Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel

Der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MACD-Mangel) stellt eine genetisch bedingte Stoffwechselstörung dar, bei welcher mittelkettige Fettsäuren nur unzureichend abgebaut werden. Unter bestimmten Bedingungen kann es zu gefährlichen Stoffwechselentgleisungen kommen, die unter Umständen tödlich enden. Bei einem frühzeitigen Beginn einer Therapie ist die Erkrankung gut beherrschbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel?

Die Ursache für den Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ist in einer Fehlfunktion des MCAD-Enzyms zu suchen.
© royaltystockphoto – stock.adobe.com

Beim Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ist der Abbau mittelkettiger Fettsäuren aufgrund genetischer Ursachen gestört. Diese können nicht mehr ausreichend zur Energiegewinnung herangezogen werden. Daher ist der Körper gezwungen, Kohlenhydrate und Aminosäuren in verstärktem Maße abzubauen.

Wenn der Energiebedarf durch höhere körperliche Belastungen, Wachstumsprozesse oder Infektionen steigt, werden die Kohlenhydratreserven des Körpers und körpereigene Proteine verstärkt zur Energiegewinnung verwendet. Das Gleiche gilt auch bei längerer Nahrungskarenz. Normalerweise wird unter diesen Bedingungen der Fettsäureabbau durch Betaoxidation forciert.

Das ist jedoch bei einem MACD-Mangel nicht ausreichend möglich. Der daraus resultierende verstärkte Abbau von Glukose führt zur gefährlichen Unterzuckerung. Durch den forcierten Abbau von Aminosäuren steigt gleichzeitig der Ammoniakgehalt im Blut. Das für den Energiestoffwechsel wichtige Karnitin ist erniedrigt, weil es Verbindungen mit den sich ansammelnden mittelkettigen Fettsäuren eingeht.

Die Verbindungen stellen Zwischenprodukte des Fettsäureabbaus dar. Da der weitere Abbau der mittelkettigen Fettsäuren durch ein fehlerhaftes Enzym im Acyl-Hydrogenase-Komplex blockiert ist, entwickelt sich ein sekundärer Karnitinmangel. Eine starke Abweichung der entsprechenden Werte kann zu lebensgefährlichen Komplikationen führen. Unbehandelt nehmen die durch diese Störung verursachten Stoffwechselentgleisungen zu etwa 25 Prozent einen tödlichen Verlauf.

Insgesamt gehört der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen und ist Bestandteil der Untersuchungen im Rahmen eines Neugeborenenscreenings. Eine rechtzeitige Feststellung des verantwortlichen Gendefekts ist für eine effektive Therapie notwendig. Mit geeigneten Therapiemaßnahmen ist diese Erkrankung gut behandelbar.

Ursachen

Die Ursache für den Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ist in einer Fehlfunktion des MCAD-Enzyms zu suchen. Durch eine autosomal-rezessive Mutation des MCAD-Gens, welches sich auf Chromosom 1 befindet, wird das Enzym in seinen Faltungseigenschaften beeinträchtigt. Es kommt zu einem fehlgefalteten Enzym, welches im Rahmen einer Proteinqualitätskontrolle ausgesondert und abgebaut wird.

Dadurch ist zu wenig Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase vorhanden. Mittelkettige Fettsäuren werden dann nur noch mangelhaft abgebaut. Wie bereits erwähnt, ist eine autosomal-rezessive Mutation des MCAD-Gens für diese Erkrankung verantwortlich. Bei einer autosomal-rezessiven Vererbung besitzt der betroffene Patient zwei defekte Gene, die mit jeweils einer Kopie von beiden Elternteilen übertragen wurden.

Personen mit nur einem mutierten Gen erkranken nicht. Daher wird die Erkrankung auch nicht von Generation zu Generation vererbt. Wenn beide Elternteile für jeweils ein defektes Gen heterozygot sind, beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Nachkommen 25 Prozent, an MCAD-Mangel zu erkranken.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ist durch die Neigung zu Hypoglykämie, Krämpfen und komatösen Zuständen charakterisiert. Die ersten Symptome erscheinen meist zwischen dem zweiten Lebensmonat und dem vierten Lebensjahr. Sie werden durch Infekte oder längere Nahrungskarenzen ausgelöst und äußern sich durch Durchfälle, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen sowie Krampfanfälle.

