Kraniodiaphysäre Dysplasie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die kraniodiaphysäre Dysplasie ist eine angeborene Skeletterkrankung, die mit Hyperostose und Sklerose im Bereich des Gesichtsschädels assoziiert ist. Die Ursache ist eine genetische Mutation der knochenbauhemmenden Gene. Die Therapie ist symptomatisch und konzentriert sich darauf, den Krankheitsverlauf aufzuhalten.
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Was ist eine kraniodiaphysäre Dysplasie?
Bei Hyperostosen vermehrt sich die Knochensubstanz auf krankhafte Weise. Die Hyperostose des Schädels ist eine Gruppe von Krankheiten, die von einer solchen Vermehrung der Knochensubstanz im Bereich des Schädels in Zusammenhang steht. Als kraniodiaphysäre Dysplasie zeichnet sich durch eine angeborene Hyperostose des Schädels aus und zählt zu den Skeletterkrankungen.
Der australische Arzt John Halliday beschrieb die Erkrankung Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals. Die Häufigkeit wird mit einer Prävalenz unter einem Fall zu 1.000.000 Menschen angegeben. Das macht die Skeletterkrankung zu einer extrem seltenen Dysplasie des Schädels.
Mittlerweile wurde der Komplex aus Hyperostose und Stenose der Gesichts- und Schädelknochen auf eine genetische Ursache zurückgeführt. Aufgrund der bislang wenigen dokumentierten Fälle sind nicht alle Zusammenhänge der Erkrankung abschließend geklärt. Auch die Therapieoptionen halten sich aus diesem Grund zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Grenzen.
Ursachen
Die Mutation der SOST-Gene ist für eine Vielzahl von erblichen Knochenerkrankungen verantwortlich, so zum Beispiel für VDB. Bei einer Mutation kann das Gen seine hemmenden Aufgaben nicht mehr erfüllen und der Knochenbau wuchert aus. Das unterscheidet die Hyperostose der kraniodiaphysären Dysplasie grundlegend von anderen Hyperostosen.
Meist liegt diesen Erkrankungen nämlich eine Funktionsstörung der Osteoklasten oder Osteoblasten zugrunde. Die genetische Disposition gilt im Zusammenhang mit der Erkrankung als erwiesen. Welche anderen Faktoren für den Krankheitsausbruch eine Rolle spielen, ist nicht abschließend geklärt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Krankheitsbild der kraniodiaphysären Dysplasie wird durch verschiedene klinische Kriterien gekennzeichnet, die bereits im Säuglingsalter zur Manifestation finden. So besitzen betroffene Säuglinge meist stark verlegte Nasenwege, die ihnen Probleme beim Atmen bereiten können. Im späteren Krankheitsverlauf tritt in den meisten Fällen eine vollständige Obstruktion der Nasenwege ein.
Häufig verlegen sich nach diesem Phänomen außerdem die Tränenwege der Patienten. Am Unterkiefer der meisten Betroffenen bilden sich im Verlauf progradient anwachsende Nasenwülste aus knöcherner Substanz. Die Hyperostose des Gesichtsschädels schreitet fort und entwickelt sich zu einer Leontiasis ossea. Die Zahnentwicklung der Patienten ist in den meisten Fällen gestört oder tritt verzögert ein. Der Schädelbinnenraum engt sich im Krankheitsverlauf zunehmend ein.
Die Verengungen betreffen auch die Foramina und rufen eine konsekutive Optikusatrophie hervor. Begleitend dazu können Symptome wie Schwerhörigkeit und mehr oder weniger starke Kopfschmerzen vorliegen. In einigen Fällen leiden die Patienten mit zunehmender Einengung des Schädelbinnenraums zusätzlich an Krampfanfällen. Die Schäfte der langen Röhrenknochen weiten sich zunehmend auf.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Eine möglichst frühe Diagnose und unmittelbar daran anschließende Therapie verbessert die Prognose von Patienten mit kraniodiaphysärer Dysplasie erheblich. Einen ersten Verdacht auf die Hyperostose hegt der Arzt vermutlich schon durch Blickdiagnose. Als wichtigstes Diagnostikum gelten bildgebende Verfahren. So zeigen sich im Röntgenbild beispielsweise eine extreme Hyperostose und eine Sklerose aller Schädelknochen.
Die Schlüsselbeine oder Rippen können in der Bildgebung aufgeweitet wirken. Die fehlenden Diaphysen an den Röhrenknochen treten klar hervor. Auch eine abgrenzbare, nicht verdickte Kortikalis passt ins Krankheitsbild. Differentialdiagnostisch muss eine Abgrenzung zu Erkrankungen wie dem Engelmann-Syndrom getroffen werden. Für eine solche Differentialdiagnose bieten sich vor allem molekulargenetische Analysen an. Das Engelmann-Syndrom zeigt bei der Mutationsanalyse Veränderungen des TGFB1-Gens, während die kraniodiaphysäre Dysplasie das SOST-Gen betrifft.
