bilden Online Rollenspiele, sogenannte MMORPG - Massively Multiplayer Online Role-Playing Game, wie World of Warcraft oder Guildwars, eine extrem hohe Suchtgefahr auf ihre Spieler aus. Bei diesen Spielen hat der Spieler immer das Gefühl weiter aufsteigen zu müssen, um besser als die anderen zu sein. Diese Spiele haben zumeist kein klassisches Spielende, sondern bieten fast unendlich viele Möglichkeiten, seinen Spielcharakter weiter zu entwickeln. Ebenfalls kann eine Abhängigkeit hierbei entstehen, da häufig Freunde der Betroffenen mitspielen und diese eine gewisse soziale Bindung nicht abbrechen möchten.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Grenzen zwischen dem normalen Gebrauch des Internets und einer Abhängigkeit sind fließend und nicht immer leicht zu bestimmen. Von einer Internetsucht muss ausgegangen werden, wenn der Betroffene ständig den Zwang verspürt, online zu gehen und dafür immer mehr Zeit aufwendet. Andere Bereiche des Lebens werden zunehmend vernachlässigt, was Auswirkungen auf schulische und berufliche Leistungen, aber auch auf das Privatleben hat.

Internetsüchtige kapseln sich von Freunden und Familie ab und konzentrieren sich ganz auf virtuelle Freundschaften, denen ein unrealistisch hoher Stellenwert zugemessen wird. Exzessive Internetnutzung beeinträchtigt die kognitiven Fähigkeiten, was sich durch Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen und Aufmerksamkeitsdefizite bemerkbar machen kann. Haben die Betroffenen keine Möglichkeit, ihrer Sucht nachzugehen, leiden sie an Entzugserscheinungen, die von Antriebslosigkeit und Gereiztheit über Unruhe bis hin zu Aggressionen reichen können.

Körperliche Beschwerden in Verbindung mit dem zeitintensiven Gebrauch des Internets deuten ebenfalls auf Suchtverhalten hin: Häufig kommen Nacken- und Kopfschmerzen sowie Gelenkschmerzen vor, auch Sehstörungen sind möglich. Wenn die Nahrungsaufnahme vernachlässigt wird, kann das Körpergewicht stark absinken, andererseits führt der übermäßige Genuss von Fast Food oder Süßigkeiten in Kombination mit Bewegungsmangel häufig zu Übergewicht. Konzentrationsstörungen oder eine Kreislaufschwäche weisen oftmals auf eine Dehydrierung aufgrund mangelnder Flüssigkeitsaufnahme oder Schlafmangel infolge der Internetsucht hin.

Diagnose & Verlauf

Oft verläuft die Internetsucht schleichend. Aus dem gewohnten Nutzen der Onlinetätigkeiten wird ein zwanghaftes Verhalten. Die einst wichtigen Informationen gehen bei der Internetsucht immer häufiger mit einem sinnlosen Zeitvertreib einher.

Soziale Kontakte brechen früher oder später weg. Der Lebensinhalt, des von der Internetsucht Betroffenen, spielt sich auf virtuellen Plattformen ab. Freunde – im realen Leben meist nicht vorhanden – werden hier kontaktiert. Auch dabei handelt es sich nicht selten um solche Nutzer, die der Internetsucht anheimgefallen sind.

Je stärker die Krankheit ausgeprägt ist, umso stärker wird sie auch von Begleitsüchten wie dem Alkohol- oder Drogenkonsum beeinflusst. Die Internetsucht, die sich vorwiegend im sprichwörtlich stillen Kämmerlein abspielt, wird von Familienmitgliedern oder Bekannten meist sehr spät wahrgenommen.

Komplikationen

Internetsüchtige ziehen sich häufig zurück. Freunde und Familie treten in den Hintergrund – die gewonnene Zeit wird der Sucht geopfert. Am Arbeitsplatz kann die Internetsucht ebenfalls zu Komplikationen führen. Wenn der Betroffene auch während der Arbeitszeit privat surft, drohen ihm Konsequenzen. Vielen Süchtigen gelingt es dennoch nicht, das Verhalten ohne Hilfe zu unterlassen.

Neben der Internetsucht können andere substanzungebundene oder substanzgebundene Abhängigkeiten vorliegen. Häufig tritt die Internetsucht beispielsweise in Kombination mit Spielsucht (Computerspiele, Playstation) auf. Als Komplikation können sich weitere psychische Störungen entwickeln. Internetsüchtige können beispielsweise gleichzeitig depressiv sein.