Die Leber kann vergrößert sein. Bei jeder Stoffwechselentgleisung sind die Blutzuckerwerte erniedrigt, die Ammoniakwerte im Blut erhöht und der Karnitinspiegel erniedrigt. Je stärker die Abweichungen sind, desto größere Gefahren bestehen, in ein lebensgefährliches Koma zu fallen. Es gibt jedoch auch Formen von MCAD-Mangel mit wesentlich milderen Symptomen.

In manchen Fällen treten überhaupt keine Krankheitserscheinungen auf. Hier weisen nur Laboruntersuchungen auf einen entsprechenden Gendefekt hin. Auch bei den schwerer erkrankten Patienten bestehen zwischen den Stoffwechselentgleisungen immer symptomfreie Phasen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Ein Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel kann im Rahmen eines Neugeborenenscreenings mittels der Tandem-Massenspektroskopie nachgewiesen werden. Bei dieser Methode werden Bruchstücke von Acyl-Karnitinen bestimmt. Die Konzentration von Octanoylcarnitin gilt hierbei als Leitparameter. Wenn die Werte erhöht sind, kann eine DNA-Analyse zur Bestätigung der Diagnose beitragen.

In der akuten Phase der Erkrankung können Hypoglykämie, erhöhte Ammoniakwerte sowie erhöhte Werte von mittelkettigen Fettsäuren in Form von Dicarboxylsäuren im Urin festgestellt werden. Außerdem besteht eine Hyperurikämie (erhöhte Harnsäurewerte im Urin) und es zeigen sich Anzeichen einer Leberfunktionsstörung. Manchmal sind auch die Myoglobinwerte im Urin erhöht.

Komplikationen

Der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel kann im schlimmsten Falle tödlich für den Patienten enden. Um schwere Komplikationen und Folgeschäden zu vermeiden muss daher eine frühzeitige Behandlung dieser Krankheit stattfinden. In den meisten Fällen leiden die Betroffenen dabei an starken Krämpfen, die auch mit Schmerzen verbunden sind.

Ebenso kann es durch den Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel zu einem Koma oder zu einem Bewusstseinsverlust kommen, sodass der Alltag des Betroffenen durch die Beschwerde deutlich eingeschränkt ist. Es treten Störungen des Bewusstseins auf und die Betroffenen leiden an Durchfällen und an Erbrechen. In vielen Fällen kommt es auch zu einer Vergrößerung der Leber, die ebenso mit Schmerzen verbunden ist.

Sollte sich der Betroffene in einem Koma befinden, kann sich dieser Zustand auch negativ auf die Psyche der Angehörigen oder der Eltern und Kinder auswirken und bei diesen Menschen zu Depressionen oder zu anderen psychischen Verstimmungen führen. In der Regel kann der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel relativ gut behandelt werden, wenn er schon früh diagnostiziert wird.

Dabei kommt es nicht zu besonderen Komplikationen. Erst bei einer späten Diagnose und Behandlung können verschiedene Komplikationen auftreten, sodass der Betroffene zum Beispiel auf einen operativen Eingriff angewiesen ist.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Heißhungerattacken und damit verbunde Symptome wie Übelkeit sowie Erbrechen sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Kommt es zu Störungen der Konzentration, einem Unwohlsein oder einer Abnahme des Leistungsniveaus, wird ein Arzt benötigt. Bei Schmerzen, Krämpfen und einem Anfallsleiden sollte unverzüglich ein Arztbesuch erfolgen. Antriebslosigkeit, Appetitverlust oder eine erhöhte Infektanfälligkeit sind untersuchen und behandeln zu lassen. Da die Erkrankung im Alter von sechs Monaten bis zum vierten Lebensjahr die ersten Symptome zeigt, unterliegen insbesondere Kleinkinder einem möglichen Erkrankungsrisiko. Zeigen die Betroffenen eine auffällige Veränderung ihres Gewichts, kommt es zu einer Teilnahmslosigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten, ist ein Arzt zu konsultieren.