Komplikationen
Die resultierenden Folgen der kraniodiaphysären Dysplasie bringen dem betroffenen Patienten ab dem Kleinkindalter zahlreiche lebenseinschränkende Komplikationen. Wird nicht rechtzeitig klinisch eingegriffen, schreitet das überschüssige Knochenwachstum voran. Der Schädelinnenraum verengt sich und die Zahnreihen bilden sich nicht adäquat aus. Das verdickende Knochenmaterial engt den Gehörgang ein und es droht eine Schwerhörigkeit bis hin zum Hörverlust.
Im Schädelraum entsteht zunehmend Platzmangel, Knochenablagerungen dringen in das Gehirn ein. Heftige Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Gesichtslähmung und Epilepsien entstehen sowie eine Minder- beziehungsweise Rückentwicklung der bereits geistig erworbenen Fähigkeiten. Eltern, deren Kinder von der kraniodiaphysären Dysplasie betroffen sind, sollten daher frühzeitig klinische Maßnahmen beanspruchen.
Nach der bildgebenden Abklärung greift im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die Differentialdiagnose. Eine grundlegende Therapie gegen die kraniodiaphysäre Dysplasie gibt es derzeit nicht. Es wird versucht, das unkontrollierte Fortschreiten des Knochenwachstums und dessen Folgen einzudämmen. Verschiedene Medikamente sowie eine kalziumreduzierte Diät ab dem Säuglingsalter helfen dem Betroffenen, das Symptom zu verringern.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die kraniodiaphysäre Dysplasie wird oft direkt nach der Geburt diagnostiziert. Ist dies der Fall, wird der zuständige Arzt umgehend die Eltern informieren und anschließend direkt die Behandlung einleiten. Bei weniger stark ausgeprägten Dysplasien erfolgt die Diagnose durch die Eltern. Ein Arztbesuch ist angezeigt, wenn das Neugeborene Probleme beim Atmen hat oder an tränenden Augen leidet. Auch äußerliche Auffälligkeiten wie die typischen Fehlbildungen im Gesicht und an den Zähnen deuten auf eine Erkrankung hin, die abgeklärt und behandelt werden muss.
Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen von Schwerhörigkeit oder Krampfanfällen bemerken, sollten einen Arzt aufsuchen. Selbiges gilt, wenn das Kind häufig über Kopfschmerzen klagt oder den Anschein von starken Schmerzen erweckt. Während der Behandlung muss das Kind regelmäßig einem Arzt vorgestellt werden. So wird sichergestellt, dass die Genesung ohne Komplikationen verläuft. Da die kraniodiaphysäre Dysplasie mit einer Reihe von Symptomen einhergeht, kann die Therapie Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen. Der Allgemeinmediziner wird zu diesem Zweck weitere Fachärzte hinzuziehen, immer abhängig davon, welche Symptome und Beschwerden sich zeigen. Typischerweise sind Neurologen, Internisten, Ohrenärzte, Chirurgen, Physiotherapeuten und Psychologen an der Behandlung beteiligt.
Behandlung & Therapie
Eine kausale Therapie existiert für Patienten mit kraniodiaphysärer Dysplasie bislang nicht. Eine solche Therapie wird in der Zukunft durch gentherapeutische Ansätze unter Umständen denkbar sein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Erkrankung aber ausschließlich symptomatisch behandelt werden. Das Ziel aller Therapiemaßnahmen ist es vor allem, das überschießende Knochenwachstum aufzuhalten. Dazu bieten sich verschiedene Schritte an.
Das Fortschreiten der Krankheit kann zum Beispiel medikamentös aufgehalten werden. Als Medikamente werden meist Calcitriol und Calcitonin verwendet. Da der Knochenbau auf Kalzium angewiesen ist, kann auch eine kalziumreduzierte Ernährung Sinn machen. Diese spezielle Diät sollte auf lange Sicht Anwendung finden und idealerweise das gesamte Leben der Patienten begleiten.
Positive Wirkungen hat auch die medikamentöse Versorgung der Patienten mit dem künstlichen Glucocorticoid Prednison gezeigt. Je früher mit der Therapie begonnen wird, desto vielversprechender ist die Aussicht. Die Hyperostose kann bei extrem früher Behandlung schon in den ersten Lebensjahren zu einem Stillstand gebracht werden. Auf diese Weise reduzieren sich die Folgesymptome drastisch.
Unter Umständen können im Rahmen der Therapie auch chirurgische Korrekturen vorgenommen werden. Bevor der Krankheitsverlauf nicht unter Kontrolle gebracht wurde, machen solche Korrekturen aber meist nur wenig Sinn.