Derartige Komplikationen begünstigen den sozialen Rückzug. Eine Vernachlässigung der Hygiene und Ernährung ist ebenfalls wahrscheinlicher, wenn bereits andere Komplikationen vorliegen. Internetsüchtige können zudem suizidgefährdet sein. Während einer Therapie oder bei eigenen Versuchen besteht die Gefahr, dass der Betroffene die Internetsucht nicht überwindet, sondern nur durch eine andere eine Sucht ersetzt.

Die Alternativ-Abhängigkeit kann sich sowohl auf ein anderes Medium beziehen (z. B. Fernsehen) oder auf ein ganz anderes Objekt (zum Beispiel Alkohol). Dem Süchtigen sollte dieses Risiko bewusst sein, damit er es umgehen kann. Ein Psychotherapeut achtet in der Regel ebenfalls darauf, dass der Klient sein Suchtproblem nicht nur verlagert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Internetsucht ist ein noch nicht ausreichend erforschter medizinischer Bereich. Daher gibt es noch keine klaren Vorgaben, ab wann ein Betroffener ärztliche Hilfe benötigt. Bestimmt das Internet den Lebensalltag, bestehen jedoch Probleme, die mit einem Arzt besprochen werden sollten. Kommt es zu einer Vernachlässigung der beruflichen sowie schulischen Pflichten oder der Körperhygiene, besteht Handlungsbedarf. Vergessen Betroffene die Nahrungszufuhr oder konsumieren sie ungewöhnlich viel Lebensmittel, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei einer Über- oder Unterversorgung des Organismus, ist eine Kontrolle der Vitalfunktionen anzuraten. Wirkt der Betroffene permanent geistig abwesend, stellt sich eine Interessenlosigkeit gegenüber allen anderen Lebensbereichen ein oder zeigen sich Entzugssymptome, wenn das Internet für einigen Stunden nicht genutzt werden kann, ist ein Arzt aufzusuchen.

Bei innerer Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit oder Schlafstörungen, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Kommt es zu einer starken Veränderung der Persönlichkeit und hysterischen Anfällen sobald das Internet ausfällt oder verlangsamt ist, benötigt der Betroffene Hilfe. Bei einem Rückzugsverhalten sowie dem vollständigen Verlust von weltlichen Freizeitaktivitäten sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei einer krankhaften Nutzung von im Internet angebotenen Glücksspielen oder Cybersex ist ärztliche Hilfe erforderlich.

Behandlung & Therapie

Da es sich bei der Internetsucht um eine psychische Erkrankung handelt, können die Leiden auch nur von einem Therapeuten nachhaltig behoben werden. Meist geschieht das in ambulanten Gesprächsrunden, wobei der Internetsucht genauer auf den Grund gegangen wird. Denn nicht selten sind auch andere Ängste, Wünsche oder seelische Leiden daran beteiligt.

In schwererwiegenden Fällen wird die Internetsucht bei der Behandlung medikamentös angegangen. Das ist oft in solchen Situationen der Fall, in denen der Betroffene sein zwanghaftes Verhalten in keiner Weise mehr beeinflussen kann. Ist die Internetsucht derart stark ausgeprägt, dass der Patient keinen Ausweg mehr sieht und sich in Alkohol, Drogen oder Selbstmordfantasien flüchtet, kann auch ein stationärer Aufenthalt in Betracht kommen.

Wichtig ist es bei alledem, den Leidenden sprichwörtlich in die reale Welt zurückzuholen und ihm die Illusion des virtuellen Raumes zu verdeutlichen. Er muss die erfreulichen wie traurigen Emotionen seines Lebens akzeptieren. Somit handelt es sich hierbei um eine therapierbare Krankheit, die oft nach wenigen Monaten starke Besserungen verzeichnet. Die Internetsucht ist damit heilbar.


Aussicht & Prognose

Die Prognose der Internetsucht ist nach den individuellen Gegebenheiten zu bewerten. Grundsätzlich gibt es nach den derzeitigen gesundheitlichen Regularien kein Zustand, der als Internetsucht diagnostiziert werden kann. Obgleich eine Internetsucht im Volksmund klar zu sein scheint, sind bislang keine festen Kriterien für diese Suchtform definiert. Aus diesem Grund ist auch eine Prognosestellung schwierig.

In den meisten Fällen liegen weitere Beschwerden vor, die ein gesamtes Bild vom Gesundheitszustand des Betroffenen zeichnen. Damit wird bei einer Vielzahl der Patienten eine andere psychische Erkrankung festgestellt und vorrangig behandelt. Die Internetsucht stellt ein Begleitsymptom dar und wird entsprechend eingestuft.