Bei Störungen des Bewusstseins ist eine erhöhte Wachsamkeit notwendig. Da die Gefahr eines Unfalls oder einer Verletzung durch das verminderte Bewusstsein für den Betroffenen zunimmt, besteht Handlungsbedarf. Zeigt sich ein komatöser Zustand oder kommt es zu einem Ausfall des Bewusstseins, sollte ein Rettungsdienst alarmiert werden. Gleichzeitig sind bis zu dessen Eintreffen Erste-Hilfe-Maßnahmen erforderlich. Schwellungen des Oberkörpers, Müdigkeit, Abgeschlagenheit sowie eine innere Unruhe und erhöhte Reizbarkeit sollten einem Arzt vorgestellt werden. Charakteristisch für die Erkrankung ist eine phasenweise Zurückbildung aller Beschwerden. Trotz der symptomfreien Zeit, ist ein Arztbesuch anzuraten, sobald sich zum wiederholten Mal Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zeigen.

Behandlung & Therapie

Wenn die Diagnose frühzeitig gestellt wird, ist die Prognose der Erkrankung sehr gut. Dann können rechtzeitig prophylaktische Maßnahmen eingeleitet werden, die Stoffwechselkrisen auch in schwierigen und belastenden Situationen verhindern. Wichtig ist das Vermeiden von längeren Nahrungskarenzen und Infektionen.

Eine Nahrungskarenz sollte nicht länger als zwei Stunden dauern. Auch für die Vorbereitung von eventuellen Operationen ist die Kenntnis dieser Erkrankung notwendig. Viele nicht unbedingt nötige Operationen sollten deshalb nicht durchgeführt werden. Wenn eine Operation nicht vermieden werden kann, ist zur Verhinderung einer Stoffwechselentgleisung eine künstliche Ernährung mit Glukoselösung unbedingt erforderlich.

Auch eine akute Stoffwechselentgleisung lässt sich nur durch eine Infusion mit Glukoselösung überwinden. Da Karnitin fehlt, ist auch eine orale Verabreichung von Karnitin sinnvoll. Des Weiteren kann die Gabe von Riboflavin zur Verbesserung des Fettstoffwechsels führen, weil es ein Koenzym beim Fettsäureabbau darstellt.


Aussicht & Prognose

Beim Vorliegen eines Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangels ist die Prognose positiv, wenn die Diagnose möglichst frühzeitig erfolgt. Dieser angeborene Stoffwechseldefekt kann jedoch unter bestimmten Bedingungen zu schwerwiegenden Stoffwechselentgleisungen mit Todesfolge führen.

Problematisch ist, dass sich ein Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel im klinischen Bild variabel gestaltet. Daher sind Fehldiagnosen nicht auszuschließen. Die Symptome des Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangels machen sich bereits bei Neugeborenen bemerkbar. Um die Aussichten für Betroffene zu verbessern, wird heute meist ein Stoffwechselscreening bei Neugeborenen durchgeführt.

Die Lebensbedingungen sind gut, solange der Betroffene längere Phasen des Nüchtern-Seins oder des Hungerns vermeidet. Er sollte eine fettarme Ernährungsweise pflegen, in der Kohlenhydrate in ausreichender Menge enthalten sind. Außerdem muss ein Carnitin-Mangel versorgt werden. Um einer drohenden Stoffwechselentgleisung vorzubeugen, kann auch die Gabe von Glukose-Elektrolyt-Infusionen erwogen werden.

Notfälle und drohende Stoffwechselentgleisungen stellen ein hohes Risiko dar. Daher sind vom Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel Betroffene gegebenenfalls umgehend einer stationären Behandlung zuzuführen. Die MCAD-Betroffenen tragen einen Notfallausweis bei sich, der sie als Patienten mit einem Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ausweist.