Aussicht & Prognose
Bei der angeborenen, aber sehr selten auftretenden Kraniodiaphysären Dysplasie liegt eine nicht reparierbare genetische Mutation vor. Daher ist die Prognose für die Betroffenen nicht allzu gut. Die Mediziner können lediglich versuchen, die Symptome und Folgeerscheinungen des zunehmenden Knochenwachstums im Kopfbereich zu behandeln. Die Therapie kann lediglich den Verlauf der Erkrankung hinauszögern. Die Vermehrung der Knochensubstanz schreitet bei der Kraniodiaphysäre Dysplasie unaufhaltsam voran.
Da die heutigen Therapieoptionen die zugrunde liegende Mutation nicht bereits im Embrystadium zurückbilden können, werden noch weitere Generationen Betroffener darunter leiden. Auffällig ist bei der Kraniodiaphysären Dysplasie eine familiäre Häufung. Die Erscheinungen, die mit der Kraniodiaphysären Dysplasie einhergehen, sind bereits beim Säugling festzustellen. Da sich alle Knochenverwachsungen im Schädelbereich abspielen, sind auch die oberen Atemwege sowie die Hör- oder die Sehfähigkeit von ihnen betroffen.
Zudem wird auch der Schädelinnenraum zunehmend von der Knochenbildung erfasst. Das limitiert die Therapieansätze für die nachfolgenden Beschwerden. Je früher die Diagnose gestellt werden kann, desto besser ist die Langzeitprognose. Durch eine kalziumarme Diät wird das zunehmende Knochenwachstum gehemmt. Außerdem können schon im Säuglingsalter entsprechende Medikamente sowie Prednison verabreicht werden.
Die besten Erfolge erzielt eine interdisziplinäre Behandlungsstrategie. Eine chirurgische Intervention macht bei der Kraniodiaphysären Dysplasie nur dann Sinn, wenn der Krankheitsfortschritt erfolgreich eingedämmt wurde.
Vorbeugung
Vorbeugemaßnahmen für die kraniodiaphysäre Dysplasie existieren bisher nicht. Bei der Erkrankung handelt es sich um eine genetische Erkrankung, die mit einer familiären Disposition assoziiert ist. Daher können einzig und allein molekulargenetische Beratungen als eine Art Vorbeugemaßnahme in Anspruch genommen werden.
Nachsorge
Bei dieser Krankheit stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen nur sehr wenige Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Diese kann in einigen Fällen sogar komplett eingeschränkt sein, sodass der Betroffene auf eine rein symptomatische Behandlung der Krankheit angewiesen ist. Eine Selbstheilung kann dabei nicht eintreten, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt.
Daher sollte der Betroffene bei einem Kinderwunsch eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen, damit die Erkrankung nicht erneut bei den Kindern auftritt. Die Behandlung selbst erfolgt dabei in der Regel mit Hilfe von verschiedenen Medikamenten, die die Beschwerden dauerhaft lindern und einschränken können. Hierbei ist immer auf eine regelmäßige Einnahme zu achten, wobei auch die richtige Dosierung zu beachten ist.
Bei Kindern sollten vor allem die Eltern die richtige Einnahme und Anwendung kontrollieren. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen von einem Arzt notwendig, um den Zustand der Erkrankung dauerhaft zu überprüfen. Durch operative Eingriffe können die meisten Fehlbildungen korrigiert werden. Viele der Betroffenen sind in ihrem Alltag auch auf eine psychologische Unterstützung der eigenen Familie angewiesen, welche sich positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung auswirkt. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Patienten.
Das können Sie selbst tun
Bei der Kraniodiaphysären Dysplasie stehen dem betroffenen Patienten nur bedingt wirksame Maßnahmen zur Verfügung, die den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen. An erster Stelle steht eine angemessene Therapie der Kraniodiaphysären Dysplasie durch ein Team aus Fachärzten. Die Erkrankung beginnt sich bereits im Säuglingsalter zu manifestieren, sodass es zunächst vor allem die Eltern sind, die zur Lebensqualität der betroffenen Kinder beitragen. Bei etwaigen stationären Aufenthalten der kindlichen Patienten ist es oftmals sinnvoll, wenn die Eltern im Krankenhaus anwesend sind und das Kind dadurch seelische Unterstützung erfährt.
Im Verlauf der Erkrankung ergeben sich oft Störungen bei der Entwicklung der Zähne, sodass die Patienten häufig auf eine kieferorthopädische Therapie angewiesen sind. Dabei ist auch die eigene Mitarbeit gefragt, was das Tragen von Zahnspangen anbelangt. Zudem gibt es Hinweise, dass eine kalziumarme Ernährungsweise das Fortschreiten der Kraniodiaphysären Dysplasie eindämmt. Auch hier verfügen die Patienten über einen erheblichen Spielraum, was ihre Mitarbeit und damit ihre Lebensqualität betrifft.
Bedingt durch die Atemprobleme verzichten die Patienten auf bestimmte Sportarten, üben aber mit einem Physiotherapeuten trainierte Kräftigungsübungen auch zu Hause, wenn dies ärztlich erlaubt ist. Kinder mit Kraniodiaphysärer Dysplasie erhalten in Sonderschulen eine angemessene Bildung.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015