Bei einer Krankheitseinsicht und der Mitarbeit des Betroffenen kann die ständige Nutzung des Internets in einer Verhaltenstherapie gut behandelt werden. In einem festgelegten Therapieplan werden Veränderungen für eine Alltagsstruktur erarbeitet und Regeln für einen gesunden Umgang mit dem Internet erlernt.

Ein dauerhafter vollständiger Verzicht auf die Nutzung des Internets ist bei der heutigen Bedeutung eines Onlineservice nur selten umsetzbar. Aus beruflichen Gründen kann es oftmals nicht zu einer derartigen Entwicklung kommen. Vorübergehend wird die Praktik genutzt, damit der Fokus auf andere Lebensbereiche gerichtet werden kann. Im Anschluss wird ein harmonischer Umgang mit dem Internet trainiert, der im Normalfall erfolgreich ist.

Vorbeugung

Der Internetsucht lässt sich nur durch einen kontrollierten Gebrauch vorbeugen. Insbesondere die Eltern sollten hierbei auf ihre Kinder achten, damit aus dem anfangs geringen Umfang keine Internetsucht entsteht. Für alle anderen Personen kann nur Selbstdisziplin ein Schlüssel sein, der Krankheit zu entgehen. Wer den Computer häufiger ausgeschaltet lässt, kann eben von der Internetsucht nicht betroffen sein.

Nachsorge

Wie bei anderen Süchten ist auch bei der Internetsucht eine optimale Nachsorge wichtig, um das Risko für einen Rückfall bestmöglich zu minimieren. Dies ist in Zeiten von Multimedia besonders wichtig, da das weltweite Web nahezu überall präsent ist. Betroffene werden auch in der Phase der Nachsorge ständig mit dem Medium Internet konfrontiert.

Der Umgang damit wird für den Einzelfall mit dem Therapeuten abgesprochen. Dennoch geht es aber in der Regel darum, das Internet nicht komplett zu ignorieren, sondern die Konfrontation auszuhalten und nach und nach wieder einen bewussten Umgang zu erlernen.

Die Nachsorge kann beispielsweise so aussehen, die Internetnutzung nur für eine stark begrenzte Zeit am Tag zu erlauben und bestimmte Seiten wie zum Beispiel Spielcasinos oder Gaming auszuschließen. Auch eine sinnvolle Freizeitgestaltung muss von den meisten Betroffenen erst wieder erlernt werden und kann sinnvoll in die individelle Nachsorge integriert werden.

Das Betreiben von Hobbys wie Sport oder Musik sind hierfür ebenso Beispiele wie das Wiederaufnehmen alter Freundschaften, die durch die Internetsucht möglicherweise vernachlässigt wurden. Auch Selbsthilfegruppen für den Bereich Internetsucht bieten durch den Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten oft wertvolle Hilfe und begleiten den Weg der Nachsorge des Betroffenen mit konstruktiven Tipps.

Das können Sie selbst tun

Sucht kommt von Suchen. Etwas fehlt im realen Leben und wird in der virtuellen Welt gesucht. Speziell das Internet scheint für alles eine Lösung parat zu haben. Wenn der Aufenthalt im Netz länger andauert, als die Teilnahme am täglichen Leben, ist es Zeit, sich einigen Fragen zu stellen. In der Regel ist es ein Bedürfnis, welches in der realen Welt vermeintlich nicht zu stillen ist.

Daher heißt der erste Schritt: Gewohnheiten durchgehen. Auf welchen Seiten halte ich mich auf? Wo bleibt mein Blick hängen? Möglicherweise auch, was kompensiere ich? Dies setzt das Eingeständnis voraus, dass es sich um eine Sucht handelt und den Wunsch, diese unter Kontrolle zu bringen.

Der zweite Schritt ist das Nachdenken über die unerfüllten Bedürfnisse. Wonach sehne ich mich? Warum surfe ich lieber im Netz und beschäftige mich nicht anderweitig? Mit wem oder was möchte ich meine Zeit verbringen? Warum tue ich es nicht?

Der dritte Schritt lautet: Disziplin aufbringen, die Zeit im Internet reduzieren, auch wenn es schwer fällt. Um sich all dessen bewusst zu werden, hilft ein Therapeut, der mit den richtigen Fragestellungen der Sucht auf den Grund geht. Die genannten Selbsthilfemaßnahmen schaffen einen Überblick über das eigene Befinden, wenn sie ehrlich beantwortet werden.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Remschmidt, H.: Kinder- und Jugendpsychiatrie. Thieme, Stuttgart 2011

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