Schlechter sind die Aussichten für Menschen mit einem Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel, wenn diese Infekte erleiden oder fasten. Auch die Nüchternheit vor einer Operation birgt große Risiken. Bei Stoffwechselentgleisungen kann es zu einer hypoketotischen Hypoglykämie oder einer metabolischen Azidose kommen. Beim Auftreten neurologischer Symptomen wie Hypotonie oder Lethargie können Bewusstlosigkeit oder der Tod eintreten.

Vorbeugung

Weil der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel genetisch bedingt ist, gibt es keine Empfehlung zu dessen Vorbeugung. Bei familiärer Häufung ist eine humangenetische Beratung sinnvoll, wenn Kinderwunsch besteht. Durch DNA-Untersuchungen können die defekten Gene nachgewiesen werden.

Wenn beide Elternteile jeweils ein mutiertes Gen besitzen, besteht für die Nachkommen ein 25-prozentiges Risiko, an einem Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel zu erkranken. Wird bei dem Neugeborenenscreening ein MCAD-Mangel festgestellt, ist eine umfassende ärztliche Kontrolle zur Verhinderung von Infektionen notwendig. Die Ernährung muss auf eine kohlenhydratreiche und fettarme Diät eingestellt werden.

Nachsorge

Da die peroxisomale Krankheit auf einem Gendefekt beruht, können in der Therapie lediglich ein paar wenige Symptome gemildert werden, ohne die Erkrankung ganz heilen zu können. Aus diesem Grund gibt es in diesem Sinne keine eigentliche Nachsorgebehandlung, dafür intensive Symptombehandlung zur Linderung einiger Leiden.

Im Allgemeinen wird den Betroffenen und Angehörigen zur Unterstützung des Immunsystems zu einer gesunden Lebensweise mit ausgewogener Ernährung geraten. Dieser wird zur Stabilisierung auch bestimmte Entspannungs- und Mentaltechniken vorschlagen sowie zu möglichst vielen Freizeitaktivitäten raten. Seelische Ausgeglichenheit erleichtert den Umgang mit der Erkrankung und kann mitunter die Genesung fördern. Sollten die bereits einmal betroffenen Eltern einen weiteren Kinderwunsch hegen, wird ihnen eine genaue genetische Untersuchung empfohlen, um die Wahrscheinlichkeit eines weiteren erkrankten Kindes vorab festzustellen.

Das können Sie selbst tun

Der Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel ist eine Stoffwechselerkrankung, die gut behandelt werden kann, wenn sie frühzeitig erkannt wird. Eine wichtige Selbsthilfemaßnahme besteht darin, den Stoffwechsel durch eine Diät und ausreichend Bewegung zu regulieren. Personen, die regelmäßig Medikamente einnehmen oder Tätigkeiten nachgehen, die den Stoffwechsel negativ beeinflussen, sollten mit dem Hausarzt sprechen. Durch eine entsprechende Therapie kann der Stoffwechsel optimiert und dadurch auch der MCADD gut behandelt werden.

Neben der ärztlichen Behandlung ist auch eine alternative Therapie möglich. Naturheilmittel wie Baldrian oder Salbei können durch ihre schmerzlindernde Wirkung und andere positive Effekte einen guten Einfluss auf den Heilungsverlauf haben. Um etwaige Risiken und Nebenwirkungen zu minimieren, sollte die Anwendung entsprechender Präparate zunächst mit dem zuständigen Arzt besprochen werden.

Eltern, deren Kind an einem MCADD gestorben ist, sollten eine Traumatherapie in Anspruch nehmen. Bei einer erneuten Schwangerschaft sollte frühzeitig ein Screening durchgeführt werden, damit ein etwaiger Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel festgestellt und der plötzliche Säuglingstod abgewendet werden kann. Die betroffenen Kinder bedürfen einer andauernden Beobachtung, damit bei etwaigen Komplikationen umgehend der ärztliche Notdienst bzw. der Rettungsdienst kontaktiert werden kann.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

Das könnte Sie auch interessieren